Deutschland — Bedeutung der Sicherheit zur See für freien Handel und politische Handlungsfähigkeit

Ata­lan­ta: Grund­la­gen der Verantwortlichkeiten

Ata­lan­ta: Grund­la­gen der Ver­ant­wortlichkeit­en
Bevor ich meinen Blick von der Ein­sat­zlage abwende, lassen Sie mich auch ein paar kri­tis­che, aber notwendi­ge Anmerkun­gen zum Ein­satz Ata­lan­ta hinzufü­gen. Notwendig deshalb, weil Presseartikel, Leser­briefe, Blogs u.a. Sachver­halte unpräzise, zum Teil auch ver­fälschend darstellen und dem Fachkundi­gen ver­rat­en, dass oft Nichtwissen die Wurzel des Übels ist. Dies birgt die Gefahr in sich, dass die Pro­fes­sion­al­ität des han­del­nden Kom­man­dan­ten, der Hub­schrauberbe­satzun­gen, der Mari­neschutzkräfte oder der Marine selb­st in Zweifel gezo­gen wird. Dem gilt es entsch­ieden ent­ge­gen zu treten. 

Das Bun­destags­man­dat fußt u.a. auf den rel­e­van­ten UN-Res­o­lu­tio­nen und den Entschei­dun­gen der EU, es spiegelt auch die deutsche Ein­flussnahme auf das Con­cept of Oper­a­tions (CONOPS) des OHQ North­wood wider. 

Vor allem aber reflek­tiert es in seinen Durch­führungs­bes­tim­mungen und gedacht­en Hand­lungsabläufen den müh­sam errun­genen Kom­pro­miss zwis­chen den beteiligten bun­des­deutschen Min­is­te­rien: Auswär­tiges Amt, Innen‑, Jus­tiz- und Verteidigungsministerium. 

Der Schutz des »World Food Pro­gramme« auf See hat Vor­rang in dieser mil­itärischen Oper­a­tion, es fol­gen Schiffe mit europäis­ch­er Flagge und erst danach andere Fahrzeuge. Es wird fein unter­schieden zwis­chen »Fest­set­zen« und »Ver­haften« von Pirat­en. Denn fest­set­zen von Pirat­en fol­gt den Regeln des Völk­er­rechts und hat kein ein­schränk­endes Zeit­fen­ster. Fes­t­nehmen jedoch bed­ingt das Inter­esse und den Willen unseres Staates, den/die drin­gend verdächti­gen Pirat­en der Strafver­fol­gung zuzuführen und hat den Regeln der Straf­prozes­sor­d­nung zu fol­gen. Darüber zu befind­en, ob ein Strafver­fol­gungsin­ter­esse des Bun­des beste­ht, ist zunächst und auss­chließlich eine min­is­terielle Aufgabe. 

Auf Abteilungsleit­erebene wird ein Gremi­um aus den vier beteiligten Min­is­te­rien tätig, sobald der Kom­man­dant die Fest­set­zung von verdächti­gen Pirat­en meldet. Erst auf Bescheid dieses Gremi­ums wird die deutsche Staat­san­waltschaft tätig oder aber das europäis­che Land oder der Drittstaat, welch­er ein Inter­esse an der Strafver­fol­gung hat. Doch Vor­sicht, an Drit­tlän­der wird nur dann abgegeben, wenn das europäis­che Human­recht – sprich keine Todesstrafe, keine Folter usw. – gewährleis­tet ist. Anderen­falls sind die verdächti­gen Pirat­en wieder freizusetzen. 

Die EU hat gemäß Absprache in ihrem Auf­gaben­paket noch die Verträge mit Drittstaat­en wie z.B. Kenia oder Tansa­nia verbindlich abzuschließen. Dies ist bis heute nicht erfolgt. 

Das heißt aber auch, dass die Ini­tialzün­dung des Gesamt­prozess­es vom Kom­man­dan­ten aus­ge­ht. Mit anderen Worten, bevor es über­haupt zu ein­er Ver­haf­tung kom­men kann, müssen die der Pira­terie verdächti­gen Per­so­n­en erst ein­mal fest­ge­set­zt wer­den. Der Kom­man­dant allein hat vor Ort die beste Lage­beurteilung und wird den Rules of Engage­ment (ROE) und der Risikobe­w­er­tung für seine ihm anver­traute Besatzung fol­gend über diese Fest­set­zung entschei­den. Die Bürde der schwieri­gen Frage, ob »Strafver­fol­gung ja oder nein« ist ihm bewusst genom­men und auf die min­is­terielle – sprich poli­tis­che Ebene – gelegt wor­den. Auch das Ein­satzführungskom­man­do in Pots­dam weiß, dass es keine dies­bezügliche Kom­pe­tenz hat. Wenn unsere Kom­man­dan­ten so ver­fahren, dann mag sich manch­er in Deutsch­land am Ende über die Freilas­sung von verdächti­gen Pirat­en ereifern, aber der Ball liegt dann ein­deutig bei der han­del­nden Poli­tik und nicht bei der Marine. 

Team GlobDef

Seit 2001 ist GlobalDefence.net im Internet unterwegs, um mit eigenen Analysen, interessanten Kooperationen und umfassenden Informationen für einen spannenden Überblick der Weltlage zu sorgen. GlobalDefence.net war dabei die erste deutschsprachige Internetseite, die mit dem Schwerpunkt Sicherheitspolitik außerhalb von Hochschulen oder Instituten aufgetreten ist.

Alle Beiträge ansehen von Team GlobDef →