Update Piraterie — Stand 05.11.2011

Zum Schick­sal des seit dem März 2010 von soma­lis­chen Pirat­en fest gehal­te­nen kleinen Ro-/Ro-Frachters ICEBERG 1 gibt es wider­sprüch­liche Mel­dun­gen. Ent­ge­gen einiger Medi­en­mel­dun­gen ist das Schiff offen­bar doch noch nicht frei und auf dem Weg nach Salalah (Oman), son­dern liegt nach wie vor an der soma­lis­chen Küste. Die Gründe dafür sind unklar. Einige Medi­en bericht­en, der Eign­er habe noch immer kein Lösegeld gezahlt; in anderen wird behauptet, die ICEBERG 1 sei nach der lan­gen Liegezeit nicht mehr fahrfähig.

Bestätigte Tat­sache ist dage­gen die Freilas­sung (3. Novem­ber) des am 1. Jan­u­ar im Soma­li­abeck­en gekaperten algerischen Mas­sen­gut­frachters BLIDA. Das Schiff ist auf dem Weg Mom­basa (Kenia).

In der abge­laufe­nen Woche kon­nten soma­lis­che Pirat­en wieder mal neue Beute machen. Am 31. Okto­ber kaperten sie im west­lichen Golf von Aden, auf dem emp­fohle­nen inter­na­tionalen Schiff­fahrtsweg (IRTC), den mit Phos­pho­rsäure belade­nen griechis­chen Pro­duk­ten­tanker LIQUID VELVET. Der Kapitän hat­te sich offen­bar nicht einem gesicherten Kon­voi angeschlossen, son­dern sein Glück als Alle­in­fahrer ver­sucht. Ein bewaffnetes Sicher­heit­steam gab es nicht an Bord. Als sechs Pirat­en den Tanker enterten, kon­nte sich die Besatzung noch kurz in einem Raum ver­bar­rikadieren, der allerd­ings recht schnell aufge­brochen wurde. Ein wenig später ein­tr­e­f­fend­es Aufk­lärungs­flugzeug kon­nte nur noch die vol­len­dete Kape­rung mit Geisel­nahme bestätigen. 

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CHIN I WEN (Foto: NATO

Am 4. Novem­ber ent­führten soma­lis­che Pirat­en im südlichen Soma­li­abeck­en, etwa 250 sm süd­west­lich der Sey­chellen, das kleine tai­wane­sis­che Fis­chereis­chiff CHIN I WEN. Es ist davon auszuge­hen, dass sie das Schiff als Mut­ter­schiff für weit­ere Über­fälle nutzen wollen. 

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ENDEAVOUR stellt Pirat­en (Foto: sin­gap. Marine) 

Neben diesen bei­den „erfol­gre­ichen“ Über­fällen wer­den zahlre­iche weit­ere Angriffe gemeldet. Vor der oman­is­chen Küste vom nördlichen Ara­bis­chen Meer bis in den Ostaus­gang des Golfs von Aden behin­dert zwar schlecht­es Wet­ter (vorüberge­hend) Aktio­nen der Pirat­en. Den­noch ver­sucht­en sie auch hier ihr Glück. 

Etwa 200 sm östlich von Salalah grif­f­en sie am 1. Novem­ber zunächst den Frachter BROKER an, kon­nten aber nicht an Bord gelan­gen und sucht­en sich neue Beute. Nur wenige Stun­den später scheit­erten sie jedoch auch mit dem Ver­such, den Frachter ELKA ATHINA zu entern. 

Inzwis­chen hat­te das nach emp­fan­genen Notrufen alarmierte sin­ga­pursche Dock­lan­dungss­chiff ENDEAVOUR (CTF-151) den Ort des Geschehens erre­icht. Ein Bor­d­hub­schrauber fand nach kurz­er Absuche des Gebi­etes ein Skiff, das ger­ade zu seinem Mut­ter­schiff, eine Dhau, zurück kehrte. Alles sprach dafür, dass von diesem Skiff die zwei gemelde­ten Angriffe aus­ge­gan­gen waren; zu beweisen war dies allerd­ings nicht. Die mut­maßlichen Pirat­en durften denn auch auf die Dhau über­steigen, dann wurde ihr Skiff versenkt. Am näch­sten Tag wurde die Dhau noch ein­mal auf dem Weg nach Soma­lia gesichtet. Ohne Skiff stellt sie zunächst keine Gefahr mehr dar, aber die Pirat­en wer­den sich in ihrem Lager an der soma­lis­chen Küste schnell wieder aus­rüsten und zu neuer Kaper­fahrt aufbrechen. 

Noch ein weit­er­er ver­suchter Über­fall wird aus dem Ara­bis­chen Meer gemeldet. Am 2. Novem­ber ver­sucht­en Pirat­en mit einem Skiff einen Pro­duk­ten­tanker zu kapern, brachen ihren Angriff aber nach Warn­schüssen eines eingeschifften Sicher­heit­steams ab und zogen sich unver­richte­ter­dinge zu ihrem Mut­ter­schiff zurück. Weit­er west­lich, in der Nähe der Meerenge des Bab el Man­deb, wehrte ein auf einem Frachter eingeschifftes Sicher­heit­steam einen Angriff von gle­ich fünf Skiffs ab. 

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Grafik: gcaptain.comcom

Ein­deutiger Schw­er­punkt der in der abge­laufe­nen Woche gemelde­ten Über­fälle ist allerd­ings das Soma­li­abeck­en, wo bei guten Wet­terbe­din­gun­gen offen­bar eine ganze Rei­he von Pirate Action Groups (PAG) aktiv sind. Die neben­ste­hende Grafik verdeut­licht das Gebi­et, zeigt aber nur einen Teil der ver­sucht­en Überfälle. 

Am 30. Okto­ber grif­f­en Pirat­en etwa 250 sm südöstlich von Mom­basa (Kenia) den Tanker SCF PLYMOUTH an, brachen den Über­fall aber sofort ab, als ein eingeschifftes bewaffnetes Sicher­heit­steam ihre Schüsse erwiderte. Einen Tag später waren zwei franzö­sis­che Thun­fis­chfangschiffe Ziel von Pirat­en; auch hier kon­nten (rou­tinemäßig von den franzö­sis­chen Stre­itkräften gestellte) eingeschiffte bewaffnete Sicher­heit­steams eine Kape­rung verhindern. 

Am 1. Novem­ber nah­men sich Pirat­en eben­falls im südlichen Soma­li­abeck­en den Tanker DYNATANK zum Ziel, scheit­erten aber auch hier an einem bewaffneten Sicher­heit­steam. Auch ein Angriff zweier Skiffs auf den franzö­sis­chen Thun­fis­chfänger TORRE GIULIA bleib erfol­g­los; sie dreht­en nach Warn­schüssen eines Sicher­heit­steams ab. 

Für eine der im südlichen Soma­li­abeck­en aktiv­en Pirate Action Groups war am 4. Novem­ber die Kaper­fahrt zu Ende. Etwa 60 sm vor der Küste Tansa­nias stieß die deutsche Fre­gat­te KÖLN (EU Nav­For) auf einen Whaler (offenes Mut­ter­boot) und ein Skiff. Bei Annäherung wur­den sofort Waf­fen und Aus­rüs­tung über Bord gewor­fen. Durch­suchung durch ein Board­ingteam förderte weit­ere Pirate­naus­rüs­tung zutage. Sieben mut­maßliche Pirat­en wur­den an Bord der Fre­gat­te gebracht, ihre bei­den Boote anschließend versenkt. Da es keine Beweise für ein bere­its began­ge­nes Ver­brechen gab, wer­den die Män­ner nun zur soma­lis­chen Küste gebracht und dort abgesetzt. 

Kurzmel­dun­gen

Die britis­che Regierung hat nun auch formell die Ein­schif­fung bewaffneter Sicher­heit­steams auf Schif­f­en unter britis­ch­er Flagge gebil­ligt. Voraus­set­zung ist eine „Zer­ti­fizierung“ der solchen Begleitschutz anbi­etenden Sicher­heits­fir­men, die ab sofort entsprechende Lizen­zen beantra­gen können. 

In der Straße von Sin­ga­pur haben Pirat­en Ende Okto­ber einen Tanker gekapert. In ein­er koor­dinierten Aktion der Mari­nen und Küstenwachen Malaysias und Indone­siens kon­nte das Schiff gestellt und befre­it wer­den. Den Pirat­en gelang die Flucht mit einem Speedboot. 

Vor Port Har­court (Nige­ria) haben Pirat­en den griechis­chen (Flagge Mal­ta) Pro­duk­ten­tanker HALIFAX samt 23 Mann Besatzung gekapert. Lösegeld­forderun­gen wer­den hier nicht erwartet. So denn nicht poli­tis­che Forderun­gen gestellt wer­den, geben sich Pirat­en (oft auch Rebel­len­grup­pen) in der Region üblicher­weise mit dem Raub der Ladung zufrieden und lassen ent­führte Schiffe und Besatzun­gen nach weni­gen Tagen wieder frei. 

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chi­ne­sis­ch­er Zer­stör­er HAIKOU (Foto: china-defense.com)

Aktuelle Entwick­lun­gen bei Ein­satzkräften

Das dänis­che Mehrzweckschiff ABSALON hat das Seege­bi­et am Horn von Afri­ka erre­icht und sich am 1. Novem­ber dem NATO Ein­satzver­band SNMG‑1 in Oper­a­tion „Ocean Shield“ angeschlossen. Im Jan­u­ar wird die dänis­che Luft­waffe eines ihrer Aufk­lärungs­flugzeuge Chal­lenger nach Dschibu­ti ver­legen. Für zunächst zwei Monate soll das Flugzeug eben­falls die NATO Oper­a­tion „Ocean Shield“ unterstützen. 

Die japanis­chen Zer­stör­er TAKANAMI und OONAMI dürften inzwis­chen das Oper­a­tions­ge­bi­et im Golf von Aden erre­icht haben (Ablö­sung zweier ander­er Kampfschiffe). 

In Chi­na hat sich am 3. Novem­ber die 10. Anti-Pira­terie Ein­satz­gruppe auf die mehrwöchige Reise in den Golf von Aden gemacht. Zu ihr gehören der Zer­stör­er HAIKOU (LUJANG-II-Klasse), die brand­neue Fre­gat­te YUNZHENG (JIANGKAI-II) sowie der Flot­ten­ver­sorg­er POYANG HU (FUCHI-Klasse).

In Koop­er­a­tion mit “Marine­Fo­rum — Zeitschrift für mar­itime Fra­gen

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