Klimawandel — Eine sicherheitspolitische Herausforderung

Dieser Artikel wird mit fre­undlich­er Genehmi­gung der “Marine­Fo­rum — Zeitschrift für mar­itime Fra­gen” veröf­fentlicht.

Marineforum

Ein Blick auf die glob­ale sicher­heit­spoli­tis­che Sit­u­a­tion im 21. Jahrhun­dert lässt erken­nen, dass die Welt­ge­mein­schaft heute mit vielschichtigeren Risiken und Her­aus­forderun­gen kon­fron­tiert wird, als dies noch zu Zeit­en der bipo­laren Wel­tord­nung der Fall war. Dabei steigt die Erwartung, dass Deutsch­land auf­grund sein­er poli­tis­chen und wirtschaftlichen Posi­tion in Europa und der Welt inter­na­tionale Ver­ant­wor­tung übernimmt. 

Die heuti­gen Her­aus­forderun­gen sind kom­plex­er und unberechen­bar­er als das nuk­leare Patt der Super­mächte. Das Risiko liegt vor allem in der Asym­me­trie der Bedro­hun­gen und der Akteure sowie in der Glob­al­isierung von Kon­flik­ten. In unser­er ver­net­zten Welt kön­nen Krisen und Gewalt in weit ent­fer­n­ten Regio­nen schnell auch zu ein­er Gefährdung Deutsch­lands wer­den. Dabei muss es nicht unbe­d­ingt zu direk­ter physis­ch­er Gewal­tein­wirkung kom­men wie etwa durch Pirat­en oder Ter­ror­is­ten. Auch Cyberan­griffe haben das Poten­zial, uns nicht nur wirtschaftlich, son­dern eben­so gesamt­ge­sellschaftlich zu bedrohen. 

Ein weit­eres Risiko ist der durch den Men­schen verur­sachte Kli­mawan­del. Seine Auswirkun­gen sind kein abstrak­tes Zukun­ftsszenario mehr, son­dern sind bere­its heute vielfach direkt zu beobacht­en. Er bedro­ht nicht nur weit ent­fer­nte und sen­si­ble ökol­o­gis­che Sys­teme, son­dern wirkt sich direkt auf Leben­sräume und ‑bedin­gun­gen der Men­schen aus. 

Hier­bei ist zu beobacht­en, dass in der öffentlichen Diskus­sion eher die direk­ten als die indi­rek­ten Auswirkun­gen dominieren. Die sicher­heit­spoli­tis­chen Aspek­te wer­den nur am Rande real­isiert. Möglicher­weise durch den Kli­mawan­del aus­gelöste Katas­tro­phen, wie zum Beispiel Stürme und Über­schwem­mungen, kön­nen aber zur Desta­bil­isierung von Län­dern und Regio­nen beitra­gen und so Effek­te her­vor­rufen, die weit über den ursprünglichen Wirkungskreis eines solchen Natur­phänomens hin­aus gehen. 

Darüber hin­aus haben zu befürch­t­ende Hitze- und Dür­repe­ri­o­den sowie der Anstieg des Meer­esspiegels zur Folge, dass Gebi­ete weniger Men­schen beherber­gen oder ernähren kön­nen, als dies vorher der Fall war. Dies wird aller Wahrschein­lichkeit nach zu erhöhter Migra­tion führen und Ressourcenkon­flik­te aus­lösen oder verschärfen. 

Dabei bleibt festzuhal­ten, dass der Kli­mawan­del zwar ein glob­ales Phänomen ist, seine schw­er­sten Auswirkun­gen aber in den Regio­nen haben wird, die auf­grund staatlich­er Fragilität, Armut und sozialer Missstände ungenü­gende Voraus­set­zun­gen mit­brin­gen, sich an abse­hbare Fol­gen ein­er Erwär­mung anzu­passen. Dazu zählen Staat­en in Afri­ka, aber auch im Nahen Osten, in Teilen Asiens und Südamerikas. 

Erhöhter Migra­tions­druck und stärkere regionale Insta­bil­itäten in den erwäh­n­ten Gebi­eten bedro­hen in erster Lin­ie die direk­ten Nach­barstaat­en. Allerd­ings wer­den diese in der Regel selb­st von direk­ten Auswirkun­gen des Kli­mawan­dels betrof­fen sein. Dies begren­zt ihre Fähigkeit, mit erhöht­en Zahlen von Flüchtlin­gen fer­tig zu wer­den, was ger­ade in wenig entwick­el­ten Regio­nen schnell zu einem Domi­no­ef­fekt führen kann. Durch den Kli­mawan­del verur­sachter oder ver­stärk­ter Migra­tions­druck kann sich daher auch auf Deutsch­land auswirken. 

Ein weit­er­er Aspekt ist die Lage einiger betrof­fen­er Staat­en an wichti­gen Verkehr­swe­gen. Die von Soma­lia aus­ge­hende Pira­terie im Indis­chen Ozean zeigt, dass rohstof­farme und expor­to­ri­en­tierte Staat­en wie Deutsch­land von lokalen Insta­bil­itäten in ent­fer­n­ten Gebi­eten empfind­lich getrof­fen wer­den kön­nen. Der Zusam­men­bruch der staatlichen Ord­nung in Soma­lia ist keine direk­te Folge des Kli­mawan­dels. Allerd­ings verdeut­licht die Sit­u­a­tion am Horn von Afri­ka, dass der Kol­laps eines Staates dur­chaus Wirkun­gen her­vor­rufen kann, die weit über die Gren­zen des betrof­fe­nen Lan­des hin­aus­ge­hen. Der Kli­mawan­del erhöht die Wahrschein­lichkeit, dass ein solch­er »Failed State« auch ander­swo in der Welt auftritt und durch Ter­ror­is­mus oder Pira­terie Han­del­swege bedroht. 

Bei allen sicher­heit­spoli­tis­chen Imp­lika­tio­nen ist der Kli­mawan­del zumeist nicht ursäch­lich­er Aus­lös­er von Kon­flik­ten. Wesentlich häu­figer wirkt er sich ver­schär­fend auf bere­its beste­hende Stre­it­igkeit­en in poten­ziell gefährde­ten Regio­nen aus. 

Die beschriebe­nen Her­aus­forderun­gen sind kom­plex. Ihnen kann daher nicht mit ein­er eindi­men­sion­alen Strate­gie begeg­net wer­den. Wed­er mil­itärische noch zivile Mit­tel haben hier für sich genom­men Aus­sicht auf Erfolg. 

Der wichtig­ste Pfeil­er der Sicher­heit­spoli­tik ist Präven­tion. Dies gilt auch für den Umgang mit dem Kli­mawan­del. Erstens muss daher – auch aus sicher­heit­spoli­tis­ch­er Sicht – darauf hingewirkt wer­den, die Erder­wär­mung so schwach wie möglich aus­fall­en zu lassen. Deutsch­land betreibt eine kon­se­quente Poli­tik zum Kli­maschutz mit dem Ziel, den Tem­per­at­u­ranstieg auf zwei Grad zu begren­zen. Allerd­ings ist davon auszuge­hen, dass es trotz erhe­blich­er Anstren­gun­gen zu schädlichen Auswirkun­gen der Kli­maverän­derung kommt. 

Zweit­ens ist es deshalb geboten, gefährdete Staat­en so zu unter­stützen, dass sie aus eigen­er Kraft den möglichen Fol­gen des Kli­mawan­dels gesellschaft­spoli­tisch, wirtschaftlich und infra­struk­turell begeg­nen kön­nen. Hier­bei ist zunächst eine kon­se­quente ziel­gerichtete Entwick­lung­shil­fe gefragt. Um mit den Fol­gen des Kli­mawan­dels fer­tig zu wer­den, braucht ein Staat aber auch funk­tion­ierende Sicher­heit­skräfte. Das Mil­itär hat in vie­len Natio­nen die straffsten und effek­tivsten Organ­i­sa­tion­sstruk­turen. Gle­ich­wohl sind Stre­itkräfte in ihren Fähigkeit­en jedoch häu­fig vor allem auf die mil­itärische Lösung klas­sis­ch­er Kon­flik­t­szenar­ien ausgerichtet. 

Von human­itär­er Hil­fe über krisen­präven­tive Maß­nah­men bis hin zu Sta­bil­isierung­sein­sätzen müssen Stre­itkräfte sich kün­ftig auf steigende Erwartun­gen und Anforderun­gen ein­stellen. Die Bun­deswehr hat dies bere­its in mehreren Fällen erfahren. Als Kon­se­quenz dieser Entwick­lung müssen zivile und mil­itärische Akteure ihr Han­deln deut­lich bess­er koor­dinieren und ständig ver­net­zen. Mil­itärische Aus­bil­dungs- und Ausstat­tung­shil­fe kann darüber hin­aus eine bedeu­tende Rolle spie­len. Auch hier möchte ich Pira­terie als Beispiel ver­wen­den: Gelingt es, in von Pira­terie bedro­ht­en Gewässern eine leis­tungs­fähige Küstenwache aller Anrain­er­staat­en aufzubauen, ist das Prob­lem dauer­haft in den Griff zu bekommen. 

Ein Aspekt des Kli­mawan­dels ist die Verän­derung von bish­er als Kon­stan­ten wahrgenomme­nen Umweltbe­din­gun­gen. So kön­nte sich Rus­s­land bere­its in naher Zukun­ft län­geren eis­freien Peri­o­den an sein­er Nord­küste gegenüberse­hen. Die strate­gis­chen Plan­er des Lan­des kön­nten zu dem Schluss kom­men, eine bish­er durch ihre Unzugänglichkeit geschützte Lan­des­gren­ze zumin­d­est peri­odisch durch Stre­itkräfte absich­ern zu müssen. 

Des Weit­eren ermöglicht der Kli­mawan­del die Erschließung bis dato unerr­e­ich­bar­er Rohstof­fvorkom­men in der Ark­tis. Nicht immer sind die Besitzver­hält­nisse ein­deutig gek­lärt, sodass auch hier Kon­flik­t­poten­zial vorhan­den ist. Drit­tens muss als Reak­tion auf die Erder­wär­mung daher der mul­ti­lat­erale und bilat­erale mil­itär­poli­tis­che Dia­log ver­tieft wer­den. Damit wird die Wahrschein­lichkeit ein­er Eskala­tion min­imiert. Auch hier spie­len Stre­itkräfte eine Rolle, vor allem durch gemein­same Manöver zur Ver­trauens­bil­dung und durch mul­ti­lat­erale Anstren­gun­gen, beispiel­sweise zur Reak­tion auf Unglücke und Umweltkatas­tro­phen in der Arktis. 

Viertens muss ver­ant­wortliche Sicher­heit­spoli­tik aber auch in der Lage sein, bei Aus­bruch von Kon­flik­ten oder bei ele­mentaren Gefährdun­gen der Sicher­heit einzu­greifen. Dazu sind Stre­itkräfte notwendig, die flex­i­bel und schnell auf Bedro­hun­gen reagieren kön­nen. Seestre­itkräften kommt dabei eine beson­dere Bedeu­tung zu, da sie Krisen­re­gio­nen schnell erre­ichen und dort flex­i­bel agieren kön­nen, von der reinen Präsenz bis zum aktiv­en Ein­greifen. In einem Szenario, in dem sich Pira­terie auf­grund zunehmenden Staaten­z­er­falls weit­er aus­dehnen wird und Staat­en durch den steigen­den Meer­esspiegel von Über­schwem­mungen bedro­ht sein wer­den, kön­nen Seestre­itkräfte zur Sicherung der Seewege, aber auch für Hil­fe zur Lin­derung des human­itären Lei­ds eine wichtige Rolle einnehmen. 

An vie­len der erwäh­n­ten Auf­gaben beteiligt sich die Bun­deswehr schon heute. So sei hier der Ein­satz der Deutschen Marine im Rah­men der EU-geführten Oper­a­tion Ata­lan­ta oder im Rah­men der Beteili­gung an ein­er Oper­a­tion des UN-Flüchtling­shil­f­swerks, in welch­er aus Tune­sien Flüchtlinge in ihre ägyp­tis­che Heimat gebracht wur­den, beispiel­haft erwähnt. 

Als Faz­it bleibt festzuhal­ten, dass neben den Anstren­gun­gen zur Begren­zung der Erder­wär­mung die Pri­or­ität darin liegen muss, die poten­ziell am stärk­sten gefährde­ten Staat­en und Regio­nen auf die Fol­gen des Kli­mawan­dels vorzu­bere­it­en. Dies bed­ingt aber, dass der Kli­mawan­del durch die inter­na­tionale Staatenge­mein­schaft nicht nur als ökol­o­gis­ches und ökonomis­ches Phänomen, son­dern auch als sicher­heit­spoli­tis­che Her­aus­forderung in allen Facetten ernst genom­men wird. 

Zum Autor
Thomas Kossendey (MdB)

Team GlobDef

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