Für erhebliche Unruhe sorgt eine Rede von US Verteidigungsminister Gates bei der jährlichen „Sea-Air-Space Convention“ der US Navy League.
US Verteidigungsminister Gates Bildquelle: US DoD |
Vor einem mit Offizieren der US Navy und des US Marine Corps sowie Vertretern der Rüstungsindustrie voll besetzten Auditorium hinterfragte der Minister — mit kritischem Blick auf ausufernde Kosten — die Grundpfeiler der derzeitigen Marinestrategie. Die Welt verändere sich, und US Navy und USMC seien aufgefordert, sich an die Spitze dieser Veränderung zu stellen. Sie müssten sich neuen Herausforderungen stellen und neue Technologien und Aufgaben zu eigen machen. Keine Nation oder auch internationale Terrororganisation werde mit konventionellen Streitkräften die militärische Macht der USA herausfordern. Man werde sich vielmehr asymmetrischen Bedrohungen ausgesetzt sehen. Aber auch in diesem Umfeld gehe das Monopol für weit reichende Präzisionswaffen zunehmend verloren, und selbst die teuersten US-Kriegsschiffe seien Bedrohungen ausgesetzt, ohne dass sie möglicherweise selbst noch größere Wirkung entfalten könnten.
Seit 1942 seien Flugzeugträger das Fundament der US Flotte. Ein Blick auf die Fakten sei allerdings angeraten, und hier zeige sich, dass die US Navy mit elf nukleargetriebenen Flugzeugträgern weltweit keine Konkurrenz habe. „Brauchen wir wirklich für weitere 30 Jahre noch elf Carrier Strike Groups, wenn keine andere Marine der Welt mehr als eine hat?“ Die US Navy trage auf See mehr als doppelt so viele Kampfflugzeuge wie der gesamte Rest der Welt. 57 nuklear-getriebene U‑Boote seien mehr als bei allen anderen Marinen der Welt zusammen genommen. Beziehe man das Arsenal an Flugkörpern in die Kalkulation ein, dann habe die US Navy in etwa so viel „Fire Power“ wie die 13 nächst größten Marinen der Welt – und elf von diesen seien Verbündete oder Freunde.
Überkapazitäten gebe es auch bei großen amphibischen Kampfschiffen; hier verfüge man über zehn amphibische Träger; keine andere Marine der Welt habe mehr als drei. Das USMC habe einen Personalumfang von 202.000 Mann; die amphibische Doktrin sei in den Pazifik-Schlachten des Zweiten Weltkrieges entwickelt worden. Man müsse sich doch fragen, ob die vor einem völlig anderen strategischen Hintergrund entwickelten Fähigkeiten zu groß angelegten amphibischen Kampflandungen an einer verteidigten Küste in Zukunft noch in dieser Form benötigt würden. Ohne jeden Zweifel hätten sich US Navy und USMC bei den letzten Kriegen in Irak und Afghanistan bewährt, aber die dort gemachten Erfahrungen hätten auch klar gezeigt, dass die Zukunft den TSK-gemeinsamen „Joint“ Operationen gehöre.
Natürlich müsse die US Navy auch weiterhin Fähigkeiten zu weltweiter Power Projection vorhalten. Vor dem Hintergrund ausufernder Beschaffungskosten für neue Kampfschiffe und Flugzeuge (absehbar werde ein Flugzeugträger 11 Mrd. Dollar, ein U‑Boot 7 Mrd. Dollar und ein Zerstörer 3 Mrd. Dollar kosten) müssen man aber doch hinterfragen, ob dafür die derzeitigen „Overkill“-Kapazitäten wirklich noch zwingend vorgehalten werden müssten. Für deren Erhalt sei ein Aufwuchs des Budgets für Beschaffung notwendig, für den er persönlich keinen Spielraum sehe. Im Gegenteil werde es Zeit, dass weniger modernste und teuerste Waffensysteme im Vordergrund stehen, als vielmehr die Soldaten und ihre Familien.
Zwei Tage nach dem Verteidigungsminister legte Marineminister Ray Mabus bei der gleichen Veranstaltung „nach“. US Navy und Marine Corps müssten sich auf eine Neubewertung praktisch aller Vorhaben einstellen, und dabei sei nichts unumstößlich. Im Gegensatz zu seinem Chef vermied Mabus es aber, einzelne Projekte hervorzuheben.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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