Deutschland — Braucht Deutschland einen Flugzeugträger?

Flugzeug- und Helikopterträger sind nach wie vor nüt­zlich. Auch für Deutsch­lands Marine beste­ht hier ein sicher­heit­spoli­tisch begründ­bar­er Bedarf. Aber statt eines nationalen Einzel­pro­jek­ts wäre ein gemein­samer europäis­ch­er Träger sin­nvoller. Allein schon als starkes Sig­nal nach außen.

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Träger sind kein Anachronismus

Der Sinn von Flugzeugträgern wird immer wieder infrage gestellt. Wozu im Zeital­ter von Marschflugkör­pern noch diese schwim­menden Kolosse? Nun, ohne die abschreck­ende Träger­präsenz der US-Navy im Per­sis­chen Golf würde sich Iran ver­mut­lich deut­lich aggres­siv­er gebär­den. Vor Libyens Küste hat die ganze Welt gese­hen, wie drin­gend die Europäer weit­ere Träger hät­ten gebrauchen kön­nen. In Lon­don musste man schmer­zlich erfahren, die blitzar­tige Außer­di­en­st­stel­lung aller Träger der Roy­al Navy war ein Fehler. Was machen die Briten eigentlich, wenn Argen­tinien bei den Falk­land-Inseln einen zweit­en Ver­such unternimmt? 

Im Ern­st­fall, zur Macht­pro­jek­tion und für diverse MOOTW sind Träger nach wie vor gut zu gebrauchen. Wäre es anders, wür­den Chi­na, Indi­en und Brasilien keine Flugzeugträger- und Rus­s­land, Aus­tralien, Japan und Süd­ko­rea keine Helikopterträger­pro­gramme vorantreiben. Aber braucht Deutsch­land ein Schiff dieser Art? Macht die Beschaf­fung in Zeit­en knap­per Kassen über­haupt Sinn? 

Der Bedarf ist da

Als die dama­lige Bun­desregierung die gewalt­same Befreiung der von Pirat­en ent­führen Hansa Sta­vanger erwägte, mussten die USA den notwendi­gen Helikopterträger (USS Box­er) zur Ver­fü­gung stellen. Bekan­ntlich scheit­erte die Aktion schließlich wed­er an der GSG9 oder den Amerikan­ern, son­dern an den Grabenkriegen der Berlin­er Bürokratie. Oper­a­tiv hätte die deutsche Marine in diesem Fall ein LHD gut gebrauchen können. 

Heute muss Deutsch­land einen Ein­satz­grup­pen­ver­sorg­er mit Helikoptern zur Pira­teriebekämp­fung entsenden, weil man eben kein LHD besitzt und die Fre­gat­ten die Hub­schrauber nicht tra­gen kön­nen. Macht die EU mit der seegestützten Pira­teriebekämp­fung an Land in Soma­lia tat­säch­lich ernst, wäre ein LHD dafür wiederum sehr nüt­zlich. Die USA sind ja schon per­ma­nent mit einem LHD am Horn von Afri­ka zur Ter­ror­bekämp­fung präsent (aktuell USS Makin Island). Auch human­itäre Hil­fe wird, wie 2004 nach dem Tsuna­mi in Indone­sien, zu den Auf­gaben der Marine gehören. Damals entsandte die Marine auch den Ein­satz­grup­pen­ver­sorg­er Berlin. Naturkatas­tro­phen wird es weit­ergeben, so dass der Marine diese Auf­gabe sich­er erhal­ten bleibt. 

Nicht zulet­zt würde ein LHD Deutsch­lands Bünd­nis­fähigkeit gut tun. Nach dem Libyen-Debakel der deutschen Außen­poli­tik wird Berlin kaum daran vor­bei kom­men, bei der näch­sten Inter­ven­tion — sofern es eine gibt — vorne mit dabei zu sein. Von Deutsch­land wird in UN, NATO und EU ohne­hin mehr Über­nahme von Ver­ant­wor­tung erwartet. 

JSS, LHD oder europäis­ch­er Träger? Für ein starkes Sig­nal nach außen!

Gegen­wär­tig konzen­tri­ert sich die Diskus­sion auf die Beschaf­fung eines einzel­nen Joint Sup­port Ships. Dieses kann aber wesentlich weniger Helikopter tra­gen als ein LHD. Wenn man das Geld schon aus­gibt, warum dann nicht richtig? Warum muss es wieder eine nationale Eige­nen­twick­lung sein? Ver­mut­lich aus indus­triepoli­tis­chen Grün­den. Kon­se­quent und sicher­heit­spoli­tisch sin­nvoller wäre es, von Fran­zosen oder Amerikan­ern ein­fach ein LHD von der Stange zu kaufen. Diese Sys­teme haben sich in ihren Heimat­mari­nen auch schon oper­a­tiv bewehrt. Neue Einzel­pro­jek­te sind immer mit Verzögerun­gen, Kinderkrankheit­en und damit deut­lichen Mehrkosten ver­bun­den. Wird der nationale Ansatz gewählt, sollte sich man die Beschaf­fung des JSS zugun­sten eines gekauften LHDs überdenken. 

Aber muss es immer noch der nationale Ansatz sein? Nein. In Europa redet man viel über mehr gemein­same mil­itärische Zusam­me­nar­beit, aber trotz “Pool­ing & Shar­ing” und “Smart Defence” passiert im Kleinen nur wenig und im Großen gar nichts. Mutige Tat­en stün­den Europa als sicher­heit­spoli­tis­ch­er Akteur aber gut zu Gesicht! Statt diversen nationalen Pro­jek­ten hin­ter­her zu laufen, soll­ten sich mehrere Natio­nen zusam­men­tun. Es muss nicht gle­ich eine “Europäis­che Car­ri­er Strike Group” sein, aber ein gemein­sam beschaffter und später betrieben­er Helikopterträger (LHA/LHD) wäre ein echter europäis­ch­er Inte­gra­tionss­chritt und ein starkes Sig­nal nach außen. 

Mit fre­undlich­er Genehmi­gung von “Sei­dlers Sicher­heit­spoli­tik

Team GlobDef

Seit 2001 ist GlobalDefence.net im Internet unterwegs, um mit eigenen Analysen, interessanten Kooperationen und umfassenden Informationen für einen spannenden Überblick der Weltlage zu sorgen. GlobalDefence.net war dabei die erste deutschsprachige Internetseite, die mit dem Schwerpunkt Sicherheitspolitik außerhalb von Hochschulen oder Instituten aufgetreten ist.

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