Hubschrauber der Marine – Zulauf NH90 NTH Sea Lion

Her­bert Günterberg
(Fre­gat­tenkapitän Gün­ter­berg ist im Marine­un­ter­stützungskom­man­do als Dez­er­nat­sleit­er „Betrieb Luft­fahrzeuge der Marine“ und stel­lvertre­tender „Lei­t­en­der Inge­nieur Luft­fahrzeuge der Marine“ tätig)

Dieser Artikel wird mit fre­undlich­er Genehmi­gung der „Marine­Fo­rum – Zeitschrift für mar­itime Fra­gen“ veröf­fentlicht.
Marineforum

Es gibt wed­er ein­fache Lösun­gen noch soge­nan­nte „Quick Wins“. Wer sagt das?
Was bedeutet eigentlich Ver­füg­barkeit? Warum ste­ht die Bun­deswehr im inter­na­tionalen Ver­gle­ich zum Beispiel beim NH90 ver­gle­ich­sweise schlecht da?

Wer­fen wir einen Blick in die „Bibel“ für Rüs­tung und Betrieb von Waf­fen­sys­te­men in der Bun­deswehr. Die ZDv A‑1500/3 (Cus­tomer Prod­uct Man­age­ment (nov­el­liert)) sieht hier zwei grundle­gende Zuständigkeit­en. Zum einen das Bun­de­samt für Aus­rüs­tung Infor­ma­tion­stech­nik und Nutzung in der Bun­deswehr (BAAINBw) als Ver­ant­wortlichen für den Erhalt der Ein­satzreife (MatV ER). Hierunter sub­sum­iert sind alle Maß­nah­men, die dazu führen, dass sowohl Ersatzteile, wie auch Aus­rüs­tung, Doku­men­ta­tio­nen und auch Dien­stleis­tun­gen Drit­ter (Verträge mit Dien­stleis­tern und Indus­trie) in aus­re­ichen­dem Maße zur Ver­fü­gung ste­hen, um den bes­tim­mungs­gemäßen Ein­satz eines Waf­fen­sys­tems zu ermöglichen.

Zum anderen die Inspekteurinnen/Inspekteure bzw. die/den Ver­ant­wortlichen eines zivilen Org­Ber, die für die „Betriebs- und Ver­sorgungsver­ant­wor­tung für den Erhalt der Ein­satzfähigkeit und Ein­satzbere­itschaft“ (BetrVersV) ver­ant­wortlich sind. Unter Ein­satzbere­itschaft ver­ste­ht man den „Zus­tand eines Waffensystems/technischen Geräts, die ihm zugedacht­en Auf­gaben erfüllen zu kön­nen. Ein ein­satzbere­ites Waffensystem/Gerät ist für die Benutzung uneingeschränkt ver­füg­bar.“ Die Ein­satzfähigkeit beschreibt „Das Imstande sein, mit den per­son­ellen, materiellen, infra­struk­turellen, auf­bau- und ablau­for­gan­isatorischen sowie betrieblichen Gegeben­heit­en (u. a. durch Aus­gestal­tung der Pro­jek­tele­mente) einen Auf­trag erfüllen zu können.“

Sea Lynx Bordhubschrauber (Foto: Deutsche Marine)
Sea Lynx Bor­d­hub­schrauber (Foto: Deutsche Marine)

Schon an diesen weni­gen Def­i­n­i­tio­nen ist zu sehen, dass die Ver­füg­barkeit ein­er oper­a­tionellen Fähigkeit von vie­len Fak­toren abhängt. Neben materiellen Aspek­ten gehören also auch andere Kom­po­nen­ten, wie z.B. Per­son­al dazu.

Hierzu nur ein klein­er Aus­flug in den Bere­ich Per­son­al. Das Marine­fliegergeschwad­er 5, Heimatver­band des Waf­fen­sys­tems Sea King Mk41, wurde 2012/13 von Kiel nach Nord­holz ver­legt. Viele der erfahre­nen Tech­niker, ins­beson­dere Zivilper­son­al, haben aus per­sön­lichen Grün­den oder auf­grund der verbleiben­den Rest­di­en­stzeit den Umzug nicht vol­l­zo­gen. Der Ver­lust an Know-how und Per­son­al kon­nte bis heute, nach annäh­ernd fünf Jahren, noch immer nicht voll­ständig kom­pen­siert wer­den. Auch solche Umstände wirken sich neg­a­tiv auf den Klar­stand und die Ver­füg­barkeit des Sea King Mk41 aus.

Konzen­tri­eren wir uns auf die materiellen, bzw. technisch/logistischen Anteile, kann man kon­sta­tieren, dass der MatV ER dafür Sorge trägt, dass Ersatz- und Aus­tauschteile (ET/AT) bestell­bar sind, Instand­set­zungska­paz­itäten für Aus­tauschteile und kom­plette Waf­fen­sys­teme zur Ver­fü­gung ste­hen. Dies wird grund­sät­zlich über Verträge geregelt. Diese Auf­gabe wird mit zunehmen­dem Alter von Waf­fen­sys­te­men und der Anzahl sich im Betrieb befind­lich­er Luft­fahrzeuge zunehmend schwieriger.

Wie misst man diese Verfügbarkeit?

Hierzu gibt es den Begriff des „Klar­standes“, der täglich berech­net wird und aus dem man die Ver­füg­barkeit eines Waf­fen­sys­tems direkt able­sen kann.

In der Bere­ichsvorschrift C1-1038/0–2001- 3 „Tech­nisch Logis­tis­che Bere­itschaftsmeldung“ ist fest­gelegt, wie der Klar­stand für die Luft­fahrzeuge (Lfz) der Bun­deswehr zu berech­nen ist. Danach ist der Klar­stand für ein Waf­fen­sys­tem definiert als der Quo­tient aus ein­satzk­laren Lfz und den Lfz im Ver­fü­gungs­be­stand eines Ver­ban­des in Prozent. Der Ver­fü­gungs­be­stand sein­er­seits ist definiert als Dif­ferenz aus dem Buchbe­stand abzüglich der Lfz, die sich zur Wartung/Instandsetzung in der Indus­trie befind­en oder kom­mandiert sind. Im Buchbe­stand find­en sich alle Lfz, die eine Verkehrszu­las­sung haben.

Diese Fes­tle­gung ist im inter­na­tionalen Ver­gle­ich ver­gle­ich­sweise kon­ser­v­a­tiv. In anderen Natio­nen wer­den z.B. auch die sich in der Wartung im Ver­band befind­lichen Lfz vom Buchbe­stand abge­zo­gen, was sich nach obiger Fes­tle­gung pos­i­tiv auf den Klar­stand als Zahl auswirkt. Aber mehr Lfz für den Flug­be­trieb gener­iert man damit nicht. Insofern sind inter­na­tionale Ver­gle­iche immer mit Vor­sicht zu genießen.

Bevor wir uns im Fol­gen­den näher mit den Zusam­men­hän­gen im Betrieb von Lfz beschäfti­gen, sei ange­merkt, dass sich die Bew­er­tun­gen im nach­fol­gen­den Text immer auf die Ver­füg­barkeit von Waf­fen­sys­te­men beziehen.

Wen­den wir uns den materiellen Aspek­ten zu. Hierzu gehören im Wesentlichen drei Komponenten:

  • Ersatz- und Aus­tauschteile (ET/AT),
  • Bodendienst‑, Prüf- und Son­der­w­erkzeug (BPS),
  • Instand­set­zungska­paz­itäten.

Was macht es so schwierig die erforder­lichen ET/AT in notwendi­ger Anzahl zur Ver­fü­gung zu stellen?

Zunächst ist festzustellen, dass mil­itärische Lfz keine zivilen Lfz sind. Eine triv­iale Fest­stel­lung? Aber mit gravieren­den Auswirkun­gen. So enthal­ten mil­itärische Lfz immer Anteile, die sie eben zu mil­itärischen Waf­fen­sys­te­men machen. Als Beispiele seien hier erhöhte mech­a­nis­che Belast­barkeit, spezielle Funk- und Ver­schlüs­selung­stech­nolo­gie sowie Bewaffnun­gen jeglich­er Art genan­nt. Diese wer­den auf­grund ihrer Natur nur in ver­gle­ich­sweise gerin­gen Stück­zahlen benötigt. Sie bieten deshalb für die Indus­trie keine große Mark­tver­bre­itung und daher auch keinen „Busi­ness Case“, sodass das Engage­ment der Indus­trie hier auch anders einzustufen ist, als beispiel­sweise bei einem zivilen Verkehrs­flugzeug, das weltweit in dreis­tel­li­gen Stück­zahlen einge­set­zt wird. Dazu kommt, dass mil­itärische Luft­fahrzeuge in der Regel sehr lange genutzt wer­den. Während zivile Lfz generell ständig auf dem Stand der Tech­nik gehal­ten und mod­ernisiert wer­den, wird dieser Bere­ich im mil­itärischen Umfeld eher nachrangig behandelt.

Warum ist das so?

Eine Fluglin­ie hat zum Ziel, mit ihren Flugzeu­gen Geld zu ver­di­enen, möglichst viel und mit ger­ingst möglichem finanziellen Ein­satz. Das heißt, sie wird immer bemüht sein, u.a. die Wartungskosten zu min­imieren. In der Bun­deswehr dage­gen erzie­len Lfz keine Gewinne, zumin­d­est keine finanziellen, son­dern verur­sachen Kosten. Da die Bun­deswehr für Ihre Auf­gaben nicht immer hin­re­ichend finanziert wor­den ist, wird oft auf Mod­ernisierun­gen verzichtet, da die notwendi­gen inves­tiv­en Haushaltsmit­tel (HHM) nicht zur Ver­fü­gung ste­hen. Steigende Wartungskosten müssen fol­glich in Kauf genom­men wer­den. „Der arme Mann lebt teuer“.

Sea King Mk41 beim Winchen (Foto: Deutsche Marine)
Sea King Mk41 beim Winchen (Foto: Deutsche Marine)

Lassen Sie mich das am Beispiel des Sea King Mk41 verdeut­lichen. Um die Jahrtausendwende ging man davon aus, dass das Waf­fen­sys­tem spätestens 2015 außer Dienst gestellt wer­den würde. Nach Über­nahme mein­er Amts­geschäfte als Nutzungsleit­er im Feb­ru­ar 2007 war eine mein­er ersten Auf­gaben, zu ermit­teln, was notwendig sei, um das Waf­fen­sys­tem bis jen­seits des Jahres 2020 zu betreiben. In ein­er umfan­gre­ichen Analyse, die mit Unter­stützung der sys­tem­be­treuen­den Fir­ma durchge­führt wurde, kam man im Jahr 2008 zu dem Ergeb­nis, dass der Aufwand ca. 300 Mil­lio­nen Euro betra­gen würde. Damit wäre das Waf­fen­sys­tem aber auch deut­lich über 2020 hin­aus nutzbar gewesen.

Die Investi­tion wurde zunächst, u.a. mit Blick auf eine zeit­na­he Nach­fol­gelö­sung, nicht getätigt, sodass es nicht ver­wun­der­lich ist, dass der Sea King heute einen enor­men Bedarf an betrieb­ser­hal­tenden Maß­nah­men aufweist, die in der Summe ihrer Auswirkun­gen zu einem sehr gerin­gen Klar­stand führen. Aus Sicht der Ver­füg­barkeit also ein ein­schnei­den­der Verzicht. Dies bet­rifft sowohl die Ersatzteile als auch die Instandsetzungskapazitäten.

Es ergibt sich nun also der Zwang, Beträge in ähn­lich­er Größenord­nung in das Waf­fen­sys­tem zu investieren, da man es son­st nicht, wie derzeit geplant, bis 2023 nutzen kann. Diese Entschei­dung der Außer­di­en­st­stel­lung ist unumkehrbar, eine nochma­lige Ver­längerung der Nutzungs­dauer ist nicht mehr möglich. Es bleibt zu hof­fen, dass der Nach­fol­ger, der NH90 NTH Sea Lion, wie geplant zuläuft und ab 2021 begin­nt, die Auf­gaben des Sea King zu übernehmen. Der erste Sea King wird voraus­sichtlich noch im Laufe dieses Jahres außer Dienst gestellt.

Warum ist es so schwierig alte Waf­fen­sys­teme logis­tisch zu unterstützen?
Mit zunehmen­dem Alter eines Waf­fen­sys­tems wer­den die Zahl der Nutzer und damit auch die Anzahl der weltweit genutzten Lfz geringer. Irgend­wann erre­ichen die Stück­zahlen ein so geringes Niveau, dass es sich für die Indus­trie nicht mehr lohnt, entsprechende Ersatzteile zu pro­duzieren oder Instand­hal­tungska­paz­itäten vorzuhal­ten. Wie gesagt, das Ziel der Indus­trie ist Gewin­n­max­imierung – das kann man ihr nicht vorwerfen.

Hier zur Verdeut­lichung die soge­nan­nte „Bade­wan­nenkurve” , aus der man sehen kann, dass die Aufwände für den Betrieb zu Anfang und Ende der Nutzungszeit eines Waf­fen­sys­tems deut­lich über denen des eingeschwun­genen Zus­tandes liegen.

Lebensweg/'Badewannenkurve'
Lebensweg/‘Badewannenkurve’

Als Kon­se­quenz müssten die Stre­itkräfte ihre Waf­fen­sys­teme deut­lich kürz­er nutzen (höch­stens 20 Jahre) oder aber zumin­d­est regelmäßig (spätestens alle zehn Jahre) auf einen tech­nisch mod­er­nen Stand bringen.

Hierzu ein weit­eres Beispiel. Schon seit 2008 ist klar, dass das Trieb­w­erk des Sea Lynx Mk88A ROLLS ROYCE GEM 1017 abse­hbar nicht mehr ver­sorg­bar sein wird. Der flot­ten­weite Aus­tausch hätte ca. 200- 250 Mio. € gekostet. Auch diese Investi­tion wurde in der Hoff­nung auf eine schnelle Nach­fol­gelö­sung nicht getätigt. Derzeit wird das Trieb­w­erk in gerin­gen Stück­zahlen noch von anderen Natio­nen genutzt, die entwed­er eine Umrüs­tung schon beschlossen haben oder auf­grund der Rest­nutzungszeit des Waf­fen­sys­tems nicht mehr umrüsten wer­den. Einzig Süd­ko­rea hat noch keine Entschei­dung getrof­fen. Deutsch­land kön­nte damit zum let­zten Nutzer dieses Trieb­w­erks wer­den. Mit entsprechen­den, ins­beson­dere finanziellen, Konsequenzen.

Der NH90 NTH Sea Lion – eine Chance für Verbesserungen !?

Etwas zur Geschichte. Der Ver­trag zur Pro­duk­tion und Beschaf­fung des NH90 wurde im Jahre 2000 geschlossen. Die ersten Hub­schrauber soll­ten danach in 2004 (TTH) bzw. 2005 (LTH-SAR) zulaufen. Tat­säch­lich ist der erste annäh­ernd ver­tragskon­forme NH90 in der Kon­fig­u­ra­tion „Final Oper­a­tional Con­fig­u­ra­tion and Capa­bil­i­ties“ (FOC) erst 2015 an die Heeres­fliegertruppe aus­geliefert wor­den. Eine Verzögerung von mehr als ein­er Dekade!

Die Kon­se­quen­zen? Zahlre­ich und gravierend.
Da ist zunächst das Waf­fen­sys­tem „Bell UH-1D“, welch­es durch den NH90 erset­zt wer­den sollte. Die „Huey“ fliegt heute noch, mit entsprechen­den, in kein­er Pla­nung jemals vorherge­se­henen, Aufwän­den, sowohl beim Per­son­al, als auch den HHM.

Da schnell klar wurde, dass sich der Zulauf des NH90 drama­tisch verzögern würde, wurde beschlossen, der Indus­trie zwölf Vorse­rien­mod­elle abzunehmen, um erste Erfahrun­gen mit dem Waf­fen­sys­tem zu sam­meln. Diese liefen ab 2006 in den Kon­fig­u­ra­tio­nen „Ini­tial Oper­a­tional Con­fig­u­ra­tion and Capa­bil­i­ties“ (IOC) und „Ini­tial Oper­a­tional Plus Con­fig­u­ra­tion and Capa­bil­i­ties“ (IOC+) in der Vari­ante TTH zu. In ein­er weit­eren Ver­tragsän­derung wurde vere­in­bart, ab 2010 weit­ere 8 IOC+ Maschi­nen (je vier TTH und LTH SAR) zu übernehmen.

erster Sea Lion beim Jungfernflug (Foto: Autor)
erster Sea Lion beim Jungfer­n­flug (Foto: Autor)

Da es sich bei diesen Mod­ellen um Vorse­rien­luft­fahrzeuge han­delt, ist im Nach­hinein nachvol­lziehbar, dass für diese Vari­anten wed­er alle Ersatzteile, noch das benötigte Air­craft Ground Equip­ment (AGE) durch die Indus­trie vol­lum­fänglich zur Ver­fü­gung gestellt wird. Aus wirtschaftlichen Grün­den wird keine Indus­trie Ersatzteile bzw. AGE mit ein­er begren­zten Lebens­dauer und abse­hbar gerin­gen Stück­zahlen pro­duzieren. Dieser Umstand hat sich sehr neg­a­tiv auf den Klar­stand der Lfz ausgewirkt.

Als in 2010 die Notwendigkeit erwuchs, einen Hub­schrauber in der Rolle „For­ward Air Mede­vac“ (FAM) nach Afghanistan in den Ein­satz zu brin­gen, fiel die Wahl auf­grund fehlen­der Alter­na­tiv­en auf den NH90. Hierzu wur­den die oben ange­führten let­zten acht Lfz zur Vari­ante FAM umgerüstet, bzw. gle­ich in dieser Kon­fig­u­ra­tion ausgeliefert.

Par­al­lel zu all diesen Aktiv­itäten wurde im Jahr 2013 der soge­nan­nte „Fähigkeit­strans­fer“ vol­l­zo­gen, in dem die NH90 LTHSAR zum Heer und das Waf­fen­sys­tem CH-53 zur Luft­waffe wech­selte. Damit hat das Heer während des Afghanistan Ein­satzes de fac­to 20 Lfz in drei „Kon­fig­u­ra­tio­nen“ betrieben. Für keine dieser Vari­anten war die Ein­satz-/Ver­sorgungsreife vol­lum­fänglich hergestellt worden.

Was hat das mit der Ver­füg­barkeit zu tun?

Der Klar­stand in Afghanistan war gut bis sehr gut, in Deutsch­land fand im gle­ichen Zeitraum de fac­to kein nen­nenswert­er Flug­be­trieb mehr statt, da z.B. das AGE, das nur ein­mal in der Truppe oder sog­ar in der Indus­trie vorhan­den war, im Ein­satz genutzt wurde. Nach Beendi­gung des Afghanistan Ein­satzes liegt der Klar­stand des NH90 derzeit in der Größenord­nung von 20 bis 25 %.

Neben der vorste­hend geschilderten Sit­u­a­tion liegt eine weit­ere Haup­tur­sache im Wartungs- und Instand­set­zungssys­tem des NH90 begrün­det. Der NH90 ist ein neu entwick­eltes Lfz. Da zur Aus­liefer­ung eines neuen Musters noch keine Erfahrun­gen aus dem Flug­be­trieb vor­liegen, ist es nicht ungewöhn­lich, dass der Her­steller, der das Wartungs- und Inspek­tion­ssys­tem vorgibt, zunächst einen kon­ser­v­a­tiv­en Ansatz wählt, um die Flugsicher­heit nicht zu gefährden.

Ver­traglich vere­in­bart ist „On Con­di­tion Main­te­nance“ und eine geplante Inspek­tion alle 600 Flugstun­den. Zu Deutsch „Zus­tandsab­hängige Wartung“, was bedeutet, dass der Hub­schrauber über eine aus­gek­lügelte „Selb­st­di­ag­nose-Funk­tion“ ver­fügt und dem Nutzer mit­teilt, wann eine Instand­set­zungs-/ Wartungs­maß­nahme notwendig wird. Ver­lässlich funk­tion­iert dieses Sys­tem heute noch nicht.

Hier eine Darstel­lung der Wartungsin­ter­valle aus dem Novem­ber des Jahres 2014, basierend auf der Inter­ak­tiv­en Elek­tro­n­is­chen Doku­men­ta­tion (IETD) Ver­sion 3.3.1. Die flugstun­den­ab­hängi­gen Inspek­tion­sin­ter­valle sind in Orange dargestellt, die für die Trieb­w­erke in Hell­braun. In diesem Sta­di­um waren die Inter­valle noch nicht syn­chro­nisiert. Geht man auf der Zeitachse weit­er nach rechts, kumulieren sich die Inspek­tion­sak­tiv­itäten immer weit­er. Über­lagernd kom­men noch die kalen­darischen Inspek­tio­nen, für die Zelle in Dunkel­grün, für das Trieb­w­erk in Hell­grün dargestellt. Des Weit­eren sind in der Darstel­lung noch nicht die ereignisori­en­tierten Maß­nah­men aufgezeigt. In der Grafik sind die Bere­iche zur Anschaulichkeit getren­nt dargestellt.

Zusam­men­fassend kann man den Ein­druck gewin­nen, dass die Wartungs- und Inspek­tion­sak­tiv­itäten von gele­gentlichem Flug­be­trieb unter­brochen wer­den. An diesem Sys­tem hat sich bis heute, abge­se­hen von der Syn­chro­nisierung der Inter­valle zwis­chen Zelle und Trieb­w­erk, grund­sät­zlich nichts geändert.

Inspek­tion­ssys­tem NH90 nach IETD 3.3.1

Um das anfängliche Sys­tem zu opti­mieren, begin­nt mit Aus­liefer­ung des ersten Hub­schraubers in der Kon­fig­u­ra­tion FOC eine soge­nan­nte „Matu­ri­ty Phase“, in der Erfahrun­gen aus dem Betrieb der Lfz gesam­melt wer­den. Nach 60.000 Flugstun­den oder 5,5 Jahren, bezo­gen auf die gesamte NH90 FOC Flotte, analysiert und bew­ertet man diese Dat­en. Die Erken­nt­nisse fließen in das Wartung- und Instand­set­zungssys­tem ein und wer­den in ein­er neuen Ver­sion der IETD, die u.a. das Inspek­tions- und Wartungssys­tem beschreibt, veröf­fentlicht. Ein Abschluss dieser Aktiv­itäten wird voraus­sichtlich deut­lich nach der Aus­liefer­ung des Sea Lion liegen.

Bis dahin wird im Rah­men eines soge­nan­nten „Main­te­nance Bur­den Reduc­tion Pro­grams“ schon in kleinen Schrit­ten an der Verbesserung des Sys­tems gear­beit­et. Die Frage, ob man das ver­tragliche Sys­tem erre­ichen wird, bleibt span­nend. Selb­st mit der derzeit ver­füg­baren Ver­sion der IETD 3.6, die schon große Fortschritte bringt, ist man noch „meilen­weit“ vom Ziel entfernt.

Auch die Ver­füg­barkeit von ET/AT war in der Ver­gan­gen­heit ein Eng­pass in der logis­tis­chen Unter­stützung des NH90. Dieser Zus­tand hat sich erst in den let­zten Monat­en merk­lich verbessert. Ob dieses Niveau gehal­ten wer­den kann oder sich sog­ar noch verbessert, wird die Zukun­ft zeigen.

 

In der Auswahlentschei­dung (AWE) des Gen­er­alin­spek­teurs der Bun­deswehr wurde fest­gelegt, dass für das Logis­tis­che Sys­tem des NH90 NTH Sea Lion auch Alter­na­tiv­en, soge­nan­nte „Per­for­mance Based Logis­tics“ zu unter­suchen seien. In der Folge wurde durch die Fir­ma IABG eine Studie durchge­führt, die unter­schiedliche Sys­teme, ange­fan­gen von herkömm­lich­er Logis­tik bis zu reinen Indus­trielö­sun­gen, miteinan­der ver­glichen hat.

Das Ergeb­nis in Kürze sagt, dass die von der Marine, gemessen am Auf­trag des Waf­fen­sys­tems, benötigten Flugstun­den nur mit ein­er Indus­trielö­sung zu erre­ichen sind. Wie kann ein solch­es Sys­tem ausse­hen? Hierzu lohnt sich ein Blick nach Australien.

Tipps from „Down Under“

Auch Aus­tralien betreibt den NH90, und zwar aktuell mit den weltweit deut­lich besten Klarstän­den. Ermöglicht wird dies durch eine Ver­trags­gestal­tung, die die Indus­trie über ein „Bonus-Malus“ Sys­tem zwingt, sowohl die Inspek­tions­durch­laufzeit­en, als auch die vere­in­barten Kosten einzuhal­ten. Zusät­zlich­es Geld bei Überziehung gibt es nicht. Arbeit­et die Indus­trie schneller als vere­in­bart, erwirtschaftet sie zusät­zliche Gewinne. Die Rech­nung geht auf. Gle­ich­es gilt für die Liefer­ung von Ersatzteilen, die eben­falls in der Ver­ant­wor­tung der Indus­trie liegt.

Lei­der lässt sich dieses Sys­tem auf­grund der hiesi­gen Rah­menbe­din­gun­gen nicht „eins zu eins“ auf den Sea Lion über­tra­gen. Daher wird im Rah­men ein­er „Arbeits­gruppe Logis­tik“ derzeit ein Sys­tem für den Sea Lion entwick­elt, das grund­sät­zlich eine ganzheitliche Opti­mierung der deutschen NH90 Logis­tik zum Ziel hat und so auch der gesamten deutschen NH90 Flotte zu Gute kom­men wird. Auf­grund der noch laufend­en Aktiv­itäten wäre es ver­früht, an dieser Stelle bere­its iden­ti­fiziertes Opti­mierungspoten­zial „anzupreisen“.

Immer­hin hat der erste Sea Lion am 08. Dezem­ber 2016 erfol­gre­ich seinen Erst­flug absolviert. Er soll in ca. drei Jahren in der Truppe „auf­schla­gen“. Bis dahin liegen vor allen Beteiligten noch große Her­aus­forderun­gen, um die Ver­füg­barkeit dieses Sys­tems auf hohem Niveau zu gewährleis­ten. Es beste­ht Hoff­nung auf Besserung …