Deutsche Marine: Klarer Kurs und Klares Ziel

Der deutsche Schrift­steller Lud­wig Börne sagte ein­mal: „In einem wank­enden Schiff fällt um, wer still­ste­ht, nicht wer sich bewegt.“ Unter diesem Mot­to hat sich die Deutsche Marine in den ver­gan­genen Monat­en inten­siv mit der „Neuaus­rich­tung“ der Stre­itkräfte befasst. Mit­tler­weile sind die wesentlichen Eckpfeil­er fest­gelegt, und wir haben mit der Umset­zung begonnen.

Die Umgestal­tung der Deutschen Marine schre­it­et so weit­er voran. Bere­its im ver­gan­genen Jahrzehnt richtete die Marine ihre Struk­turen kon­se­quent und effizient auf den Ein­satz aus. Ein gutes Beispiel hier­für ist die Umgliederung der Typflot­tillen in zwei Ein­satzflot­tillen im Jahre 2006. Alle Fähigkeit­en der Marine sind mar­itime Fähigkeit­en der Bun­deswehr gewor­den – das ist der stre­itkräftege­mein­same Ansatz. 

Gle­ich­wohl bedurfte es ein­er erneuten Bestand­sauf­nahme der Sit­u­a­tion der Marine im ver­gan­genen Jahr, die eine weit­ere Neuaus­rich­tung notwendig machte. Als Stich­worte sind hier zu nen­nen: Die heutige Ein­satzwirk­lichkeit deutsch­er Stre­itkräfte, finanzielle Rah­menbe­din­gun­gen und die demographis­che Entwick­lung Deutschlands. 

Was bedeutet dies für die Deutsche Marine? Was sind die Kon­stan­ten? Wie sieht der Kurs Rich­tung Zukun­ft aus? Was sind Zukun­ft­spro­jek­te und sig­nifikante Änderun­gen, mit denen Nach­haltigkeit für und mit den vorhan­de­nen Ressourcen erzielt wer­den soll? 

Kon­stan­ten

Die Marine bleibt zur Aufk­lärung und Wirkung in allen drei Dimen­sio­nen der mar­iti­men Domäne befähigt: auf, über und unter der Wasser­ober­fläche. Dies reicht von Seer­aumüberwachung und ‑sicherung im Rah­men von mar­iti­men Embar­go­op­er­a­tio­nen über tak­tis­ches und oper­a­tives Führen auf und von See bis hin zur seegestützten logis­tis­chen Unter­stützung (inklu­sive „Med­ical Evac­u­a­tion“) sowie als Ziel auch die gesicherte strate­gis­che Ver­legung eigen­er Kräfte über See. U‑Boot-Jagd, Luftvertei­di­gung, Ein­satz von mar­iti­men Spezialkräften und Seeziel­bekämp­fung gehören dazu. 

Die Deutsche Marine stellt also heute und auch in Zukun­ft ein vielfältiges mar­itimes Fähigkeitsspek­trum zur Ver­fü­gung – bre­it, flex­i­bel, skalierbar. 

Kurs Rich­tung Zukun­ft

Die kün­ftige Struk­tur der Marine fasst mar­itime Exper­tise in ein­er flachen Führungsstruk­tur konzen­tri­ert zusam­men. Auf eine Divi­sions- und Amt­sebene wird verzichtet. So wer­den Auf­gaben, Kom­pe­tenz und Ver­ant­wor­tung gebündelt. 

Entsprechend wird ab dem 1. Okto­ber 2012 nur ein inte­grales Führungskom­man­do (Marine Kom­man­do, MarK­do) in Ros­tock beste­hen. Hierzu gehört auch ein Mar­itime Oper­a­tions Cen­ter (MOC) mit dem so genan­nten Fleet Entry Point, von wo aus die fahrende und fliegende Flotte geführt wird. Das MOC verbleibt zunächst im Über­gang bis zur Schaf­fung der notwendi­gen infra­struk­turellen Voraus­set­zun­gen in Glücks­burg, wird im Ziel aber eben­falls in Ros­tock stationiert. 

Gle­ichzeit­ig wer­den die Ein­satzflot­tillen noch weit­er in Rich­tung Ein­sat­zori­en­tierung gestärkt. Das Führungse­le­ment für die Marine­flieger wird aus dem heuti­gen Flot­tenkom­man­do her­aus­gelöst und im Marine­fliegerkom­man­do trup­pen­nah im Stan­dort Nord­holz neu aufgestellt. Zudem wer­den alle Marine­fliegerkräfte dort sta­tion­iert. In ein­er ver­gle­ich­sweise schlanken „Basis“ wer­den die Ein­satzun­ter­stützung der Marine und die Marine­fachaus­bil­dung gebündelt.

Je nach Bedro­hungs-/Ein­satzszenar­ien gewährleis­tet die mod­u­lare Zusam­men­stel­lung eines mar­iti­men Ein­satzver­ban­des eine hohe Flex­i­bil­ität und zugle­ich eine weltweit hohe Mobil­ität. Wir kön­nen damit leisten:

  • die Gestel­lung eines umfassenden mar­iti­men Ein­satzver­ban­des für zeitlich begren­zte Aufgaben,
  • skalier­bare Marinekräfte für lang andauernde Auf­gaben bei Mil­itärischen Sta­bil­isierungs-Oper­a­tio­nen (Mil­Stab-Op)
  • Führungs­fähigkeit stre­itkräftege­mein­samer Ein­sätze (OpFü)
  • Teil­nahme an Ständi­gen Ein­satzver­bän­den der NATO und
  • kurzfristige Reak­tions- und Ver­stärkungs­fähigkeit für zeitlich begren­zte Einsätze

Das geforderte bre­ite Fähigkeit­spro­fil wird allerd­ings lediglich mit ein­er „abgestuften Durch­hal­te­fähigkeit“ erre­icht. Aus­dauernde Ein­sätze sind aber auch nicht in allen Ein­satz­for­men erforderlich. 

Zukun­ft­spro­jek­te mit Nach­haltigkeit

Die Marine ist aufge­fordert, mit der demographis­chen Entwick­lung unseres Lan­des und den vorhan­de­nen Ressourcen ver­gle­ich­bar leis­tungsstark wie heute zu bleiben, und zwar mit weniger Per­son­al und weniger Einheiten.

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Dieser Artikel wird mit fre­undlich­er Genehmi­gung der “Marine­Fo­rum — Zeitschrift für mar­itime Fra­gen” veröf­fentlicht.
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Wie soll dies funk­tion­ieren? Ein­er der neuen und inno­v­a­tiv­en Ansätze, den die Deutsche Marine ver­fol­gt, verbindet sich mit dem Stich­wort „Mod­u­lar­ität“. Dies bedeutet die Tren­nung von Plat­tfor­men und den auf ihnen abzu­bilden­den Fähigkeit­en, um vielfältige und wesentlich flex­i­blere Ein­satzmöglichkeit­en zu schaf­fen. Ein Schiff oder ein Boot ver­fügt kün­ftig über bes­timmte Grund­fähigkeit­en und wird vor einem Ein­satz den speziellen Auf­gaben- und Bedro­hungsszenar­ien angepasst. Dazu wer­den dann entsprechende Fähigkeitsmod­ule eingerüstet (bes­timmte Waf­fen, Aufk­lärungs- oder Kom­mu­nika­tion­s­mit­tel mit­tels „Con­tain­ern“).

Das Pro­jekt des kün­fti­gen Mehrzweck­kampf­schiffs (MKS) 180 ist dafür mit seinen mod­u­laren Sub­sys­te­men kon­se­quenter Maßstab. So wird die notwendi­ge Flex­i­bil­ität für kün­ftige Ein­satzszenar­ien angestrebt. 

Einen beson­deren Schw­er­punkt legt die Marine bei laufend­en und kün­fti­gen Ein­sätzen auf die Reduzierung der Belas­tun­gen und Abwe­sen­heit­szeit­en von Men­sch und Mate­r­i­al. So darf die seefahrts­be­d­ingte Abwe­sen­heit der Besatzun­gen nicht weit­er steigen und soll auch bess­er plan­bar wer­den. Es gilt, die Marine so zu gestal­ten, dass sie in den kom­menden Jahren für junge Män­ner und Frauen als Arbeit­splatz attrak­tiv bleibt beziehungsweise wieder wird.

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Lösungsan­sätze hier­für liegen in Mehrbe­satzungsmod­ellen und dem Konzept der Inten­sivnutzung von Schif­f­en und Booten. Die starre Bindung von Per­son­al an Schiffe und Boote wird aufgegeben. Gle­ichzeit­ig wird für die Besatzun­gen mehr Plan­barkeit auch in der Zeit zwis­chen den Ein­sätzen gewährleis­tet. Über dieses Mehr an Attrak­tiv­ität erwartet die Marine ein Mehr an Per­son­al­bindung und Inter­esse an län­geren Verpflichtungszeiten. 

Für die Geschwad­er wer­den zudem neue Ein­satzaus­bil­dungszen­tren ein­gerichtet. Dies sind Vor-Ort-Aus­bil­dung­sein­rich­tun­gen, in denen die ein­satzfreien Besatzun­gen geschult und ein­satzfähig gehal­ten wer­den. Diese unmit­tel­bare Inübung­hal­tung bietet max­i­male Flex­i­bil­ität in der Aus­bil­dungs­gestal­tung und erlaubt einen größt­möglichen Erfahrungsgewinn. 

Ein mod­u­lar­er, jed­erzeit ein­schiff­bar­er Ein­satzstab mit einem Ver­bands­führer ist in jed­er Flot­tille ver­füg­bar, so dass zusam­men mit dem Ein­satzstab im Marinekom­man­do ins­ge­samt drei Ein­satzstäbe abruf bar sind. 

Inner­halb der Ein­satzflot­tille 1 entste­ht kün­ftig das neue Kom­man­do Spezialkräfte der Marine (KSM). Mit der Eigen­ständigkeit der Spezialkräfte der Marine wird dem beson­deren Fähigkeit­spro­fil dieser Kräfte Rechung getra­gen. Die Maß­nah­men im Rah­men der Fein­aus­pla­nung wer­den dazu beitra­gen, den Umfang der Ein­satzkräfte für mar­itime Spezial­op­er­a­tio­nen zu erhöhen und die Weit­er­en­twick­lung von Ver­fahren und Aus­rüs­tung zu verbessern. 

Gle­ichzeit­ig entste­ht mit dem See­batail­lon ein neuer Ver­band, in dem kün­ftig Bor­dein­satzteams die Fähigkeit­en „Board­ing“ und „Ves­sel-Pro­tec­tion“ abbilden. Ein „Strand­meis­terzug“ wird zunächst per­son­ell nur sehr rudi­men­tär aufgestellt, um Exper­tise für die „gesicherte Seev­er­lege­fähigkeit“ aufzubauen, die mit der Ein­führung der Joint Sup­port Ships Ende des Jahrzehnts ver­füg­bar sein soll. Eine Küstenein­satzkom­panie ist kün­ftig für die land- und see­seit­ige Absicherung im mar­iti­men Umfeld, die Minen­tauch­er für die Kampfmit­te­lab­wehr zuständig. Ein eigenes Aus­bil­dungszen­trum dient der Grund- und Ein­satzaus­bil­dung des Ver­ban­des und der Aus- und Weiterbildung. 

Zeitlich­er Ablauf Neuaus­rich­tung Marine

Der weit­ere zeitliche Ablauf der Neuaus­rich­tung stellt sich wie fol­gt dar: Seit Auflö­sung der Führungsstäbe am 1. April 2012 wer­den keine min­is­teriellen Auf­gaben mehr wahrgenom­men. Eine Über­gangskon­struk­tion, der „Stab Inspek­teur Marine“ wird bis zum 1. Okto­ber gemein­sam mit dem heuti­gen Marineamt und dem Flot­tenkom­man­do in ein neues Marinekom­man­do in Ros­tock über­führt, das seine Auf­gaben ab diesem Zeit­punkt aufnehmen soll. Zeit­gle­ich wird das Marine­un­ter­stützungskom­man­do (MUK­do) in Wil­helmshaven aufgestellt. Alle weit­eren Umset­zungs­maß­nah­men im Rah­men der Neuaus­rich­tung fol­gen dann spätestens ab 2013. 

Das neue Marinekom­man­do ist das Führungskom­man­do des Inspek­teurs der Marine. Von dort nimmt er auch die Betriebs- und Ver­sorgungsver­ant­wor­tung für den Erhalt der Ein­satzfähigkeit und der Ein­satzbere­itschaft der Marine wahr. Das Kom­man­do gliedert sich neben Stab­se­le­menten in fünf Abteilun­gen: Ein­satz, Planung/Konzeption, Personal/Ausbildung/Organisation, Ein­satzun­ter­stützung sowie Marinesanität. 

Das neu entste­hende MUK­do führt die marinein­ter­nen Prozesse der Betriebs‑, Ein­satz- und Führung­sun­ter­stützung zusam­men. In ihm wer­den auch die Prü­fun­gen zur Ein­satzfähigkeit des in der Marine genutzten Mate­ri­als vor dessen Indi­en­st­stel­lung durchge­führt. Darüber hin­aus erstellt das MUK­do die logis­tis­che und betriebliche Bedarf­s­pla­nung und ver­ant­wortet die zeit­gerechte Bere­it­stel­lung aller materiellen Ein­satzun­ter­stützungsleis­tun­gen inklu­sive der Führung­sun­ter­stützung. Es gliedert sich in die Abteilun­gen Ein­satzun­ter­stützung und Prü­fauf­gaben, Betrieb­sun­ter­stützung Technik/Logistik sowie Führung­sun­ter­stützung. Für Quer­schnittsauf­gaben, wie zum Beispiel IT-Koor­di­na­tion Marine, wird die selb­ständi­ge Gruppe Zen­trale Angelegenheiten/Querschnittsaufgaben aufgestellt. 

Faz­it

Die Deutsche Marine ist ins­ge­samt gut aufgestellt, auf klarem Kurs mit klarem Ziel, zukun­fts­fähig und leis­tungsstark. Die kün­ftige Flotte mag zwar klein­er, soll aber dafür mod­ern­er und nach wie vor ver­gle­ich­bar schlagkräftig wie heute sein. Hier­bei ist die ein­geleit­ete Neuaus­rich­tung der Marine vielmehr ein Per­son­alum­bau als ein Personalabbau. 

Ich sehe also keine Prob­leme – oder gar eine Krise –, aber eine Rei­he von Auf­gaben und Her­aus­forderun­gen vor mir. Eine davon ist sicher­lich das Gewin­nen von aus­re­ichend qual­i­fiziertem Nach­wuchs für unsere Marine. Die Haup­tauf­gabe wird aber in der Gestal­tung des Über­gangs liegen. Hier geht es nicht nur um eine organ­isatorische oder struk­turelle Neuaus­rich­tung, son­dern auch um neues Denken und neue Ein­stel­lun­gen. Wir sind auf gutem Weg. 

Autor
Vizead­mi­ral Axel Schimpf (Inspek­teur Marine)

Team GlobDef

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