Zum Schicksal des seit dem März 2010 von somalischen Piraten fest gehaltenen kleinen Ro-/Ro-Frachters ICEBERG 1 gibt es widersprüchliche Meldungen. Entgegen einiger Medienmeldungen ist das Schiff offenbar doch noch nicht frei und auf dem Weg nach Salalah (Oman), sondern liegt nach wie vor an der somalischen Küste. Die Gründe dafür sind unklar. Einige Medien berichten, der Eigner habe noch immer kein Lösegeld gezahlt; in anderen wird behauptet, die ICEBERG 1 sei nach der langen Liegezeit nicht mehr fahrfähig.
Bestätigte Tatsache ist dagegen die Freilassung (3. November) des am 1. Januar im Somaliabecken gekaperten algerischen Massengutfrachters BLIDA. Das Schiff ist auf dem Weg Mombasa (Kenia).
In der abgelaufenen Woche konnten somalische Piraten wieder mal neue Beute machen. Am 31. Oktober kaperten sie im westlichen Golf von Aden, auf dem empfohlenen internationalen Schifffahrtsweg (IRTC), den mit Phosphorsäure beladenen griechischen Produktentanker LIQUID VELVET. Der Kapitän hatte sich offenbar nicht einem gesicherten Konvoi angeschlossen, sondern sein Glück als Alleinfahrer versucht. Ein bewaffnetes Sicherheitsteam gab es nicht an Bord. Als sechs Piraten den Tanker enterten, konnte sich die Besatzung noch kurz in einem Raum verbarrikadieren, der allerdings recht schnell aufgebrochen wurde. Ein wenig später eintreffendes Aufklärungsflugzeug konnte nur noch die vollendete Kaperung mit Geiselnahme bestätigen.
CHIN I WEN (Foto: NATO) |
Am 4. November entführten somalische Piraten im südlichen Somaliabecken, etwa 250 sm südwestlich der Seychellen, das kleine taiwanesische Fischereischiff CHIN I WEN. Es ist davon auszugehen, dass sie das Schiff als Mutterschiff für weitere Überfälle nutzen wollen.
ENDEAVOUR stellt Piraten (Foto: singap. Marine) |
Neben diesen beiden „erfolgreichen“ Überfällen werden zahlreiche weitere Angriffe gemeldet. Vor der omanischen Küste vom nördlichen Arabischen Meer bis in den Ostausgang des Golfs von Aden behindert zwar schlechtes Wetter (vorübergehend) Aktionen der Piraten. Dennoch versuchten sie auch hier ihr Glück.
Etwa 200 sm östlich von Salalah griffen sie am 1. November zunächst den Frachter BROKER an, konnten aber nicht an Bord gelangen und suchten sich neue Beute. Nur wenige Stunden später scheiterten sie jedoch auch mit dem Versuch, den Frachter ELKA ATHINA zu entern.
Inzwischen hatte das nach empfangenen Notrufen alarmierte singapursche Docklandungsschiff ENDEAVOUR (CTF-151) den Ort des Geschehens erreicht. Ein Bordhubschrauber fand nach kurzer Absuche des Gebietes ein Skiff, das gerade zu seinem Mutterschiff, eine Dhau, zurück kehrte. Alles sprach dafür, dass von diesem Skiff die zwei gemeldeten Angriffe ausgegangen waren; zu beweisen war dies allerdings nicht. Die mutmaßlichen Piraten durften denn auch auf die Dhau übersteigen, dann wurde ihr Skiff versenkt. Am nächsten Tag wurde die Dhau noch einmal auf dem Weg nach Somalia gesichtet. Ohne Skiff stellt sie zunächst keine Gefahr mehr dar, aber die Piraten werden sich in ihrem Lager an der somalischen Küste schnell wieder ausrüsten und zu neuer Kaperfahrt aufbrechen.
Noch ein weiterer versuchter Überfall wird aus dem Arabischen Meer gemeldet. Am 2. November versuchten Piraten mit einem Skiff einen Produktentanker zu kapern, brachen ihren Angriff aber nach Warnschüssen eines eingeschifften Sicherheitsteams ab und zogen sich unverrichteterdinge zu ihrem Mutterschiff zurück. Weiter westlich, in der Nähe der Meerenge des Bab el Mandeb, wehrte ein auf einem Frachter eingeschifftes Sicherheitsteam einen Angriff von gleich fünf Skiffs ab.
Grafik: gcaptain.comcom |
Eindeutiger Schwerpunkt der in der abgelaufenen Woche gemeldeten Überfälle ist allerdings das Somaliabecken, wo bei guten Wetterbedingungen offenbar eine ganze Reihe von Pirate Action Groups (PAG) aktiv sind. Die nebenstehende Grafik verdeutlicht das Gebiet, zeigt aber nur einen Teil der versuchten Überfälle.
Am 30. Oktober griffen Piraten etwa 250 sm südöstlich von Mombasa (Kenia) den Tanker SCF PLYMOUTH an, brachen den Überfall aber sofort ab, als ein eingeschifftes bewaffnetes Sicherheitsteam ihre Schüsse erwiderte. Einen Tag später waren zwei französische Thunfischfangschiffe Ziel von Piraten; auch hier konnten (routinemäßig von den französischen Streitkräften gestellte) eingeschiffte bewaffnete Sicherheitsteams eine Kaperung verhindern.
Am 1. November nahmen sich Piraten ebenfalls im südlichen Somaliabecken den Tanker DYNATANK zum Ziel, scheiterten aber auch hier an einem bewaffneten Sicherheitsteam. Auch ein Angriff zweier Skiffs auf den französischen Thunfischfänger TORRE GIULIA bleib erfolglos; sie drehten nach Warnschüssen eines Sicherheitsteams ab.
Für eine der im südlichen Somaliabecken aktiven Pirate Action Groups war am 4. November die Kaperfahrt zu Ende. Etwa 60 sm vor der Küste Tansanias stieß die deutsche Fregatte KÖLN (EU NavFor) auf einen Whaler (offenes Mutterboot) und ein Skiff. Bei Annäherung wurden sofort Waffen und Ausrüstung über Bord geworfen. Durchsuchung durch ein Boardingteam förderte weitere Piratenausrüstung zutage. Sieben mutmaßliche Piraten wurden an Bord der Fregatte gebracht, ihre beiden Boote anschließend versenkt. Da es keine Beweise für ein bereits begangenes Verbrechen gab, werden die Männer nun zur somalischen Küste gebracht und dort abgesetzt.
Kurzmeldungen
Die britische Regierung hat nun auch formell die Einschiffung bewaffneter Sicherheitsteams auf Schiffen unter britischer Flagge gebilligt. Voraussetzung ist eine „Zertifizierung“ der solchen Begleitschutz anbietenden Sicherheitsfirmen, die ab sofort entsprechende Lizenzen beantragen können.
In der Straße von Singapur haben Piraten Ende Oktober einen Tanker gekapert. In einer koordinierten Aktion der Marinen und Küstenwachen Malaysias und Indonesiens konnte das Schiff gestellt und befreit werden. Den Piraten gelang die Flucht mit einem Speedboot.
Vor Port Harcourt (Nigeria) haben Piraten den griechischen (Flagge Malta) Produktentanker HALIFAX samt 23 Mann Besatzung gekapert. Lösegeldforderungen werden hier nicht erwartet. So denn nicht politische Forderungen gestellt werden, geben sich Piraten (oft auch Rebellengruppen) in der Region üblicherweise mit dem Raub der Ladung zufrieden und lassen entführte Schiffe und Besatzungen nach wenigen Tagen wieder frei.
chinesischer Zerstörer HAIKOU (Foto: china-defense.com) |
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
Das dänische Mehrzweckschiff ABSALON hat das Seegebiet am Horn von Afrika erreicht und sich am 1. November dem NATO Einsatzverband SNMG‑1 in Operation „Ocean Shield“ angeschlossen. Im Januar wird die dänische Luftwaffe eines ihrer Aufklärungsflugzeuge Challenger nach Dschibuti verlegen. Für zunächst zwei Monate soll das Flugzeug ebenfalls die NATO Operation „Ocean Shield“ unterstützen.
Die japanischen Zerstörer TAKANAMI und OONAMI dürften inzwischen das Operationsgebiet im Golf von Aden erreicht haben (Ablösung zweier anderer Kampfschiffe).
In China hat sich am 3. November die 10. Anti-Piraterie Einsatzgruppe auf die mehrwöchige Reise in den Golf von Aden gemacht. Zu ihr gehören der Zerstörer HAIKOU (LUJANG-II-Klasse), die brandneue Fregatte YUNZHENG (JIANGKAI-II) sowie der Flottenversorger POYANG HU (FUCHI-Klasse).
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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