Wohin geht die Entwicklung im Bereich der Fregatten?
Die Auslegung von Fregatten folgt (noch) nicht diesem Weg. Eine weitere CODELAG-Lösung liegt in der italienischen FREMM-Anordnung vor; sie ähnelt dem Konzept der F 125. Hier befindet sich der E‑Motor jedoch zwischen Getriebe und Propeller auf der Welle und kann nicht mechanisch getrennt wer- den. Der Getriebesatz wird über eine Lamellenkupplung von der Propellerwelle abgekoppelt. Die oben vorgestellte »Advanced Propeller Clutch« kommt nicht zum Einsatz. Eine gegebenenfalls notwendige Wartung der E‑Motoren wird den Schiffsbetrieb stärker als beim Konzept der F 125 beeinflussen. Grundidee und Konzept unterscheiden sich im weiteren jedoch nicht.
Erstmalig für eine weiter im Bau befindliche Korvette wird ein vollständig elastisch gelagertes Getriebesystem CODAG mit Cross-Connect in Kombination mit einem unmittelbar hinter dem Getriebe starr aufgestellten Schublager zum Einsatz kommen. Das hier verwendete »Advanced Thrust Bearing« verfügt neben den üblichen Kippsegmenten über ein komplexes System hydraulischer Stößel, welche den Schub der Kippsegmente auf das Gehäuse des Lagers leiten. Die Erweiterung der inzwischen bekannten elastischen Lagerung komplexer Getriebesysteme durch das beschriebene »Advanced Thrust Bearing« stellt hier den Technologiesprung dar. Elastisch gelagerte Getriebesysteme mit integriertem Schublager sind jedoch für Megajachten ein eingeführtes Konzept.
Das für F 125 oder FREMM beschriebene Konzept ist zukünftig auch auf höhere Leistungen, stärkere Turbinen oder E‑Antriebe übertragbar. Es ist zu vermuten, dass jedoch auch aktuelle CODELAG-Planungen eine elektrische Leistung von zweimal 4 bis 5 MW bei einer in der Summe installierten Leistung von knapp 30 MW beinhalten werden. Auch bei CODELAG liegt der Schwerpunkt somit weiterhin auf der »mechanischen Seite« der Energieerzeugung und ‑umsetzung. Dies kann sich erst ändern, wenn höhere Leistungen in den E‑Motoren – z.B. bei Anwendung neuer Technologien – vorliegen.
Nicht mit Blick auf die Leistung, jedoch auf die zum Einsatz kommenden hochdrehenden Turbinen stellt das COGAG-Getriebe für die norwegische SKJOLD-Klasse, ein Surface Effect Ship, eine besondere Leistung dar. Die größere Turbine leistet 4.200 kW bei 16.000 1/min, die kleinere Turbine 2.100 kW bei 20.000 1/min. Die Summe der Leistungen wird auf einen Waterjet mit 1.000 1/min abgegeben. Das Gewicht dieser hochanspruchsvollen Getriebekonstruktion mit Aluminiumgehäuse beträgt nur 3,6 t.
Was könnte nun ein »Voll-Elektrisches- Schiff« im Zuge der dargestellten Entwicklungsrichtung bedeuten? Szenario in solchen Diskussionen ist der Einsatz langsam laufender Elektromotoren mit direktem Antrieb auf die Propellerwelle. Übliche Fregatten bedürfen somit eines Antriebes von ca. 20 MW je Welle, dies bedeutet bei heutigem Stand der Technik allein ein Elektromotorengewicht von 100 t. Auch mittelfristig scheinen hier aktuelle Forschungsprogramme in Großbritannien und USA nicht zu greifbaren Lösungen zu kommen, die in der Fregattenklasse eingesetzt werden könnten. Der ebenso längere Zeit diskutierte Einsatz von POD-Antrieben hat sich wohl innerhalb der Nische der Kreuzfahrer durchgesetzt, militärische Fahrprofile sind anders, insbesondere das Kriterium der Schockfestigkeit macht den POD militärisch solange fraglich bis aufwendig, bis diese Eigenschaft nicht nachweisbar geklärt ist.
Die CODELAG-Anordnung ähnlich FREMM oder F 125 zeigt wohl den Königsweg für die nächste Entwicklungszeit. Erst in einem weiteren Schritt können wohl Ansätze wie der »Tiefgetauchte Waterjet« in Verbindung mit integrierten POD-Antrieben (Combined POD and Waterjet – COPAW)3 in konsequenter Nutzung der neuen Technologie der Supraleitung ins Auge gefasst werden. Dann wäre die Zeit auch reif für eine Brennstoffzelle als Energiequelle. Um hohe Leistungen bei kleinerem Gewicht in E‑Motoren (wie auch Generatoren) zu erreichen, setzte man mit gutem Grund auf die Technologie der Supraleitung und insbesondere der der Hochtemperatursupraleitung (HTS).
Was ist nun aus dieser Supraleitung geworden?
Die Entdeckung der Hochtemperatursupraleiter (HTS) durch Georg Bednorz und Alex Müller 1986, dass also Materialien (im Wesentlichen keramische Werkstoffe) den Strom verlustfrei auch bei Temperaturen wesentlich höher als bei supraleitenden Metallen leiten, erweckte große Euphorie bei Ingenieuren und Physikern: Der verlustlose Stromtransport bei der technisch einfacher zu erreichenden Temperatur flüssiger Luft (77 K = ‑196o C) schien nun in Reichweite einer industriellen Anwendung zu sein. Materialfragen bestimmen aber heute noch die Diskussion, sie können nur mit erheblichem Aufwand beherrscht werden. Der eigentliche physikalische Mechanismus der Supraleitung bei hohen kritischen Temperaturen gilt auch in der Wissenschaft weiterhin als nicht verstanden.
Geht man jedoch von Ideen und möglichen Aussichten aus, so sind als Vorteile von HTS-Motoren und Generatoren gegenüber herkömmlichen Anlagen gleicher Leistungsklasse insbesondere eine Gewichtsersparnis von bis zu 65 Prozent und der verbesserte Wirkungsgrad auf bis zu 99,5 Prozent technisch interessant. Darüber hinaus ermöglicht der Einsatz der HTS im Motorenbau die Anwendung von völlig neuen Dimensionen in den Leistungsklassen: Die aufgrund der bei herkömmlichen Motoren erforderlichen Baugrößen auftretenden hohen dynamischen Kräfte bestehen hier so nicht! Trotz der einzusetzenden Energie zur Kühlung des HTS-Materials ist die HTS-Technik infolge der geringen Verluste wirtschaftlich sinnvoll. Es wird erwartet, dass sich diese Technik über den Motoren- und Generatorenbau hinaus auch in passiven Anlagen wie Transformatoren und Drosseln durchsetzen kann. Auf umweltschädliche Transformatorenöle kann z.B. ganz verzichtet werden. Der heutige (deutsche) Stand ist gekennzeichnet durch eine Entwicklung eines Schiffsantriebsmotors von 4 MW Leistung und 315 kNm Drehmoment, der ein Gewicht von 38 t (konventionelle Technik würde 53 t ergeben) und ein Volumen von 38 m³ (gegenüber 62 m³) aufweist.
Beschleunigt werden könnte die Entwicklung zum »ganzheitlich elektrischen« Schiff durch verschärfte Umweltschutz- und Emissionsbestimmungen. Dieselgeneratoren zur Stromerzeugung dürfen beispielsweise in skandinavischen Häfen nicht mehr uneingeschränkt eingesetzt werden. Bei den jetzigen Megajachten ist der (durch seine Abgase das Sonnendeck verqualmende) Dieselgenerator schon weitgehend verbannt – zugunsten der sauberen Brennstoffzelle.
Fazit
Aus dieser bisherigen Darstellung können folgende Thesen abgeleitet werden:
- Der elektrische Antrieb und insbesondere die volle Nutzung der elektrischen Energie an Bord von Schiffen (VES) bleiben bestehendes Ziel; es ist zurzeit nur in größeren Einheiten technisch sinnvoll zu erreichen, da Gewicht und Volumen bestehende und entscheidende Randbedingungen sind. Der Einsatz von z.B. Energiewaffen4 mit ihren hohen Anforderungen bleibt besonderen Einheiten vorbehalten.
- Solange die Supraleitung in Form der HTS nicht in eine Größenordnung vorstößt, die mit 20 MW pro Einheit gekennzeichnet sein dürfte, ist der große Sprung nicht zu erwarten.
- Bis dahin bleibt es bei der mechanisch erzeugten und verteilten Energie aus Wärmekraftmaschinen über Getriebe unterschiedlichster Art; CODELAG scheint ein optimaler Weg zu sein, um zumindest die elegante Regelung im Antriebsstrang über E‑Motoren zu gewinnen.
- Der Einsatz von neuen Elementen, wie der Tiefgetauchte Waterjet mit einer Ableitung und Nutzung der Abgase unter Wasser oder die Brennstoffzelle mit Reformertechnik (?) können der klassischen Antriebstechnik noch weiter reichende Impulse geben. Von all diesen Beschränkungen wie Aussichten wird sich der Schiffbauer nicht so bedrängen lassen, dass in Zukunft nicht neue Ideen mit bisher nicht bekannten Leistungen aufwarten würden. Eine Aufgabe ist auch immer eine Herausforderung.
Die Supraleitung
Im Jahre 1908 war es dem Physiker Heike Kammerlingh Onnes gelungen, das Edelgas Helium zu verflüssigen. Dies hat in Bezug auf die verfügbaren Untersuchungsmethoden den ganz neuen Temperaturbereich zwischen 1 und 10 K »am absoluten Nullpunkt« erschlossen. Bei seinen Experimenten zur Leitfähigkeit von Quecksilber bei niedrigen Temperaturen war er von der Vorstellung ausgegangen, dass bei 0 K kein Stromfluss mehr möglich wäre, da dann die beweglichen Elektronen fest an den Atomrümpfen »angefroren« seien. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass bei Temperaturen unter 4,2 K der elektrische Widerstand des Quecksilbers jedoch schlagartig auf Null sank, also gerade nicht unendlich hoch wurde. Die Leitung des elektrischen Stroms erfolgte unterhalb dieser kritischen Temperatur verlustfrei. Onnes nannte dieses Verhalten »Superconductivity« und erhielt für diese Entdeckung 1913 den Nobelpreis.
Eine physikalische Erklärung dieses Phänomens konnte erst 1957 durch Bardeen, Cooper und Schrieffer in der so genannten BCS-Theorie (nach den Anfangsbuchstaben ihrer Namen) vorgestellt wer- den; sie erhielten dafür 1972 den Nobelpreis. Die BCS-Idee geht davon aus, dass die Bildung von so genannten Cooper-Paaren aus zwei Elektronen durch eine schwache Wechselwirkung und unterhalb der kritischen Temperatur möglich ist und dieses Verhalten den widerstandslosen Ladungstransport garantiert. Bei zu großer Energieeinwirkung von außen (Wärmezufuhr, große Stromdichten, Bestrahlung etc.) werden die Cooper-Paare wieder aufgebrochen und die normale Wechselwirkung im Metall tritt ein.
Für die Entdeckung der Hochtemperaturleiter (meist keramische Werkstoffe), deren kritische Temperatur höher liegt und die damit technisch einfacher zu erreichen ist, durch Bednorz und Müller 1986, erhielten diese gleichfalls den Nobelpreis im darauf folgenden Jahr. Die BCS-Theorie kann dieses neue Phänomen jedoch nicht erklären.
Wie es in dieser Materialklasse zur Supraleitung kommt, ist immer noch unverstanden! Einer technischen Anwendung steht dieser Mangel jedoch nicht entgegen. »Für bahnbrechende Arbeiten in der Theorie über Supraleiter und Supraflüssigkeiten« wurde auch der Physik-Nobelpreis im Jahre 2003 verliehen.