In der abgelaufenen Wochen wurden drei weitere Entführungen gemeldet. Zwei davon ereigneten sich im nördlichen Arabischen Meer, weit entfernt von den Einsatzgebieten der zur Eindämmung (von “Bekämpfung” kann man ja leider nicht sprechen) somalischer Piraterie eingesetzten internationalen Seestreitkräfte.
SININ Bildquelle: vesseltracker.com via EU NavFor |
Bereits am 12. Februar kaperten Piraten etwa 350 sm östlich von Masirah (Oman) den maltesischen Massengutfrachter SININ. Das 52.000 ts große Schiff war auf dem Weg von Singapur nach Fujairah (VAE). Da sein Kurs die piratengefährdeten Gebiete am Horn von Afrika auch nicht annähernd berührte, hatte die Reederei ihr Schiff nicht beim Anti-Piraterie Lagezentrum MSC(HOA) angemeldet – nicht dass eine Anmeldung am Schicksal des Frachters etwas geändert hätte. Die eingesetzten Marinen sichern keine Schiffe außerhalb ihrer definierten Operationsgebiete, und auch innerhalb dieser gibt es begleitete Konvois ausschließlich im Golf von Aden. Nun befindet sich die SININ mit ihren 23 Mann Besatzung (13 Iraner, 10 Inder) auf dem Weg an die somalische Küste.
Im etwa gleichen Seegebiet (100 sm näher an Oman) kaperten Piraten am 18. Februar die amerikanische Segelyacht QUEST. Das Boot war mit vier US Amerikanern an Bord auf dem Weg von Indien nach Oman. Nun steht der kleinen Yacht eine lange Reise bis an die somalische Küste bevor (so sie denn tatsächlich von somalischen Piraten entführt wurde; Piraten gibt es in der gesamten Region, und einige treiben auch an der omanischen oder iranischen Küste ihr Unwesen). Sollten die Verbrecher aus Somalia stammen, ist allerdings durchaus möglich, dass sie die wohl kaum mit Vorräten und Kraftstoff für eine mehr als 2.000 km weite Fahrt ausgerüstete Yacht aufgeben und die vier Geiseln an Bord eines Mutterschiffes bringen. Die US Navy wird jetzt zunächst einmal bemüht sein, die Lage zu klären und den kleinen Segler zu finden. Die Geiselnahme von US Bürgern dürfte in den USA die Debatte um ein entschiedeneres, aktives Vorgehen gegen die somalischen Piraten erneut anheizen. Unter starkem öffentlichen Druck ist ein militärischer Befreiungsversuch durch Kampfschwimmer der US Navy (wie er im April 2009 bei der damals gekaperten MAERSK ALABAMA gelang) sicher nicht auszuschließen.
Drittes im Berichtszeitraum gekapertes Schiff ist schließlich das jemenitische Fischerboot ALFARDOUS. Die Dhau mit ihren acht Mann Besatzung fiel am 13. Februar nahe Socotra im östlichen Ausgang des Golfs von Aden in die Hände somalischer Piraten. Man kann davon ausgehen, dass diese es unmittelbar als Mutterschiff für weitere Überfälle nutzen und dazu wohl in den offenen Indik bzw. das Arabische Meer steuern werden.
Mit den drei „Neuzugängen“ befinden sich derzeit nun mindestens 50 Schiffe / Boote sowie zwei Frachtkähne in der Gewalt somalischer Piraten. Mindestens 815 Geiseln warten auf ihre Freilassung nach Lösegeldzahlung – oder ihre Befreiung. EU NavFor spricht in ihrer letzten Statistik von 31 Fahrzeugen mit 694 Geiseln, gesteht aber zu, dass die eigene Zählung wahrscheinlich nicht alle tatsächlich entführten Schiffe und Boote erfasst.
Zwei Piratengruppen konnten ihre Verbrechen nicht wie geplant vollenden. Am 10. Februar versuchten somalische Piraten im Golf von Aden den südkoreanischen Frachter YONG JIN zu kapern. Das Erscheinen der britischen Fregatte CORNWALL (CTF-151) veranlasste die Piraten zum Abbruch ihres Angriffes. Die flüchtenden Skiffs führten die Fregatte zu ihrem Mutterschiff – ein jemenitisches Fischereifahrzeug, das im November gekapert und seitdem als Mutterschiff genutzt worden war. Die insgesamt 17 Piraten ergaben sich; das Fahrzeug wurde den fünf jemenitischen Fischern zurück gegeben. „Ohne rechtliche Handhabe für eine Festnahme zur Strafverfolgung“ (nationale britische Gesetze) musste sich die CORNWALL damit begnügen, Waffen und Ausrüstung der Piraten zu beschlagnahmen, ihre Skiffs zu zerstören – und die Männer dann unbeschadet an der somalischen Küste abzusetzen. Sie werden schon bald wieder auf neue Kaperfahrt gehen.
ESBERN SNARE Boardingteams stoppen entführte Dhau Bildquelle: NATO |
Eine zweites Piratenmutterschiff wurde am 12. Februar vom dänischen Mehrzweckschiff ESBERN SNARE (NATO) aus dem Verkehr gezogen. Vor der somalischen Küste stellte das Schiff eine jemenitische Fischer-Dhau. Warnschüsse stoppten das Fahrzeug, das von somalischen Piraten entführt worden war und offenbar als Mutterschiff genutzt werden sollte. 16 Piraten wurden vorläufig festgenommen, ihre Ausrüstung beschlagnahmt und die Dhau versenkt. Die Verbrecher wurden an der somalischen Küste abgesetzt; zwei als Geiseln an Bord gehaltene jemenitische Fischer später der jemenitischen Küstenwache übergeben. Die Versenkung der Dhau erfolgte — so die Presseerklärung der NATO — „in Umsetzung der befohlenen Rules of Engagement“. Während die jemenitischen Fischer so ihr Boot – und damit ihre Lebensgrundlage – nun endgültig verloren haben, dürften auch diese Piraten schon bald erneut ihrem „Handwerk“ nachgehen. Wirklich Sinn macht solch politisch verordnetes Vorgehen nicht.
Kurzinformationen
Die deutsche Reederei Beluga Shipping ist nach den Vorgängen um die Kaperung ihrer BELUGA NOMINATION fest entschlossen, nicht länger auf Unterstützung durch die deutsche Regierung zu warten, sondern selbst Maßnahmen zum besseren Schutz ihrer fahrenden Schiffe zu treffen. Frachter sollen wo dies möglich ist piratengefährdete Gebiete weiträumig umfahren (die Kosten werden natürlich an den Endverbraucher weiter gegeben); ansonsten werden zivile bewaffnete Sicherheitsteams an Bord genommen. Fahren unter Fremdflagge (Antigua & Barbuda) ermöglicht der deutschen Reederei die nach deutschen Gesetzen bislang verbotene Einschiffung privater Sicherheitskräfte.
Ein US Gericht hat einen der im April 2009 an der Entführung des US Frachters MAERSK ALABAMA beteiligten und durch US Kampfschwimmer festgenommenen somalischen Piraten zu einer Freiheitsstrafe von 33 Jahren verurteilt.
Nach Meldungen örtlicher Medien haben somalische Piraten bisher vor Haradhere ankernde, entführte Schiffe nach Hobyo verlegt. Grund sollen Forderungen der radikal-islamischen Al Shabaab Rebellen nach einer 20-prozentigen Beteiligung an gezahlten Lösegeldern sein.
Schon seit einiger Zeit gibt es Berichte über angebliche Beziehungen zwischen Piraten und den auch der Terrororganisation Al Kaida nahe stehenden Rebellen der Al Shabaab. Sollten sich hierfür Beweise finden lassen, böte sich ein neuer Ansatz für eine aktive Bekämpfung der Piraten auch in ihren Landstützpunkten an der somalischen Küste. „Anti-Piracy Operations“ könnten dann Teil von „Anti-Terror Operations“ werden – und für diese gelten, zumindest für einige Nationen wie die USA, weit weniger einschränkende Rules of Engagement. Vielleicht hat auch diese Erkenntnis die Piraten bewogen, zumindest optisch auf Distanz zu den radikal-islamischen Rebellen zu gehen.
INFANTA ELENA Bildquelle: span. Marine |
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
Wie erwartet hat die südafrikanische Fregatte MENDI (VALOUR-Klasse) mit Patrouillen in der Straße von Mosambik begonnen. Basis des zunächst auf etwa einen Monat befristeten Anti-Piraterie Einsatzes ist ein bilaterales Abkommen zwischen Südafrika und Mosambik, dessen Marine nicht in der Lage ist, Seegebiete außerhalb des unmittelbaren Küstenvorfeldes zu überwachen. Ob die MENDI nach Ende ihres derzeitigen Einsatzes durch ein weiteres südafrikanisches Kriegschiff abgelöst wird, ist derzeit offen.
Im spanischen Cartagena hat sich am 15. Februar die Korvette INFANTA ELENA auf den Weg ans Horn von Afrika gemacht. Das Schiff der DESCUBIERTA-Klasse soll sich der EU NavFor in „Operation Atalanta“ anschließen.
Die indische Marine verlegt ein Aufklärungsflugzeug Dornier-228 auf die Seychellen. In den kommenden zwei Jahren soll das Flugzeug der Seychellen Küstenwache bei der Überwachung der Erweiterten Wirtschaftszone (Piraten-Aufklärung) helfen.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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