Weltraumbahnhof Baikonur:
Gleichzeitig mit den Atomversuchen errichteten die Sowjetführer in der kasachische Wüstensteppe das russische „Tor zum Weltraum“. BAIKONUR, der russische Startkomplex, liegt auf kasachischem Boden.
Kein Wunder also, dass Kasachstan für den Weiterbetrieb des russischen Weltraumbahnhofs und die Verlängerung des Pachtvertrages harte Forderungen stellt. Inzwischen erlebt Baikonur – wie „DIE WELT“ am 31. Mai 2003 berichtete – eine Renaissance; Russland ist auf die Nutzung der Basis angewiesen, und Kasachstan versucht immer mehr vom know-how der Russen zu profitieren und selbst in die „Zukunftstechnologie Weltraum“ einzusteigen.
Die Weltraumindustrie ist von Nasarbajew, dem uneingeschränkt regierenden Präsidenten des Staates, zu einer Schlüsselindustrie erklärt worden, und im Juni 2006 konnte der erste kasachische Satellit KazSat‑1, noch mit einer russischen Trägerrakete — gestartet werden. Die Ziele der Kasachen sind ehrgeizig. So werden gleichzeitig mit der Entwicklung eigener Satelliten auch bereits kasachische Kosmonauten in russischen Camps ausgebildet.
Kasachstan hat sich aber auch sonst zu einem “Exportland” entwickelt. China erwarb ein kasachisches Stahlwerk, das nach China transferiert wurde — und nun in China Stahl für den kasachischen Markt erzeugt.
Begehrter Absatzmarkt:
Die Erdöleinnahmen des Landes locken: seit 1994 ist der deutsche SIEMENS-Konzern mit Projekten insbesondere auf dem Energie- und Telekommunikationssmarkt aktiv, was dem Konzern inzwischen einen Umsatz von etwa 100 Millionen Euro bringt.
Deutschland — als „Wunschpartner“ der Kasachen — hat denn auch bei der Hannover-Messe Ende April 2004 einen „Wirtschaftstag Kasachstan“ ausgerichtet, um die Erfahrungen des Konzerns zu nutzen und gleichzeitig andere Investoren zum Engagement in dem Land zu ermuntern, das — nach Aussage der SIEMENS-Manager — erfolgreiche Wirtschaftsreformen durchgeführt hat und über ein „gut dastehendes Bankenwesen“ verfüge.
Deutschland, das fast alle 2 Millionen Deutsche des Landes aufgenommen hat, hätte auch personelle Ressourcen und Menschen mit entsprechendem „know how“ der örtlichen Gegebenheiten, die solchen Wirtschaftskontakten den Weg bereiten könnten.
Allerdings hat die wirtschaftliche Umstrukturierung nach der Auflösung der UdSSR – Kasachstan musste nicht nur die Abkehr von der Planwirtschaft, sondern auch die Auflösung seiner bisherigen auf den Warschauer Pakt hin orientierten Wirtschaftsbeziehungen verkraften – wie in den anderen Nachfolgestaaten auch zu erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten geführt. In Kasachstan ging das Bruttoinlandsprodukt von 1990 bis 1995 um 56 Prozent zurück. Trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist die soziale Lage in Kasachstan relativ ruhig. Ausnahmen bilden einzelne Demonstrationen in gewissen Landesgegenden wegen unbezahlter Renten und Löhne. Die Regierung garantiert eine gewisse soziale und politische Stabilität und bremst eine Zunahme des islamischen Fundamentalismus und der ethnischen Konfrontationen (insbesondere zwischen Kasachen und Russen). So hat Kasachstans Präsident Nasarbajew für den 1. Juli 2005 eine Erhöhung der Renten um 23 % versprochen — auch, um der vereinigten politischen Opposition des Landes (“Für ein gerechtes Kasachstan”, im März 2005 unter Einbeziehung aller wesentlichen Oppositionsgruppen gebildet) den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Diese Stabilität ist im Wesentlichen den Erdöleinnahmen zu verdanken, die zunehmend von weltwirtschaftlicher Bedeutung werden.
Ob das Geld aus den enormen Bodenschätzen allerdings tatsächlich überwiegend der Bevölkerung zu gute kommt, wird vielfach bezweifelt. Die Einkünfte sollen — so wird gesagt — “überwiegend dem Staatschef und seinem Familienclan” zugute kommen (Süddeutsche Zeitung, 10.04.2005).
Kasachstan wird auf der von Transparency International geführten “Korruptionsliste” auf Platz 122 geführt — in enger Nachbarschaft zu Turkmenistan (Platz 133) und nur knapp nach Usbekistan (Platz 114), die damit nicht nur geographisch zu den Nachbarländern zählen.
Autoritäres Regime:
Die Politik der kasachischen Regierung hat dazu geführt, dass sich das Land so stabil entwickelt hat wie kaum ein anderer Nachfolgestaat der Sowjetunion. Kasachstans Präsident Nasarbajew hat bereits seit 1989 — damals als Generalsekretär der kommunisitischen Partei Kasachstans — die Geschicke der Region mitbestimmt. Anlässlich des Zerfalls der Sowjetunion gelang es ihm, die Führung der unabhängig gewordenen Republik zu behalten. Nasarbajew hat eine eher zurückhaltende Vita, was demokratische Gedanken betrifft.
Er führt ein zunehmend autoritäres Regime, das von Menschenrechtlern zunehmend als „fragwürdig stabil“ bezeichnet wird. Die Regierung würde „zunehmend demokratische Freiheiten aushöhlen, um die beträchtliche Privatkontrolle über die Bodenschätze des Landes zu verbergen.“ Kritische Journalisten geraten da leicht ins Visier der Staatsmacht. So wurde der bekannte Journalist Sergej Duranow (Lieblingsthemen: Menschenrechte und „Kazachgate“) einen Tag vor einer geplanten USA-Reise verhaftet und in einem — als höchst fragwürdig bezeichneten — Prozess zu 3 ½ Jahren Haft verurteilt.
Kasachstan wirkt als „Scheindemokratie“. Während die Tochter des Präsidenten eine eigene Partei führt („Asar“ „ . alle zusammen) hat echte Opposition keine Chancen, sich zu artikulieren. So musste der ehemalige Regierungschef Akeschan Kaschegeldin — von 1994 an drei Jahre als Ministerpräsident für die Wirtschaftsentwicklung verantwortlich — ins Ausland emigrieren, als er plante, sich selbst für das Amt des Präsidenten zur Wahl zu stellen.
Immerhin — die Opposition verfügt über mehrere Zeitungen, in denen Kritik an der Regierung geübt werden darf.
Die Macht des Präsidenten erkennt man an einem ganz einfachen Faktum: nur einem unumschränkten Herrscher kann es gelingen, die Verlegung einer Hauptstadt (aus dem südlichen Altmaty) in die kalte Steppe Nordkasachstan (nach Astana) im Alleingang durchzusetzen. Mitte der 90er-Jahre war die Stadt unter dem Namen Aqmola noch ein verschlafenes Steppenstädtchen. 1997 gelang Nasarbajew dieser Coup, der nicht nur die Umbenennung des Ortes (“Astana” heißt “Hauptstadt”) sondern bis 2010 Investitionen in Höhe von umgerechnet zehn Milliarden Dollar nach sich zog. Wolkenkratzer und Prachtboulevards für die 700.000-Einwohner (Stand 2010) sind genauso entstanden wie die “Nur-Astana” Moschee, die Nasarbajew (den Gorbatschow noch kurz vor dem Zerfall der UdSSR zu seinem Vize machen wollte) für 5.000 Gläubige aus dem Boden stampfen lies.
Externer Link:
Eurasisches Magazin: “Nasarbajew – Der „Führer“ mit dem goldenen Handschlag”
Neue Hauptstadt — Astana:
Die Idee klingt utopisch — ist aber bereits in Südamerika (Brasilia) und der Türkei (Ankara) mit Erfolg vorexerziert worden, und auch Zar Peter der Große hat sich im 18. Jahrhundert mit St. Petersburg anstelle von Moskau ein solches “Experiment” geleistet. Abseites der bisherigen Zentren und Metropolen — in Kasachstan war das Almaty, eine Stadt in angenehm gemäßigten Klima an der alten Seidenstraße — wird “in der Öde” eine neue Hauptstadt “aus dem Boden gestampft”. Der atuoritäre Staatschef Nasarbajew traf diese einsame Entscheidung, und das kalte und windige Aqmola — rund tausend Kilometer nördlich des bisherigen Zentrums gelegen, eine ehemalige Zarenfestung und späterer sowjetische Eisenbahnknoten (“Tselinograd”) — wurde zu einem der prunkvollsten Städte der Neuzeit.
Kritiker sehen in der Wahl ein Zeichen gegen russische Gebietsansprüche, denn der Norden Kasachstans wurde seit der Zarenzeit von russischen Siedlern kolonisiert. Und die kasachische Sprache ist dann auch eines der Hauptkritierien für eine Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung des Landes. So gelang es Nasarbajew, die kasachische Bevölkerung der Region innerhalb eines Jahrzehntes zu verdoppeln.
Gigantismus ist eines der Leitbilder, die diese Stadt zu prägen scheinen. Das Emirat Katar am Golf hat eine Moschee für 7.000 Gläubige spendiert, und international renommierte Architekten wie Norman Forster trugen mit ihren Repräsentationsbauten entscheidend zum neuen Gesicht der Stadt bei.
Auf den Aussenstehenden wirkt Astana wie eine bunt schillernde Seifenblase. Dazu trägt erst einmal die in der Farbe ständig wechselnde Beleuchtung der Regierungsgebäude bei, der in purpur beleuchtete Freizeittempel Khan Shaty, oder die in blau, rot oder grün angestralten Wolkenkratzer. Vielleicht ist dieser Eindruck aber auch unbewusst — denn mit dem Erdölboom könnte irgendwann einmal auch die wirtschaftliche Entwicklung des Landes platzen wie eine Seifenblase.