Technik
Der Alpha Jet ist ein freitragender Schulterdecker in Ganzmetallbauweise mit zurückgepfeiltem Trag- und Leitwerk sowie einem einziehbaren Bugfahrwerk. Er wurde in zwei Grundlegenden Versionen gebaut, einmal als leichter Jagdbomber und Trainer mit spitzer Nase, dem sogenannten Alpha Jet A (für Appui), sowie die reine Trainerversion mit abgerundeter “Trudelnase”, der sogenannte Alpha Jet E (für Ecole). Hauptkunde für ersteren war die deutsche Luftwaffe, für letzteren die französische Armee de l’Air. Dabei fand die Endmontage der Flugzeuge jeweils in Deutschland (Oberpfaffenhofen) bzw. Frankreich (Toulouse) statt, ohne dass jedoch eine doppelte Produktion stattfand. So wurden die Tragflächen und das Rumpfheck jeder Maschine in Deutschland gefertigt, der Rumpf selbst in Frankreich, und die Nase in Belgien, wo auch eine Endmontagelinie eingerichtet wurde. Insgesamt waren 74 Unternehmen am Bau beteiligt. Während sich die Aufgabe bei der E‑Version in der Hauptsache auf die Ausbildung und das Training beschränkte, war das Feld bei der A‑Version breiter. Es reichte von der Luftnahunterstützung mit Land- und Seezielwaffen über die Hubschrauberjagd bis zur Gefechtsfeldaufklärung mittels zurüstbarer Luftbildkamers, wofür ein Super Cyclone Recce Pod benutzt wurde. Natürlich war auch, zumindest bei den Flugzeugen mit eingebautem hinteren Sitz, die Nutzung als Trainingsgerät möglich. In der Regel war jedoch bei der Luftwaffe der hintere Sitz ausgebaut um so platz für zusätzliche elektronische Ausrüstung zu schaffen. Bei den Sitzen lag auch ein weiterer Unterschied, so nutzt die französische Luftwaffe Schleudersitze des Typs Martin-Baker Mk. IV mit den Eigenschaften Zero Höhe / 90 kn, während sich Deutschland für eine Lizenzfertigung des Zero/Zero-Schleudersitzes von Stencel S‑III-S3AJ durch MBB entschieden hat. Die meisten Exportflugzeuge hingegen setzen auf den Martin-Baker Mk.10 Schleudersitz, welcher ebenfalls Zero/Zero-Eigenschaften aufweist.
Durch die höhere Beanspruchung der LNU-Version war die Lebensdauer auf 5.000 Stunden beschränkt, während sie bei der Trainerversion das doppelte, also 10.000 Stunden betrug. Dafür bot die LNU-Version gegenüber der Trainerversion auch einiges mehr. Neben dem Rumpfträger, an dem bei den deutschen Flugzeugen eine 27-mm-Mauserkanone und bei den französischen eine 30-mm-DEFA-553-Kanone platz fand, zusätzlich noch vier Aufhängungen an den Tragflächen, welche für Kraftstoff- oder Raketenbehälter sowie Bomben und Lenkwaffen genutzt werden konnten. Der Rumpfträger sowie die äußeren Tragflächenträger hatten dabei eine Traglast von je 300 kg, die beiden inneren eine von je 650 kg. Dazu kommt eine spezielle Avionik, unter anderem ein Frontscheibensichtgerät von Kaiser/VDO, welches ein Teil des Feuerleit- und Navigationssystems ist und dadurch den Vorteil hatte, dass der angezeigte Zielpunkt ständig neu berechnet wurde und so immer aktuell war. Als Plattform dieses Systems diente das LSI 6000E von Lear-Siegler mit einem Dopplersystem und Navigationsrechner von LITEF inklusive Radarhöhenmesser, Bi-Kreiselplattform und Waffenrechner. Dadurch wurde ein hoher CEP erreicht, der nur von Flugzeugen welche mit kompletter Trägheitsnavigationsplattform ausgerüstet sind übertroffen wird. Als Triebwerk wurde, wie schon erwähnt, bei der Trainerversion das Larzac 02, bei der LNU-Version das Larzac 04 gewählt. Letzteres lief im Mai 1972 erstmals auf dem Prüfstand und erhielt die Zulassung drei Jahre später. Der Antrieb überzeugte durch gute Leistungen und geringe Anfälligkeit, so mussten beispielsweise in der gesammten Erprobung lediglich drei Flüge wegen Problemen mit dem Triebwerk unterbrochen werden. Flame outs verursachten keine Probleme, und ein Verlöschen der Brennkammer trat nie auf. Hauptauftragnehmer für das Triebwerk war Snecma für Frankreich und KHD für Deutschland, wobei Snecma die Systemführerschaft übernahm. Bei der Entwicklung beteiligt waren außerdem Turbomeca und MTU. Das Triebwerk selbst ermöglicht Modulwartung um so die Einsatzzeiten zu erhöhen, so dass die Zeit zwischen den Wartungen auf 1200 Stunden gebracht werden kann. Der Start des ersten Triebwerkes kann entweder über die Bordbatterie, oder über ein externes Aggregat erfolgen. Nachdem das erste Triebwerk läuft, ist der Alpha Jet unabhängig, denn ein Triebwerk reicht für die Bordelektronik sowie das Hydrauliksystem aus, da dieses zur Sicherheit doppelt vorhanden ist. Insgesamt bieten die Triebwerke für die Trainerversion einen guten Schub mit sehr guter Beschleunigung. Außerdem sprechen sie sehr schnell an und ermöglichen so eine gute Flugpräzision, die nicht zuletzt der Einsatz bei der französischen Kunstflugstaffel “Patrouille de France” zeigt. Zu der Flugpräzision trägt auch die stabile und präzise Steuerung des Flugzeugs selbst bei. Die Sicht aus dem Cockpit ist am Boden wie in der Luft sehr gut, das Manövrieren am Boden gestaltet sich bei der deutsche Version dank einer Bugradsteuerung einfacher als bei der französischen Version, wo Richtungsänderungen durch differenziertes bremsen erfolgt. In der Luft sind beide Versionen dann wieder gleich, die Ansteuerung der Ruder ist hervorragend, das Flugzeug an sich sehr Längsstabil, hinzu kommt eine gute Seitenstabilität. Was die Wendigkeit betrifft schlägt der Alpha Jet andere Muster zur LNU, wie zum Beispiel die nur von der Aufgabenstellung her ähnliche, ansonsten grundsätzlich andere und deutlich schwerere A‑10 ebenso wie die sehr wendige F‑5. Allerdings sinken die Leistungen rapide ab je mehr Außenlasten am Flugzeug montiert werden, so dass hervorragende Leistungen nur ohne Bewaffnung erzielt werden. Mit leichter Bewaffnung sind sie hingegen nurmehr gut, bei voller Bewaffnung fallen sie dagegen eher negativ auf. Dies war auch mit ein Grund für die frühe Ausmusterung bei der Luftwaffe, wenn auch eher sekundär, da die Hauptgründe sicher im Wegfall der Bedrohung durch die Sowjetunion zu suchen sind.
Varianten
Alpha Jet A Luftnahunterstützungsversion, entwickelt und gebaut für die deutsche Luftwaffe
Alpha Jet B In Belgien endmontierte Trainerversion, im Unterschied zu den französischen Alpha Jet E mit nur zwei statt vier Außenlaststationen unter den Tragflächen sowie Martin-Baker-Mk.10-Schleudersitzen
Alpha Jet C Exportversion des Alpha Jet E mit großer Antenne auf dem Rumpfrücken und anderen Schleudersitzen (M‑B-Mk.10), in Frankreich endmontiert für Elfenbeinküste, Katar und Togo
Alpha Jet E Trainerversion, entwickelt und gebaut für die französische Armee de l’Air
Alpha Jet H Trainerversion, entwickelt und gebaut in Frankreich für Marokko, minimale Unterschiede zum Alpha Jet E
Alpha Jet MS‑1 Trainerversion für Ägypten, Endmontage in Frankreich und Ägypten
Alpha Jet N Trainings- und Kampfversion auf Basis des Alpha Jet E, jedoch in Deutschland für Nigeria gebaut
Alpha Jet MS‑2 Ägyptische Version des Alpha Jet NGEA, Endmontage in Frankreich und Ägypten
Alpha Jet NGEA (Nouvelle Génération d’Ecole et d’Attaque), weiterentwickelte Kampfversion, Produktion in Frankreich für Kamerun
Alpha Jet 2 Sammelbezeichnung für MS‑2 und NGEA, voll integrierstes SAGEM Uliss 81 INS, Funkhöhenmesser, Kreiselmagnetkompass, Frontscheibensichtgerät von Thomson-CSF und Laserentfernungmesser TMV 630 im Bug, stärkere Larzac 04-C20-Triebwerke
Alpha Jet ATS (Advanced Training System), modernisierte E‑Version, keine Kunden
Alpha Jet Lancier Luftnahunterstützungsversion des Alpha Jet ATS, keine Kunden
Alpha Jet 3 Sammelbezeichnung für ATS und Lancier, bei beiden stärkere Triebwerke Larzac 04-C20, zusätzlichem Agave-Radar, FLIR, Laserzielbeleuchter (nur Lancier) und EloKa-Geräten und Frontscheibensichtgerät sowie Cockpit mit großen Farbdisplays
Alpha Jet TST Testflugzeug mit transsonischen, superkritischem Tragflügel, nur Prototyp
Alpha Jet VTX-TS amerikanisierte Version zusammen mit Lockheed im Wettbewerb um ein neues Trainingsflugzeug, aus dem die Bae Hawk als Sieger hervorging, Prototyp war ein umgebauter Alpha Jet A mit Trudelnase
Einsatz
Ägypten 45 insgesamt (30 MS1 und 15 MS2) Bestellt 1981/82
Stationiert in der 57. und 58 Squadron in Kairo-Almaza sowie bei der Weapon Training Brigade in El Minya Acht Maschinen gebaut in Frankreich, 37 in der Flugzeugfabrik Nr. 36 in Helwan
Belgien 33 Alpha Jet B Bestellt November 1974
Stationiert in der No.11 Squadron im 1. Wing in Beauvechain Endmontage bei SABCA (Société Anonyme Belge de Constructions Aéronautiques) in Belgien
Deutschland 175 Alpha Jet A Siehe Geschichte
Bis 1993 in Dienst bei dem JaboG 41 in Husum, dem JaboG 43 in Oldenburg, dem JaboG 49 in Fürstenfeldbruck und dem Fluglehrverband in Beja, Portugal, welcher im Ernstfall das JaboG 44 in Leipheim gebildet hätte; nach Ausmusterung 32 Flugzeuge weiter im Bestand zwecks Ausstellung und Mechanikerausbildung Endmontage bei Dornier in Oberpfaffenhofen
Elfenbeinküste 12 Alpha Jet C Bestellt Oktober 1977
Zuletzt stationiert in Bouake, Verbleib ungewiss Endmontage in Frankreich
Frankreich 175 Alpha Jet E Siehe Geschichte
Die Flugzeuge stehen in Dienst zur Waffenausbildung bei der Escadron de Transformation 1/8 “Saintonge” und 2/8 “Nice in Cazaux und bei der Groupement Ecole de Chasse “Christian Martel” zur Pilotenausbildung in der 1/314 “Jean Langlet”, 2/314 Henri Jeandet”, 3/314 “Henri Arnaud”, 4/314 “Martin le Meslee” und 6/314 “Jean Maridor” in Tours, sowie bei der Patrouille de France in Salon de Provence Endmontage bei Dassault-Breguet in Toulouse
Kamerun 7 Alpha Jet NGEA Bestellt im Januar 1981
Stationiert in Garoua Endmontage in Frankreich
Katar 6 Alpha Jet C Bestellt im Dezember 1979
Die Maschinen bilden die 11th Close Support Squadron, welche Teil des 1st Fighter Wing auf der Basis Doha ist Endmontage in Frankreich
Marokko 24 Alpha Jet H Bestellt im Februar 1978
Sämtliche Flugzeuge sind in Meknes stationiert und dort sowohl für die Ausbildung wie auch für Luftnahunterstützung zuständig Endmontage in Frankreich
Nigeria 24 Alpha Jet N Bestellt im Dezember 1978
Je die Hälfte dient der Ausbildung von Piloten sowie der Luftnahunterstützung, sie alle sind jedoch der Air Weapon School in Kainji zugeteilt Endmontage in Deutschland
Togo 6 Alpha Jet C Bestellt im Mai 1977
Stationiert beim Air Attack Flight auf der Basis Lome Endmontage in Frankreich
Nach der Außermusterung bei der deutschen Luftwaffe behielt die Bundeswehr noch 32 Maschinen für eigene Zwecke, sieben wurden an Museen abgegeben. Der Rest der sich noch in gutem Zustand befindlichen Flugzeuge wurde an verschiedene militärische wie zivile Nutzer abgegeben:
Großbritannien Die Defence Evaluation and Research Agency (DERA) erhielt 12 Flugzeuge, von denen 6 als Begleit- und Testflugzeuge und 6 als Ersatzteilspender dienten. Nach der Teilung der DERA übernahm die Qinetiq die Flugzeuge. Stationiert sind sie in Boscombe Down
Portugal 50 Flugzeuge, die 18 des Fluglehrverbandes sowie 32 weitere aus anderen Verbänden bilden in Beja die Esquadron 103 “Caracóis” und die Esquadron 301 “Jaguares“
RUAG Nach der Dornier-Pleite gingen 22 Flugzeuge an die RUAG, wo sie weiterhin zum Verkauf ausgeschrieben sind.
Thailand Insgesamt 25 Maschinen wurden geliefert, davon 5 als Ersatzteilspender und 20 für den aktiven Dienst. Sie stehen bei der 231 Huntersquadron als Teil des 23rd Wing der 2nd Air Divison in Udon Thani im Dienst
Zivile Eigner 16 Flugzeuge wurden bisher an zivile Eigner verkauft, davon 6 an das schweizer Unternehmen Red Bull, welches die Flugzeuge für Flugvorführungen nutzt, der Rest ging in die USA als Privatmaschinen
Daneben gab es natürlich auch einige Gerüchte bezüglich möglicher Exportkunden. So berichtete die Turkish Daily Newsam im November 1975, die Türkei wolle sich dem Projekt anschließen, wobei ähnlich wie Belgien eine Teileproduktion sowie eine Endmontagelinie angestrebt wurde. Schon drei Jahre später war das Vorhaben jedoch gestorben und das interesse an dem Alpha Jet mehr als gering. Unterdessen waren sich einige arabische Nationen einig gemeinsam den Alpha Jet zu beschaffen. So berichtete die Arab Organization for Industrialization (AOI) im Sommer 1978 über einen gemeinsamen Bedarf an 200 Alpha Jets von Ägypten, Saudi-Arabien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Letztlich blieb es bei Einzelverkäufen an Ägypten und Katar. Wichtiger als ein arabischer Auftrag wäre allerdings ein Sieg beim Trainerwettbewerb der US Navy gewesen. Extra für diesen Zweck wurde ein Büro in Washington gegründet, außerdem fand sich mit Lockheed ein kompetenter nordamerikanischer Partner. Dieser sollte die geforderten Fähigkeiten kontrollieren und später für die Lizenzproduktion zuständig sein. Bei der ersten Überprüfung zeigte sich, dass der Alpha Jet schon ohne Umrüstung einen Großteil der Forderungen erfüllte. Die Trägertauglichkeit musste noch sichergestellt und amerikanische Avionik sowie Triebwerke von Teledyne Continental engebaut werden. Es waren jedoch keine größeren Umbauten oder kompliziertere Anpassungen notwendig. Trotzdem wurde der VTX-Wettbewerb durch die BAe / MDD Hawk entschieden, eine schmerzliche Niederlage für Dassault / Dornier / Lockheed.
Zum Schluss noch ein kurzer Blick auf die Kosten. Für die 175 bestellten Maschinen zahlte Deutschland 2,5 Mrd. DM (Preisstand 1974), inklusive aller Kosten waren es 3,3 Mrd. DM. 25 Jahre später zahlten die Kunden für die gebrauchten deutschen Flieger je Stück 50.000 DM (Preisstand 1999), mussten jedoch noch jeweils 2 Millionen DM in die Wiederinstandsetzung investieren.