China Volksrepublik Teil 2


China

Von der Imi­ta­tion zur Innovation

FORSCHUNG: Chi­na will seine Wirtschaft auf ein neues Fun­da­ment stellen. Statt mit Bil­lig­pro­duk­ten sollen die Unternehmen mit eige­nen Kreatio­nen die Welt­märk­te erobern. Dazu investiert Peking Mil­liar­den in Bil­dung und Forschung. Erste Erfolge sind sichtbar.”

(Zitat aus WirtschaftsWoche Glob­al, 1/2012)

Wirtschaft aus eigen­er Kraft:
Der Wirtschaft­sauf­schwung und die damit ver­bun­de­nen Devisenein­nah­men ver­set­zten Chi­na und seine Bürg­er zunehmend in die Lage, selb­st — anstelle von aus­ländis­chen Inve­storen — in den weit­eren Aus­bau sein­er Indus­trie zu investieren (s.u.). Die Pri­vatwirtschaft ist dabei zu einem wichti­gen Säule für den Beschäf­ti­gungszuwachs des Lan­des gewor­den. Ende 2006 sank die Zahl der Beschäftigten in den staatlichen Wirtschaft­sun­ternehmen im Ver­gle­ich zu 2002 um über zehn Mil­lio­nen. Im gle­ichen Zeitraum kon­nte die Pri­vatwirtschaft einen Zuwachs von jährlich etwa elf Mil­lio­nen Arbeit­skräften auf etwa 40 Mil­lio­nen Beschäftigte verze­ich­nen. Chi­na soll inzwis­chen mehr kleine und mit­tlere Pri­vatun­ternehmen verze­ich­nen als die EU und die USA zusam­men — und dazu gehört nicht nur der kleine Imbiss-Einzelverkäufer in den Geschäftsstraßen son­dern zunehmend eine Riege von Großun­ternehmen wie der Schiff­bauer Mingde, der mit seinen gün­sti­gen Preisen für qual­i­ta­tiv gute Chemietanker und Con­tain­er­frachter die Welt­mark­t­führer aus Süd­ko­rea attack­iert — und durch höhere Löhne die besten Arbeit­er von der benach­barten Staatswerft abwirbt.

Diesem Wirtschafts­boom trägt auch die Lohnen­twick­lung Rech­nung. Seit 1995 haben sich die Gehäl­ter der Arbeit­er und Anestell­ten um 300 % erhöht — bei Infla­tion­srat­en, die bis zur Jahrtausendwende sog­ar anken und seit 2004 bis 2006 noch unter 4 % geblieben sind. Ein chi­ne­sis­ch­er Tech­niker (in Chi­na als Inge­nieur beze­ich­net) ver­di­ent inzwis­chen (Stand Anfang 2008) jährlich rund 20.000,- Euro. Damit wer­den die chi­ne­sis­chen Arbeit­nehmer immer wohlhaben­der — und ausgabefreudiger.

Die immer größere Mit­telschicht des Lan­des hat den Kon­sum für sich ent­deckt und trägt so das ihre zur steigen­den Nach­frage der chi­ne­sis­chen Bin­nen­wirtschaft bei. Alleine in der ersten Hälfte des Jahres 2007 stieg der Einzel­han­del­sum­satz der Kon­sumgüter um 15,4 Prozent gegenüber dem­sel­ben Zeitraum des Vor­jahres auf mehr als 4200 Mil­liar­den Yuan (402,7 Mil­liar­den Euro). Allerd­ings fie­len — dank mas­siv steigen­dem BIP — die Anteile des pri­vat­en Kon­sums am BIP von knapp 47 % (1992) auf 38 % (2005). Das ist — bei niedri­gen Kap­i­talzin­sen — nicht nur dem erhöht­en Spar­willen der Bevölkerung zuzuschreiben. Während die Erspar­nisse tat­säch­lich mit über 40 % des BIP sehr hoch sind, ist der Anteil der pri­vat­en Haushalte am Kap­i­tal von 20 % des BIP (1996) auf 16 % (2005) gefall­en. Der Löwenan­teil der Kap­i­ta­lan­la­gen liegt also in den Hän­den der kap­i­tal­in­ten­siv­en Indus­trien, die rel­a­tiv wenige Arbeit­splätze schaf­fen. Gle­ichzeit­ig ist nach Schätzung der Welt­bank der Anteil der Löhne am BIP Chi­nas von 53 % (1996) auf 41 % (2005) zurück gegan­gen. Chi­na muss also — um die Bin­nen­nach­frage zu stärken — dafür sor­gen, dass die Löhne (und damit die Kon­sum­möglichkeit­en) stärk­er ansteigen und neben den kap­i­tal­in­ten­siv­en Indus­trien das Wach­s­tum des arbeitsin­ten­siv­en Dien­stleis­tungssek­tors fördern. Gle­ichzeit­ig muss durch höhere Zin­sen die Infla­tion in erträglichen Schranken gehal­ten werden.

Rund 400 Mil­lio­nen des 1,3 Mrd. Volkes gehören nicht zu den landläu­fig als arm gel­tenden Bauern — son­dern sind Handw­erk­er, und vor allem auch Arbeit­er und Angestellte in den auf­streben­den Städten und Indus­tri­e­s­tandorten. Diese auf­strebende Mit­telschicht trägt mit ihrem Kon­sumver­hal­ten zunehmend zur Bin­nen­nach­frage des Lan­des bei. Das klas­sis­che Beispiel ist die Autoin­dus­trie: 6,7 Mio. Kraft­fahrzeuge wur­den im Jahr 2006 in Chi­na hergestellt, 26 % mehr als im Jahr 2005 — Chi­na gehört nach Japan und den USA zu den größten Auto­her­stellern der Welt, und der Absatz wird über­wiegend durch die Nach­frage im Lande getra­gen. Über 7,2 Mio. Fahrzeuge wur­den im Jahr 2006 in Chi­na verkauft — und im Juli 2007 lag der Absatz gegenüber dem Ver­gle­ichsmonat des Vor­jahres nochmals um fast 37 % höher; Chi­na ist inzwis­chen der wichtig­ste Aus­lands­markt des Volkswagen-Konzerns.

Bil­dung — Man­gel an Fachkräften:
Chi­nas Bil­dungssys­tem ist auf­grund sein­er jahrtausende alten kon­fuzeanis­chen Struk­tur den heuti­gen Anforderun­gen nicht gewach­sen. Eines der wichtig­sten tra­di­tionellen Bil­dungs- und Erziehungsziele der chi­ne­sis­chen Kul­tur ist die Achtung der Älteren, der Ahnen, deren Ken­nt­nisse und Fähigkeit­en die Kinder aus Ehrerbi­etung und Ehrfurcht eben­so erwer­ben und nachah­men sollen. Den Absol­ven­ten war mit dem mech­a­nis­chen Erler­nen und der Wieder­gabe (“Auswendig ler­nen”) im klas­sis­chen Chi­na zwar tra­di­tionell der Weg in die höheren Beamten­hier­ar­chien geöffnet. Höch­ster Stan­dard war die möglichst detail­ge­treue Kopie alter Meis­ter, die Wieder­gabe von über Jahrhun­derten ange­sam­meltem Wis­sen. Das ist auch heute noch eine der Ursachen für das man­gel­nde Unrechts­be­wusst­sein chi­ne­sis­ch­er Pro­duzen­ten, wenn urhe­ber­rechtlich geschützte Werke “abgekupfert” wer­den. Das Abb­pausen, das detail­ge­treue Nachah­men (eingeübt durch hun­derte ver­schieden­er Schriftze­ichen) gilt (oder galt) als höch­ste Anerken­nung für die ursprüngliche Leistung.

Mit kreativem Denken, was in heuti­gen Gesellschaften zur Entwick­lung neuer Prozesse und Tech­niken notwendig ist (wer nur aus­ge­tretene Pfade ent­lang schlurft kann keine neuen Wege ent­deck­en — kreative “Quer­denker” wer­den zur Erkun­dung neuer Wege und Entwick­lung neuer Tech­niken immer wichtiger), hat­te dieses “Pauksys­tem”, das nach dem Volksmund lediglich “gestopfte Enten” erzeugte, allerd­ings nichts zu tun. Den Absol­ven­ten wird Wis­sen einget­richtert, aber Kreativ­ität — die etwa für Prob­lem­lö­sun­gen erforder­lich ist — und Eigenini­tia­tive kom­men zu kurz. 

Dazu kommt die Erblast der Kolo­nial- und Maozeit. Noch Anfang der Achtziger Jahre kon­nte jed­er fün­fte Chi­nese wed­er lesen noch schreiben. Chi­na begann daher sehr schnell mit dem Aus­bau des staatlichen Bil­dungssys­tems — und schon 1993 mit der Zulas­sung von Pri­vatschulen, die derzeit (Stand 2007) von 15 Mil­lio­nen Schülern (in 77.000 Pri­vatschulen) besucht wer­den. Heute (2007) ist auf­grund der Enführung ein­er Neun­jähri­gen Schulpflicht, die von 9/10tel aller Kinder wahrgenom­men wird, nur mehr eine Anal­pha­beten­rate von 8 % gegeben. Dazu soll durch das kosten­freie Studi­um an päd­a­gogis­chen Hochschulen ein zunehmend größer­er Anteil gut aus­ge­bilde­ter Lehrkräfte den Grund­stock für ein effizientes Bil­dungssys­tem liefern. 

Es bestanden nur wenige Uni­ver­sitäten, und deren Pforten waren unter Mao nicht für die intel­li­gen­teren, klügeren Kinder — son­dern für den Nach­wuchs von Arbeit­ern und Bauern geöffnet. Die ide­ol­o­gis­che “Rein­heit” war mehr Wert, war wichtiger als Kön­nen und Leis­tung. Erst unter Deg (“Mir ist es egal, ob eine Katze schwarz oder weiß ist — Haupt­sache sie fängt Mäuse”) erfol­gte nicht nur in der Gesellschaft, son­dern auch im Bil­dungswe­sen eine Umori­en­tierung nach Qual­ität und nicht nach ide­ol­o­gis­ch­er Reinheit. 

Dabei ist aber die Belas­tung von jahrzehn­te­lan­gen Ver­säum­nis­sen zu bewälti­gen. Die Zahl der 1990 vorhan­de­nen über 1000 Hochschulen (mit damals etwa 3 1/2 Mio. Stu­den­ten) hat sich inzwis­chen nahezu ver­dreifacht. Noch im Jahr 2007 besitzen aber lediglich 5 % der Chi­ne­sen im “Arbeit­salter” (zwis­chen 25 und 64 Jahren) einen Hochschu­la­b­schluss. Noch kurz vor der Jahrtausendwende besucht­en nur 9 % aller Jugendlichen eine Uni­ver­sität. 1996 gab es nur 3 Mio. Stu­den­ten. Heute (2006) liegt die Quote bei 25 % — oder 17,4 Mio. Stu­den­ten, für die Chi­nas Regierung einen Forschungse­tat von umgerech­net 37 Mrd. US-$ bere­it gestellt hat. Schw­er­punkt der Forschungstätigkeit­en sind Gen- und Quan­ten­forschung, Nano- und Infor­ma­tion­stech­nolo­gie. Bis 2020 soll Chi­na min­destens 70 % der für die Wirtschaft erforder­lichen Tech­nolo­gien selb­st beherrschen. Seit 1995 stiegen die Aus­gaben für Forschung und Entwick­lung jährlich im Schnitt um etwa 20 % auf (Stand 2011) rund 100 Mrd. US-$. Von 1996 bis 2006 hat sich auch die Zahl der Stu­den­ten um das Fünf­fache ver­mehrt. Der Pro­mo­tion­s­grad der Absol­ven­ten hat von 45.000 auf 190.000 zugenommen. 

Derzeit (2007) gibt es über 1700 staatliche Fach­hochschulen und Uni­ver­sitäten mit (Stand 2006) rund 17,4 Mio. Studieren­den in Chi­na, die nach ein­er gnaden­losen Auslese — nur etwa 58 % der rund 8,8 Mio. Bewer­ber schafften 2006 die Auf­nah­meprü­fun­gen — besucht wer­den kön­nen. Dazu kommt eine steigende Belas­tung mit Schul- und Studiengebühren.

Inner­halb der staatlichen Hochschulen ist zunehmend eine Elite­bil­dung festzustellen. Die Regierung will über Son­der­förderun­gen ins­beson­dere die 600 Uni­ver­sitäten fördern, die Dok­toran­den aus­bilden dür­fen. Unter diesen gibt es wieder eine Spitzen­gruppe von 100 “Uni­ver­stitäten des 21. Jahrhun­derts”, die beson­ders gefördert wer­den. Knapp die Hälfte — etwa 50 Eli­te­u­ni­vier­sitäten, die bere­its heute weitest­ge­hend dem weltweit­en Stan­dard der uni­ver­sitären Bil­dung entsprechen — erhiel­ten in den Jahren vor 2012 weit­ere jährliche Son­derzuwen­dun­gen von über 5 Mrd. Euro. 

 Dazu gehören die bei­den großen Pekinger Uni­ver­sitäten (Peking-Uni­ver­sität “Bei­da”, 1898 gegrün­det,  Geistes- und Natur­wis­senschaften, Medi­zin, und die Nor­mal-Uni­ver­sität “Ren­min”, Sozial- und Wirtschaftswis­senschaften — 17.000 Stu­den­ten) mit einem Schw­er­punkt für Natur­wis­senschaften. An der bekan­nten Tsinghua in Peking (ursprünglich 1911 für chi­ne­sis­che Aus­landsstu­den­ten gegrün­det, Inge­nieur- und Wirtschaftswis­senschaften) hat schon Staat­spräsi­dent Hu Jin­tao studiert. Den Kreis der Pekinger Elite-Unis schließt die UNIVERSITY OF SCIENCE AND TECHNOLOGY IN CHINA (Natur-/Biowis­senschaften, IT, ange­wandte Physik und Nuk­leart­ech­nolo­gie) ab

Die Fudan-Uni­ver­sität in Shang­hai (Geiste.s- und Wirtschaftswis­senschaften, Medi­zin, Umwelt­forschung, Mate­ri­al­wis­senschaft, Luft- und Raum­fahrt­tech­nik) gehört eben­falls zu den Elite-Hochschulen. Die (“deutsche”) Tongji (Shang­hai-chi­ne­sisch: “Deutsch”) Uni­ver­sität wurde 1907 als deutsche Uni­ver­sität gegrün­det. Inzwis­chen wird mit deutschen Part­nern aus Indus­trie (Thyssen Krupp, Volk­swa­gen, VW, BMW, Siemens, Bosch) und Wis­senschaft (Koop­er­a­tion mit 32 deutschen Uni­ver­sitäten) wieder Weltk­lasse­forschung betrieben. 26 Stiftungslehrstüh­le hat die deutsche Wirtschaft an der Tongji finanziert — mit tech­nis­chen Schw­er­punk­ten wie Elek­trotech­nik und Maschi­nen­bau — aber auch Wirtschaftswis­senschaften und Wirtschaft­srecht. Chi­nas Forschungsmin­is­ter Wang Gang — nach Pro­mo­tion in Deutsch­land und Tätigkeit bei Audi — war von 2000 bis 2004 mit einem Forschungse­tat von 350 Mio. Euro an der Tongji tätig,  ins­beson­dere bei der Entwick­lung von Brennstof­fzel­lenantrieben, deren “Treib­stoff” aus einem Abfall­pro­dukt der vie­len Shang­haier Chemie­un­ternehmen, aus Wasser­stoff, beste­ht. Von 2004 bis Früh­jahr 2007 hat Wan sog­ar als Rek­tor der Tongji die Kon­tak­te mit Deutsch­land vor­angetrieben. In Shang­hai hat auch die 1896 gegrün­dete Shang­hai-Jiao­tong-Uni­ver­sität (Inge­nieur­we­sen, Infra­struk­tur, Biotech­nolo­gie, Mate­ri­al­forschung) ihren Sitz.

In der Nähe von Shang­hai befind­en sich auch die NANJING Uni­ver­sität (1902 gegrün­det, Math­e­matik, Chemie, Soft­wa­reen­twick­lung sowie Kul­tur­wis­senschaften wie Kon­fuzeanis­mus­forschung) und die ZHE­JIANG-Uni­ver­sität (1897 in Hangzhou gegrün­det, Math­e­matik und Chemie). 

In Guangzhou (bei Hongkong) bildet die 1924 gegrün­dete Sun-Yat-Sen-Uni­verci­ty mit ihren (1927 von deutschen Pro­fes­soren geförderten) Medi­zin­stu­di­en (die Uni betreibt 8 Kranken­häuser), mit Wirtschaftswis­senschaften und Philoso­phie einen weit­eren Clus­ter der Gelehrsamkeit. 

Die älteste, 1896 gegrün­dete, Elite-Uni­ver­stität, die Xi’an-Jia­tong-Uni­verci­ty, entstammt der Fusion der Xi’an Med­ical Uni­ver­si­ty mit dem Shanxi  Insti­tute of Finance and Eco­nom­ics. Sie ist für ihre Stu­di­engänge in Elek­trotech­nik, Maschi­nen­bau, Ther­mo­physik und Wirtschaftswis­senschaften bekan­nt. Die TU Xian ist dank ein­er seit Jahrzehn­ten beste­hen­den Koop­er­a­tion mit der Stuttgarter Hochschule für Medi­en “Nach­wuch­sliefer­ant” für die Druck­maschi­nen­her­steller MAN Roland oder Hei­del­berg­er Druck.

In diesem Zusam­men­hang kön­nen auch die Bemühun­gen der chi­ne­sis­chen Regierung ange­sprochen wer­den, her­aus­ra­gende exil-chi­ne­sis­che Wis­senschaftler mit “beson­ders attrak­tiv­en Ange­boten” wieder für die heimis­che Forschung und Lehre zu gewinnen.

Da die vom Staat nicht so geförderten Hochschulen durch andere Ein­nah­men selb­st ver­suchen müssen, den eige­nen Stan­dard zu heben, ste­hen die meis­ten staatlichen Hochschulen nur den Reichen und der neuen Mit­telschicht offen stehen.

Eine weit­ere Alter­na­tive ist die Koop­er­a­tion von Forschungsak­tiv­itäten mit inter­na­tionalen Konz­er­nen. Dieses Engage­ment wird durch steuer­liche Anreize mas­siv gefördert. Nach der Zahl der Beschäftigten nehmen dabie IBM, Alca­tel-Lucent, Intel, SIEMENS, Microsoft und Gen­er­al-Elec­tric jew­eils mit über 1000 Beschäftigten eine Spitzen­po­si­tion ein, gefol­gt von Novar­tis, Evonik, Roche und Bay­er (Stand 2011). Die Koop­er­a­tion umfasst dabei ein weites Spek­trum, das ins­beson­dere IT ein­schließt und bis zur Phar­mazieforschung reicht. Aber auch diese Konz­erne wer­den sich — naturgemäß — vor allem den Spitzenin­sti­tuten anschließen, um die eigene Nach­wuchs­förderung effek­tiv voranzutreiben.

Die Ver­lier­er des Ausle­se­prozess­es kön­nen nur über den Umweg der zwis­chen­zeitlichen Beruf­stätigkeit oder über die rund 1300 pri­vat­en Hochschulen den späteren beru­flichen Auf­stieg schul­tern. Diese Hochschulen genießen zum Teil dur­chaus einen guten Ruf. So haben die “Finan­cial Times” und die “Chi­na Busi­ness Week” die Chi­na Europe Inter­na­tion­al Busi­ness School (CEIBS) in Shang­hai (Part­ner der prvi­at­en WHU Otto Beisheim School of Man­age­ment) her­vor­ra­gend bew­ertet. Allerd­ings sind dort bis zu 20.000 US-$ Stu­di­enge­bühren für einen MBA-Stu­di­en­gang zu bezahlen. Die CEIBS hat daher vor allem Stu­den­ten, die bere­its über ein gutes Jahre­seinkom­men ver­fügten und nach dem 3‑semstrigen Regel­studi­um das Gehalt ver­fünf­fachen können.

Den­noch ist es eng gewor­den, auf dem chi­ne­sis­chen Arbeits­markt. Die vie­len Hochschulen und Uni­ver­sitäten, die Inge­nieure aus­bilden, kom­men mit der Nach­frage nicht mehr mit, zumal die meis­ten Absol­ven­ten dem boomenden Baubere­ich ange­hören. Chi­na hat enor­men Bedarf an Bauin­ge­nieuren — aber auch an allen anderen inge­nieurtech­nis­chen Wis­senschaften. Obwohl sich die meis­ten chi­ne­sis­chen Uni­ver­sitäten vor allem als Tech­nis­che Hochschulen ver­ste­hen, fehlt es an allen Eck­en und Enden an qual­i­fizierten Fachin­ge­nieuren. Die Eli­te­u­ni­ver­sitäten in Bejing und Shang­hai kön­nen nur einen gerin­gen Anteil des Bedarfs abdeck­en, die meis­ten anderen Hochschulen kön­nen derzeit mit dem Spitzen­stand der Weltwirtschaft noch nicht mithal­ten — und Hongkong hat sich vor allem auf die Wirtschaftswis­senschaften und die Man­ager­aus­bil­dung konzen­tri­ert. Die meis­ten Absol­ven­ten von chi­ne­sis­chen Hochschulen kön­nten daher nach west­lichen Maßstäben nicht als Wis­senschaftler gew­ertet wer­den. Im Jahre 2006 waren von den 600.000 chi­ne­sis­chen Inge­nieuren nur etwas über 1/4 auf dem inter­na­tion­al üblichen Ken­nt­nis- und Wis­sens­stand. Beim Rest han­delt es sich um the­o­retisch gebildete Fachar­beit­er und ‑inge­nieure, denen aber die Prax­is der in Europa bete­hen­den berufs­bilden­den Schulen (“duales Sys­tem”) fehlt. “Selb­st die Lehrer, die an den beru­flichen Mit­telschulen Prax­is lehren sollen, haben oft selb­st nie prak­tisch gear­beit­et” zitiert die FTD die Geschäfts­führerin der deutschen Außen­han­del­skam­mer (AHK) Peking, Jut­ta Lud­wig. Obwohl der Hochschu­la­b­schluss daher nicht mehr die Garantie für eine lukra­tive Stel­len­zuweisung ist — etwa 1/3 der Absol­ven­ten der Pekinger Nor­mal-Uni­ver­sitöt waren noch acht Monate nach dem Exa­m­en von 2006 auf Arbeitssuche (und das entspricht dem lan­desweit­em Schnitt) — sind Fachkräfte knapp gewor­den. Die “Head­hunter” der in Chi­na agieren­den Welt­fir­men kooperieren deshalb mit den chi­ne­sis­chen Hochschulen, um die Her­aus­bil­dung der dort benötigten und raren Fachkräfte zu forcieren, während die chi­ne­sis­chen Uni­ver­sitäten entsprechende Part­ner­schaften mit west­lichen Hochschulen eingehen.

Rund neun­zig Prozent der Absol­ven­ten eine Beruf­shochschule find­en inner­halb eines Jahres einen ansprechen­den Job. Fachar­beit­er und Fachin­ge­nieure kön­nen die Gehäl­ter in die Höhe treiben — und haben inzwis­chen eine Kaufkraft, die den Ver­gle­ich mit dem West­en nicht zu scheuen braucht. Die Regierung will daher bis 2010 etwa 1,7 Mrd. $ in die Qual­i­fizierung der Bevölkerung investieren, damit sollen rund 100 Beruf­ss­chulen gegrün­det und 36 Mil­lio­nen Fachar­beit­er aus­ge­bildet wer­den. Dabei sollen auch Fir­men bezuschusst wer­den, die ihren Mitar­beit­ern entsprechende Fort- und Weit­er­bil­dun­gen ermöglichen. Siemens und andere Weltkonz­erne haben inzwis­chen eigene Train­ings­cen­ter gegrün­det, um den nöti­gen Nach­wuchs an qual­i­fizierten ein­heimis­chen Kräften zu bilden. Kleinere Unternehmen arbeit­en dage­gen oft mit örtlichen Beruf­ss­chulen zusam­men oder engagieren Train­er für beru­fliche Qualifikationsmaßnahmen.

Eigenes Investi­tion­skap­i­tal:
Zu den Investi­tio­nen aus­ländis­ch­er Iner­essen­ten kommt inzwis­chen die Möglichkeit, chi­ne­sis­ches Kap­i­tal abzuschöpfen. Dabei kommt Chi­nas Regierung die staatliche Bewirtschaf­tung der gewalti­gen Devisen­re­ser­ven des Lan­des zu Gute. Aus diesen gefüll­ten Töpfen kön­nen strate­gis­che Investi­tion des Lan­des mit finanziert werden.

Auch die durch das Wirtschaftswach­s­tum wohlhabend gewor­de­nen Chi­ne­sen — immer­hin bere­its 1/3 der chi­ne­sis­chen Mil­liar­den­bevölkerung — brin­gen rund 40 % ihres Einkom­mens zur Bank — als Vor­sorge für Krankheit, Arbeit­slosigkeit und das Alter sowie für die Aus­bil­dung des (meist einzi­gen) Kindes. Diese Erspar­nisse sollen nun schon seit Jahren durch immer neue Aktienem­mis­sio­nen abgeschöpft und damit zur Eigenkap­i­ta­lauf­s­tock­ung der chi­ne­sis­chen Unternehmen genutzt wer­den. Mil­liar­den­schwere Neuem­mis­sion — das ist fast ein Syn­onym für die neue Börse in Shang­hai geworden. 

Der chi­ne­sis­che Chipher­steller Semi­con­duc­tor Man­u­fac­tor­ing Inter­na­tion­al (SMIC) hat bei einem Börsen­gang rund 1,4 Mil­liar­den Euro erzielt, was eine Ver­dreifachung der Kapaz­itäten erlauben würde. Die Chi­na Rail­way Group — im Dezem­ber 2008 zuerst in Shang­hai und dann in Hongkong an die Börse gegan­gen — hat auf dem chi­ne­sis­chen Fes­t­land hat die Chi­na Rail­way Group mit 3,383 Bil­lio­nen Yuan (354 Mil­liar­den Euro) einen Zeich­nungsreko­rd geschafft. Der Börsen­gang dieses Anla­gen­bauers prof­i­tierte vor allem von den gigan­tis­chen Investi­tionsvorhaben, die Chi­na im Bere­ich des Eisen­bah­n­we­sens vor hat. Nach der Fün­f­jahre­s­pla­nung wird Chi­na von 2006 bis 2010 ins­ge­samt über 115 Mil­liar­den Euro in den Eisen­bah­nauf­bau investieren und 17.000 Kilo­me­ter neue Eisen­bahn­lin­ien bauen. Chi­na Rail­way Group dürfte zu einem Großteil mit der Aus­führung dieser Baupro­jek­te betraut wer­den.
Allerd­ings ist die Bere­itschaft der Chi­ne­sen, sich an der Börse zu engagieren, nicht unbe­gren­zt. Als im August 2006 die größte Flugge­sellschaft des Lan­des — Air Chi­na — den Börsen­gang antrat, fiel der Kurs der Aktie kurzzeit­ig sog­ar unter den Aus­gabepre­os — und das, obwohl Air Chi­na (als einzige der drei großen chi­ne­sis­chen Flugge­sellschaften) im Jahr vor dem Börsen­gangeinen Gewinn erwirtschaftete. Der noch schwache Aktienen­markt Chi­nas, so scheint es im Som­mer 2006, ist zunächst erst ein­mal gesättigt.

Die neue Devise: nach­haltiges Wach­s­tum:
Das Wach­s­tum der Wirtschaft ging bis etwa 2005 zu einem großen Teil auf Kosten der Umwelt. Wer Bilder aus chi­ne­sis­chen Großstädten anschaut — nicht nur aus dem zunehmend von Sand­stür­men geplagten Peking — wird sich immer wieder über die Farbe des Him­mels wun­dern. Ein schmutziges graugelb verdüstert den Him­mel. Gift­skan­dale in der Mand­schurei haben im Win­ter 2005/2006 auch die rus­sis­chen Nach­barn aufgerüt­telt, weil die Flüsse die giftige Fracht in den Zuflüssen des Amur bis in die rus­sis­chen Fis­cherdör­fer getra­gen haben. Die Umweltver­schmutzung wird von Fach­leuen auf einen Kosten­fak­tor von jährlich 200 Mrd. $ geschätzt. Wenn Chi­na in gle­ichem Maße wächst wie in der Ver­gan­gen­heit, wird nicht nur Nor­dameri­ka als größter CO² Ver­bre­it­er der Erde über­run­det, Chi­na nimmt sich die Atem­luft und das Trinkwass­er, Chi­na ver­nichtet seine land­wirtschaftlichen Ack­er- und Wei­dege­bi­ete, Chi­na bringt sich selb­st um die eigene Zukunft. 

Das hat auch die chi­ne­sis­che Regierung erkan­nt und propagiert sei­ther ver­stärkt den Umweltschutz. Der Gelbe Fluß — an der Mün­dung zum Meer nur noch ein flach­es Rinnsal — soll von den Quellen her neu revi­tal­isiert wer­den. Ein gewaltiges Auf­forstung­spro­gramm wurde ins Leben gerufen, ver­al­tete Fab­riken etwa in der Stahlerzeu­gung sollen still­gelegt wer­den. Dabei ist auch die Ver­feuerung von Kohle — der wichtig­ste Energieliefer­ant Chi­nas — in die Kri­tik geraten.

Extern­er Link: Nach­haltigkeit wird beim Wirtschaftswach­s­tum her­vorge­hoben — (www.china.org)