Auch wenn aus einigen Bereichen des Somaliabeckens noch immer Wellenhöhen von mehr als zwei Meter gemeldet werden, geht die jahreszeitlich durch den Monsun bedingte „Sommerpause“ der Piraten wohl endgültig zu Ende. In zahlreichen Camps an der gesamten somalischen Küste sollen bereits rege Vorbereitungen für neue Raubzüge begonnen haben, und erste so genannte „Pirate Action Groups“ (PAG) sind offenbar auch schon unterwegs. Die EU NavFor hat am 22. September das Operationsgebiet für ihre „Operation Atalanta“ offiziell weiter nach Osten in den Indik hinein erweitert. Um hier die Notwendigkeit zur „Suche nach der Nadel im Heuhaufen“ zu verringern, konzentrieren sich die eingesetzten Seestreitkräfte von EU NavFor und vermutlich auch NATO vor allem darauf, durch gezielte intensive Aufklärung der somalischen Küste Aktivitäten so rechtzeitig zu erkennen, dass PAG möglichst schon direkt beim Auslaufen neutralisiert werden können.
AMSTERDAM zerstört Piratenboot Bildquelle: niederl. Marine |
Am 22. September wurden gleich zwei PAG direkt vor der somalischen Küste abgefangen. Zunächst hatte das spanische Docklandungsschiff GALICIA (EU NavFor) eine Gruppe mit einem Mutterboot (Whaler) und zwei Skiffs entdeckt. Nur 500m vom Strand entfernt wurde die PAG gestoppt, die Boote durchsucht, Waffen, mögliche Piratenausrüstung und Reservekraftstoff beschlagnahmt. Eines der Skiffs wurde zerstört, die insgesamt elf mutmaßlichen Piraten dann mit den beiden anderen Booten an die Küste zurück geschickt. Wenig später sichtete der niederländische Versorger AMSTERDAM (EU NavFor) im gleichen Gebiet ein mit vier Männern besetztes weiteres größeres Boot (Whaler). Auch hier wurden Waffen und mögliche Piratenausrüstung beschlagnahmt. Im Gegensatz zum ersten Vorfall versenkte die AMSTERDAM dann allerdings das Boot und brachte die verhinderten Piraten mit einem Beiboot an die Küste. Dieses Vorgehen ist sicher effektiver als das der GALICIA. Boote dürften für die Piraten deutlich schwerer zu ersetzen sein als Waffen, Munition und Kraftstoff.
Am 24. September konnte die GALICIA wahrscheinlich einen weiteren Raubzug im Ansatz verhindern. Ebenfalls dicht unter der somalischen Küste wurde die kenianische Dhow SHERRY entdeckt, die dadurch auffiel, dass sie in ihrem Kielwasser ein Skiff hinter sich her zog. Eine erste Untersuchung ließ darauf schließen, dass vier mutmaßliche Piraten das Fahrzeug gekapert hatten und nun mit ihm als Mutterschiff (und seinen zehn Mann Besatzung als Geiseln) eine Kaperfahrt beginnen wollten. Alle 14 Männer an Bord wurden auf die GALACIA gebracht, wo nach weiteren Untersuchungen über ihr Schicksal entschieden werden soll.
Mehr als 2.000 km somalische Ostküste lassen sich durch einige wenige Kriegsschiffe nicht lückenlos überwachen, selbst wenn diese durch Flugzeuge, Hubschrauber und sogar Aufklärungssatelliten unterstützt werden. Überdies sind die Piraten angeblich auch bereits bemüht, die Strategie dadurch zu unterlaufen, dass sie im Schutz der Dunkelheit ihre Standorte wechseln. Bei zugleich auch zunehmender Aktivität von harmlosen Fischern dürften so bei weitem nicht alle in See stechenden PAG beim Verlassen der Küste erkannt werden, und ein erster Erfolg ist den Piraten denn auch bereits beschieden. Mitten im Indischen Ozean (Somaliabecken), fast 900 Seemeilen von der somalischen Küste entfernt, kaperten sie am 25. September den Frachter LUGELA (Flagge Panama, Besatzung 12 Ukrainer). Das mit Stahl und Eisen beladene, 4,300 t große Schiff hatte den Golf von Aden sicher passiert und – um möglichen Piraten auszuweichen — in weitem Bogen Kurs auf Mauritius genommen. Nun wird es zur somalischen Küste gesteuert. Dieser ersten Entführung der „neuen Saison“ werden in den nächsten Tagen sicher weitere Kaperversuche folgen.
RAJPUT Bildquelle: Bharat-Rakshak.com |
Piraten bleiben aber auch in anderen Seegebieten aktiv. Am 17. September meldete das jemenitische Verteidigungsministerium, die jemenitische Küstenwache habe einen Angriff in der Meerenge des Bab el Mandeb verhindern können. Vier Piraten mit einem Skiff hätten versucht, einen „ausländischen Frachter“ zu kapern, seien aber durch Schüsse (wörtlich: „Feuerhagel“) des Küstenwachbootes vertrieben worden. Am gleichen Tag sichtete die US Fregatte KAUFFMAN (NATO) im Golf vom Aden ein mit fünf Männern besetztes Skiff, das direkt neben dem gesicherten Schifffahrtsweg (IRTC) offenbar auf Beute wartete. In Zusammenarbeit mit dem Bordhubschrauber des singapurschen Docklandungsschiffes ENDURANCE (CTF-151) wurde das Boot aufgebracht. Bei Annäherung wurde beobachtet, wie Waffen und Ausrüstung über Bord geworfen wurden. Ein Boardingteam beschlagnahmte weitere Gegenstände. Nachdem sichergestellt war, dass vom Skiff „keinerlei Bedrohung für die Handelsschifffahrt“ mehr ausging, durfte es seines Weges ziehen.
Die Strafverfolgung mutmaßlicher Piraten in Kenia gewinnt offenbar an Fahrt. Am 23. September wurden weitere sieben Piraten zu zweijährigen Haftstrafen verurteilt. Sie waren im Mai 2009 nach einem Angriff auf den Frachter ANNY PETRAKIS vom spanischen Versorger MARQUES DE LA ENSENADA festgesetzt worden
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
In Visakhapatnam hat die indische Marine am 23. September den Zerstörer RAJPUT in Richtung Horn von Afrika in Marsch gesetzt. Das Schiff einer modifizierten KASHIN-Klasse – mit 31 Jahren der dienstälteste Zerstörer der indischen Marine – soll am 26. September den derzeit im Rahmen einer nationalen Operation im Golf von Aden eingesetzten Zerstörer DELHI ablösen. Die RAJPUT ist bereits das 19. Schiff, das die indische Marine zu Anti-Piraterieoperationen an das Horn von Afrika verlegt.
Die Einsatzgruppe der thailändischen Marine mit dem Offshore Patrol Vessel PATTANI und dem Versorger SIMILAN hat auf dem Weg in den Golf von Aden am 19. September einen Zwischenstopp in Colombo, Sri Lanka, gemacht.
Die deutsche Fregatte SCHLESWIG HOLSTEIN hat am 17. September ihren Einsatz bei der EU NavFor beendet und ist aus dem Golf von Aden in Richtung Mittelmeer abgelaufen.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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