Lateinamerika — Brasilien (Brazil)


Brasilien Brazil

.. Auf inter­na­tionalem Par­kett strotz Brasilien vor Selb­st­be­wusst­sein. In den Welthandels­ge­sprächen glaubt die Regierung kaum mehr Konzes­sio­nen gegenüber den Indus­trielän­dern machen zu müssen. Außen­min­is­ter Cel­so Amor­im äußerte jüngst, die von Brasilien seit langem geförderte Öff­nung der Agrar­märk­te werde angesichts der weltweit knap­pen Nahrungsmit­tel schon vom Markt geschaf­fen.”
(FAZ 26.05.200)

Zum Reich­tum der Natur brauchen wir eine gute Infra­struk­tur. Dann ist das neue Brasilien unschlag­bar.
(Eike Batista, viertre­icht­ster Men­sch der Welt und reich­ster Brasil­ian­er im STERN vom 30.09.2010)

Das ewige Schuld­ner- und Krislen­land Brasilien ist heute mit 335 Mil­liar­den Dol­lar Devisen­re­serveren ein Gläu­biger der USA. Wenn der brasil­ian­is­che Finanzmin­is­ter vom “Währungskrieg” spricht, dann hören Chi­na und die USA genau hin und tun die Kri­tik nicht ein­fach ab. .…
(Alexan­der Busch “Wirtschafts­macht Brasilien” Hanser-Ver­lag, 2011)

Unter den größten Wirtschaftsmächt­en hat Brasilien ein Dreifach­wun­der geschaf­fen: hohes Wirtschaftswach­s­tum (anders als in den USA und Europa), poli­tis­che Frei­heit (anders als Chi­na) und einen Rück­gang der Ungle­ich­heit zwis­chen den Bevölkerungs­grup­pen (anders als prak­tisch über­all son­st)”
(SPIEGEL 25.06.2012 unter Zitat von Nicholas Leman im US-Mag­a­zin “New Yorker”)

 

Volk­swirtschaft des Lan­des:
Seit 1950 lag das Wirtschaftswach­s­tum Brasiliens im jährlichen Durch­schnitt bei etwa 5,3 %. Allerd­ings muss zwis­chen 1995 und 2005 ein Ein­bruch auf knapp 3 % zu verze­ich­nen. In den let­zten Jahren vor der Jahrtausendwende gehörte Brasilien zu den wirtschaftlichen Krisen­staat­en der Erde. Der Real war nach Jahren ein­er immer kün­stlich­er aufrecht erhal­te­nen Dol­larbindung abgew­ertet wor­den, die Aus­landsver­schul­dung betrug fast 272 Mrd. $ — dem Land dro­hte (wie Argen­tinien zwei Jahre später) die Zahlung­sun­fähigkeit. In dieser Zeit wurde ein beschei­den­er Pro­fes­sor (Columbi­aU­ni­ver­si­ty, New York und Whar­ton School), Anto­nio Fra­ga, zum Chef der brasil­ian­is­chen Zen­tral­bank berufen. Mit Zinssenkun­gen wurde die Wirtschaft angekurbelt — und mit dem damals größten Kred­it der IWF-Geschichte über 30 Mrd. $ die Zahlung­sun­fähigkeit Brasiliens ver­mieden. Der Plan ging auf — auch dank ein­er Rei­he von Präsi­den­ten, die ein Muster­beispiel für andere Entwick­lungslän­der abgegeben könnten.

  • Der erste der Rei­he war Fer­nan­do Hen­rique Car­doso, der sich 1993 als Finanzmin­is­ter mit ein­er Riege von hochqual­i­fizierten Beratern umgab und mit dem Real als neuer Währung, Infla­tions­bekämp­fung, Umschul­dun­gen und ein­er Öff­nung der Zoll­bar­ri­eren die Wirtschaft “auf Trab” brachte — und 1994 und 1998 zum Präsi­den­ten gewählt wurde.
  • Auf Car­doso fol­gte 2002 der (2006 wieder gewählte) charis­ma­tis­che Luiz Iná­cio Lula da Sil­va, Gew­erkschafts­führer und Vor­sitzen­der der links­gerichteten Arbeit­er­partei, der über Sozial­pro­gramme (Fome Zero = null Hunger) der Unter­schicht so viel Unter­stützung zukom­men lassen kon­nte, dass in sein­er Regierungszeit über 20 Mio. Men­schen den Auf­stieg in die Mit­telschicht des Lan­des schafften — sicht­bares Zeichen ist die Befriedung und Organ­i­sa­tion der vorher von Ban­den- und Dro­genkriegen erschüt­terten Favel­las, der Slums etwa in der Hafen­stadt Rio.
  • Seine tech­nokratis­che Nach­fol­gerin — die ehe­ma­lige Guerillera Dil­ma Rous­eff — zeigt andere Qual­itäten. So scheint Dil­ma als “worko­holic” dur­chaus mas­siv durchzu­greifen, wenn sich der Ver­dacht auf Kor­rup­tion verdichtet. Alleine im ersten Jahr ihrer Amt­szeit wur­den 7 Min­is­ter aus­gewech­selt. Auch unter ihr set­zt sich der Auf­schwung fort — alleine in den ersten 6 Monat­en ihrer Amt­szeit wuden knapp 1,6 Mio. neuer Arbeit­splätze geschaf­fen. Allerd­ings wird auch an ihrer man­gel­nden Sen­si­bil­ität für den Umgang mit Brasiliens Natur zunehmend Kri­tik geübt. 

Brasilien war im Jahr 2006 die zehnt­größte Volk­swirtschaft der Welt — und Gold­mann-Sachs, das bekan­nte Wirtschaftsin­sti­tut, sieht Brasilien in drei Dekaden zur weltweit fün­ft­größte Volk­swirtschaft wachsen.In der Ägide des charis­ma­tis­chen Präsi­den­ten Luiz Iná­cio Lula da Sil­va (Lula) von 2003 bis 2010 hat sich die Wirtschaft­skraft des Lan­des nahezu ver­dop­pelt. In den Jahren 2008 und 2009 — den Jahren der weltweit­en Finanzkrise — war Brasilien unter Lula eine der robustesten Volk­swirtschaften der Erde. Und Lulas Nach­fol­gerin Dil­ma Rouss­eff ist bekan­nt dafür, energsich Brasiliens Pro­jek­te zur Wirtschafts­förderung ohne große Rück­sicht­en auf die Umwelt voran getrieben zu haben. Im Jahr 2011 war Brasilien daher nicht ohne Grund das beliebteste BRIC-Land für aus­ländis­che Direk­t­in­vesti­tio­nen — also noch vor Rus­s­land, Indi­en und China.

Brasilien hat den Ehrgeiz, neben Chi­na und Indi­en zu den wichtig­sten auf­streben­den Wirtschaftsmächt­en des neuen Jahrtausends zu wer­den. Dazu wurde nach der Jahrtausendwende ein ehrgeiziges Investi­tion­spro­gramm angekündigt. Präsi­dent Luiz Iná­cio Lula da Sil­va hat in sein­er achtjähri­gen Amtspe­ri­ode die Staat­saus­gaben erhöht und damit den Bin­nenkon­sum gestärkt. Zwis­chen 2004 und 2009 wuch­sen die Regierungsaus­gaben um durch­schnit­tlich neun Prozent, im Wahl­jahr 2010 sog­ar um 11,6 Prozent. Das hierzu benötigte Geld scheint inzwis­chen aus­re­ichend vorhan­den zu sein. Brasiliens Regierung kon­nte 2006 mehr als 10 Mrd. $ Aus­landss­chulden vorzeit­ig tilgen und Devisenein­nah­men von rund 160 Mrd. $ ein­stre­ichen. Das zunächst vor allem durch den Export (Zuck­er, Sojabohnen, Kaf­fee, Eisen­erz) getra­gene BIP wuchs 2006 um 3,7 % und wird 2007 um weit­ere 4,5 % zule­gen. Auch für das Jahr 2008 wur­den Wach­s­tum­srat­en um 5 % prog­nos­tiziert. Im 2. Hal­b­jahr 2009 und in der 1. Jahreshälfte 2010 stieg Brasiliens Wirtschaft bere­its um 8,9 Prozent. Brasiliens Wirtschaft wird im Jahr 2010 nach ein­er Prog­nose des Inter­na­tionalen Währungs­fonds  ins­ge­samt wohl um 7,1 Prozent wach­sen:
„Die sta­bilen makroökonomis­chen Kennz­if­fern und das rechtzeit­ige Reagieren der Regierung haben dem Land die Möglichkeit geboten, neg­a­tive Fol­gen der glob­alen Krise zu hem­men“, heißt es in einem auf der IWF-Web­seite veröf­fentlicht­en Bericht.
Volk­swirte gehen (Stand Dezem­ber 2010) davon aus, dass Brasiliens Wirtschaft 2010  klar um mehr als sieben Prozent wach­sen wird. Da ein Infla­tion­sziel von 4,5 Prozent beste­ht, die reale Infla­tion aber zwis­chen 5 und 6 % liegt, soll nun durch staatliche Etatbeschränkun­gen die Wirtschaft­sen­twick­lung sog­ar gezügelt wer­den — bei unverän­dert­er Rezes­sion­s­ge­fahr in den großen west­lichen Volk­swirtschaften. Aber was heißt “große west­liche Volk­swirtschaft” in Zusam­men­hang mit Brasilien — der acht- (2012 der sechst-)größten Ökonomie der Welt?

Brasilien ist der weltweit größte Expor­teuer für Rohstoffe wie Eisen­erz, Soja, Fleisch und Zuck­er — die vor allem in Asiens wach­senden Wirtschaft­sna­tio­nen gefragt wer­den. Denoch wird Brasiliens Wirtschaft nur zu 12 % (Stand 2010) vom Export gespeist. Die Wirtschaft wird vor allem durch die zunehmende Kaufkraft der eige­nen Bevölkerung angetrieben. Das brasil­ian­is­che Wach­s­tum ist über­wiegend von der eige­nen Bin­nen­nach­frage — von Kon­sum und Investi­tio­nen — getra­gen. Das 2007 begonnene Pro­gramm zur Beschle­u­ni­gung des Wach­s­tums sieht alleine bis 2010 Investi­tio­nen in Höhe von rund 200 Mrd. Real in der Infra­struk­tur vor. In der Amt­szeit von Präsi­dent Lula wur­den 14 Mio. feste Arbeit­splätze geschaf­fen, mehr als dop­pelt so viel Brasil­ian­er — 30 Mil­lio­nen — sind in die “Mit­telk­lasse” aufgestiegen. Das Einkom­men der ärm­sten 10 % der brasil­ian­is­chen Bevölkerung stieg unter Präsi­dent Lula um 58 % — dop­pelt so stark wie das BIP. Die durch Sozial­pro­gramme und Steuersenkun­gen ent­standene Kaufkraft lässt auch in den Armen­sied­lun­gen neue Arbeit­splätze entste­hen. In den ersten sieben Monat­en des Jahres 2010 waren es alleine 1,7 Mio. feste Arbeit­splätze — mit Sozialver­sicherung und Steuer­ab­gaben. Brasilien ver­fügt über ein solides und gewin­nträchtiges Banken­we­sen, die fusion­ierten Banken Itau und Uni­ban­co bilden gemein­sam das größte Geldin­sti­tut Südamerikas. Die vom Rohstof­f­ex­port gespeis­ten Devisen­re­ser­ven haben sich von der 3. Dekade 2006 an gerech­net bin­nen eines Jahres (!) auf 170 Mrd. $ ver­dop­pelt (Stand Ende Okt. 2007). Die Devisen­re­ser­ven sind höher als die Aus­landss­chulden des Lan­des. Damit steigt auch die Import­fähigkeit. Alleine Deutsch­land kon­nte in den ersten Monat­en des Jahres 2007 den Export nach Brasilien um 24 % gegenüber 2006 (5,9 Mrd. $) steigen.  Und diese Beschle­u­ni­gung­shil­fe für die Weltwirtschaft geht weit­er. Alleine von 2009 bis 2010 stiegen die deutschen Exporte um weit­ere 60 %.

Brasilien ist aber — immer noch — auch ein Land extremer Gegen­sätze; »Sklave­nar­beit und hochmod­ern­er Flugzeug­bau, Regio­nen wie in der Ersten und in der Drit­ten Welt existieren nebeneinan­der. « und » Gemäß unseren Stu­di­en ist Brasilien Welt­meis­ter in sozialer Ungle­ich­heit…« — so beschreibt Car­los Lopez, UN-Koor­di­na­tor für Brasilien, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Sit­u­a­tion des Lan­des. Beson­ders beun­ruhi­gend sei, »dass sich die Gegen­sätze zwis­chen Reich und Arm erst in den let­zten bei­den demokratis­chen Jahrzehn­ten des Lan­des ver­schärft « hät­ten.
Lopez kri­tisiert damit indi­rekt die neolib­erale Wirtschafts- und Sozialpoli­tik des Lan­des, die auch von den kon­ser­v­a­tiv­en Bis­chöfen der kath. Kirche kri­tisiert wird und durch harte Aufla­gen des Inter­na­tionalen Währungs­fonds erzwun­gen wor­den war. » Nie sah man so viel Elend auf den Straßen.« betonte Kar­di­nal Agne­lo, der Vor­sitzende der Bischof­skon­ferenz dieses über­wiegend katholis­chen Lan­des. 
Die Poli­tik des IWF und der Welt­bank »desta­bil­isieren sie das Land, das ja für sein Beste­hen ein funk­tion­ieren­des Geldsys­tem und ein Sys­tem braucht, das den Ein­satz der Steuer­mit­tel regelt.« — so Michel Chos­su­dovsky, Pro­fes­sor für Wirtschaftswis­senschaft an der Uni­ver­sität Ottawa.
Quelle: www.tenc.net
Der Infor­ma­tions­di­enst der Deutschen Wirtschaft in Köln (Aus­gabe Nr. 38 vom 18. Sept. 2003) hält dage­gen: » Die Aufla­gen sind nötig, um das Ver­trauen der Finanzmärk­te in die jew­eili­gen Län­der wieder­herzustellen. … Län­der wie Mexiko, Rus­s­land oder Brasilien, die seit 1994 von ein­er Krise betrof­fen waren und vom IWF unter­stützt wur­den, haben schnell wieder beachtliche Wach­s­tum­srat­en erre­icht. «
Die Armut umfasst nicht nur den bekan­nt unter­en­twick­el­ten Nor­dosten. Auch in den wirtschaftlichen Metropolen, in Rio und Sao Paulo, ver­schärft sich das Elend der wirtschaftlichen Unter­schicht. Auf­grund der hohen Bevölkerungs­dichte sind die sozialen Gegen­sätze sog­ar noch extremer, die Slums und Fave­las der Großstädte, in denen Rauschgift­ban­den und krim­inelle Milizen die Herrschaft ausüben, wächst extremer sozialer Sprengstoff. Auf diesem Nährbo­den gedei­hen neue sozial­is­tis­che Parteien. Brasilien entwick­elt sich — symp­to­ma­tisch für die Südamerikanis­chen Staat­en — nach “links” und tren­nt sich damit poli­tisch zunehmend von den vorherrschend kon­ser­v­a­tiv­en Strö­mungen der USA.

Extern­er Link:
Fave­las: Fave­las und ihre Bewohn­er — (www.brasilien.de)

Die Wirtschaft­sen­twick­lung Brasiliens wird kaum so deut­lich wie in der wirtschaftlichen Zusam­me­nar­beit mit den Indus­tri­es­taat­en.  Aus “Entwick­lung­shil­fe” wurde “entwick­lungspoli­tis­che Zusam­me­nar­beit” (EZ), bei der Brasilien nicht nur Almosen­empfänger ist, son­dern ein Part­ner auf hohem Niveau. Brasilien empfängt immer noch (Stand 2006) jährlich rund 85 Mio. $ an bilat­eraler finanzieller Hil­fe, und par­tizip­iert an über 300 Pro­jek­ten der zwis­chen­staatlichen tech­nis­chen Zusam­me­nar­beit, die vor allem mit Japan (52 %) und Deutsch­land( 18 %), Eng­land und Frankre­ich — also den EU-Staat­en — vere­in­bart wur­den, aber der Kern dieser Zusam­me­nar­beit wird von High-Tech-Spezial­is­ten und Admin­is­tra­toren geleis­tet. Die zur Armuts­bekämp­fung in Brasilien entwick­el­ten sozialen Tech­niken wie das Pro­gramm “Bol­sa Esco­la” (Sozial­hil­fe gegen regelmäßi­gen Schulbe­such) wer­den inzwis­chen (Stand 2006) in fast 40 Län­dern kopiert.  Ein Förder­er dieser Entwick­lung ist der frühere Noten­bankpräsi­dent Anto­nia Frage. Mit einem Investi­tions­fonds über 4,5 Mrd. $ (2007), der aus gewin­nträchti­gen Beteili­gun­gen bei McDonald’s (700 Mio. $), dem südamerikanis­chen Unter­hal­tungskonz­ern CIE, bei Einkauf­szen­tren, Hafen­be­treibern, Ethanol­fab­riken, Flugge­sellschaften (BRA) oder dem Kaf­feep­ro­duzen­ten Ipane­ma weit­er gespeist wird, fördert er die brasil­ian­is­che Wirtschaft — dur­chaus auch zum Wohl der Pri­vatkun­den, die seinem Investi­tions­fonds große Teile ihres Ver­mö­gens anver­trauen. Brasilien ist inzwis­chen — dank ein­er zunehmenden Bin­nen­nach­frage, die das ursprünglich durch den Rohstoffhunger aus­gelöste Wirtschaftswach­s­tum des Lan­des zunehmend stützt — zu einem bevorzugten Investi­tion­sziel gewor­den. Alleine deutsche Fir­men haben im Jahre 2006 rund 5,3 Mrd. € im Land investiert — mehr als in Rus­s­land, Chi­na oder Indi­en. Nach dem MSCI Emerg­ing Mar­kets Index — einem Börsen­baromeer des US-Finanzkonz­erns Mor­gan Stan­ley Cap­i­tal Inter­na­tion­al — ist Brasilien seit Ende Feb­ru­ar 2008 inzwis­chen für die Börsen wichtiger als Chi­na, Indi­en oder Rus­s­land.  Dementsprechend wan­delt sich Brasilien zunehmend, aus dem ehe­ma­li­gen Entwick­lungs­land, dann Schwellen­land ist ein “Kern­land” gewor­den, das für die sta­bilien Ver­hält­nisse in sein­er Region und bei den Nach­barn enorme Bedeu­tung gewon­nen hat.

Die “Wirtschaft­sauguren” sind sich auch über­wiegend einig, dass Brasiliens Wirtschafts­boom zwar durch die steigende Nach­frage nach Rohstof­fen ange­feuert wird, das Wach­s­tum aber auch vom starken Kon­sum, der Inlands­frage getra­gen wird. Nach dem “ING Invest Latin Amer­ca Fonds” ist die starke Bin­nen­nach­frage sog­ar “die treibende Kraft der Wirtschaft”. Tat­säch­lich hat sich in Brasilien zwis­chen 2003 und 2010 ein enormer Auf­schwung der Mit­telschicht ergeben. Etwa 30 Mil­lio­nen der Brasil­ian­er haben den Auf­stieg in die “Mit­telschicht” geschafft. Damit ent­stand aber auch zunehmende Bin­nen­nach­frage nach Dien­stleis­tun­gen und hochw­er­ti­gen Waren. Einge­denk der Krisen­er­fahrung der vorherge­hen­den Jahrzehnte set­zen die Brasil­ian­er auf Kon­sum und Qual­ität. Auch Luxu­s­güter wer­den nicht erspart son­dern lieber über Kred­it gekauft — das eigene Geld kön­nte ja bei der näch­sten Krise mas­siv an Wert ver­lieren. Dabei ist Brasilien bis 2011 durch die Weltwirtschaft­skrise weitaus bess­er gekom­men als die tra­di­tionellen Industrieländer.

Brasilien ist also bei Weit­em nicht so von glob­alen Entwick­lun­gen abhängig, wie es die auf Rohstoff­nach­frage fix­ierte Analyse nahelegt.

Mer­co­sur:
Wirtschaftlich wird diese “Abn­abelung” des Südamerikanis­chen Kon­ti­nents durch den MERCOSUR forciert. Hier entste­ht nach dem Muster der Europäis­chen Union ein supra­na­tionaler Recht­sraum. Die Forderun­gen der USA in Rich­tung ein­er gesam­tamerikanis­chen Frei­han­del­szone (ALCA ) sind für die meis­ten südamerikanis­chen Staat­en nicht akzept­abel, weshalb man sich auch wieder ver­stärkt auf die eigene Stärke in einem gemein­samen Wirtschaft­sraum besin­nt, wohl auch um mehr Gewicht gegenüber den USA und den Inter­na­tionalen Finanzin­sti­tu­tio­nen zu bekom­men. 
Kern des Bünd­niss­es sind die “Wirtschaftsmächte” des Kon­ti­nents, Brasilien und Argen­tinien, und deren “Puffer­staat­en”, Paraguay und Uruguay. Chile, Bolivien und Peru — also die west­lich anschließen­den “Paz­i­fik-Staat­en” haben sich später als “assozi­ierte Län­der” angeschlossen, so dass dieses Wirtschafts­bünd­nis eine Bevölkerung von 250 Mil­lio­nen Men­schen und ein gemein­sames Brut­toin­land­spro­dukt von 800 Mil­liar­den Dol­lar repräsen­tiert. 
Damit ist die Mer­co­sur-Gruppe nach der EU und dem nor­damerikanis­chen Naf­ta-Wirtschaft­sraum die drittgrößte Wirtschaft­szone der Welt, deren interne Zoll­gren­zen — mit Aus­nahme von Zuck­er und Kraft­fahrzeu­gen — inzwis­chen aufge­hoben wurden.