Arabisches Niltal — Sudan


Sudan

Die Nil­sümpfe — der Süd­su­dan:
Das Vor­drin­gen der ara­bis­chen Reit­er­milizen endete an ein­er Gren­ze, die von der Natur gezo­gen wurde. In den Sümpfen des Nils kon­nten die Reit­er­milize ihre über­legene bewegliche Kriegs­führung nicht mehr ent­fal­ten — und die Tse Tse Fliege tat ein Übriges, um die Pferde der Reit­er zu dez­imieren.
Mit zunehmender Aus­bre­itung der Wüste und Step­penge­bi­ete nach Süden set­zt sich nun das seit Jahrhun­derten fest­stell­bare Vor­drin­gen ara­bis­ch­er Reit­er­milizen fort.  Die Tagess­chau berichtete darüber:
Kon­flik­te seit einem hal­ben Jahrhun­dert — (www.tagesschau.de)
“Seit der Unab­hängigkeit 1956 wer­den auf dem Ter­ri­to­ri­um des Sudan Kon­flik­te gewalt­sam aus­ge­tra­gen, mal mehr und mal weniger inten­siv. Nur zwis­chen 1972 und 1983 gab es eine Phase rel­a­tiv­er Ruhe. Über die Zahl der Opfer existieren nur grobe Schätzun­gen. Seit 1983 sollen mehr als zwei Mil­lio­nen Men­schen im Krieg oder an dessen direk­ten Fol­gen gestor­ben sein. Hinzu kommt das ungewisse Schick­sal von mehr als vier Mil­lio­nen ver­triebe­nen und ent­führten Sudane­sen sowie das von Hun­dert­tausenden von Flüchtlin­gen, die im Sudan Zuflucht vor Kriegen in den Nach­barstaat­en sucht­en. Zwei Kon­stan­ten prägten den Kon­flik­tver­lauf. Seit fast 50 Jahren wird das Geschehen maßge­blich vom Antag­o­nis­mus zwis­chen den Regierungseliten des ara­bisch-islamis­chen Nor­dens und Unab­hängigkeit­skämpfern des afrikanis­chen, christlich-ani­mistis­chen Südens bes­timmt. Seit min­destens 30 Jahren gibt es zudem Wech­sel­wirkun­gen mit den Kriegen in den Nach­barstaat­en: Äthiopi­en und später auch Eritrea, Tschad, Ugan­da, Zaire (Demokratis­che Repub­lik Kon­go) und der Zen­tralafrikanis­chen Repub­lik. Die unwegsamen Gren­zge­bi­ete vor allem im Süd­su­dan waren ide­ale Rück­zug­sorte für aus­ländis­che Wider­stands­grup­pen. Das Regime in Khar­toum gewährte ihnen Zuflucht und erhoffte sich davon die andauernde Desta­bil­isierung der Nach­barstaat­en sowie Unter­stützung bei der Bekämp­fung der süd­su­dane­sis­chen Wider­stand­skämpfer. Natür­lich ver­fuhren die Nach­barstaat­en ähn­lich.

Kleine Chance auf Frieden

Auf­grund verän­dert­er poli­tis­ch­er Rah­menbe­din­gun­gen kön­nte eine dauer­hafte Befriedung des Sudans möglich wer­den. Seit 1994 bemüht­en sich Vertreter afrikanis­ch­er Staat­en im Rah­men der IGAD (Inter­gov­ern­men­tal Agency on Devel­op­ment) sowie inter­na­tionale Ver­mit­tler um eine Lösung. Im Juli 2002 wurde ein erster wichtiger Durch­bruch erzielt. Präsi­dent Omar Has­san al-Bashir erk­lärte sich bere­it, die Süd­su­dane­sis­chen Befreiungsarmee und ‑bewe­gung (SPLA/M) an der Regierung zu beteili­gen und nicht in die poli­tis­che Admin­is­tra­tion in den Süd­prov­inzen einzu­greifen. Für das Jahr 2008 wurde ein Ref­er­en­dum in den Süd­prov­inzen in Aus­sicht gestellt. Außer­dem wurde vere­in­bart, die Anfang der 1980er im Sudan einge­führte Scharia nur im Nor­den anzuwen­den. Für den vor­wiegend christlich-ani­mistis­chen Süd­su­dan war dies und die Zusicherung der Reli­gions­frei­heit eine Vorbe­din­gung.
Eine Annäherung der bei­den größten Kon­flik­t­parteien würde einen gewalti­gen Fortschritt für die Lebens­be­din­gun­gen im Süd­su­dan bedeuten. Doch noch sitzen die Wun­den und das Mis­strauen tief. Die organ­isierte Ver­schlep­pung und Ver­sklavung von Nicht-Moslems in den Nor­den, die Aushungerung ganz­er Land­striche und die “Poli­tik der ver­bran­nten Erde” durch regime­treue Milizen kön­nen im Süd­su­dan nicht über Nacht vergessen wer­den. Anfang 2004 kon­nte erneut beobachtet wer­den, wie schnell eine Eskala­tion der Kon­flik­te in Nord-Ugan­da und im Osten des Tschad ihre Kreise im Sudan zieht.

Stre­it über Ressourcen
Ein zen­trales Prob­lem bleibt nach wie vor auch die Kon­trolle über die Erdölvorkom­men, vor allem der Prov­inz West­ern Upper Nile. Sie sind die größte einzelne Devisenein­nah­me­quelle des Sudans. Dort find­en die inten­sivsten Kämpfe statt. Noch ist das Regime nicht bere­it, die von den inter­na­tionalen Ver­mit­tlern vorgeschla­gene 50:50-Aufteilung zu akzep­tieren.
Hinzu kommt der vielle­icht größte ungelöste Prob­lemkom­plex: die prekäre Nahrungsmit­telver­sorgung und die Boden­nutzungsrechte. In den nördlichen Prov­inzen und ent­lang des Nils wur­den die ara­bis­chen Nomaden durch die mech­a­nisierte Land­wirtschaft ver­trieben. Das Regime rekru­tierte aus ihnen die Milizen und bot ihnen das Land süd­su­dane­sis­ch­er Bauern an. Die SPLA/M wiederum bewaffnete die Bauern. Vor allem dort wo Wüste und Steppe auf frucht­bare Hügel und Wald tre­f­fen, ist daraus längst ein “Jed­er gegen Jeden” gewor­den. Der seit 1996 eskalierende Kon­flikt in den Regio­nen Dar­fur und Bahr-el-Ghaz­al verdeut­licht diese Brisanz. Der in Dar­fur gerät jet­zt ins Zen­trum der Aufmerk­samkeit.”

Beobachter der Friedens­ge­spräche zwis­chen der islamis­chen Regierung in Khar­tum und den christlichen Schwarzafrikanis­chen Rebellen des Süden befürcht­en, dass die Friedens­ge­spräche im Süd­su­dan durch den weit­eren Kon­flikt im West­en des Sudans erhe­blich belastet wer­den. Derzeit ist allerd­ings vorge­se­hen, dass — auch bei ein­er Abtren­nung des Süd­su­dan, über die im Jahre 2010 abges­timmt wer­den soll — die Ein­nah­men aus den Erdöl­res­sourcen (immer­hin fast 80 Prozent der Erlöse) “brüder­lich geteilt” wer­den. Ein Stre­it über die Ressourcen (die nur in einem friedlichen Land aus­ge­beutet wer­den kön­nen) wäre nicht mehr erforder­lich, wenn sich bei­de Seit­en an dieses Abkom­men hal­ten. Inzwis­chen hat das seit 2002 beste­hende Friedens­abkom­men nach über zwanzigjährigem unun­ter­broch­enen Bürg­erkrieg (1983) zu ein­er län­geren Zeit der Ruhe — und der Hoff­nung geführt. Sicht­baren Aus­druck dieser Hoff­nung ist der Plan, eine 4.200 km lan­gen, rund 3 Mrd. Euro teure Eisen­bahn­strecke von den süd­su­dane­sis­chen Ölfeldern über Rum­bek, der ehe­ma­li­gen Haupt­stadt im Süd­su­dan (100.000 Ein­wohn­er) bis in die Nach­bar­län­der Kenia und Ugande zu ver­legen — mit Anschluss nach Nairo­bi und Mom­bas­sa, dem keni­an­is­chen Hafen am Indis­chen Ozean. Arab­siche Inve­storen sollen, so heißt es, einen Kred­it von 5 Mrd. € in Aus­sicht gestellt, der mit Rohöl zurück gezahlt wer­den soll. Damit wird der Süd­su­dan, der bish­er nur durch Flugzeuge — und (nur) in der Trocken­zeit befahrbare Sand­pis­ten erre­ich­bar ist — am das inter­na­tionale Verkehrsnetz angeschlossen wer­den. Boden­schätze wie Erze (Gold) und Öl, aber auch Teakholz sollen hier (und nicht über den Umweg des ara­bis­chen Nor­dens) exportiert wer­den und dem Süd­su­dan zu ein­er vom Nor­den unab­hängi­gen Leben­sad­er ver­helfen. Ein deutsches Kon­sor­tium unter Beteili­gung von Thyssen-Krupp (Gleisan­la­gen), Siemens und Deutsche Bahn (Signal­tech­nik und Per­son­alser­vice) sowie dem Mit­tel­stand­sun­ternehmen Thor­mählen Schweißtech­nik GmbH (zehn Teil­fir­men mit 400 Mitar­beit­ern) bemüht sich um diesen lukra­tiv­en Auf­trag. Thor­mählen bringt dabei nicht nur jahrzehn­te­lange Erfahrung (so beim Bau von deutschen ICE-Streck­en) son­dern auch per­sön­liche Kon­tak­te Per­son­li­hck­eit­en vom Stamm der Din­ka und das Ver­sprechen mit, ehe­ma­lige Sol­dat­en zu Fachkräften auszu­bilden — min­destens 85 Prozent der Mitar­beit­er sollen aus der ein­heimis­chen Bevölkerung gewon­nen wer­den.
Auch Chi­na, das sich von der Zen­tral­regierung bere­its die Öllizen­zen für nördlich­er gele­gene Felder gesichert hat und mit der Tansa­nia-Sam­bia Bahn ein ehrgeiziges Vorzeige­pro­jekt ver­wirk­lichen kon­nte, hat mit dem Unternehmen COVEC (Erd­bauar­beit­en) eben­falls Inter­esse, dieses Pro­jekt durchzuführen.Allerdings ist der Frieden betro­ht. Wie die Finan­cial Times Deutsch­land (FTD) in ihrer Aus­gabe vom 7.12.2006 berichtet, find­en inzwis­chen wieder heftige Zusam­men­stöße zwis­chen Regierungs­grup­pen und den süd­su­dane­sis­chen Milizen statt. In der Stadt Malakal am Nil — dem nördlichen Ende der großen Ölvorkom­men, die sich nach West­en ent­lang des Bahr al-Ghaz­al bis in das Gren­zge­bi­et zur Zen­tralasi­atis­chen Repub­lik und dem Tschad erstreck­en — seien bere­its mehrere Hun­dert Men­schen zu Tode gekommen.

Den­noch — im Jahr 2006 hat die sudane­sis­che Zen­tral­regierung mehr als eine Mil­liarde Dol­lar aus den Ölein­nah­men in den Süden über­wiesen. Die Zen­tral­regierung erfüllt damit eine Teil des Friedens­abkom­mens vom Jan­u­ar 2005 mit den SPLM-Rebellen des Südens, wonach Macht und Öl aufgeteilt wer­den sollen.