LX‑R — Neues Docklandungsschiff der US Navy nimmt Form an

Die amphibis­chen Kriegss­chiffe der US-Navy sind unterteilt in amphibis­che Träger und Dock­lan­dungss­chiffe. Amphibis­che Träger besitzen (mit weni­gen Aus­nah­men) ein Flut­deck zur Führung von Lan­dungs­booten und Luftkissenfahrzeu­gen, doch ste­ht das großräu­mige Flugdeck (Kapaz­ität für mehr als 30 Hub­schrauber und Kampf­flugzeuge) im Mit­telpunkt der Kampfleis­tung. Dock­lan­dungss­chiffe besitzen hinge­gen ein wesentlich kleineres Flugdeck. Der Schw­er­punkt der Trans­portleis­tung zur Unter­stützung amphibis­ch­er Lan­dun­gen liegt hier beim Flut­deck (Well Deck).

Die USN unter­hält zwei Kat­e­gorien Dock­lan­dungss­chiffe: LPD (Land­ing Plat­form – Dock) und LSD (Land­ing Ship – Dock). Bei­de Kat­e­gorien besitzen sowohl ein Flut­deck wie ein Hub­schrauberdeck, sind jedoch schw­er­punkmäßig für unter­schiedliche Auf­gaben ausgerichtet.

LPD besitzen ein größeres Flugdeck und einen Flugzeughangar zur Wartung von Hub­schraubern und MV-22 Osprey. Im Falle ein­er amphibis­chen Lan­dung trans­portieren LPD primär Trup­pen und leichtere Fahrzeuge/Ausrüstung ein­schließlich amphibis­ch­er Schützen­panz­er. Sie sind aus­gerichtet, gegebe­nen­falls als Führungss­chiff eines Ver­ban­des oder eines mil­itärischen beziehungsweise human­itären Ein­satzes auf See oder an Land zu fungieren; sie kön­nen auf­grund der Führungs- und Kom­mu­nika­tion­sausstat­tung (C4I) auch als Führungss­chiff für Spezialkräfte einge­set­zt werden.

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ATLANTIC OCEAN (March 9, 2008) U.S. Marine Corps amphibi­ous assault vehi­cles wait to be guid­ed onto the vehi­cle stowage area inside the well deck of the amphibi­ous trans­port dock ship USS San Anto­nio (LPD 17). U.S. Marine Corps pho­to by Cpl. Aaron J. Rock (Released)

Im Gegen­satz zur LPD-Kat­e­gorie sind die heute im Dienst befind­lichen LSD auf­grund ihrer min­i­malen C4I-Ausstat­tung und des Fehlens eines Flugzeughangars nur begren­zt für eigen­ständi­ge Ein­sätze zu ver­wen­den. Ihre Stärke liegt in der Fähigkeit, die schw­eren Fahrzeuge eines Marine Corps Kampfver­ban­des in den Ein­satz zu trans­portieren. An Bord befind­en sich auch Wartung­sein­rich­tun­gen für Fahrzeuge und Landungsboote.

Amphibis­che Träger, LPD und LSD ergänzen einan­der. Fol­glich beste­ht eine amphibis­che Bere­itschafts­gruppe (Amphibi­ous Readi­ness Group – ARG) in der Regel aus drei Schiffen.

Nach­fol­ger für LSD erforderlich

Derzeit unter­hält die US-Navy eine einzige LPD-Klasse (LPD 17-SAN ANTO­NIO-Klasse) und zwei LSD-Klassen (LSD 41-WHIDBEY ISLAND-Klasse und LSD 49-HARPERS FERRY- Klasse), wobei LSD 49 eine Vari­ante der LSD 41 darstellt. Die Beschaf­fung der 2006 einge­führten SAN ANTO­NIO-Klasse dauert an; diese Klasse soll bis cir­ca 2060 bei der Flotte bleiben. Die zwölf im Dienst befind­lichen LSD wur­den zwis­chen 1985 und 1998 in Dienst gestellt. Die Aus­musterung der auf 40 Dien­st­jahre aus­gerichteten Schiffe begin­nt 2025. Sie sollen durch eine einzige neue Schiff­sklasse erset­zt wer­den. Bis zur Erteilung ein­er offiziellen Klassen­beze­ich­nung wird das kün­ftige Dock­lan­dungss­chiff als LX‑R desig­niert. Der Buch­stabe „X“ bedeutet, dass das Schiff sich noch in der Pla­nungsphase befind­et. „R“ bedeutet, dass das Schiff als „Replace­ment“, als Nach­fol­ger­typ beste­hen­der Schiff­sklassen, gedacht ist.

Dieser Artikel wird mit fre­undlich­er Genehmi­gung der „Marine­Fo­rum – Zeitschrift für mar­itime Fra­gen“ veröf­fentlicht.
Marineforum

Die Navy beschloss 2016 förm­lich, die LPD 17 Klasse als Grund­lage für LX‑R her­anzuziehen. Im Ver­gle­ich zur Entwick­lung eines völ­lig neuen Schiffs spart der nun eingeschla­gene Kurs sowohl Geld wie Zeit; das Risiko tech­nis­ch­er Verzögerun­gen wird min­imiert, wenn auch nicht voll­ständig aus­geschlossen. Auch die logis­tis­chen Kosten ein­schließlich Wartung und Aus­bil­dung sind durch die Ver­wen­dung ein­er bewährten Grund­lage gün­stiger. Ver­schiedene Sys­teme und Ausstat­tungsmerk­male der LPD 17 Klasse, die auf einem LSD über­flüs­sig wären, wer­den aus dem neuen Design aus­ge­lassen. um Kosten zu sparen und um Raum für neue, LSD-rel­e­vante Ausstat­tung zu schaffen.

Grafik eines zukünftigen LX-R (Grafik: US Navy)
The ninth San Anto­nio (LPD 17) class Amphibi­ous Trans­port Dock ship built by Hunt­ing­ton Ingalls Indus­tries at its Ingalls Ship­build­ing divi­sion in Pascagoula, MS.

Marine Corps Major Gen­er­al Chris Owens, Leit­er der Abteilung für expe­di­tionäre Kriegs­führung im TSK-gemein­samen Führungsstab, erk­lärte, dass die LX‑R Klasse eine weitaus bre­it­ere Auf­gaben­palette als die bish­eri­gen LSD besitzen wird. „Als wir die LSD 41 ein­führten, bestand unsere Ein­satz­tak­tik darin, ARG-Ver­bände in der Regel geschlossen einzuset­zen. Dies entsprach dem Ein­satzbe­darf gegen Ende des Kalten Krieges. Die heuti­gen Ein­satzszenar­ien sind wesentlich vielfältiger und zahlre­ich­er“, sagte Owens Ende 2016 in einem Interview.

Die tra­di­tionelle Auf­gabe amphibis­ch­er Schiffe, Marine­in­fan­ter­is­ten – gegebe­nen­falls unter feindlichem Feuer – anzu­lan­den, bleibt die Ker­nauf­gabe ein­er ARG; diese Fähigkeit wird auch weit­er­hin im Mit­telpunkt des Leis­tungsspek­trums der kün­fti­gen LX‑R Klasse ste­hen. Allerd­ings umfasst das Auf­gaben­spek­trum nun auch Ein­satz­for­men – etwa Bekämp­fung von Pirat­en, Ter­ror­is­ten und Insur­gen­ten – die vor drei Jahrzehn­ten nur nach­ge­ord­neten Stel­len­wert besaßen.

Dies bedeutet, dass die drei Schiffe ein­er ARG in der Lage sein müssen, sich zu tren­nen, um eigen­ständig ver­schiedene Auf­gaben inner­halb des Oper­a­tions­ge­bi­etes zu übernehmen. Dies dürfte vor allem im weitläu­fi­gen, durch Insel- und Archipel­grup­pen gekennze­ich­neten Paz­i­fikraum der Fall sein, erk­lärte Gen­er­al Owens. Fol­glich muss LX‑R auch in der Lage sein, mit Schif­f­en aus Part­ner­na­tio­nen zu operieren und gegebe­nen­falls die Führung eines multi­na­tionalen Ver­ban­des oder die Koor­dinierung von Hil­f­s­maß­nah­men nach ein­er Naturkatas­tro­phe zu übernehmen.

Leis­tungsmerk­male

Aus diesem Grund wird LX‑R – im Ver­gle­ich zu den LSD 41/49 Klassen – sowohl leis­tungs­fähigere Führung­stech­nolo­gie als auch die dop­pelte Flugzeugka­paz­ität besitzen. Zwei CH-53 Hub­schrauber oder zwei MV-22 Schwenkro­tor­flugzeuge oder vier Kampfhub­schrauber sollen gle­ichzeit­ig starten und lan­den; der Stellplatz auf dem Flugdeck reicht für vier MV-22. Der Flugzeughangar auf der LX‑R Klasse wird eine CH-53 oder MV-22 aufnehmen und warten kön­nen. Zusät­zliche C4I Aus­rüs­tung erlaubt es der neuen Schiff­sklasse, trotz räum­lich­er Tren­nung von Hun­derten von Meilen weit­er­hin mit den anderen Ein­heit­en des Ver­ban­des zu koor­dinieren und die Führung gelande­ter Kräfte zu übernehmen, erk­lärte Owens.
Foto: US Navy

In viel­er­lei Hin­sicht wird die Leis­tung des neuen Schiffs zwis­chen der LPD 17 Klasse und den heuti­gen LSD liegen.

  • Der von der LPD 17 Klasse über­nommene Rumpf ist 210 Meter lang und 32 Meter bre­it und somit größer als die heuti­gen LSD (186 x 26 Meter).
  • Die Ver­drän­gung von 23.500 Ton­nen ist – auf­grund der Ent­fer­nung eines Teils der Ker­nausstat­tung – geringer als die der LPD 17, aber rund 7.000 Ton­nen schw­er­er als heutige LSD.
  • Das Flut­deck wird zwei Luftkissenfahrzeuge fassen. Dies entspricht sowohl der LPD 17 wie der LSD 49 Klasse. Die LSD 41 Klasse fasst hinge­gen vier Luftkissenfahrzeuge.
  • LX‑R wird 650 Marine­in­fan­ter­is­ten an Bord führen kön­nen: 150 weniger als LPD 17, aber 150 mehr als die LSD-41/LSD-49 Einheiten.
  • Die Stell­fläche für Fahrzeuge fällt 760 Quadrat­meter größer aus als auf der HARPERS FERRY-Klasse.
  • Die ständi­gen San­ität­sein­rich­tun­gen sind halb so groß wie auf der LPD 17 Klasse und umfassen einen OP-Raum sowie zwölf Beleg­bet­ten. Allerd­ings kön­nen palet­tierte und modulare
  • San­ität­san­la­gen in ver­schiede­nen Nutzräu­men des Schiffs schnell und kurzfristig ein­gerichtet werden.
  • Das elek­tro­n­is­che Kampf­sys­tem wird aufgerüstet, vor allem mit Blick auf die Abwehr von Seezielflugkörpern.
  • Die defen­sive Bor­d­be­waffnung wird voraus­sichtlich aus zwei 25- oder 30-mm-Geschützen, zwei RAM-Flu­gab­wehrsys­te­men sowie zehn Maschi­nengewehren (12,5 mm) bestehen.
  • Der äußer­lich auf­fäl­lig­ste Unter­schied zur LPD 17 Klasse: Die bei­den achteck­i­gen AEM­STürme (Advanced Enclosed Mast/Sensor) wer­den durch kon­ven­tionelle Sen­soren­mas­ten erset­zt. Dies stellt grund­sät­zlich einen Rückschritt dar. Die AEMS-Türme bewirken eine Reduzierung der Radarsignatur.

Beschaf­fung

Die Fir­men Hunt­ing­ton Ingalls Indus­tries (HII) und Gen­er­al Dynamics/NASSCO wur­den 2016 gemein­schaftlich beauf­tragt, den Voren­twurf des neuen Schiffs auf Basis der LPD 17 Klasse zu erstellen. Diese Fir­men besitzen die einzi­gen US-Werften, die in der Lage sind, amphibis­che Schiffe zu bauen. HII soll 75 Prozent, GD/NASSCO 25 Prozent der Design-Arbeit leis­ten. Die Navy will 2019 entschei­den, welche Werft den Zuschlag für den Bau der Schiffe erhält; es wird auch nicht aus­geschlossen, dass der Bau abwech­sel­nd durch bei­de Fir­men durchge­führt wird.

Bis­lang galt das Ziel, die Beschaf­fung 2020 einzuleit­en. Nun möchte die Navy das Pro­jekt um ein Jahr vorziehen, falls zusät­zliche Mit­tel zu diesem Zweck bewil­ligt wer­den. Durch Vorbeschaf­fung von Bau­ma­te­ri­alien und Anhebung des Etats sollte es möglich sein, den Bau der ersten Ein­heit­en noch Ende 2019 (offiziell zum Beginn des Fiskal­jahrs 2020) einzuleit­en. Anschließend soll ab 2022 min­destens ein Schiff jährlich auf Kiel gelegt wer­den. Die Aus­liefer­ung des Typ­schiffs soll 2025 oder 2026 erfol­gen. Die Beschaf­fungskosten wer­den auf durch­schnit­tlich 1,4 Mil­liar­den Dol­lar pro Schiff veranschlagt.

Das Beschaf­fungsziel umfasst offiziell noch elf Ein­heit­en, dürfte jedoch auf dreizehn Ein­heit­en erhöht wer­den. Dies wäre im Ein­klang mit dem vorge­se­henen Aus­bau der amphibis­chen Flotte auf 38 Ein­heit­en und würde ein aus­ge­wo­genes Ver­hält­nis (1:1) zu der LPD 17 Flot­tille bewirken.

Das Pen­ta­gon erwartet von LX‑R laut Gen­er­al Owens eine wesentliche Leis­tungssteigerung im Ver­gle­ich zu den aktuellen LSD: „LX‑R gibt uns ein größeres Schiff, das mehr bietet, nicht nur hin­sichtlich der Größe und Auf­nah­meka­paz­ität son­dern auch hin­sichtlich des Flug­be­triebs, der San­ität­sein­rich­tung, und – heutzu­tage eventuell am aller­wichtig­sten angesichts des Trends zu räum­lich getren­nten Ein­sätzen – die Führungsausstat­tung, die den gegen­wär­ti­gen LSD fehlt.”

 

Kurz­fas­sung
LX-R - Neues Docklandungsschiff der US Navy nimmt Form an
Artikelüber­schrift
LX‑R — Neues Dock­lan­dungss­chiff der US Navy nimmt Form an
Erk­lärung
Die amphibis­chen Kriegss­chiffe der US-Navy sind unterteilt in amphibis­che Träger und Dock­lan­dungss­chiffe. Amphibis­che Träger besitzen (mit weni­gen Aus­nah­men) ein Flut­deck zur Führung von Lan­dungs­booten und Luftkissenfahrzeu­gen, doch ste­ht das großräu­mige Flugdeck (Kapaz­ität für mehr als 30 Hub­schrauber und Kampf­flugzeuge) im Mit­telpunkt der Kampfleis­tung. Dock­lan­dungss­chiffe besitzen hinge­gen ein wesentlich kleineres Flugdeck. Der Schw­er­punkt der Trans­portleis­tung zur Unter­stützung amphibis­ch­er Lan­dun­gen liegt hier beim Flut­deck (Well Deck).
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