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“Willst Du das Land verlassen, lerne Englisch — willst Du bleiben, lerne Chinesisch”
(Aussage eines kasachischen Eisenbahners im SPIEGEL vom 04.10.2010)
Sicherheitspolitik zwischen Russland, Europa, China und Re-Islamierung:
Die kasachische Sicherheitspolitik kann als Balanceakt zwischen Souveränitätsbehauptung, dem Versuch, möglichst viele ausländische Mächte am kaspischen Raum zu interessieren, und einem pragmatischen Umgang mit den aus Sowjetzeiten übernommenen Sachzwängen bezeichnet werden.
In Zentralasien ist die wirtschaftliche und sicherheitspolitische Zusammenarbeit Russlands mit Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan (noch) relativ eng. Die 7.500 km lange Grenze kann gegen Schmuggler und illegale Migranten nur gemeinsam gesichert werden. Nasarbajew — der kasachise Präsident — und die Elite des neuen Staates ist zugleich in den Zeiten der Sowjetunion groß geworden — und hat daher auch aus der eigenen Vita enge persönliche Beziehungen zum russischen Nachbarn. Die (temporäre) Stationierung von US-Truppen in Zentralasien wird von Moskau als Beitrag zum Kampf gegen den Terrorismus (noch) akzeptiert. Im Zuge des „Kriegs gegen den Terror“ hatten die USA begonnen, ihren Einfluss in Zentralasien zu stärken. Auch Kasachstan hat sich nach dem 11. September 2001 klar auf die Seite der Anti-Terror-Allianz gestellt und Hilfestellung in Form von Überflugs-, Lande- und Stationierungsrechten angeboten, wobei letzteres nicht genutzt wurde. Vor diesem Hintergrund haben die kasachisch-amerikanischen Beziehungen, die durch die Präsenz großer US-Ölfirmen und durch gemeinsame strategische Interessen (Terrorismus, Drogen, stärkere Unabhängigkeit von Russland) geprägt sind, weiter an Intensität gewonnen. Die amerikanische Präsenz in Zentralasien wird von der Regierung grundsätzlich als Gegengewicht zu Russland und vor allem China begrüßt.
Inzwischen deuten viele Signale darauf hin, dass sich die USA im zentralasiatischen, türksprachigen Erdölgürtel nicht nur temporäre Basen sichern wollen. Die von Russland angestrebte engere sicherheitspolitische Zusammenarbeit Russlands mit Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan (in eingeschränkter Form auch Usbekistan) ist durch die Stationierung amerikanischer Truppen in den Hintergrund getreten. In Zusammenhang mit einer Änderung in der Führungsstruktur der US-amerikanischen Truppen schrieb der anerkannte Spezialist Michael T. Klare in der Mai/Juni-Ausgabe des Magazins Foreign Affairs unter dem Titel “Die neue Geografie des Konflikts”: “Im Oktober 1999 verlegte das Verteidigungsministerium im Rahmen einer außergewöhnlichen Umstrukturierung der bewaffneten amerikanischen Kräfte in Zentralasien das Oberkommando für diese Region vom pazifischen Raum auf das Zentrale Oberkommando. Diese Entscheidung rief keine einzige Schlagzeile in der Presse hervor, niemanden in den USA interessierte es, und doch bedeutet sie einen wichtigen Wechsel der strategischen Orientierung der USA. Lange Zeit war Zentralasien als ein Gebiet betrachtet worden, um das man sich mehr am Rande Gedanken zu machen hatte; für das pazifische Oberkommando waren China, Japan und die koreanische Halbinsel wichtig, Zentralasien war ein angrenzendes Gebiet von sekundärer Bedeutung. Doch diese Region, die sich vom Uralgebirge bis an die Westgrenze Chinas erstreckt, hat aufgrund der großen Reserven an Erdöl und Erdgas unter dem Kaspischen Meer und im Gebiet um dieses Meer herum große strategische Bedeutung erlangt. Zieht man in Betracht, dass das zentrale Oberkommando schon heute die Truppen im Persischen Golf kontrolliert, so wird deutlich, dass die zusätzliche Kontrolle über Zentralasien der Region zukünftig anhaltende Aufmerksamkeit zuteil werden lassen wird von Seiten derjenigen, die es als ihre Hauptaufgabe sehen, den Fluss des Öls in die USA und zu deren Verbündeten sicher zu stellen. Hinter der strategischen Veränderung verbirgt sich, dass dem Schutz und der Ausbeutung der vitalen Ressourcen, vor allem von Erdöl und Erdgas, nun eine deutlich höhere Bedeutung zugemessen wird.“
Gerade das Kaspische Meer hat sich – wohl weniger wegen seiner Störe als vielmehr der dort befindlichen Erdölreserven – zu einem der schillerndsten Konfliktgebiete entwickelt, an dem auch die USA als (welt)größter Verbraucher von Erdölprodukten ein vitales Interesse haben.
SCO — Shanghai Cooperations Organisation: kommt China?
Kasachstan ist Mitglied der SCO, in der China und Russland um Einfluss in Zentralasien ringen. Die Organisation entwickelt sich von einer Wirtschaftsgruppe zusehends zu einem militärischen Bündnis, das mit gemeinsamen Operationen der Vertragspartner zur “Abwehr von Terrorismus” auch erhebliche operative Fähigkeiten gewinnt.
Es dürfte kaum ein Zweifel bestehen, dass China schon aufgrund seiner wirtschaftlichen Stärke in der Organisation zunehmender “Führungspartner” wird.
Nach einem SPIEGEL-Bericht (04.10.2010) soll es Diskussionen im Land geben, einer halben Million chinesischer Migranten Siedlungsflächen in den menschenleeren Steppen Kasachstans zu überlassen. Chinesische Staatsbürger würde damit wieder in eine Region zurückkehren, die in Folge der “ungleichen Verträge” in der Mitte des 19. Jahrhunderts an Russland verloren gegangen waren.
Interner Link — Diskutieren Sie mit: Shanghaier Kooperationsorganisation
Externer Link:
Eurasisches Magazin: Auf dem eurasischen Energie-Schachbrett sind Kasachstan und Russland Rivalen