Piraterie — Seesicherheit — Anmerkungen zu einem komplexen Thema

Ver­fas­sungswirk­lichkeit ste­ht mit Lebenswirk­lichkeit nicht im Ein­klang

Deutsche Marine und Bun­de­spolizei See haben die Möglichkeit­en, die der gültige Geset­zes­rah­men zulässt, durch gemein­same Übun­gen und Abstim­mungen aus­geschöpft. Dabei ist umso klar­er gewor­den, wo die Gren­zen liegen, und die Notwendigkeit, die klar erkan­nten Sicher­heit­slück­en durch poli­tis­che Entschei­dun­gen zu schließen, ist offenkundig. Die immer wieder disku­tierte Notwendigkeit ein­er Ergänzung des Grundge­set­zes hat nicht zu einem sach­lich begrün­de­ten Ende geführt. Analysiert man die Artikel § 35, § 24, und § 87a und betra­chtet sie aus der Sicht der Lebenswirk­lichkeit unser­er Zeit und ihren Bedin­gun­gen, dann ist festzustellen, dass die Ver­fas­sungswirk­lichkeit mit dieser Lebenswirk­lichkeit nicht mehr im Ein­klang steht. 

Hand­lungs­be­darf beste­ht hier vor dem Hin­ter­grund neuer Bedro­hun­gen, aber auch um einge­gan­gene inter­na­tionale Verpflich­tun­gen erfüllen zu kön­nen. Ich ver­weise auf Pro­lif­er­a­tion, Dro­gen­han­del, ille­gale Migra­tion und eben auch auf die Pira­terie. Auch in diesen Bere­ichen wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis die Staatenge­mein­schaft, Vere­inte Natio­nen und Europäis­che Union, eine nationale Recht­slage ein­fordert, die es deutschen Sicher­heit­sor­ga­nen ins­ge­samt und der Bun­deswehr im Beson­deren erlaubt, einen ihren Fähigkeit­en entsprechen­den Beitrag zur Sicher­heit zu erbringen. 

Hier spreche ich nur über die Seesicher­heit und so bleibt festzustellen, dass sowohl der Sicher­heit­srat der Vere­in­ten Natio­nen als auch die Europäis­che Union für die mar­iti­men Ein­sätze sehr robuste Man­date beschlossen haben. 

Marineforum - Fregatte KARLSRUHE begleitet Kreuzfahrtschiff DEUTSCHLAND (Foto: Dt. Marine)
Fre­gat­te KARLSRUHE begleit­et Kreuz­fahrtschiff DEUTSCHLAND
Bildquelle: Dt. Marine

Wenn der Bun­destag dem Ein­satz der Deutschen Marine an der EU-Oper­a­tion Ata­lan­ta, um das aktuell­ste Beispiel zu benen­nen, mit großer Mehrheit zus­timmt, dann muss der Bun­destag auch dafür Sorge tra­gen, dass die Sol­dat­en ihren Auf­trag best­möglich erfüllen kön­nen. Die Zus­tim­mung des Par­la­ments für Ein­sätze der Stre­itkräfte ist richtig und wichtig. Aber ich sehe mit Bedauern, das viele Par­la­men­tari­er dies eher als ein Recht zur Detailkon­trolle nutzen, denn dazu, Ver­ant­wor­tung für den poli­tis­chen Teil, der mit jedem Ein­satz ver­bun­den ist, auch wirk­lich wahrzunehmen. Hierzu gehört es auch, den Sol­dat­en einen klaren Recht­srah­men mit in den Ein­satz zu geben und nicht, wie im Fall Ata­lan­ta, wichtige Fra­gen wie die des Umgangs mit fest­ge­set­zten oder festgenomme­nen Ver­brech­ern, offen zu lassen. Dass auch andere Staat­en hier Neu­land betreten, ist offen­sichtlich. Aber eben­so ist es offen­sichtlich, dass diese Staat­en dabei sind, Lösun­gen zu find­en. Manch­mal benei­denswert prag­ma­tis­che Lösun­gen, aber oft eben auch neue, rechtliche Lösun­gen, die am Ende eines poli­tis­chen Entschei­dung­sprozess­es stehen. 

Es stellt sich auch aus nationaler wie inter­na­tionaler Betra­ch­tung die Frage, welche poli­tis­chen und diplo­ma­tis­chen Ini­tia­tiv­en den jew­eili­gen Ein­satz der Stre­itkräfte begleit­en. Wenn alle Ver­ant­wortlichen immer wieder zu Recht beto­nen, dass die Lösung für die Bedro­hung durch die organ­isierte Krim­i­nal­ität, die Pira­terie, an Land liegt, dann erfordert das doch den verzugslosen Beginn solch­er Aktiv­itäten – alleine, bilat­er­al oder im Rah­men der Europäis­chen Union. Die zahlre­ichen Ver­bände, Schiffe und Flugzeuge im Ein­satz ver­schaf­fen der Poli­tik die Zeit und die Sicher­heit, um mit anderen Mit­teln an Land mit dem Ver­such der Sta­bil­isierung zu begin­nen. Ich habe mit Freude fest­gestellt, dass die Europäis­che Union mit ihrem Rat und der Kom­mis­sion hier Vieles und Gutes leis­tet. Ich bezweifele aber, dass dies aus­re­ichen wird. Ich habe auch fest­stellen kön­nen, dass europäis­che und asi­atis­che Staat­en sich erhe­blich für die Seesicher­heit engagieren und zwar sowohl finanziell, als auch in der Aus­bil­dung und der Unter­stützung poli­tis­ch­er Initiativen. 

Die Bun­desre­pub­lik Deutsch­land ist der drittgrößte Schiff­s­stan­dort der Welt. Wir sind durch unseren Han­del, durch unsere Abhängigkeit von Rohstof­fen zu Pro­duk­tion und Energiev­er­sorgung, durch die Unterze­ich­nung von inter­na­tionalen Vere­in­barun­gen ein unmit­tel­bar­er Nutznießer von sicheren See­verbindun­gen. Und in der Sta­tis­tik der über­fal­l­enen Schiffe im ver­gan­genen Jahr führen wir bedauer­licher­weise auch mit großem Abstand. Ist das alles nicht Grund genug, um zu han­deln? Von den in Geisel­haft genomme­nen und über Monate hin­weg gequäl­ten Besatzun­gen gar nicht zu reden. 

Ich ziehe fol­gen­des Resümee:
Die Recht­slage auf See bedarf der Regelung, sie weist erhe­bliche Lück­en auf und erfordert das Han­deln der Staatenge­mein­schaft. Die Vere­in­ten Natio­nen haben mit der »Inter­na­tion­al Mar­itime Organ­i­sa­tion« eine zen­trale Ansprech­stelle, die sich um die Recht­slage und die Verbesserung der Seesicher­heit bemüht. Zahlre­iche staatliche und nicht­staatliche Organ­i­sa­tio­nen ergänzen diese Aktiv­itäten und manch­mal konkur­ri­eren sie auch um die beste Lösung miteinander. 

Es scheint mir an der Zeit zu sein, dass auch die Bun­desre­pub­lik Deutsch­land sich mit dieser Sach­lage – offen und an der Sicher­heit­slage ori­en­tiert – befasst. 

Dazu gehört eine per­son­elle Beteili­gung in diesen Organ­i­sa­tio­nen eben­so, wie eine noch bessere nationale Abstim­mung aller mar­iti­men Belange und eine an gemein­samen Sicher­heitsin­ter­essen aus­gerichtete Zusam­me­nar­beit zwis­chen den Reed­ern, Char­ter­ern und Schiff­s­man­agern mit der Deutschen Marine und den für die Sicher­heit zuständi­gen staatlichen Organen. 

Aber in erster Lin­ie kommt es darauf an, Vor­sorge zu tre­f­fen und auf nationaler Ebene zu ein­er Zusam­men­fas­sung der zahlre­ichen Akteure zu kom­men und eine klare Führungsstruk­tur zu schaf­fen. Und par­al­lel dazu ist ein weitaus stärk­eres inter­na­tionales Engage­ment zur Sicherung der Seewege notwendig, von der wir prof­i­tieren, wie kaum eine andere Nation. 

Team GlobDef

Seit 2001 ist GlobalDefence.net im Internet unterwegs, um mit eigenen Analysen, interessanten Kooperationen und umfassenden Informationen für einen spannenden Überblick der Weltlage zu sorgen. GlobalDefence.net war dabei die erste deutschsprachige Internetseite, die mit dem Schwerpunkt Sicherheitspolitik außerhalb von Hochschulen oder Instituten aufgetreten ist.

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