Update Piraterie — Beginn der „Piratensaison” naht

Auch wenn das Ende der Mon­sun­sai­son — und der Beginn der „Piraten­sai­son“ — naht, war das Wet­ter in der abge­laufe­nen Woche für Kaper­fahrten in den offe­nen Indik noch nicht geeignet. Unverän­dert find­en Pirat­en nur in Teilen des Golfs von Aden, im nördlichen Golf von Oman, bei den Male­di­v­en und in der Straße von Mosam­bik für Über­fälle geeignete Bedin­gun­gen (Bedro­hungsstufe „rot“ bzw. „orange“). In weit­en Gebi­eten des Ara­bis­chen Meeres und des Soma­li­abeck­ens herrschen noch immer Wind­stärken um 7–8 mit Wellen­höhen von mehr als drei Metern. Diese Bedin­gun­gen sollen zumin­d­est bis zum 25. August auch noch andauern. 

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Karte: US Navy 
Marineforum - Briten treffen bei der CARAVOS HORIZON ein
Briten tre­f­fen bei der CARAVOS HORIZON ein
Bildquelle: Roy­al Navy

Natür­lich wollen die soma­lis­chen Ban­den nicht ein­fach warten bis sich das Wet­ter bessert, son­dern suchen nach Möglichkeit­en, abseits von Wind und Wellen Beute zu machen. Kurz vor Redak­tion­ss­chluss am 20 August wurde die wahrschein­liche Kape­rung eines Schiffes direkt vor dem Hafen von Salalah (Oman) gemeldet. Der Chemikalien­tanker FAIRCHEM BOGEY (Flagge Mar­shall Islands, Besatzung 21 Inder) lag zur geplanten Beladung mit Methanol noch auf Reede, als Pirat­en ihn in den frühen Mor­gen­stun­den geen­tert und gezwun­gen haben sollen, anker­auf zu gehen. 

Bei Son­nenauf­gang war das Schiff ver­schwun­den, hat­te möglicher­weise Kurs auf die soma­lis­che Küste genom­men. Eine solche Kape­rung hat es bish­er nicht gegeben, und Salalah zählt auch zu den am besten bewacht­en Häfen der Region. Fast immer liegen hier auch im Anti-Pira­terieein­satz befind­liche Kriegss­chiffe zu Zwis­chen­ver­sorgung oder kurzen Besuchen. Die Kape­rung eines Frachters direkt vor dem Hafen ist für die Pirat­en daher mit extrem hohem Risiko ver­bun­den. Sie dürfte — so sie sich denn bestätigt — wohl auch ein Einzel­ereig­nis bleiben, denn die oman­is­chen Behör­den wer­den jet­zt die Sicher­heitsvorkehrun­gen für die auf Reede liegen­den Schiffe noch ein­mal deut­lich ver­stärken. Den 21 nun möglicher­weise ent­führten Indern wird dies aber nur wenig Trost sein. 

Anson­sten wur­den in den let­zten zehn Tagen nur sehr wenige Über­fälle gemeldet, und diese denn auch nur im geschützten äußer­sten West­en des Golfs von Aden bzw. in der Meerenge von Bab el Man­deb und knapp nördlich davon. Hier grif­f­en am 11. August Pirat­en mit drei Skiffs den griechis­chen (Flagge Mal­ta) Mas­sen­gut­frachter CARAVOS HORIZON an, kon­nten ihn trotz Auswe­ich­manövern auch entern. Die Besatzung funk­te um Hil­fe und ver­bar­rikadierte sich in ein­er „Zitadelle“.

Ohne Aus­sicht auf schnellen Zugriff auf Geiseln und im Bewusst­sein der wahrschein­lichen Nähe von Kriegss­chif­f­en gaben die Pirat­en ihre Beute schnell wieder auf und set­zten sich ab. Als wenig später der Bor­d­hub­schrauber der 90 sm ent­fer­n­ten britis­chen Fre­gat­te MONMOUTH (CTF-151) ein­traf, fehlte von ihnen bere­its jede Spur. Ein britis­ches Board­ingteam durch­suchte vor­sicht­shal­ber noch das Schiff, dann kon­nte die Besatzung wohlbe­hal­ten ihren Schutzraum ver­lassen und die Fahrt mit der CARAVOS HORIZON fortsetzen. 

Einen Tag später wurde im gle­ichen Gebi­et der Flüs­sig­gas-Tanker GAS PRIDE näch­stes Ziel eines Angriffs. Zwei Skiffs näherten sich dem Schiff und eröffneten das Feuer. Der Kapitän befahl die Besatzung in einen Schutzraum, funk­te um Hil­fe und fuhr dann rig­orose Auswe­ich­manöver. Die Pirat­en gaben ihr Vorhaben schließlich auf. 

Am 14. August brachte die indis­che Marine etwa 170 sm west­lich von Mum­bai das iranis­che Fracht­boot NAFIS‑I auf. Ein Aufk­lärungs­flugzeug hat­te das verdächtige Boot im Ara­bis­chen Meer ent­deckt und den Zer­stör­er MYSORE herange­führt. Eine erste Unter­suchung ließ ver­muten, dass die NAFIS‑I von Soma­lis gekapert und dann entwed­er als Pirat­en-Mut­ter­schiff oder für Schmuggelzwecke genutzt wer­den sollte. Alle neun Män­ner an Bord wur­den vor­läu­fig fest­ge­set­zt und in Mum­bai der Polizei übergeben. Die muss nun erst ein­mal klären, wer von ihnen Besatzung und wer Geisel ist. Erste Berichte sprechen von vier Pirat­en, einige Medi­en gehen aber auch davon aus, dass alle neun Festgenomme­nen zu den Ver­brech­ern gehören – und die ursprüngliche Besatzung „nicht mehr an Bord“ war. 

In Deutsch­land mehren sich Zeichen für ein poli­tis­ches Umdenken in der Frage der Ein­schif­fung bewaffneter Sicher­heit­steams (Ves­sel Pro­tec­tion Detach­ment — VPD). Am 17. August berichteten Medi­en, im Kabi­nett sei Eini­gung erzielt wor­den, deutschen Reed­ern bei Durch­fahren piratenge­fährde­ter Gewäss­er die Ein­schif­fung von VPD zu erlauben. Um hier „Wild­wuchs“ zu ver­mei­den, sei offen­bar sei geplant, Sicher­heits­fir­men zuvor von der Bun­de­spolizei für diese Auf­gabe „zer­ti­fizieren“ zu lassen. Ein weit­er­er Vorschlag zielt auf Ein­satz früher­er Bun­deswehrsol­dat­en, die im Zuge der Stre­itkräftere­form ent­lassen wur­den. Der Bun­destag soll unmit­tel­bar nach den Par­la­ments­fe­rien die notwendi­gen Geset­ze auf den Weg bringen. 

Marineforum - BM-6 (Foto: RMN / MISC)
BM‑6
Bildquelle: RMNMISC

Aktuelle Entwick­lun­gen bei Ein­satzkräften

Im spanis­chen Carta­ge­na hat sich das Wach­schiff INFANTA CRISTINA auf den Weg ans Horn von Afri­ka gemacht. Das Schiff der DES­CU­BIER­TA-Klasse soll in den kom­menden Monat­en die EU Nav­For in „Oper­a­tion Ata­lan­ta“ unterstützen. 

Die Malaysian Inter­na­tion­al Ship­ping Cor­po­ra­tion hat ein zweites ihrer Con­tain­er­schiffe umgerüstet (u.a. Flugdeck und Hangar für Hub­schrauber) und der mala­y­sis­chen Marine für Anti-Pira­terieop­er­a­tio­nen zur Ver­fü­gung gestellt. Aus rechtlichen Grün­den (hoheitliche Auf­gaben) wurde die BUNGA MAS 6 offiziell zum Hil­f­ss­chiff der RMN erk­lärt und am 14. August von dieser in Lumut in Dienst gestellt; unmit­tel­bar danach machte sich die BM‑6 in Lumut auf den Weg ans Horn von Afri­ka. Sie soll Schiffe der Gesellschaft begleit­en und sich­ern. Eingeschifft wer­den von der Marine aus­ge­bildete zivile Sicher­heit­skräfte, aber auch Mari­nesol­dat­en, die für die Dauer der Pas­sage piratenge­fährde­ter Gebi­ete als VPD an Bord der Han­delss­chiffe gehen. Ein erstes solch­es Schiff, das Con­tain­er­schiff BUNGA MAS LIMA (BM‑5) ist bere­its seit Juni 2009 im Golf von Aden im Ein­satz. Von diesem weltweit sich­er ein­ma­li­gen Ver­fahren prof­i­tieren sowohl Schiff­fahrts­ge­sellschaft (besser­er Schutz) als auch Marine (Eins­paren von Mate­r­i­al und Per­son­al) und Poli­tik (prag­ma­tis­ches, effek­tives Handeln). 

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