Update Piraterie — Stand 01.10.2011

Der Mon­sun, der in den let­zten Monat­en die Han­delss­chiff­fahrt vor dem Horn von Afri­ka weit­ge­hend vor Pirat­en geschützt hat, geht zu Ende. In weit­en Teilen des nördlichen Indiks hat sich das Wet­ter bere­its deut­lich beruhigt, und schon in weni­gen Tagen wer­den Wind und Wellen so weit abgenom­men haben, dass Pirat­en im gesamten Golf von Aden und Ara­bis­chen Meer, im nördlichen Soma­li­abeck­en und in der Straße von Mosam­bik wieder prob­lem­los ihre kleinen Skiffs ein­set­zen kön­nen.

Marineforum - Grafiken: US Navy
Grafiken: US Navy

Die rechts ste­hende, von den Ozeanographen und Geo­physik­ern der US Navy erstellte Grafik ver­an­schaulicht die vom 22. Sep­tem­ber bis zum 2. Okto­ber erwartete Zunahme der Bedro­hung (rot / orange) durch Piraten. 

Aus dem Ara­bis­chen Meer wurde denn auch schon ein erster Über­fall der „neuen Pirat­en-Sai­son“ gemeldet. „Auf halbem Wege zwis­chen Soma­lia und Indi­en“ grif­f­en am 29. Sep­tem­ber Pirat­en mit einem Skiff den dänis­chen Pro­duk­ten­tanker TORM REPUBLIC an, beschossen diesen auch, dreht­en aber sofort ab, als ein eingeschifftes bewaffnetes Sicher­heit­steam Warn­schüsse abgab. 

Anson­sten konzen­tri­erten sich die gemelde­ten Über­fälle in der abge­laufe­nen Woche noch auf die ruhi­gen Seege­bi­ete des südlichen Roten Meeres sowie die Küsten vor Kenia und Tansania. 

Im südlichen Roten Meer, knapp nördlich der Meerenge des Bab el Man­deb, kon­nten Pirat­en am 25. Sep­tem­ber den Frachter CIHAN entern. Die Besatzung set­zte einen Notruf ab, legte die Maschi­nen lahm und ver­bar­rikadierte sich dann in ein­er „Zitadelle“. Ohne Kon­trolle über das Schiff oder Zugriff auf Geiseln, gaben die Pirat­en ihre Beute unver­richte­ter­dinge auf. Als sich die Besatzung nach 3 ½ Stun­den aus ihrem Schutzraum wagte, hat­ten sie sich bere­its wieder abge­set­zt. In den fol­gen­den Tagen wur­den aus dem gle­ichen Seege­bi­et mehrere weit­ere verdächtige Skiffs beobachtet. Ver­suchte Kape­run­gen gab es hier erst aber wieder am 28. Sep­tem­ber, als Pirat­en mit einem Skiff bin­nen 45 Minuten gle­ich zwei japanis­che Chemikalien­tanker angrif­f­en, einen auch mit ein­er Panz­er­faust­granate beschossen, let­z­tendlich aber erfol­g­los blieben. 

Im süd­west­lichen Soma­li­abeck­en, im Nordein­gang zur Straße von Mosam­bik, sind schon min­destens zwei bis drei Grup­pen von Pirat­en aktiv. Am 21. und 23. Sep­tem­ber gemeldete Über­fälle auf Han­delss­chiffe scheit­erten jedoch an Auswe­ich­manövern bzw. an einem eingeschifften bewaffneten Sicherheitsteam. 

Auch in den weit­ge­hend ruhi­gen Gewässern des Golfs von Aden gehen Pirat­en ihrem Geschäft nach und lassen sich dort auch nicht von der Präsenz inter­na­tionaler Seestre­itkräfte stören. Die indis­che Marine meldet, ihr Wach­schiff SUKANYA habe in drei Fällen Skiffs gestoppt, die einem begleit­eten Kon­voi verdächtig nahe kamen. Board­ing Teams hät­ten Waf­fen und weit­ere Pirate­naus­rüs­tung beschlagnahmt, die mut­maßlichen Pirat­en dann aber mit ihren Skiffs ziehen lassen müssen; eine Straftat war noch nicht begangen. 

Marineforum - Indisches Wachschiff der SUKANYA-Klasse (Foto: Brarat-Rakshak)
Indis­ches Wach­schiff der SUKANYA-Klasse (Foto: Brarat-Rakshak) 

Am 28. Sep­tem­ber hat ein iranis­ches Kriegss­chiff im Golf von Aden offen­bar einen Angriff auf einen rus­sis­chen Frachter vere­it­elt. Ein weit­er­er an diesem Tage ver­suchter Über­fall scheit­erte am Auf­tauchen eines NATO Überwachungs­flugzeuges; das Skiff ließ sofort von seinem Opfer ab. 

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Board­ing Team der KOELN stoppt mut­maßliche Pirat­en (Foto: Bundeswehr)

In den Pira­ten­camps an der soma­lis­chen Küste wer­den rege Vor­bere­itun­gen für Kaper­fahrten erkan­nt. Südlich von Mogadis­chu ist die deutsche Fre­gat­te KOELN (EU Nav­For) dicht vor der Küste im Ein­satz. Am 28. Sep­tem­ber fing die Fre­gat­te 30 sm vor der Küste eine mut­maßliche Piraten­gruppe mit einem Mut­ter­boot (Whaler) und einem Skiff ab. Warn­schüsse des Bor­d­hub­schraubers stoppten die Boote, aus denen sofort Waf­fen und Aus­rüs­tung über Bord gewor­fen wur­den. Nach Durch­suchung wurde das Skiff versenkt, der Motor des Whalers unbrauch­bar gemacht. Die ins­ge­samt 12 mut­maßlichen Pirat­en wur­den dann mit dem Whaler dicht vor die Küste gebracht und dort sich selb­st überlassen. 

Einen Tag später ent­deck­te die Fre­gat­te einen weit­eren, dicht vor der Küste ankern­den Whaler, schon mit Pirate­naus­rüs­tung beladen, aber noch ohne Besatzung. Das Boot wurde „vor­beu­gend“ versenkt. 

Mit Wet­terbesserung wer­den auch die kleinen Dhaus örtlich­er Fis­ch­ern und Küsten­händlern zunehmend aktiv – und bieten Pirat­en nun auch wieder Möglichkeit­en, sich aus diesem „reichen Fun­dus“ an möglichen Mut­ter­schif­f­en zu bedi­enen. Am 28. Sep­tem­ber wurde eine erste Kape­rung ein­er solchen Dhau gemeldet. 

West­afri­ka
Nach mehreren Über­fällen auf vor der Küste Benins ankernde Tanker haben Benin und Nige­ria eine gemein­same Oper­a­tion zur Bekämp­fung der Pira­terie begonnen. Die kleine Marine Benins stellt dazu alle drei in ihrem Bestand befind­lichen Wach­boote ab; Region­al­nach­bar Nige­ria hat vier Schnell­boote und ein Hil­f­ss­chiff (mit Hub­schrauber) nach Benin ver­legt. „Oper­a­tion Pros­per­i­ty“ soll zunächst sechs Monate dauern. Danach will Benin „die notwendi­gen Fähigkeit­en zur effek­tiv­en Überwachung sein­er Küstengewäss­er erlangt“ haben. Diese Erk­lärung deutet auf einen bevorste­hende Zulauf von zusät­zlichen Wach­booten (aus dem Ausland). 

Aktuelle Entwick­lun­gen bei Ein­satzkräften
Die neue rus­sis­che Ein­satz­gruppe (dies­mal der Paz­i­fik­flotte) mit dem UDALOY-Zer­stör­er ADMIRAL PANTELEYEV, dem Flot­ten­tanker BORIS BUTOMA und dem Bergeschlep­per FOTIY KRYLOV ist am 28. Sep­tem­ber im Golf von Aden eingetrof­fen und hat ihre Oper­a­tio­nen (Kon­voigeleit) aufgenommen. 

Marineforum - MQ-9 Reaper schießt Hellfire (Foto: US Air Force)
MQ‑9 Reaper schießt Hell­fire (Foto: US Air Force) 

In den riesi­gen Seege­bi­eten vor dem Horn von Afri­ka gewin­nt die weiträu­mige Aufk­lärung aus der Luft immer mehr an Bedeu­tung. Seit dem 23. Sep­tem­ber unter­stützt ein nor­wegis­ch­er Seefer­naufk­lär­er P‑3C Ori­on die NATO Oper­a­tion „Ocean Shield“. Zwei Tage später traf eine P‑3C Ori­on der Deutschen Marine in Dschibu­ti ein; sie soll für die EU Nav­For Aufk­lärungs­flüge im Rah­men der Oper­a­tion „Ata­lan­ta“ durch­führen. Die USA wer­den ihre Aufk­lärung mit unbe­man­nten Drohnen MQ‑9 Reaper deut­lich ver­stärken. Die Ein­satzflüge richt­en sich vor allem gegen Ter­ro­ror­gan­i­sa­tio­nen an Land in Soma­lia und im Jemen, daneben sollen aber auch Pirat­en in See und an Land aus der Luft aufgek­lärt wer­den. Die Drohnen kön­nen zur unmit­tel­baren Bekämp­fung von Ter­ror­is­ten auch Luft-Boden-FK Hell­fire abfeuern, aber unter den für Anti-Pira­terie Oper­a­tio­nen gel­tenden (nationalen) amerikanis­chen Rules of Engage­ment wer­den diese Flugkör­p­er nicht bzw. nur im äußer­sten Not­fall gegen Piraten­boote zum Ein­satz kommen. 

In Koop­er­a­tion mit “Marine­Fo­rum — Zeitschrift für mar­itime Fra­gen

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