Arabische Halbinsel — Ölemirate — Golfkooperationsrat (Einführung)

Wirtschaft:
Interne wirtschaftliche Koop­er­a­tion:
1982 wurde im Rah­men des Uni­fied Eco­nom­ic Agree­ment der Waren­verkehr lib­er­al­isiert. Im Jahre 2007 wick­el­ten die Mit­gliedsstaat­en aber nur 10 % ihres Außen­han­dels untere­inan­der ab. Das ist vor allem der Förderung von Öl- und Gas zu danken, die einen Großteil der Exporte aller Staat­en aus­macht. Den­noch rech­nen Wirtschaft­sex­perten damit, dass der Ware­naus­tausch unter den Mit­gliedsstaat­en inner­halb von 2 Jahren auf etwa 1/4 des Außen­han­delsvol­u­mens gesteigert wer­den kön­nte. Seit 2003 gibt es eine gemein­same Zol­lu­nion mit einem gemein­samen Außen­zoll von 5 % und bis 2010 ist eine gemein­same Währung geplant. Die Chan­cen für eine solche gemein­same Währung sind als aus­ge­sprochen gut zu bew­erten. Die Mit­gliedsstaat­en ver­fü­gen über aus­geze­ich­nete Wirtschafts­dat­en und sta­bile Währun­gen. Der Golf-Währungsraum wäre bei Addi­tion der Wirtschaft­skraft aller Mit­gliedsstaat­en die nach dem Euro­raum zweit­stärk­ste inter­na­tionale Währungsin­te­gra­tion. Die Währungs­fach­leute der ara­bis­chen Staat­en beab­sichti­gen, sich nicht nur bei der Ein­führung am €uro zu ori­en­tieren, son­dern über­legen auch eine feste Bindung mit dem Euro als weit­er­er weltweit­er Leitwährung neben dem US-Dollar. 

Unter­schiedliche poli­tis­che Ziele und eine Rei­he tren­nen­der Fra­gen behin­dern jedoch die Inte­gra­tions­be­mühun­gen. Zudem wer­den in den Staat­en Stahl und Zement — aber auch qual­i­fizierte Arbeit­skräfte knapp. Die Mit­gliedsstaat­en konkur­ri­eren zunehmend um diese für den Aus­bau der Wirtschaft wichti­gen Ressourcen.

Diese Konkur­renz spiegelt sich im Bemühen, über eigene “Börsen­träume” auch eine mod­erne Finanzierungsquelle zu erschließen. Die 2001 eröffnete Börse Sau­di-Ara­bi­ens ver­fügt inzwis­chen über einen Aktien­markt von rund 506 Mio. $ (Stand Juli 2007), und damit über mehr als die Hälfte des am Kap­i­tal­markt gehan­del­ten Mark­twertes der gesamten Region. Die älteren — 1983 bzw. 2000 gegrün­de­ten — Börsen von Kuwait und Abu Dhabi kön­nen jew­eils nur eine Mark­tkap­i­talsierung von rund 100 Mio. $ aufweisen. Dabei ist die Zahl der an der Börse gehan­del­ten Aktienge­sellschaft recht ger­ing — 80 Gesellschaften waren es in Sau­di-Ara­bi­en, über 600 in Kairo und trotz des jahrzehn­te­lang immer neu auf­flack­ern­den Bürg­erkriegs immer­hin noch 16 in Beirut (Stand 2006). Während Dubai an sein­er Börse das Kap­i­tal für inter­na­tionale Beteili­gun­gen beschafft, konzen­tri­eren sich die an der Börse von Abu Dhabi gehan­del­ten Unternehmen auf den eige­nen Staat.

Schw­er­punk­te der Wirtschaft­sen­twick­lung:
Die enorme Wirtschaft­skraft der Staat­en des GCC resul­tiert im Wesentlichen aus den Öl- und Gasvorkom­men der Region, die dementsprechend den Schw­er­punkt der wirschaftlichen Entwick­lung in der Region bilden. Bis 2015 sollen rund 500 Mil­liar­den Dol­lar in den Aus­bau der Öl- und Gas­förderung (vor allem im “leeren Vier­tel” im Inneren der Hal­binsel), der Raf­fine­r­ien und für weit­er ver­ar­bei­t­ende petro­chemis­che Werke investiert wer­den. Das sind aber nicht die einzi­gen Investi­tio­nen der Golf­s­taat­en. Das Gesamtvol­u­men aller laufend­en und geplanten Pro­jkete hat im März 2008 allerd­ings die Schwelle von 2 Bil­lio­nen Dol­lar — und damit die dop­pelte Größe des BSP der sechs Golf­s­taat­en — über­schrit­ten. Etwa ein Vier­tel des Vol­u­mens ent­fällt auf laufende Pro­jek­te, drei Vier­tel dage­gen wer­den bis etwa 2015 zur Umset­zung gelan­gen. Inzwis­chen kom­men 60 % der Investi­tio­nen der Bauin­dus­trie zu Gute — mit Infra­struk­tur­pro­jek­ten, Flug- und See­häfen und dem Immo­bilien­boom wird kräftig in eine Öl- und Gas­freie Zukun­ft investiert. Neue Städte wie Sudair (Sau­di Ara­bi­en) oder Mas­dar City (Abu Dhabi) schießen regel­recht aus dem Boden.

Neben Chi­na und Rus­s­land entwick­elt sich der Mit­tlere Osten zu einem Weltwirtschaft­szen­trum für die petro­chemis­che Indus­trie. Da die Rohstoffe in gewalti­gen Men­gen vorhan­den sind und durch Großan­la­gen wirtschaftlich sin­nvoll ver­ar­beit­et wer­den kön­nen liefern sich Inve­storen aus Europa — in Koop­er­a­tion mit preiswerten Her­stellern aus Asien — einen Wet­t­lauf um Aufträge für den Aus­bau der Fabriken. 

Den Ein­stieg in die Weit­er­ver­ar­beitung ermöglichte in Sau­di-Ara­bi­en der Krieg um Kuwait. Die sein­erzeit gegenüber den USA ent­stande­nen Zahlungsverpflich­tun­gen kon­nten durch eine amerikanis­che Beteili­gung an der petro­chemis­chen Indus­trie umge­wan­delt wer­den, die sich bei Jubai in zwei Indus­triege­bi­eten mit jew­eils 10 km² konzen­tri­ert. Sei­ther wird dieser Wirtschafts­bere­ich kon­se­quent aus­ge­baut. So ist bei Ras Tanu­ra, dem großen Ölver­lade­hafen, ein petro­chemis­ch­er Kom­plex mit einem Investi­tionsvol­u­men von rund 17 Mrd. $ geplant. Ein weit­eres Werk soll in Rabigh am Roten Meer enste­hen (Stand jew­eils 2007). Die Zugangsvo­raus­set­zun­gen für diesen Markt sind allerd­ings streng regle­men­tiert. Sau­di Ara­bi­en ver­langt, dass rund 1/3 der Aktien in Riad aus­gegeben wer­den, und dass die geforderte Ver­ar­beitung mit einem entsprechen­den Tech­nolo­gie-Trans­fer stat­tfind­et. Nach­dem Sau­di Ara­bi­en bere­its die Rohstoffe (Eth­yl­en und Poly­ethylen) her­stellen kann soll in einem weit­eren Schritt die Weit­er­ver­ar­beitung mit der Schaf­fung entsprechen­der Arbeit­splätze für die enorm wach­sende saud­is­che Bevölkerung begonnen werden.

Ein ander­er Schw­er­punkt ist die Entwick­lung der Touris­tik-Indus­trie. Sau­di-Ara­bi­en als Schutz­macht der dem Islam heili­gen Stät­ten hat bere­its seit Jahrhun­derten Erfahrung mit Pil­gern, die zur jährlichen Wall­fahrt, der Had­sch (ara­bisch: حج), in immer größeren Massen an die Heili­gen Stät­ten pilgern.

Die Had­sch und Touris­tik — das ver­langt eine Förderung der Infra­struk­tur. Das Emi­rat Abu Dhabi hat mit sein­er Staats­fir­ma Eti­had Rail das ehrgeizige Ziel, auf der ara­bis­chen Hal­binsel einen entsprechen­den Schienengüter­verkehr aufzubauen. In ein­er Koop­er­a­tion mit DB Schenker (seit Okto­ber 2013) wur­den bis Anfang 2014 gut 160 km unter die Stahlräder genom­men. Mir­fa fungiert dabei als Keimzelle für den Aus­bau des Bahn­net­zes — und dient zugle­ich dem Anler­nen des heimis­chen Per­son­als für das Be- und Ent­laden sowie das Rang­ieren entsprechen­der Güterzüge. In den fol­gen­den 8 Jahren soll das Netz dann auf rund 1.200 km aus­ge­baut wer­den. Eti­had Rail stellt dabei Schienen und rol­len­des Mate­r­i­al, während das Per­son­al zum Betrieb zunächst von der Deutschen Bahn gestellt wird — bis die entsprechen­den heimis­chen Mitar­beit­er aus­ge­bildet sind. 

Die VAR nutzen die verkehrs­gün­stige Lage zwis­chen Europa, Asien und Aus­tralien aus, um zusät­zlich enorme Dien­stleis­tungska­paz­itäten in dieser “weißen Indus­trie” aufzubauen.

Ein weit­er­er Punkt der inter­nen Wirtschaft­sko­op­er­a­tion der ara­bis­chen Golf­s­taat­en ist die atom­are Nutzung. Nach ein­er Mel­dung der Zeitung Al-Rayah aus Doha vom 18. Mai 2007 begin­nen die Golf­s­taat­en mit der Erschließung der Atom­en­ergie für Stromerzeu­gung und Wasser­entsalzung. Die Golf­s­taat­en und die Inter­na­tionale Atom­en­ergie-Organ­i­sa­tion (IAEO) bilde­ten eine gemein­same Arbeits­gruppe, die am 21. und 22. Mai 2007 in Riad erst­mals tagte. Auf der Tage­sor­d­nung stand der Auf­bau eines gemein­samen zivilen Atom­pro­gramms für Sau­di-Ara­bi­en, Bahrain, Katar, Kuwait, Vere­inigte Ara­bis­che Emi­rate und Oman.

Prob­lema­tisch ist die hohe Infla­tion­srate, die in Quatar 15 % und in den VAR knapp 10 % erre­icht. Diese Infla­tion ist nicht nur der Geld­schwemme zu “ver­danken”,  die durch die Gas- und Öler­löse sowie die gewalti­gen Investi­tio­nen in den Staat­en aus­gelöst wird. Wirtschaft­sex­perten machen vor allem auch die schwächel­nde US-Währung in Verbindung mit der starken Dol­lar-Bindung der nationalen Währun­gen als Ursache für die hohen Infla­tion­srat­en aus.

 

Externe Wirtschaft­sko­op­er­a­tion:
Die Staat­en des GCC gehören zu den wichtig­sten “Energieliefer­an­ten” der Welt. Die Öl- und Gasvorkom­men der Region gehören zu den glob­al bedeu­tend­sten Ressourcen dieser Rohstoffe. Daher ist es kein Wun­der, dass ins­beson­dere die USA ihr beson­deres Inter­esse an der Region durch aktives Engage­ment deut­lich machen.

Auch für die Europäis­che Union (EU) ist die GCC-Region von beson­der­er wirtschaftlich­er Bedeu­tung. Der GCC ist der wichtig­ste Han­delspart­ner der Union in der ara­bis­chen Welt. Auf ihn ent­fall­en etwa die Hälfte des gesamten Han­dels mit den ara­bis­chen Staat­en und etwa 4 Prozent der Gesam­taus­fuhr der EU in Drit­tlän­der. Dementsprechend wird seit 18 Jahren (Stand 2007) über ein Frei­han­delsabkom­men zwis­chen der EU und dem GCC ver­han­delt. Das Frei­han­delsabkom­men soll kün­ftig die Grund­lage für eine weit­ere Ver­tiefung der poli­tis­chen Beziehun­gen zwis­chen der EU und den Län­der des Golfko­op­er­a­tionsrats bilden. Die Wirtschaftsmin­is­terin der Vere­inigten Ara­bis­chen Emi­rate (VAE), Sheikha Lub­na Khaled Al-Qas­si­mi, will nach einem Bericht des Eura­sis­chen Mag­a­zins vom Mai 2007 das Abkom­men „noch während der deutschen EU-Rat­spräsi­dentschaft” unterzeichnen.

Extern­er Link:
Eura­sis­ches Mag­a­zin: Frei­han­delsabkom­men mit der EU greif­bar nahe

Auch Chi­na ver­han­delt mit dem GCC über eine Frei­han­del­szone (Quelle: http://at2.mofcom.gov.cn).

Finanzkrise 2008 — 2009:
Der Preis­rutsch für Öl und Gas, der durch den Rück­gang der Nach­frage infolge der glob­alen Finanzkrise aufge­treten ist, trifft auch und ger­ade die GCC-Län­der. Nach 460 Mrd. US-$ Ein­nah­men (2008) wird 2009 wohl nur mehr ein Betrag von rund 260 Mrd. $ in den Kassen klin­geln. Diese sind aber gut gefüllt. Bud­getüber­schüsse aus der Ver­gan­gen­heit haben zu hohen Devisen­re­ser­ven und Rück­la­gen­bil­dun­gen in Staats­fonds geführt. Die Mit­gliederdes GCC wer­den  daher voraus­sichtlich die Krise mit einem “leicht blauen Auge” über­ste­hen. Wie der IWF im Feb­ru­ar schätzt, wird das Wirftschaftswach­s­tum wohl von 6,8 % (2008) auf 3,5 % (2009 Prog­nose) schrumpfen. Die Aus­fälle pri­vater Inve­storen wer­den die staatlichen Investi­tion­spro­gramme nicht beein­trächti­gen. Von den Investi­tio­nen über ins­ge­samt knapp 3 Bil­lion US-$ sollen etwa 2 Bil­lio­nen Dol­lar wie geplant durchge­führt wer­den. Lediglich bei einem Auf­tragsvol­u­men von etwa 1 Bil­lion $ wird mit ein­er Streck­ung bei der Abwick­lung zu rech­nen sein. Allerd­ings sind die Mit­tel ungle­ich verteilt: Dubai wird wohl eher Prob­leme haben, das vorge­se­hene Investi­tion­spro­gramm durchzuführen. Abu Dhabi, Katar und Sau­di Ara­bi­en haben dage­gen den Vorzug der “vollen Kassen”. So hat Sau­di Ara­bi­en auch angekündigt, von 2009 bis 2014 ins­ge­samt 400 Mrd. $ zu investieren. Damit wird die Finanzkrise 2009 wohl eher zu ein­er gewün­scht­en Dämp­fung der heiß laufend­en Kon­junk­tur auf der Hal­binsel führen.

 

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