China Volksrepublik Teil 1


China

Förderung von Investi­tio­nen in Zen­tralchi­na”
Das chi­ne­sis­che Han­delsmin­is­teri­um plant, in den kom­menden drei Jahren rund 10.000 Unternehmen aus Ostchi­na und dem Aus­land zu Investi­tio­nen in Zen­tral- und Westchi­na zu ermutigen. 

Die sechs zen­tralchi­ne­sis­chen Prov­inzen Hunan, Anhui, Jiangxi, Shanxi, Henan und Hubei erstreck­en sich über eine Gesamt­fläche von rund    1 Mil­lion Quadratk­ilo­me­ter und sind reich an Boden­schätzen. Das Han­delsmin­is­teri­um will Städte in Zen­tralchi­na wie Ganzhou, Chen­zhou und Wuhan zu Zen­tren der ver­ar­bei­t­en­den Indus­trie entwick­eln.”

(Quelle: China.org.cn, 28. Sep­tem­ber 2006)

Zwölf Prov­inzen vom süd­chi­ne­sis­chen Meer bis zur Wüste Gobi gehören zu den von der Zen­tral­regierung beson­ders geförderten Regio­nen in Westchi­na: Neben Chon­quing und Sichuan sind dies Xin­jiang, Tibet, Gan­su, Quing­hai auf dem west­lichen Berg­plateau, Ningx­ia und die Innere Mon­golei im Nor­den sowie Yun­nan mit der Haupt­stadt Kun­ming, Guizhou und Guangxi im Süden. Viele dieser Regio­nen sind noch sehr unter­en­twick­elt. Guizhui gilt als Armen­haus des Lan­des. Zu den neuen Investi­tion­szie­len im Hin­ter­land zählt eben­falls die alte Kaiser­stadt Xiàn, wo sich viele Unternehmen ins­beson­dere aus der Telekom­mu­nika­tions­branche und der Luft­fahrtin­dus­trie ange­siedelt haben.”

(Quelle: WirtschaftsWoche Glob­al, 1/2012)

Die sechs zen­tralchi­ne­sis­chen Prov­inzen kooperieren, um gemein­sam mit Unter­stützung der Zen­tral­regierung den Wirtschaft­sauf­schwung aus den Küsten­prov­inzen auch in den zen­tralchi­ne­sis­chen Prov­inzen zu etablieren. Dazu gehören regelmäßige Ausstel­lun­gen, die auch aus­ländis­chen Inve­storen — vor allem auch aus dem Touris­mus- und Auto­mo­bilsek­tor — die Vorteile der zen­tralen Prov­inzen “schmack­haft zu machen”. In Zukun­ft sollen vor allem die staatliche Rüs­tungsin­dus­trie, aber auch andere Indus­triebranchen aus den östlichen Regio­nen ihren Schw­er­punkt auf Mit­tel- und Westchi­na leg­en. In Westchi­na leben mehrMen­schen als in den USA — rund 70 % des chi­ne­sis­chen Ter­ri­to­ri­ums gehören zu diesem Gebi­et, aber weniger als 20 % der chi­ne­sis­chen Wirtschaft­sleis­tung wur­den (2009) in Westchi­na erbracht.

Noch konzen­tri­eren sich die aus­ländis­chen Inve­storen auf die Küsten­prov­inzen — wo die Kosten steigen und gute Mitar­beit­er immer sel­tener werden.

Bemerkenswert ist, dass die Anziehungskraft der Städte in Zen­tral- und Westchi­na gegenüber den Küsten­städten auch für aus­ländis­che Inve­storen immer stärk­er wird. Das real genutzte auswär­tige Kap­i­tal in Westchi­na ist im ersten Hal­b­jahr 2007 Ver­gle­ich zum gle­ichen Vor­jahreszeitraum um 52 Prozent gestiegen. Diese Wach­s­tum­srate ist damit rund 40 Pronzent höher als das durch­schnit­tliche Niveau in ganz Chi­na. Unter den ersten 20 ein­er Liste der chi­ne­sis­chen Städte, die für inter­na­tionale Unternehmen das größte Poten­tial für Investi­tio­nen bergen, waren (Stand Sept. 2006) über­wiegen Städte in Zen­tralchi­na. Grund dafür ist, dass im Ver­gle­ich zum Osten die Arbeit­skosten in Städten in Zen­tralchi­na niedriger sind, die Infra­struk­tur bess­er wird und allmäh­lich voll­ständi­ge Pro­duk­tions­ket­ten entste­hen. In Chi­na ist derzeit (2006) noch etwa die Hälfte der Bevölkerung in der Land­wirtschaft tätig. Das Pro Kopf Einkom­men der ländlichen Haushalte erre­icht aber im Schnitt nur etwa die Hälfte der städtis­chen Haushalte. Aus den armen und schwachen Gebi­eten — ins­beson­dere aus dem ländlichen Bere­ich — sind deshalb im Jahre 2005 rund 150 bis 200 Mil­lio­nen (!) Wan­der­ar­beit­er in die reichen Küsten­prov­inzen südlich von Peking und Tian­jin gezo­gen. Auch hier­durch entste­ht ein enormes Prob­lem — und Chi­na bemüht sich, ein­er­seits sowohl Arbeitsmöglichkeit­en für dieses Heer zu schaf­fen, ander­er­seits aber auch die zurück­ge­bliebe­nen Prov­inzen zu indus­tri­al­isieren und zu mod­ernisieren, um die enorme Bin­nen­wan­derung auszutrock­nen. In den let­zten Jahren­wech­selte jährlich etwa 1 % der arbei­t­en­den Bevölkerung von der Land­wirtschaft in den Indus­trie- und Dien­stleis­tungs­bere­ich. Im Indus­triesek­tor liegt die Arbeit­spro­duk­tiv­ität durch­schnit­tlich rund sieben­mal höher als in der Land­wirtschaft, im Dien­stleis­tungs­bere­ich erre­icht die Arbeit­spro­duk­tiv­ität immer noch den dreifachen Wert. Wenn es gelingt, für diese Massen auch Arbeit­splätze bere­itzustellen, wird das Wach­s­tum Chi­nas auch in den näch­sten Jahren weit­er gehen. Die Chan­cen dafür ste­hen gut:
während das Wach­s­tum Chi­nas in der Ver­gan­gen­heit vornehm­lich durch Exporte getra­gen wurde — Chi­na als “Werk­bank der Welt” — tritt zunehmend die Bin­nen­nach­frage der expandieren­den Mit­tel- und Ober­schicht als “Wach­s­tumsmo­tor” auf.

Sichuan — die näch­ste Boomregion:

Von den Küsten­städten aus frisst sich der Boom in die abgele­generen Prov­inzen — auch nach Sichuan, das im Nor­den, West­en und Osten von Gebirgs­ket­ten umgeben ist. Sichuan ist mit der Fläche von 485.000 Quadratk­ilo­me­tern etwa um 1/3 größer als Deutsch­land (360.000 Quadratk­ilo­me­ter). Die Region um Cheng­du war der Kern ein­er dre­itausend Jahre alten Kul­tur, der soge­nan­nten Jin­sha-Kul­tur. Diese frühe chi­ne­sis­chen Hochkul­tur ist vor allem durch  ihre Gold- und Jadekunst­werke bekan­nt gewor­den und eines der Arte­fak­te wurde auch zum Signet des chi­ne­sis­chen Kul­turerbes. Die bei­den Metropolen Cheng­du und Chongqing rival­isieren um die größten Leis­tun­gen beim Auf­bau der Region, die mit ein­er von Peking unter­stützten Kam­pagne den inneren Lan­desteilen den Anschluss an die pros­perieren­den Küsten­zo­nen ermöglichen soll. Den Kern der Indus­triean­sied­lung bildete zum einen Betriebe der Schw­erindus­trie, die im Zweit­en Weltkrieg die pro­vi­sorisch aus­ge­lagerte Regierung nach Chongquing begleit­eten, und zum anderen Fir­men aus dem mil­itärisch-indus­triellen Kom­plex, die nach dem Bürg­erkrieg aus der (von Tai­wan bedro­ht­en) Küsten­re­gion nach Cheng­du umge­siedelt wor­den waren.

Seit Peing zur Jahrtausendwende die „Go-West”-Kampagne verkün­dete, ist Cheng­du zum admin­is­tra­tiv­en Mit­telpunkt diss­er Poli­tik gewor­den.  In fünf Jahren verze­ich­nete die Prov­inz ein Wirtschaftswach­s­tum von durch­schnit­tlich 10,7 Prozent, das haupt­säch­lich aus der Entwick­lung im städtis­chen Bere­ich stammt. Cheng­du hat (Stand 2011) vierzehn Mil­lio­nen Ein­wohn­er, und damit inner­halb von acht Jahren einen Zuwachs von drei Mil­lio­nen Ein­wohn­ern verkraftet. Bere­its 1988 wurde die Cheng­du-High­tech-Entwick­lungszone gegrün­det. Die Prov­inzregierung fördert vor allem die IT- und Elek­tron­ik-Indus­trie. Bekan­nte Konz­erne, die sich ansiedeln und damit die Region eben­falls bekan­nt machen, erhal­ten Büros und Werk­stät­ten miet­frei zur Ver­fü­gung gestellt. Der Soft­warekonz­ern SAP (Deutsch­land) ist bere­its im High-Tech Zen­trum Cheng­dus vertreten. Fox­conn, der Geräteliefer­an­ten von Apple, hat sein größtes Werk (Stand 2011) in Cheng­du errichtet. Mehr als die Hälfte aller weltweit pro­duzierten iPads wer­den dort hergestellt.

Der ländliche Bere­ich liegt dage­gen noch sehr zurück. Um die Land­flucht zu däm­men wird von der Stadt Cheng­du mit großem Aufwand (über 5 Mrd. Euro alleine im Jahre 2010) in die Entwick­lung des ländlichen Umlan­des investiert. Seit 2003 ist der in den fün­fzigern geborende Ge Honglin Bürg­er­meis­ter von Cheng­du. Er ist ein­er der inzwis­chen typ­is­chen chi­ne­sis­chen Funk­tionäre. Ge hat in Kana­da und Schang­hai studiert, und in Schang­hai eine große Stahlhold­ing geführt, die mit Thyssen ein Joint Ven­ture aufge­baut hat.

2011 wuchs die Wirtschaft­sleis­tung Cheng­dus um über 15 %. Mit zum Wirtschaftswach­s­tum beige­tra­gen hat auch hier die Auto­mo­bilin­dus­trie. FAW-VW pro­duziert seit Spät­som­mer 2011 den Jet­ta und will bere­its im Jahr 2012 eine Jahresleis­tung von 300.000 Fahrzeu­gen erre­ichen. Daneben sind auch Geely-Vol­vo und Toy­ota in Cheng­du mit Pro­duk­tion­sstät­ten präsent — und Zube­hör­fir­men wie Bosch (Vere­in­barung vom Feb­ru­ar 2012) fol­gen den Auto­her­stellern. Cheng­du ver­mei­det aber ein­seit­ige Ori­en­tierun­gen, und set­zt zusät­zlich auf die IT- und Elek­tron­ikin­dus­trie, die mit Alca­tel-Lucent, Cis­co, Eric­s­son, Fox­conn (Tai­wan), Microsoft, Nokia und SAP vertreten ist.

In Chon­quing, der drei­hun­dert Kilo­me­ter ent­fer­n­ten Mil­lio­nen­stadt, die früher Teil von Sichuan war, ehe sie 1997 als regierung­sun­mit­tel­bare Kom­mune selb­ständig wurde, haben sich bere­its Ford, Maz­da und Suzu­ki niederge­lassen, um mit neuen Werken — und den kurzen Wegen zum Stahl­pro­duzen­ten Wuhan — vom Fahrzeug­boom zu prof­i­tieren, der durch eine immer bessere Infra­struk­tur und die zunehmende Kaufkraft der Chi­ne­sen unter­stützt wird. Die Stadt ist Anfang 2012 durch die west­lichen Medi­en gegeis­tert — als Heimat des „Chongqing-Mod­ells“,  ein­er mehr sozial­is­tis­chen Poli­tik für Chi­na, mit dem Bo Xilai, der abge­set­zte Parte­ichef der Stadt, in den Jahren davor eine alter­na­tive Ide­olo­gie, ein Sys­tem im Sys­tem installierte.

Auch Chon­quing — in dem jedes dritte chi­ne­sis­che Motor­rad hergestellt wird — will seine Autoin­dus­trie stärken. So ist Ford mit seinem Part­ner Chon­quing Changan Auto in der Großs­tadt vertreten. Und auch hier wird von Fox­conn und Inven­tec (jew­eils aus Tai­wan) sowie Hewlett-Packard der IT- und Elek­tron­iksek­tor bedi­ent. Darüber hin­aus siedelt sich hier auch die Chemiein­dus­trie an — mit ein­er knap­pen Mil­larde Euro etwa errichtet BASF einen Pro­duk­tion­s­stan­dort, der 2014 seinen Betrieb aufnehmen soll. Der Chemie-Konz­ern war bere­its im Jahr 2012 mit 7.000 Beschäftigten nach Bay­er (11.000 Beschäftigte) der zweit­größte deutsche Chemiehersteller in Chi­na — und damit unter den “TOP 20” der größten deutsch-chi­ne­sis­chen Unternehmensfil­ialen im Lande.

Und in Chon­quing hat ein weit­eres bemerkenswertes Unternehmen seinen Betrieb aufgenom­men. Anlässlich des Erd­bebens von Sichuan (Mai 2008) stell­ten sich erhe­bliche Trans­port­prob­leme bei der Katas­tro­phen­hil­fe her­aus. Eine der wichtig­sten Hil­festel­lun­gen war eine auch für den Luft­trans­port geeginete mobile Klinik aus Deutsch­land mit 120 Bet­ten, und “mit einem Ambu­lanzbere­ich, einem Oper­a­tionssaal und einen Medika­menten­raum, Ent­bindungs- und Rönt­gen­sta­tion und ein­er Wasser­auf­bere­itungsan­lage”, über deren Entsendung wir am 22. Mai im Forum berichteten. Inzwis­chen wurde in Chon­quing mit Chon­quing Endurance und Cross­mo­bil aus Wer­dau (Sach­seb) die Pro­duk­tion von mobilen Kranken­häusern mit Mod­ulen aus Con­tain­ern und Zel­ten aufgenom­men, die nicht nur (wie bish­er) auf LKW ver­last­bar son­dern auch für den Luft­trans­port mit Hub­schraubern geeignet sind. Die Naturkatas­tro­phe von 2008 hat den Chi­ne­sen den Wert von mobilen Hos­pitälern, Kranken­wa­gen und LKW-Spzialauf­baut­en nochmals deut­lich vor Augen geführt. Jet­zt wurde die Pro­duk­tion entsprechen­der Anla­gen, die mit medi­zinis­chen Geräten aus Chi­na aus­ges­tat­tet wer­den, in der damals betrof­fe­nen Erd­beben­prov­inz aufgenom­men. Es ist dann eigentlich nur noch eine Frage des Anlass­es, ob diese Hos­pi­taler nach Naturkatas­tro­phen oder als Feld­lazarette im mil­itärischen Ein­satz ver­wen­det werden.

Die Wirtschaft der Prov­inz wuchs trotz viel­er Ein­schränkung zulet­zt mit über 12 % — und damit noch schneller als die Wirtschaft des ganzen Lan­des. Hier siedeln sich auch Indus­trien an, die auf­grund des Fachkräfte­man­gels in den Küsten­prov­inzen zu den “bil­li­gen Arbeit­skräften” im Lan­desin­neren ziehen. Die Prov­inz Sichuan (knapp 90 Mio. Ein­wohn­er) mit der Haupt­stadt Cheng­du — seit dem Bau des “3‑Schlucht­en-Dammes” ist die 10-Mil­lio­nen-Stadt Chon­quing auch für größere ozeangängige Schiffe erre­ich­bar und die Prov­inz gut mit Energie ver­sorgt — entwick­elt sich zu einem neuen Zen­trum der “High-Tech-Indus­trie”.

Die umgeben­den Gebirge — die Prov­inz bildet einen gewalti­gen Kessel, der ring­sum von Bergma­siv­en mit engen und kurvi­gen Straßen umgeben ist — lassen die Region auch für die Her­steller von “Nis­chen­pro­duk­ten” wie gelän­degängi­gen Fahrzeu­gen attrak­tiv erscheinen. Der öster­rre­ichis­che Her­steller Steyr-Daim­ler-Puch hat­te etwa mit seinem “Pinz­gauer” ein schmales Fahrzeug im Ange­bot, das ger­ade zur Erschließung der Dör­fer in Sichuan und den benach­barten Prov­inzen — bis hin nach Tibet — ide­al geeignet wäre. Entsprechende Fahrzeuge kön­nen jeden­falls preiswert­er hergestellt wer­den als es der Straße­naus­bau in jedes entle­gene Dorf wäre. Und auch der Uni­mog von Daim­ler-Benz wird auf­grund sein­er Gelän­degängigkeit immer wieder als “ide­ales Fahrzeug” für die Prov­inz beze­ich­net, die geo­graphisch fast in der Mitte des Lan­des liegt und ihre Han­delsin­ter­essen immer mehr auch nach West­en (Tibet) und Süden (Yun­nan, Viet­nam, Laos, Myan­mar) orientiert.

Auch das Drei-Schlucht­en-Stauseege­bi­et soll neue Wirtschaft­szone wer­den. Dabei wer­den vor allem die durch den Stau­damm verbesserte Energiev­er­sorgung sowie die Verbesserung der Schiff­fahrt als Argu­ment für ver­mehrte Indus­triean­sied­lun­gen gebraucht. Im Jahr 2007 hat denn auch das Frachtverkehrsvol­u­men durch den Drei-Schlucht­en-Damm gegenüber dem Vor­jahr um 20 % auf 60,56 Mil­lio­nen Ton­nen zugenom­men.
Ursprünglich von Berg­bau (es gibt auch Erdgasvorkom­men), Land­wirtschaft und Touris­mus (der zu einem ersten Aus­bau der Infra­struk­tur beige­tra­gen hat) geprägt, wird die Prov­inz nun zu einem neuen Zen­trum für Wis­senschaft, Tech­nolo­gie wie Telekom­mu­nika­tion, Mikroelek­tron­ik, Bio­medi­zin und Maschi­nen­bau, Fahrzeug­bau, Han­del und Finanzen. Die Tech­nis­chen Uni­ver­sitäten der Prov­inz gehören zu den Eli­te­u­ni­ver­sitäten Chinas.

 

Die Haupt­stadt-Region ‑Peking und Tianjin:

Tian­jin — der 100 km ent­fer­nte “Hafen Pekings” und ein rund 150 km langer Streifen an der Bohai-Meeres­bucht, die soge­nan­nte “Son­der­wirtschaft­szone Bin­hai” soll nach dem Perlfluss- und Jangtze-Delta die dritte große Entwick­lungsre­gion an Chi­nas Küste wer­den. Während Deng Hsiao Ping den Auf­bau der Son­der­wirtschaft­szone Shen­zhen zwis­chen Hongkong und Kan­ton vorantrieb und Jiang Zemin das alte Wirtschaft­szen­trum Shang­hai wieder­belebte hat der in Tian­jin geborene Pre­mier­min­is­ter Wen Jiabao nun (2007) diese Region für Förder­würdig erk­lärt. Von 1994 bis 2006 wur­den schon Aus­landsin­vesti­tio­nen von etwa 16 Mrd. $ in der Region ver­bucht — in den näch­sten vier Jahren bis 2010 sollen weit­ere 20 Mrd. $ dazu kommen.o, wie die Entwick­lung ent­lang der Verkehr­swege — ins­beson­dere der Flüsse — in das “Hin­ter­land” vor­dringt, so ziehen auch die Inve­storen ent­lang der Küste nach Nor­den. Fast 250.000 Pri­vatun­ternehmen (Stand 2007) steigern die Wirtschaft­skraft der Region.

Diese Region war bish­er benachteiligt: obwohl in Tian­jin (10 Mio. Ein­wohn­er) der größte Hafen Nord­chi­nas beste­ht und sich bere­its das größte Luft­frachtzen­trum Chi­nas in der “Tian­jin Eco­nom­ic-Tech­no­log­i­cal Devel­op­ment Area” (TEDA) befind­et, ist Nord­chi­na mit den großen Han­delss­chif­f­en nur schw­er erre­ich­bar. Der aus dem Lößre­ichen Hin­ter­land in den Golf von Chih­li (Bo Hai) mün­dende “Gelbe Fluß” hat über Jahrtausende hin­weg gigan­tis­che Schlamm­fracht­en im Gel­ben Meer abge­lagert. Den großen Con­tain­er­frachtern und Tankern, die für den Han­delsverkehr immer wichtiger wer­den, ist die Hafen­stadt bish­er ver­schlossen. Sog­ar die “Kiew” — der ehe­ma­lige sow­jetis­che Flugdeck­kreuzer, der Kern eines mil­itärischen Vergnü­gungsparks in Tian­jin ist, kon­nte nur bei Hochwass­er zu seinem neuen Liege­platz geschleppt wer­den. Bis vor kurzem ver­fügte Tian­jin noch über eine Auf­nah­meka­paz­ität von lediglich 150.000 DWT. Im Jahr 2006 kon­nten dort 250 Mil­lio­nen Ton­nen Ladung und 5,9 Mil­lio­nen TEU Con­tain­er umgeschla­gen wer­den. Allerd­ings bemüht sich Chi­na, diese “natür­liche Behin­derung” zu beseit­i­gen. Mit einem Investi­tionsvol­u­men von 14 Mil­lio­nen Yuan (69,2 Mil­lio­nen Euro) wird der Bau eines befahrbaren Tiefwasserkanals mit ein­er Auf­nah­meka­paz­ität von 250.000 DWT (Brut­to­tragfähigkeit) vor­angetrieben. Bis zum Bauende — Ende 2007 — soll eine Wasser­tiefe von 19,5 Metern erre­icht wor­den sein, um den Hafen von Tian­jin als Haup­tum­schlag­platz für Waren aus Zen­tral- und Westchi­na zu etablieren. Bis 2010 soll eine Jahreska­paz­ität von 300 Mil­lio­nen Ton­nen Ladung und 10 Mil­lio­nen TEU Con­tain­er erre­icht wer­den. Das gesamte Investi­tionsvol­u­men für die Infra­struk­tur wird von 2007 bis 2010 rund 15 Mrd. $ umfassen. 

Bere­its jet­zt ist es den Chi­ne­sen gelun­gen, knapp 4000 aus­ländis­che Inve­storen in die Son­der­wirtschaft­szone TEDA zu lock­en. Toy­ota, Motoro­la, Sam­sung und VW sind etwa vertreten. Mit der “Neuen Zone Bin­hai” — 200 km südöstlich der chi­ne­sis­chen Haup­stadt am Meer — hat die Region zwis­chen Peking und der Hafen­stadt Tian­jin am flachen Golf ein neues, fast 2.300 qkm großes Entwick­lungszen­trum erhal­ten. Mit fast 2300 km² Fläche, Aus­landsin­vesti­tio­nen von über 6 Mrd. € (2006), einem BIP (2006) von 19,6 Mrd. Euro und einem Exportvol­u­men von mehr als 22,5 Mrd. US-$ hat die Region Zuwach­srat­en von jew­eils mehr als 20 % gegenüber 2005 erzielt — und sog­ar die Steuere­in­nah­men in der Region im gle­ichen Zeitraum über über 30 % auf fast 4 Mrd. € wach­sen lassen. Durch eine Hal­bierung der Steuer­sätze wer­den vor allem High-Tech Fir­men, die in Chi­na nach Stan­dorten suchen, in die Region gelockt.

Die Verkehrsan­bindung soll vor allem durch den Aus­bau der Flug­plätze (Air­bus wird ab August 2008 den A 320 mon­tieren lassen — Quelle: Air­bus kicks off con­struc­tion of Chi­na plant — (www.sinodaily.com) und die Pro­duk­tion ab 2010 ab 4 Flugzeuge monatlich aus­bauen, so dass bere­its 2016 de Aus­liefer­ung von 300 Flugzeu­gen erre­icht wird) und der Eisen­bahn (um die Hochgeschwindigkeits­bah­n­ri­valis­eren Japans Shinkansen, der deutsche ICE und der franzö­sis­che TGV) sowie den Bau weit­er­er Auto­bah­nen verbessert wer­den. Chi­na legt größten Wert darauf, mit den besten Pro­duk­ten der Welt ver­sorgt zu werden.

Daran krankt auch das Enga­ment von Daim­ler in der Region. Der deutsche Fahrzeugkonz­ern hat mit der Pro­duk­tion eines ver­al­teten LKW-Typs begonnen und bis zum Som­mer 2006 lediglich 700 Mer­cedes Actros und 1200 Trans­porter der japanis­chen Tochter Fus­co (früher Mit­subishi) verkauft. Dabei hätte Daim­ler mit dem UNIMOG ein Fahrzeug­pro­gramm im Ange­bot, das vor allem für die Land­wirtschaft und Kom­munen im Nor­den und West­en des Lan­des ide­al geeignet wäre, und gute Exportchan­cen nach Süd- und Südostasien hätte. Chi­na und Indi­en gel­ten zudem als die größten Wach­s­tumsmärk­te für Nutz­fahrzeuge. Für bei­de Län­der wird ein Mark­tvol­u­men von rund 380.000 mit­telschw­eren und schw­eren Lak­stkraft­wa­gen angegeben, dem Markt der EU ver­gle­ich­bar. Daim­lers Engage­ment ist allerd­ings auf eine Hürde gestoßen: kein aus­ländis­ch­er Her­steller darf im Nutz­fahrzeug­bere­ich mehr als zwei Gemein­schaft­sun­ternehmen mit chi­ne­sis­chen Part­nern grün­den. Daim­ler ist bere­its im Bus­bere­ich mit dem wenig erfol­gre­ichen Joint Ven­ture Yax­ing Benz und im Trans­porter­bere­ich gebun­den. Wenn diese Part­ner­schaften nicht aus­geweit­et wer­den, muss scih Daim­ler andere Wege suchen, um in den lukra­tiv­en Markt vorzus­toßen. Eine Möglichkeit wäre, eine namhafte Aktien­beteili­gung an einem chi­ne­sis­chen Last­wa­gen­her­steller zu erwer­ben. Hier kam das chi­ne­sis­che Unternehmen Foton ins Gespräch, an dem die chi­ne­sis­chen Bejing Auto­mo­tive Indus­try Hold­ing Com­pa­ny (BAIC) — mit der Daim­ler bere­its PKWs fer­tigt — mit 34 % beteiligt ist. Foton pro­duziert aber auch im Mark­t­sege­ment der kleineren Nutz­fahrzeuge — und würde da mit der Daim­ler-Tochter­fir­ma Fus­co in Konkur­renz kommen. 

Chi­na möchte an die Spitze der Weltwirtschaft, und legt deshalb größten Wert darauf, auch Zugang zum besten tech­nis­chen know-how der Welt zu erhal­ten. Dann — so haben bere­its unzäh­lige Fir­men erfahren — lässt sich auch in Chi­na “richtig Geld ver­di­enen”. Und das Geld soll in der Region bleiben: Tian­jin und Peking wet­teifern darin, zum Finanzzen­trum der Region zu werden. 

Die Bin­hai-Wirtschft­szone im nördlichen Stadt­ge­bi­et von Tian­jin entwick­elt sich über­aus dynamisch. Bis Ende August 2006 beliefen sich die gesamten aus­ländis­chen Investi­tio­nen in der Tian­jin Eco­nom­ic-Tech­no­log­i­cal Devel­op­ment Area (TEDA) auf 3,58 Mil­liar­den US-Dol­lar, das in Verträ­gen zugesicherte Kap­i­tal auf 2,27 Mil­liar­den US-Dol­lar und die ver­wirk­licht­en Investi­tio­nen auf 1,05 Mil­liar­den US-Dol­lar. Das in Verträ­gen zugesicherte Kap­i­tal und die ver­wirk­licht­en Investi­tio­nen sind somit im Ver­gle­ich­szeitraum des Vor­jahres um jew­eils 29,28 beziehungsweise 28,33 Prozent gestiegen. Elek­trotech­nik, Maschi­nen- und Auto­mo­bil­bau, Pharma‑, Chemie- sowie Lebens­mit­tel- und Getränkein­dus­trie bilden die wichtig­sten Branchen in der TEDA. Der indus­trielle gesamte Pro­duk­tion­swert in den ersten acht Monat­en des Jahres 2ßß6 betrug 191,2 Mil­liar­den Yuan (24,2 Mil­liar­den US-Dol­lar), davon wur­den 186,8 Mil­liar­den Yuan (23,6 US-Dol­lar) von Unternehmen mit aus­ländis­ch­er Kap­i­tal­beteili­gung erwirtschaftet, was ein­er Zunahme von 33,3 Prozent entspricht.”
(Quelle: China.org.cn, Xin­hua, 28. Sep­tem­ber 2006) Die Region gilt als eine der wirtschaftlich aktivsten Regio­nen Chi­nas. Die Bin­hai-Wirtschaft­szone soll ab 2010 eine Führungsrolle bei der weit­eren wirtschaftlichen Entwick­lung Chi­nas einnehmen.

Die Region prof­i­tiert auch zunehmend von den Ölvorkom­men, die in der Bohai-Bucht zwis­chen Tian­jin, Dalian und Shan­dong gefun­den wer­den und eine langfristig gesicherte Energiev­er­sorgung erwarten lassen. Rus­s­lands Staats­fir­ma ROSNEFT und die chi­ne­sis­chen Ölge­sellschaft CNPC erricht­en in Tian­jin eine Raf­finer­ie mit ein­er Jahresleis­tung von 15 Mil­lio­nen Ton­nen Ölver­ar­beitung. Der Plan ist wohl Teil eines Abkom­mens von 2006, durch das die Zusam­me­nar­beit zwis­chen Chi­na und Rus­s­land bei der Gas- und Ölpro­duk­tion aus­ge­baut wer­den soll. Darüber hin­aus ist wohl die Ver­ar­beitung von Rohöl aus Rus­s­land vorge­se­hen. Chi­na und Rus­s­land hat­ten im Feb­ru­ar 2009 ein Übereinkom­men  unterze­ich­net, wonach die rus­sis­chen Ölfelder in Ost­si­birien über eine Pipeline für die nordöstlichen Regio­nen Chi­nas erschlossen wer­den sollen.

Darüber hin­aus nimmt die Bohai-Bucht seit Novem­ber 2007 Chi­nas erstes Off­shore-Wind­kraftwerk mit ein­er Jahreska­paz­ität von 4,4 Mil­lio­nen Kilo­wattstun­den Strom auf — wobei die Chi­ne­sen zunächst vor allem die Stromver­sorgung von Erdöl- und Erdgas­plat­tfor­men auf dem Meer sich­er stellen wollen. Der Schritt, über­schüs­sige Energien auf dem Fes­t­land zu nutzen, wird aber schnell zurück gelegt.

Welchen Auf­schwung die Region genom­men hat zeigt eine Mel­dung von XINHUA vom Okto­ber 2010: “Chi­na plant bis zum Jahre­sende den Bau eines hochkaräti­gen Yachthafens in … Tian­jin, der es den Super­re­ichen des Lan­des erlaubt, ihre Luxus­boote in einem Hafen nahe der Haupt­stadt Bejing anzule­gen…”  

Bejing (Peking) wird allerd­ings hin­ter Tian­jin nicht zurück ste­hen. Alleine in den Aus­bau des Pekinger Flughafens wer­den nach dem neuesten, im Sep­tem­ber 2006 veröf­fentlichen 5‑Jahresplan der Regierung über 2,5 Mrd. € investiert, um den Flughafen bis 2015 zu einem Verkehrsknoten­punkt mit ein­er jährlichen Kapaz­ität von 90 Mil­lio­nen Pas­sagieren und 9 Mil­lio­nen Ton­nen Frachtgut auszubauen. Die Bei­jinger Regierung hat zudem die Wirtschaft­szone um den Flughafen in ihren 11. Fün­f­jahre­s­plan aufgenom­men. Die Frei­han­del­szone in der Nähe des Flughafens wurde inzwis­chen genehmigt. Auch das Bei­jinger Kon­ferenzzen­trum befind­et sich in der Nähe des Flughafens.
Dazu kom­men die Vorteile eines gewach­se­nen Indus­tri­e­s­tandortes mit geschul­ten Arbeit­skräften — und die Nähe zu den Eli­te­u­ni­ver­siäten Pekings, die tausende her­vor­ra­gend aus­ge­bildete und engagierte Akademik­er auf den Markt ent­lassen. Dies lockt Inve­storen an.

So wird das größte Motoren­werk des Lan­des — eine Koop­er­a­tion des Bei­jinger Auto­her­stellers Beiqi Foton und des weltweit größte Motoren­her­stellers Cum­mins — kün­ftig in Bei­jing ste­hen. Nach Investi­tio­nen in Höhe von ins­ge­samt 2,7 Mil­liar­den Yuan (244 Mil­lio­nen Euro) sollen ab Sepem­ber 2008 in einem 170.000 Quadrat­meter großen Gelände rund 400.000 Motoren jährlich pro­duziert werden.

 

Shan­dong:
Gegenüber von Dalian — auf der “anderen Seite” der Bohai-Bucht — find­et sich die Shan­dong-Prov­inz, mit der alten deutschen Kolonie und Hafen­stadt “Tsing­tau”, die heute vor allem durch ihr Bier in Chi­na bekan­nt ist. Shan­dong ist aber auch Sitz der Weichai-Hold­ing, mit der die deutsche Fir­ma MAN einen inten­siv­en Kon­takt Pflegt. Weichai ist der größte Her­steller von Diesel­mo­toren, Getrieben Nutz­fahrzeu­gen und schw­eren Schiff­s­mo­toren. Mit der Weichai-Hold­ing soll die gemein­same Fer­ti­gung von Last­wa­gen, LKW-Motoren und Schiffs­dieseln aufgenom­men werden.

 

Hainan:
Ein Geheimtip — das war über lange Jahre hin die Insel Hainan, die für chi­ne­sis­che Touris­ten das ist, was Flori­da für die USA darstellt: ein Urlaub­sparadies. Neben einem bud­dhis­tis­chen Tem­pel­park, ein­er pit­toresken Felsen­land­schaft und “Einge­bore­nendör­fern” lock­en vor allem die für chi­ne­sis­che Ver­hält­nisse angenehm war­men Tem­per­a­turen auf die sub­tro­pis­che Insel. Selb­st im Win­ter wer­den  noch Tem­per­a­turen um die 20 ° gemessen — ein Erhol­ungswert pur für den reich wer­den­den chi­ne­sis­chen Mit­tel­stand etwa aus dem über drei Flugstun­den ent­fer­n­ten, eisigem Peking. Spätestens seit die chi­ne­sis­che Regierung im Dezem­ber 2009 verkün­det hat, die Insel gezielt auch auf dem inter­na­tionalen Immo­bilien­markt anzu­bi­eten, ist es mit der Beschei­den­heit vor­bei.  Für die Bürg­er von über 25 Staat­en — darunter auch Deutsch­land — wurde die Visumpflicht erle­ichtert.  Sei­ther ist die Visum freie Ein- und Aus­reise nach Chi­na über Hainan möglich. Der Umsatz der Touris­tik-Indus­trie soll von 21 Mrd. Yuan (2009) auf fast 55 Mrd. Yuan (2005) und dann sog­ar auf mehr als 120 Mrd. Yuan (ab 2020) erhöhen.  Die — ohne­hin schon hohen — Immo­bilien­preise sind im Jahre 2010 regel­recht explodiert. Schon jet­zt (2010) sind — vor allem zu den innerchi­ne­sis­chen Reisezeit­en vor dem Früh­lings­fest — die Hotels über­füllt. Im Bade­ort Sanya (nahe eines bekan­nten neuen Marinestützpunk­tes) wer­den dann Über­ach­tung­spreise von 10.000 Yuan (etwa 1.100 Euro) und mehr gefordert — und bezahlt.

Die staatlichen Investi­to­nen fließen vor allem in die Infra­struk­tur. Der Flughafen von Sanya,  Eisen­bahn­lin­ien auf der Insel und die Straßen sollen für min­destens 100 Mrd. Yuan (11,5 MRd. Euro) “auf Vor­der­mann gebracht” wer­den. Dazu kommt der Plan, die Insel über eine Brücke oder einen Tun­nel  für etwa 20 Mrd. Euro mit dem Fes­t­land zu verbinden.