Lateinamerika — Brasilien (Brazil)


Brasilien Brazil

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Eigene Stärken Brasiliens:
a) Land­wirtschaft:

Brasilien ver­fügt im kli­ma­tisch gün­stig gele­ge­nen Süden des Lan­des über eine blühende Land­wirtschaft. Der Urwald im Einzugs­ge­bi­et des Ama­zonas blieb über Jahrhun­derte hin den Indi­an­ern über­lassen. Erst durch die Auto­mo­bil­isierung geri­et ein Wald­pro­dukt — der aus Baumharz gewonnene Rohgum­mi oder Kautschuk — in den Blick­punkt der Wirtschaft. Inner­halb weniger Jahre ent­stand mit­ten im Urwald, an dem auch für Ozean­schiffe befahrbaren Ama­zonas, die “Stadt der Gum­mibarone” — Man­aus, die mit ein­er Oper mit­ten im Ama­zona­sur­wald den kul­turellen Ver­gle­ich mit nor­damerikanis­chen und europäis­chen Welt­städten nicht zu scheuen brauchte. Der Kautschuk­boom währte nur wenige Jahre — eigens errichtete Plan­ta­gen vor allem in Südostasien waren leichter, wirtschaftlich­er zu nutzen als die vere­inzelt gestreuten natür­lichen Bäume im Ama­zona­sur­wald. 
Heute bemüht sich Brasiliens Regierung erneut, die riesi­gen Gebi­ete im Hin­ter­land zu entwick­eln. Die Ver­legung des Regierungssitzes von der Küste (Rio de Janeiro) in eine kün­stlich geschaf­fene neue Haupt­stadt war der gezielte Start­punkt ein­er Wirtschaft­sen­twick­lung, die vor allem das riesige Hin­ter­land Brasiliens erfassen sollte. Durch die Erschließung des Ama­zonas-Urwaldes sowie der west­lichen, neben Paraguay und Bolivien gele­ge­nen Prov­inzen mit befahrbaren Pis­ten wird die Land­nahme — vor allem in Zeit­en kon­junk­tureller Krisen — inzwis­chen auch im Hin­ter­land immer mehr ver­stärkt. Gold­such­er, Holzfäller, Tier­fänger, Klein­bauern und Siedler drin­gen ent­lang der Straßen immer tiefer in den Urwald vor, holzen die Wälder ab und erricht­en Felder, die meist nur wenige Jahre lang frucht­bar sind — bis die tro­pis­chen Unwet­ter der Regen­zeit den dün­nen Humus über den darunter liegen­den Sand­bö­den wegge­spült haben. Auf diese Weise wer­den jährlich immer mehr Flächen dauer­haft ver­nichtet, also auf Jahrzehnte hin unfrucht­bar gemacht.
Brasilien ist den­noch ein­er der größten Expor­teure auf dem glob­alen Agrar­markt. Von Häh­nchen­teilen über Rind­fleisch und pflan­zliche Pro­duk­te wie Kaffe, Orangen­saft oder Soja — noch im Jahre 2003 war die Land­wirtschaft der Haupt­de­visen­bringers und der Export der land­wirtschaftlichen Pro­duk­te das Volk­swirtschaftliche Stand­bein des von ein­er schw­eren Wirtschaft­skrise angeschla­gen Landes.

Fleisch für die Welt” — wer hätte gedacht, dass nicht die argen­tinis­chen Rinder­barone son­dern brasil­ian­is­che Betriebe ein­mal den Welt­markt beliefern wür­den? Noch vor Jahrzehn­ten trot­teten halb ver­hungerte Rinder über die ver­dor­rten Trock­enge­bi­ete Brasiliens, bis die Brasil­ian­er aus Indi­en und Afri­ka tropen­taugliche Rinder­rassen einkreuzten. Die neuen Rassen — auf der Basis des Zebu-Rindes — haben nicht nur Brasilien erobert. Alleine der Fleis­chkonz­ern IBS schlachtet heute täglich 90.000 Rinder und über 7 Mil­lio­nen Hüh­n­er, die nicht nur nach Chi­na exportiert werden. 

Die Region von “Mato Grosso” um Cuiabá und Ron­donópo­lis im Lan­desin­neren ist das Zen­trum des Sojaan­baues. In der geo­graphis­chen Mitte des Kon­ti­nents gele­gen — fast näher am Paz­i­fik — war die Region jahre­lang nur über aus­ge­wasch­ene, tief zer­furchte Land­straßen erre­ich­bar. Über 2.000 km bracht­en end­lose Last­wa­genkolon­nen land­wirtschaftliche Geräte in die Region, um vor dort die land­wirtschaftlichen Erzeug­nisse — vor allem Soja — zu den Ver­lade­häfen am Atlantik zu trans­portieren. Zwis­chen­zeitlich wurdn auch die Zuflüsse des Ama­zonas für den Abtrans­port der gewalti­gen Ern­te­men­gen ent­deckt. Und auch die Sojaplan­ta­gen rück­en immer weit­er in das Ama­zonas­ge­bi­et vor. Der Sojaan­bau litt allerd­ings im Jahre 2005 unter ein­er schw­eren Dürre. Ob die glob­ale Kli­maverän­derung oder auch die Zer­störung der eige­nen Regen­wälder die unmit­tel­baren Aus­lös­er dieser Prob­leme sind — Tat­sache ist, dass die Land­wirtschaft immer wieder große Rückschläge erlebt.

Ein Prob­llem ist, dass der Zuck­er­rohran­bau — der den Grund­stoff für Ethanol, also “Bio-Ben­zin” erzeugt — zunehmend die ehe­ma­li­gen Wei­dege­bi­ete zwis­chen Minas Gerais, Sao Paulo und Rio de Janeiro beansprucht. Dort haben bish­er Rinderzucht und Milch­wirtschaft die land­wirtschaftliche Pro­duk­tion geprägt. Der Durst der Mil­lio­nen­städte nach Bio-Sprit führt zum mas­siv­en Aus­bau der Zuck­er­rohrpro­duk­tion in dieser Gegend. Die Viehhal­ter ver­la­gen ihre Wei­dege­bi­ete nach Nor­den — und neben Sojaplan­ta­gen fressen sich dann auch die Viehwei­den in den Amazonas-Regenwald. 

Regen­waldz­er­störung:
Das Aus­maß der Zer­störung ist gewaltig. Rund 2 Mil­lio­nen Hek­tar wer­den jedes Jahr durch (Brand-) Rodung ver­nichtet. Von 1970 bis 2007 wur­den 700.000 km² Regen­wald ver­nichtet — etwa die dop­pelte Fläche Deutsch­lands. Und die Regen­waldz­er­störung schre­it­et immer schneller voran. Wie das brasil­ian­is­che Umwelt­min­is­teri­um an Hand von Satel­liten­fo­tos fest­stellte, sind alleine zwis­chen August und Dezem­ber 2007 etwa 7.000 km² Regen­wald geschla­gen wor­den. Nicht nur Umweltschützer bekla­gen einen gigan­tis­chen Ver­lust an Ressourcen, an möglichen Heilpflanzen und geschützten und sel­te­nen Tier­arten, einen drama­tis­chen Ein­griff in die grü­nen Lun­gen Südamerikas.
Ursäch­lich — so bekla­gen Umweltschützer — sei auch die ver­fehlte Erschließungs- und Infra­struk­tur­poli­tik der brasil­ian­is­chen Regierun­gen. So ist die Anzahl der Sägew­erke im Gebi­et von Ana­pu — 2000 km nördlich von Rio de Janeiro — seit dem Anschluss an die Elek­triz­itätsver­sorgung inner­halb von 5 Jahren vervielfacht wor­den, während gle­ichzeit­ig die ille­galen Rodun­gen mas­siv zugenom­men hat. Holz­mafia, danach Viehbarone und dann Soja­man­ag­er und Zuck­er­rohr-Fab­rikan­ten haben eine unheilige Verbindung, die — so die katholis­che Bischof­skon­ferenz — zur Vertrei­bung von Klein­bauern und Einge­bore­nen führt, während die Zuck­er­rohrar­beit­er zu Gun­sten des Prof­its aus­ge­beutet wer­den. Die Bischof­skon­ferenz forderte daher Pär­si­dent Lula auf, den Kahlschlag zu stoppen. 

Anstatt die Zer­störung effek­tiv zu ver­hin­dern pflastert Brasiliens Regierung den Ama­zonasver­nichtern noch den Weg” - zitiert die Süd­deutsche Zeitung (7.4.2005) die Klage von Umweltschützern. “Die Vorgänger­regierung hat­te angekündigt, 6.245 Kilo­me­ter bish­eriger Schot­ter­straßen quer durch den Ama­zonas zu teeren — darunter 910 Kilo­me­ter der Transama­zon­i­ca, … und eine Straße von Cula­bá im Soja-Anbaus­taat Mato Grosso zum Ama­zonashafen San­tarém. Bei­de Trassen wur­den Anfang der siebziger Jahre von der Mil­itärdik­tatur durch den Ama­zonas geschla­gen, um “Men­schen ohne Land, Land ohne Men­schen zu geben.”, und so den Bevölkerungs­druck im ver­armten Nor­dostens Brasiliens zu ver­min­dern.
Das Pro­jekt
(so die Süd­deutsche weit­er) gilt als teur­er Fehlschlag, die geplante Teerung kön­nte ver­heerende Auswirkun­gen haben. Eine gemein­same Studie des Ama­zonas-Umwelt­forschungsin­sti­tuts Ipam in Belem mit dem Woods Hole Research Cen­ter in den USA sieht voraus, das in den näch­sten 25 bis 35 Jahren bis zu 270.000 qkm mehr Urwald abge­holzt wer­den, soll­ten die Asphaltierun­gen aus­ge­führt wer­den. Die Studie basiert auf einem Ver­gle­ich mit den Auswirkun­gen der Teerung der Straße von der Haupt­stadt Brasil­ia nach Belém an der Ama­zonas­mün­dung vor 35 Jahren, in dessen Folge auf ein­er Schneise von 50 km auf bei­den Seit­en der Straße fast die Hälfte des Regen­waldes abge­holzt wurde

Aggres­siv­er Soja-Anbau.
Trotz der Bedenken nen­nt die Regierung von Präsi­dent Lula das Asphaltieren der Ama­zonas-High­ways eine “Top Pri­or­ität.” …. Immer mehr Holz­fir­men, Viehzüchter und Land­schieber drän­gen in die Gegend. Poten­ziert wird die Dynamik durch ein aggre­sives Vor­preschen der Soja-Monokul­turen bis tief in den Ama­zonas. Oft kaufen Viehzüchter das Land vor 30 bis 50 Real (15 Euro) den Hek­tar, verkaufen später für 15000 Real an Soja-Farmer und ziehen dann weit­er, um noch unberührte Urwaldge­bi­ete zu roden, erk­lärt Nilo D’Av­i­la von Geen­peace. “Soja ist heute das Haupt­mo­tiv für Land­speku­la­tio­nen im Ama­zonas.“
Die Soja-Groß­be­triebe in Mato Grosso am Südrand des Ama­zonas, die Brasilien inzwis­chen zum zweitgröß´ten Sojabohnen-Expor­teur der Welt gemacht haben, erhof­fen sich von der Asphaltierung der Straße nach San­tarém mas­sive Trans­portkosten­erspar­nisse. 70 Mil­lio­nen Dol­lar im Jahr sollen die verkürzten Car­go-Schiff­s­routen nach Europa und durch den Pana­makanal brin­gen.”

Quelle: Süd­deutsche Zeitung, 07.04.2005
Das brasil­ian­is­che Fam­i­lienun­ternehmen “Grupo Andre Mag­gi” ist ein Beispiel für die Investi­tio­nen in den wach­senden Soja-Aus­bau. Um die gut 2000 km lan­gen und damit teuren Straßen­trans­porte zu den Häfen am Meer gün­stiger abzuwick­eln, wur­den in Schwe­den eigens kon­stru­ierte Flusss­chiffe geordert, mit den niedri­gen Wasser­stän­den genau­so zurecht kom­men wie mit schwim­menden Baum­riesen. Mit neuen, auch in der Savanne wach­senden Soja-Sorten und einem Sozial­pro­gramm, das Schule, Kranken­haus und und Wasserkraftwerk umfasst gehört “Grupo Mag­gi” noch zu den Vorzeige­un­ternehmen der Branche. 

Neben dem ille­galen Ein­schlag von Tropen­holz, der Rodung von Wald für Rinderzucht Soja und Zuck­er­rohran­bau sowie große Indus­triepro­jek­te tra­gen vor allem auch die Klein­bauern, deren Anteil an der Zer­störung des Regen­waldes auf etwa 1/3 geschätzt wird, zu diesem Kreb­s­geschwür bei. Tausende strö­men aus den Slums der Großstädte in das Ama­zonas­ge­bi­et und die west­liche Prov­inz von Pan­tanal (port. “Sumpf”), im mit­tleren Süd­west­en von Brasilien in den Bun­desstaat­en Mato Grosso und Mato Grosso do Sul — eines der größten Bin­nen­land-Feucht­ge­bi­ete der Erde an der Gren­ze zu Bolivien. Die in den Urwald geschla­ge­nen Pis­ten wie die Transama­zon­i­ca bilden die Ein­bruch­schneisen, von denen aus sich die Siedler wie ein unaufhalt­sames Heer von Ter­miten immer weit­er in den Wald fressen. Die Steigerung der land­wirtschaftlichen Exporte — zwis­chen 2000 und 2004 bei Sojapro­duk­ten um 135 %, bei Geflügel und Rind­fle­ich um über 200 % sowie bei Zuck­er um 117 % ist auch mit der Umweltzer­störung des brasil­ian­is­chen Regen­waldes verbunden. 

Dass die wirtschaftlichen Inter­essen nicht mit Samthand­schuhen vertreten wer­den zeigt die Ermor­dung der US-stäm­mi­gen Nonne und Umweltak­tivistin Dorothy Stang am 12. Feb­ru­ar 2005, Morde und Vertrei­bun­gen von Klein­bauern durch Holz­ex­por­teure und Groß­grundbe­sitzer sind an der Tagesordnung. 

Ander­er­seits wer­den neu entwick­elte Arten — vom staatlichen Forschungsin­sti­tut Embra­pa auf den Markt gebracht — gezielt darauf hin entwick­elt, in den spez­i­fis­chen Umweltbe­din­gun­gen Brasiliens reiche Erträge zu liefern.  

 

Es gibt auch ökol­o­gisch sin­nvolle tro­pis­che Land­wirtschaft
Nicht alles, was der Men­sch im Regen­wald macht, zer­stört die Natur. Ger­ade in Südostasien hat der Men­sch seit Jahrhun­derten auch gel­ernt, mit der tro­pis­chen Umwelt fer­tig zu wer­den. An die Stelle der Step­pen­rinder treten Wasser­büf­fel, an die Stelle der Sojafelder und europäis­chen Getrei­des­orten tritt Reis. Der Reisan­bau in Brasilien wurde schon im 16. und 17. Jhdt. erwäh­nt.  Im 19. Jhdt. wurde Reis zu ein­er der wichtig­sten in Brasilien ange­baut­en Getrei­des­orten. In Rio Grande do Sul, Sao Paulo und Minas Gerais wurde Reis neben den Kaf­fee-Plan­ta­gen zu einem der bedeu­tend­sten land­wirtschaftlichen Pro­duk­te. Die asi­atis­chen Reis­felder wer­den nicht mit Trak­toren son­dern mit Wasser­büf­feln gepflügt, und tat­säch­lich — auf der Insel Mara­jó mit ihrer Haupt­stadt Soure im Ama­zonas-Delta hat diese tro­pis­che Tier­art eine neue Heimat gefun­den. Aus einem Schiff­sun­ter­gang sollen sich eine Rei­he von Wasser­büf­feln an die tro­pis­che Küste gerettet haben. Mara­jó ist inzwis­chen bekan­nt für die Wasser­büf­felzucht, Büf­felkäse, Assai-Ernte (eine Pal­men­frucht) und die Pro­duk­tion von Pal­men­herzen, Kreb­s­fang in den Man­groven. Eine auf Wasser­büf­feln berit­tene Polizei hat die Aus­rüs­tung der Sicher­heit­skräfte rev­o­lu­tion­iert. Wasser­büf­fel sind extrem gelän­degängig und schwimm­fähig, also amphibisch, robust, von Treib­stoff­nach­schub unab­hängig und auch über lange Dis­tanzen durch schwierig­ste Sumpf- und Man­grovenge­bi­ete ohne Nach­schub ein­set­zbar. Nach den Polizeikräften von Mara­jó erken­nen immer mehr Polizeiein­heit­en im Ama­zonas­ge­bi­et die einzi­gar­ti­gen Chan­cen, die der Ein­satz von Wasser­büf­feln bei der Mobil­isierung erbrin­gen kann.

Mod­ern­ste Polizeikräfte im Ama­zonas­ge­bi­et
Die Regierung Brasiliens hat bere­its vor Jahren begonnen, zur Sicherung des Ama­zonas-Tieflan­des eine starke Polizeitruppe aufzubauen. Brasilien erteilte im Okto­ber 2000 für 425 Mio. US Dol­lar den Auf­trag, die Polizeibehör­den mit Hil­fe von EADS Deutsch­land GmbH und Thom­son-CSF/­Paris auf den neuesten Stand der Tech­nik zu brin­gen. Dabei geht es um Überwachungs- und Infor­ma­tion­ssys­teme zwis­chen den Polizeis­tellen, Sys­teme zur Iden­ti­fizierung, mod­erne Bekämp­fungsmeth­o­d­en gegen das organ­isierte Ver­brechen, Beschaf­fung von Trans­port­mit­teln (Luft, Wass­er, Land) und Aus­bil­dung. Der Auf­trag umfasst Telekom­mu­nika­tion­ssys­teme, Erken­nungs- und Iden­ti­fizierungssys­teme, Unter­suchungsla­bore, Trans­port­mit­tel wie Flugzeuge, Hub­schrauber, schnelle Boote, Aufk­lärungs- und Führungssys­teme, Logis­tik und Aus­bil­dung der Bun­de­spolizei die damit in ein­er Qual­ität aus­ges­tat­tet wird, die der von Brasiliens Land­stre­itkräfte (s.u.) wohl zumin­d­est eben­bür­tig ist. 

In Brasiliens “Hin­ter­land” spielt sich — wie in den Slums der Großstädte — tat­säch­lich ein regel­rechter Kleinkrieg ab. So wur­den fünf Lan­dar­beit­er durch Milizen von Groß­grundbe­sitzern in einem Land­losen­camp nahe der Stadt Felis­bur­go (Bun­desstaat Minas Gerais) ermordet — was zu Schuldzuweisun­gen der regionalen Bischof­skon­ferenz an die Regierung führte. Diese würde die sozialen Missstände ignori­eren und nichts für eine Land- und Agrar­reform unternehmen. Die Bis­chöfe bekla­gen die “insti­tu­tion­al­isierte Gewalt” ins­beson­dere der Groß­grundbe­sitzer und ihrer Milizen sowie die hem­mungslose Prof­it­gi­er des Agro-Busi­ness auf Kosten der Klein­siedler und der Umwelt. Die von den Bis­chöfen der katholis­chen Kirche Brasiliens ins Leben gerufene Kom­mis­sion (CPT) set­zt sich für eine umfassende Agrar­reform ein, die eine gerechtere Verteilung des Lan­des, den Zugang zu Pro­duk­tion­s­mit­teln und Kred­iten bein­hal­tet und die Förderung ein­er klein­bäuer­lichen, umweltverträglichen Land­wirtschaft zum Ziele hat.

Diese Klein­siedler — meist ohne aus­re­ichen­des Wis­sen um die Anfäl­ligkeit der nur durch den Wald geschützten Sand­bö­den — betreiben Wan­der­feld­bau mit Bran­dro­dung. Sobald nach kürzester Zeit der dünne Humus aus­ge­waschen, der Boden erschöpft ist, ziehen sie weit­er, oder lan­den erneut in den Elendssied­lun­gen am Rande der großen Metropolen. 

In den let­zten Jahren sind 900.000 Klein­be­triebe mit weniger als 100 Hek­tar in den Konkurs gegan­gen. Von den 700.000 Betrieben, die dem “patronalen” Bere­ich ange­hören, sind mit­tel­fristig nur 88.000 über­lebens­fähig. Von den noch verbliebe­nen vier Mil­lio­nen Klein­be­trieben, wer­den mit­tel­fristig nur 700.000 über­leben kön­nen. Es find­et ein genereller Ver­ar­mung­sprozess statt, und im Durch­schnitt erre­ichen die Betriebe unter 50 Hek­tar nur ein Monat­seinkom­men, das einem Min­dest­lohn entspricht. Zwei Mil­lio­nen Lan­dar­beit­er, die auf Lohn­ba­sis arbeit­eten, ver­loren ihre Arbeit. Die Agrarkred­ite, die in den 80er Jahren noch ein Vol­u­men von jährlich cir­ca 18 Mil­liar­den (Dol­lar) umfassten, wur­den in den
let­zten Jahren immer spär­lich­er und unerr­e­ich­bar­er für die klein­bäuer­liche Land­wirtschaft. Sie sind auf jährlich etwa 8 Mil­liar­den zusam­mengeschrumpft. Die gesamte Getrei­de­pro­duk­tion stag­niert seit den let­zten zehn Jahren und liegt bei cir­ca 80 Mill. Ton­nen.”

(Quelle: Offen­er Brief des Nationalen Forums für Agrar­reform und Gerechtigkeit — (www.npla.de), Mai 2000)

Allerd­ings gibt es Hoff­nung; ein Beispiel: T.A. Mitschein, Pro­fes­sor an der Uni­ver­sität von Pará, der nach Stu­di­en von Wirtschafts­geschichte, Sozi­olo­gie und Philoso­phie ohne Scheuk­lap­pen die Sit­u­a­tion nüchtern analysiert, hat mit brasil­ian­is­chen Kol­le­gen das Pro­jekt “Poe­ma” gegründet.

Pro­jekt Poe­ma:
Poe­ma ste­ht für “Pro­gra­ma Pobreza e Meio Ambi­ente na Ama­zo­nia” (Pro­gramm gegen Armut und für die Umwelt in Ama­zonien) und lässt Anklänge an ein lit­er­arisches Gedicht ver­muten. Im Mit­telpunkt des Pro­gramms ste­hen die Wan­der­feld­bauern, die sesshaft gemacht und “an die eigene Scholle” gebun­den wer­den sollen. Ziel der Poe­ma-Pro­gramme ist, den Klein­bauern bessere Wege zur Nutzung der sen­si­blen Böden zu zeigen und sie mit Bewässerung­spro­jek­ten, Trinkwasserver­sorgung und anderen “Luxu­s­gütern” an den bere­its gerode­ten Gebi­eten heimisch zu machen. Pate bei der Entwick­lung dieser Anbaumeth­o­d­en sind nicht etwa — wie man ver­muten kön­nte — die südostasi­atis­chen Reis­bauern, die seit Jahrhun­derten im Ein­klang mit tro­pis­chen Regen­wäldern eine inten­sive land­wirtschaftliche Kul­tur entwick­elt haben. Nein — die vorkolumbian­is­chen Meth­o­d­en der Ure­in­wohn­er Ama­zoniens, die in der Lage waren, den Wald ohne Ver­nich­tung zu nutzen, wer­den wieder belebt. Brach liegende Flächen und unergiebige Monokul­turen wer­den nach dem Vor­bild des in Eta­gen gegliederten Regen­waldes mit ver­schieden hohen Bepflanzun­gen “aufge­forstet”. 
Unter ver­schiede­nen Pal­me­narten oder Paranuss­bäu­men gedei­hen Zitrus- und Bana­nenpflanzen, Kaf­fee- und Kakao-Sträuch­er, während Bohnen, Mais, Man­iok oder Reis die “boden­na­he” Bepflanzung bilden. Die Bauern ern­ten bere­its nach kurz­er Zeit mehr und reich­haltiger, nicht nur für den eige­nen Bedarf son­dern auch für den Verkauf auf den örtlichen Märk­ten. 
Die gesteigerten Erträge — etwa an Kokos­nüssen — machen dieses Pro­jekt auch für indus­trielle Weit­er­ver­ar­beitung inter­es­sant. In Koop­er­a­tion von Daim­ler und Poe­ma wurde aus dem bish­eri­gen Kokos­ab­fall, der Schale, ein wertvoller Rohstoff, der in Pra­ia Grande auf der Insel Mara­no — mit­ten im Mün­dungs­delta des Ama­zonas — zu Kopf­stützen für die LKW-Pro­duk­tion von Mer­cedes Benz do Brasil ver­ar­beit­et wird. Was 1991 mit ein­er kleinen Dorf­fab­rik begann war bere­its 8 Jahre später zu einem Pro­jekt heran­gereift, das zur Eröff­nung ein­er Kokos­faser­fab­rik bei Belém führte, in der Sitzpol­ster, Son­nen­blenden und Fuß­mat­ten für Mer­cedes Benz und Volk­swa­gen do Brasil, aber auch Blu­menkü­bel u.a. Gegen­stände des “täglichen Gebrauchs” gefer­tigt werden.