Der Monsun, der in den letzten Monaten die Handelsschifffahrt vor dem Horn von Afrika weitgehend vor Piraten geschützt hat, geht zu Ende. In weiten Teilen des nördlichen Indiks hat sich das Wetter bereits deutlich beruhigt, und schon in wenigen Tagen werden Wind und Wellen so weit abgenommen haben, dass Piraten im gesamten Golf von Aden und Arabischen Meer, im nördlichen Somaliabecken und in der Straße von Mosambik wieder problemlos ihre kleinen Skiffs einsetzen können.
Grafiken: US Navy |
Die rechts stehende, von den Ozeanographen und Geophysikern der US Navy erstellte Grafik veranschaulicht die vom 22. September bis zum 2. Oktober erwartete Zunahme der Bedrohung (rot / orange) durch Piraten.
Aus dem Arabischen Meer wurde denn auch schon ein erster Überfall der „neuen Piraten-Saison“ gemeldet. „Auf halbem Wege zwischen Somalia und Indien“ griffen am 29. September Piraten mit einem Skiff den dänischen Produktentanker TORM REPUBLIC an, beschossen diesen auch, drehten aber sofort ab, als ein eingeschifftes bewaffnetes Sicherheitsteam Warnschüsse abgab.
Ansonsten konzentrierten sich die gemeldeten Überfälle in der abgelaufenen Woche noch auf die ruhigen Seegebiete des südlichen Roten Meeres sowie die Küsten vor Kenia und Tansania.
Im südlichen Roten Meer, knapp nördlich der Meerenge des Bab el Mandeb, konnten Piraten am 25. September den Frachter CIHAN entern. Die Besatzung setzte einen Notruf ab, legte die Maschinen lahm und verbarrikadierte sich dann in einer „Zitadelle“. Ohne Kontrolle über das Schiff oder Zugriff auf Geiseln, gaben die Piraten ihre Beute unverrichteterdinge auf. Als sich die Besatzung nach 3 ½ Stunden aus ihrem Schutzraum wagte, hatten sie sich bereits wieder abgesetzt. In den folgenden Tagen wurden aus dem gleichen Seegebiet mehrere weitere verdächtige Skiffs beobachtet. Versuchte Kaperungen gab es hier erst aber wieder am 28. September, als Piraten mit einem Skiff binnen 45 Minuten gleich zwei japanische Chemikalientanker angriffen, einen auch mit einer Panzerfaustgranate beschossen, letztendlich aber erfolglos blieben.
Im südwestlichen Somaliabecken, im Nordeingang zur Straße von Mosambik, sind schon mindestens zwei bis drei Gruppen von Piraten aktiv. Am 21. und 23. September gemeldete Überfälle auf Handelsschiffe scheiterten jedoch an Ausweichmanövern bzw. an einem eingeschifften bewaffneten Sicherheitsteam.
Auch in den weitgehend ruhigen Gewässern des Golfs von Aden gehen Piraten ihrem Geschäft nach und lassen sich dort auch nicht von der Präsenz internationaler Seestreitkräfte stören. Die indische Marine meldet, ihr Wachschiff SUKANYA habe in drei Fällen Skiffs gestoppt, die einem begleiteten Konvoi verdächtig nahe kamen. Boarding Teams hätten Waffen und weitere Piratenausrüstung beschlagnahmt, die mutmaßlichen Piraten dann aber mit ihren Skiffs ziehen lassen müssen; eine Straftat war noch nicht begangen.
Indisches Wachschiff der SUKANYA-Klasse (Foto: Brarat-Rakshak) |
Am 28. September hat ein iranisches Kriegsschiff im Golf von Aden offenbar einen Angriff auf einen russischen Frachter vereitelt. Ein weiterer an diesem Tage versuchter Überfall scheiterte am Auftauchen eines NATO Überwachungsflugzeuges; das Skiff ließ sofort von seinem Opfer ab.
Boarding Team der KOELN stoppt mutmaßliche Piraten (Foto: Bundeswehr) |
In den Piratencamps an der somalischen Küste werden rege Vorbereitungen für Kaperfahrten erkannt. Südlich von Mogadischu ist die deutsche Fregatte KOELN (EU NavFor) dicht vor der Küste im Einsatz. Am 28. September fing die Fregatte 30 sm vor der Küste eine mutmaßliche Piratengruppe mit einem Mutterboot (Whaler) und einem Skiff ab. Warnschüsse des Bordhubschraubers stoppten die Boote, aus denen sofort Waffen und Ausrüstung über Bord geworfen wurden. Nach Durchsuchung wurde das Skiff versenkt, der Motor des Whalers unbrauchbar gemacht. Die insgesamt 12 mutmaßlichen Piraten wurden dann mit dem Whaler dicht vor die Küste gebracht und dort sich selbst überlassen.
Einen Tag später entdeckte die Fregatte einen weiteren, dicht vor der Küste ankernden Whaler, schon mit Piratenausrüstung beladen, aber noch ohne Besatzung. Das Boot wurde „vorbeugend“ versenkt.
Mit Wetterbesserung werden auch die kleinen Dhaus örtlicher Fischern und Küstenhändlern zunehmend aktiv – und bieten Piraten nun auch wieder Möglichkeiten, sich aus diesem „reichen Fundus“ an möglichen Mutterschiffen zu bedienen. Am 28. September wurde eine erste Kaperung einer solchen Dhau gemeldet.
Westafrika
Nach mehreren Überfällen auf vor der Küste Benins ankernde Tanker haben Benin und Nigeria eine gemeinsame Operation zur Bekämpfung der Piraterie begonnen. Die kleine Marine Benins stellt dazu alle drei in ihrem Bestand befindlichen Wachboote ab; Regionalnachbar Nigeria hat vier Schnellboote und ein Hilfsschiff (mit Hubschrauber) nach Benin verlegt. „Operation Prosperity“ soll zunächst sechs Monate dauern. Danach will Benin „die notwendigen Fähigkeiten zur effektiven Überwachung seiner Küstengewässer erlangt“ haben. Diese Erklärung deutet auf einen bevorstehende Zulauf von zusätzlichen Wachbooten (aus dem Ausland).
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
Die neue russische Einsatzgruppe (diesmal der Pazifikflotte) mit dem UDALOY-Zerstörer ADMIRAL PANTELEYEV, dem Flottentanker BORIS BUTOMA und dem Bergeschlepper FOTIY KRYLOV ist am 28. September im Golf von Aden eingetroffen und hat ihre Operationen (Konvoigeleit) aufgenommen.
MQ‑9 Reaper schießt Hellfire (Foto: US Air Force) |
In den riesigen Seegebieten vor dem Horn von Afrika gewinnt die weiträumige Aufklärung aus der Luft immer mehr an Bedeutung. Seit dem 23. September unterstützt ein norwegischer Seefernaufklärer P‑3C Orion die NATO Operation „Ocean Shield“. Zwei Tage später traf eine P‑3C Orion der Deutschen Marine in Dschibuti ein; sie soll für die EU NavFor Aufklärungsflüge im Rahmen der Operation „Atalanta“ durchführen. Die USA werden ihre Aufklärung mit unbemannten Drohnen MQ‑9 Reaper deutlich verstärken. Die Einsatzflüge richten sich vor allem gegen Terrororganisationen an Land in Somalia und im Jemen, daneben sollen aber auch Piraten in See und an Land aus der Luft aufgeklärt werden. Die Drohnen können zur unmittelbaren Bekämpfung von Terroristen auch Luft-Boden-FK Hellfire abfeuern, aber unter den für Anti-Piraterie Operationen geltenden (nationalen) amerikanischen Rules of Engagement werden diese Flugkörper nicht bzw. nur im äußersten Notfall gegen Piratenboote zum Einsatz kommen.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
Alle Informationen entstammen frei zugänglichen Quellen.