“Berliner Erklärung” vom März 2007 zum 50jährigen Gründungsjubiläum der Europäischen Union
“Europa war über Jahrhunderte eine Idee, eine Hoffnung auf Frieden und Verständigung. Diese Hoffnung hat sich erfüllt. Die europäische Einigung hat uns Frieden und Wohlstand ermöglicht. Sie hat Gemeinsamkeit gestiftet und Gegensätze überwunden. Jedes Mitglied hat geholfen, Europa zu einigen und Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu stärken. Der Freiheitsliebe der Menschen in Mittel- und Osteuropa verdanken wir, dass heute Europas unnatürliche Teilung endgültig überwunden ist. Wir haben mit der europäischen Einigung unsere Lehren aus blutigen Auseinandersetzungen und leidvoller Geschichte gezogen. Wir leben heute miteinander, wie es nie zuvor möglich war. Wir Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union sind zu unserem Glück vereint.
I.
Wir verwirklichen in der Europäischen Union unsere gemeinsamen Ideale: Für uns steht der Mensch im Mittelpunkt. Seine Würde ist unantastbar. Seine Rechte sind unveräußerlich. Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Wir streben nach Frieden und Freiheit, nach Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, nach gegenseitigem Respekt und Verantwortung, nach Wohlstand und Sicherheit, nach Toleranz und Teilhabe, Gerechtigkeit und Solidarität. Wir leben und wirken in der Europäischen Union auf eine einzigartige Weise zusammen. Dies drückt sich aus in dem demokratischen Miteinander von Mitgliedstaaten und europäischen Institutionen. Die Europäische Union gründet sich auf Gleichberechtigung und solidarisches Miteinander. So ermöglichen wir einen fairen Ausgleich der Interessen zwischen den Mitgliedstaaten. Wir wahren in der Europäischen Union die Eigenständigkeit und die vielfältigen Traditionen ihrer Mitglieder. Die offenen Grenzen und die lebendige Vielfalt der Sprachen, Kulturen und Regionen bereichern uns. Viele Ziele können wir nicht einzeln, sondern nur gemeinsam erreichen. Die Europäische Union, die Mitgliedstaaten und ihre Regionen und Kommunen teilen sich die Aufgaben.
II.
Wir stehen vor großen Herausforderungen, die nicht an nationalen Grenzen Halt machen. Die Europäische Union ist unsere Antwort darauf. Nur gemeinsam können wir unser europäisches Gesellschaftsideal auch in Zukunft bewahren zum Wohl aller Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union. Dieses europäische Modell vereint wirtschaftlichen Erfolg und soziale Verantwortung. Der Gemeinsame Markt und der Euro machen uns stark. So können wir die zunehmende weltweite Verflechtung der Wirtschaft und immer weiter wachsenden Wettbewerb auf den internationalen Märkten nach unseren Wertvorstellungen gestalten. Europas Reichtum liegt im Wissen und Können seiner Menschen: dies ist der Schlüssel zu Wachstum, Beschäftigung und sozialem Zusammenhalt. Wir werden den Terrorismus und die organisierte Kriminalität gemeinsam bekämpfen. Die Freiheits- und Bürgerrechte werden wir dabei auch im Kampf gegen ihre Gegner verteidigen. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit dürfen nie wieder eine Chance haben. Wir setzen uns dafür ein, dass Konflikte in der Welt friedlich gelöst und Menschen nicht Opfer von Krieg, Terrorismus und Gewalt werden. Die Europäische Union will Freiheit und Entwicklung in der Welt fördern. Wir wollen Armut, Hunger und Krankheiten zurückdrängen. Dabei wollen wir auch weiter eine führende Rolle einnehmen. Wir wollen in der Energiepolitik und beim Klimaschutz gemeinsam vorangehen und unseren Beitrag leisten, um die globale Bedrohung des Klimawandels abzuwenden.
III.
Die Europäische Union lebt auch in Zukunft von ihrer Offenheit und dem Willen ihrer Mitglieder, zugleich gemeinsam die innere Entwicklung der Europäischen Union zu festigen. Die Europäische Union wird auch weiterhin Demokratie, Stabilität und Wohlstand jenseits ihrer Grenzen fördern. Mit der europäischen Einigung ist ein Traum früherer Generationen Wirklichkeit geworden. Unsere Geschichte mahnt uns, dieses Glück für künftige Generationen zu schützen. Dafür müssen wir die politische Gewalt Europas immer wieder zeitgemäß erneuern. Deshalb sind wir heute, 50 Jahre nach der Unterzeichnung der Römischen Verträge, in dem Ziel geeint, die Europäische Union bis zu den Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 auf eine erneuerte gemeinsame Grundlage zu stellen. Denn wir wissen: Europa ist unsere gemeinsame Zukunft.”
“Berliner Erklärung” vom März 2007 zum 50jährigen Gründungsjubiläum der Europäischen Union
Als am 24. März 1957 die “römischen Verträge” zwischen Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden unterzeichnet wurden ahnte wohl niemand, welche Erfolgsgeschichte daraus wachsen würde. Fünfzig Jahre später gehören 27 Staaten — viele davon aus dem ehemaligen Ostblock — und fast 490 Mio. Menschen zur Europäischen Union, einem Bund, der in der “obersten Liga” der “global Players” mitspielen kann.
Die Europäische Union (EU) ist weder eine Föderation wie die USA noch einfach eine Organisation für die Zusammenarbeit von Regierungen wie die UNO. Die europäische Gesetzgebung steht über den nationalen Gesetzen der Einzelstaaten; soweit diese die gemeinsam beschlossenen „EU-Richtlinien“ nicht zeitgerecht in nationales Recht umsetzen, gilt die EU-Richtlinie unmittelbar. Die EU regelt Wirtschaft und Handel, koordiniert Energie, Kommunikation, Transport – und zunehmend sogar das Bildungswesen. Die EU-Bürger haben einen gemeinsamen „Europäischen Pass“, die Bürger der „Schengen-Staaten“ werden am Flughafen und allen Grenzen als Inländer behandelt. Es gibt ein Europäisches Parlament, einen Europäischen Gerichtshof und eine gemeinsame Zentralbank, einen Präsidenten und einen Europäischen Aussen- und Finanzminister, sowie erste gemeinsame Streitkräfte. Die EU koordiniert die Aktivitäten der Mitglieder – hat aber selbst kein eigenes Territorium. Die EU ist in der Tat einzigartig. Die Länder, aus denen die EU besteht (ihre “Mitgliedstaaten”), bündeln ihre Hoheitsrechte, um eine Stärke und einen internationalen Einfluss zu erreichen, über die keines von ihnen allein verfügen würde.
Das Bündeln der Hoheitsrechte bedeutet in der Praxis, dass die Mitgliedstaaten einen Teil ihrer Entscheidungsbefugnisse an die von ihnen geschaffenen gemeinsamen Einrichtungen abgeben, damit Entscheidungen zu spezifischen Fragen von gemeinsamem Interesse auf europäischer Ebene demokratisch getroffen werden können.