Allgemeines über russische Atom-U-Schiffe
1954 begann die Sowjetunion mit dem Bau ihres ersten Atom-U-Schiffes, dessen Stapellauf 1957 erfolgte. Ein Jahr später wurde der Reaktor in Betrieb genommen. Hierbei handelte es sich um die Schiffe der NOVEMBER-Klasse (NATO-Bezeichnung). Die russische Bezeichnung lautete “Projekt 627”. Es wurden zwölf Schiffe gebaut. Mit 80 Prozent der Reaktorleistung erzielte man 28 Knoten, die max. Tauchtiefe dieser Schiffe wird mit 310 m angegeben. Bei späteren Neubauten steigerten sich diese Werte. So kam das “Projekt 705” (ALFA) auf 800 m und das “Projekt 685” (MIKE) sogar auf 1.000 m Tiefe. Beide Schiffe hatten Titan-Druckkörper, was auch zur Minimierung des magnetischen Feldes dieser Fahrzeuge beitrug. Das “Projekt 661” (PAPA) erreichte mit 44,7 Knoten die höchste Unterwassergeschwindigkeit. Der völlig unerwünschte Nebeneffekt war dabei, dass dieses Fahrzeug dann einen Lärm wie ein Düsenjäger hervorrief. Das führte dazu, dass man nunmehr bemüht war, diese Antriebsanlagen weitgehendst schallgedämmt zu verkapseln. Von vier möglichen Reaktorsystemen entschied man sich für den Druckwasserreaktor mit unter hohem Druck stehendem Wasser. Allerdings wurde auch die “K 27” (“Projekt 645”) mit einem Flüssig-Metall-Reaktor (Blei-Wismut-Mischung) gebaut, die nach anfänglichen Störungen dann einem Reaktorunfall zum Opfer fiel. Später hatte man mehr Erfolg mit dieser offensichtlich inzwischen besser durchkonstruierten Technik. Bei allen Schweißarbeiten an diesen Anlagen bestand die Vorschrift, dass alle benachbarten Oberflächen und Asbestabdeckungen sorgfältig geschützt wurden. Es durften keine Spritzer der Schweißelektrode auf die polierten Flächen fallen, weil dadurch molekulare Spannungen (Haarrisse) entstehen. In Verbindung mit Seewasser ergeben sich im “verletzten Metall” chemische Reaktionen. Bei den unter hohem Druck stehenden Leitungen entstehen dadurch Leckagen. Offenbar wurde diese Vorschrift, wie auch andere (z.B. nur einmalige Verwendung von unter starkem Druck stehende Dichtungen) aus Bequemlichkeit nicht eingehalten.
Für die russischen Reaktoren verwendete man Uranoxid als Brennstoff in einer Konzentration von 30 bis 60 Prozent, während die Amerikaner bis zu 97,5 Prozent angereichertes Material benutzten. In mehreren Fällen ist der nukleare Brennstoff durch Überhitzung geschmolzen. Eine Überhitzung entsteht, wenn eine Unterbrechung im Kühlsystem eintritt. Dies konnte bei den ersten Atom-U-Schiffen sehr leicht passieren, da sie weder ein Reserve- noch ein Notkühlaggregat besaßen.
Beim ersten nuklearen Reaktorunfall der “K‑19” (dieses Schiff der HOTEL-Klasse) war das erste Raketen-UBoot) ist nur durch das überlegte Eingreifen seines Kommandanten, des Kapitäns Satejew, eine Explosion verhindert worden, da er schnell eine Notkühlanlage zusammenschweißen ließ. (In Tschernobyl, wo auch die Überhitzung durch Ausfall der Kühlung Auslöser war, konnte die Explosion nicht verhindert werden. Man hielt ihre Ursache jedoch langjährig “geheim”) Allerdings ging der Unfall an Bord auch nicht ohne Verluste ab. Es gab gleich acht Tote. Dazu kamen 13 weitere verstrahlte Besatzungsangehörige, die nach dem Einlaufen des Bootes später im Krankenhaus starben. — Kapitän Satejew wurde nach seiner Rückkehr für seine Handlungsweise von höherer Stelle gelobt, er setzte dann auch gegen den Widerstand mancher Ingenieure und Werftdirektoren den Einbau von Reservekühlanlagen bei späteren Konstruktionen dieser Schiffe durch.
In diesen Zusammenhang muss noch weiter von diesem Kommandanten berichtet werden, der zusammen mit seiner Besatzung die U‑Boot-Schule durchlief. Er selbst hatte zuvor eine eingehende Spezialausbildung für Atom-U-Schiffe erhalten.
Zunächst stellte er fest, dass drei seiner ihm zugeteilten Offiziere auf Grund ihrer Schlamperei und Drückebergerei nicht für den Bordbetrieb auf so einem Fahrzeug geeignet waren. Er ließ sie ablösen. Weiter kam es zu harten Auseinandersetzungen mit dem Direktor und seinem Vertreter, die u.a. die niederen Dienstgrade ihrer Schüler zum Bau ihrer Datschen eingesetzt hatten. Die Lehrpläne wurden dadurch nicht eingehalten. Der Unterrichtsbetrieb war nicht auf die Belange der Besatzungen ausgerichtet, man musste auf die dortigen Techniker Rücksicht nehmen, die mit den ständigen Reparaturen an den Reaktorschulanlagen beschäftigt waren. Bei derartigen Missständen war die Schule nicht in der Lage, im vorgegebenen Rahmen ihre Ziele zu erreichen. Durch Satejews Eingreifen wurde diese Schulleitung schließlich abgelöst. Er stand auch wegen seines Könnens in hohem Ansehen, da er die Technik der Atom-U-Schiffe vollkommen beherrschte. Im Dienst war er hart, wenn es sein musste, und er verlangte von seinen Leuten viel. Er galt aber als umsichtiger und gerechter Vorgesetzter, der daher bei seiner Besatzung beliebt war. Während eines Urlaubs ereignete sich ein schwerer Unfall auf seinem Schiff. Hierfür erhielt er zunächst einen Verweis. Bei einigen Besatzungsangehörigen führte es zu schärferen Strafen. Die Marineführung hatte sich offensichtlich den falschen Argumenten der Werftingenieure angeschlossen. Satejew erbrachte später den Beweis, dass einer von ihnen der Schuldige war, der nunmehr dafür ins Gefängnis kam. Satejews Urteil über die Werftindustrie und die Mitläufer im Marinekommando lief darauf hinaus, dass man eine Flotte von Atom-U-Schiffen baute, die jedoch im Kampf nicht einsetzbar sein würden. Weder die erste Generation, noch die zweite wären in einem Krieg verwendbar gewesen. Ob die heutigen Schiffe inzwischen ohne Mängel sind, ist zweifelhaft.
Bei einer Konferenz mit hoher Besetzung äußerte sich Satejew einmal dahingehend, dass es zzt. kein russisches Atom-U-Schiff gibt, das von einer Übungsfahrt ohne Schäden oder Störungen in den Hafen zurückkommt!
Eine kleine Anekdote sei hier erwähnt: Anlässlich eines Manövers vor der Staatsführung — es handelte sich um Chruschtschow — war gleich nach dem Start die Rakete durch Versagen des Antriebs ins Meer gefallen. Admiral Gorschkow “erklärte” daraufhin dem Staatsoberhaupt, dass sie jetzt unter Wasser das Ziel ansteuern würde. Chruschtschow bestätigte das mit den Worten: “Wir bauen sehr gute Waffen, Genossen!”
Europa — sowjetisch/russische U‑Boot-Unfälle-Unfälle in Friedenszeiten und die Entsorgungsprobleme
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