C) Arabische Liga — auf dem Weg zum Bündnis?
Dieses politisch-soziale Bewußtsein der Einheit hat über alle nachkolonialen Unterschiede in den verschiedensten arabischen Staaten — von den Fürstentümern der arabischen Halbinsel über die Fellachen Ägyptens bis hin zum Industrieproletariat des sozialistischen Algerien — auch zu dauerhaften politischen Einigungsbestrebungen geführt. Sinnbild und Motor der Einigung ist die 1945 gegründete Arabische Liga, deren Ziele
- Förderung der Beziehungen der Mitgliedsstaaten auf politischen, kulturellem, sozialen und wirtschaftlichen Gebiet
- Wahrung der Unabhängigkeit und Souveränität der Mitgliedsstaaten und der (gesamt-)arabischen Außenintereressen
- Anerkennung Palästinas als unabhängiger Staat und
- Verhütung und Schlichtung von Streitfällen der Mitglieder
noch durch einen gemeinsamen Verteidigungspakt ergänzt wurde. In diesen Zielen spiegelt sich nicht nur die Unterstützung der Palästinenser bei der Abwehr einer neuen und dauerhaften Kolonialisierung sondern auch der Wunsch wieder, ein Stück “arabische Einheit” umzusetzen.
Dabei stehen sich enorme Gegensätze gegenüber: die Monarchien der arabischen Halbinsel, die dank des Ölreichtums über immense Mittel verfügen, die armen Monarchien Jordaniens und Marokkos, deren Herrscherhäuser sich auf die Abstammung vom Propheten berufen können, und die republikanischen Staaten von Algerien bis zum Irak, die von einer Einheitspartei unter der Leitung charismatischer Führungspersönlichkeiten geprägt sind oder geprägt wurden. Diese politischen, sozialen und auch wirtschaftlichen Unterschiede müssen überwunden werden, bevor der Traum der Arabischen Einheit konfliktfrei verwirklicht werden kann. Integrativ zu wirken ist also das Gebot einer Arabischen Vereinigung.
C.1) Projekte zur Einheit — Arabsat
moderne Kommunikationsmedien wie TV führen immer mehr zu einer Vereinheitlichung im Hinblick auf Information und sogar kulturelle Wertemaßstäbe.
Auch unsere TV-Sendungen wirken daran mit, unsere Gesellschaft immer mehr zu “verwestlichen” und einen starken Wertetransfer vorzunehmen. Selbst völlig profane Fernesehserien wie “Bonanza”, “Dallas”, “Bezaubernde Jeanie” und andere Sendungen vermitteln zumindest unterschwellig Anschauungen und Lebenseinstellungen, den “Way of life”. Dazu wird vor allem über die Nachrichten (CNN — Heute, Tagesschau) zu einem recht einheitlichen Informationsstand in breiten Bevölkerungsschichten beigetragen.
Das gilt im Prinzip überall, genauso für die Araber, die in den einzelnen arabischen Staaten politisch und kulturell z.T. sehr unterschiedlich entwickelt sind — man vergleiche nur Ägypten, Saudi Arabien, Jemen und den Irak. Ein freier Zugriff auf Nachrichten, die nicht der eigenen staatlichen Zensur unterliegen, ist unverzichtbar für ein breites politisches Wissen. Ein Teil dieser Informationsquelle kann über das Internet erschlossen werden.
Auch relativ frei arbeitende Arabische Zeitungen, wie etwa das Qualitätsblatt “Al-Hayat” und das Massenblatt “Ash-Shark al-Awsat”, wirken mäßigend. So haben diese immer wieder den Friedensplan des saudiarabischen Kronprinzen Abdullah propagiert.
Diese “Printmedien” lassen sich in Ihrem Einfluss aber nicht mit dem visuellen Erlebnis einer modernen Fernseh- und Filmwelt vergleichen. Der Zuschauer ist in den “bewegten Bildern” einbezogen, er erlebt Filme mit, nimmt gesehenes als quasi reales Erlebnis tief in seinem (Unter-) Bewusstsein auf.
Die “panarabische Idee” gärt immer noch, wenngleich durch die Religionsgemeinschaft Islam überlagert und von den nationalen Führungsansprüchen fast jedes Staatenlenkers aus dem arabischen Sprachraum gestört. Ein einheitliches TV-Programm kann hier sehr viel zur Angleichung in breiten Bevölkerungsschichten beitragen.
Die Satelliten- und Medienkommunikation der Arabische Liga dürfte sich als Motor für eine Entwicklung zu einer immer stärkeren “Arabischen Einheit” entwickeln.
Externe Links:
Arabsat — (www.arabsat.com)
C.2) Projekte zur Einheit — Informations- und Medienwelt:
Besondere Erwähnung verdient in diesem Fall der “CNN der Araber”, der im April 1996 gegründete Satellitensender Al-Dschasira (“Die Insel”) oder al-Jazira aus Katar. Dort hatte Emir al-Thani 1995 eine weitgehende Pressefreiheit eingeführt und danach den jungen Sender auch maßgeblich finanziell unterstützt. Der Emir von Katar (zwischen Bahrain, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten gelegen) unterstützt den Sender auch weiterhin großzügig, was wohl dazu führt, dass sich der sonst so offene und auch kritikfreudige Kanal in Angelegenheiten von Katar selbst merklich zurückhaltender zeigt. Dabei scheut sich der Sender nicht, auch “heiße Themen” anzufassen und sich mit kapitalkräftiger Konkurrenz anzulegen.
Der Sender hat durch seine direkte Berichterstattung aus Irak und Afghanistan unversehens eine Schlüsselrolle in den internationalen Nachrichten bekommen. Im arabischen Raum findet der Sender ein Millionenpublikum. Mit schätzungsweise zwischen 35 bis zu 50 Millionen Zuschauern ist Jazira in der arabischen Welt zum beliebtesten Fernsehkanal geworden — mit sehr großen Einfluss auf die Bevölkerung in den arabischen Ländern. Kein Wunder, dass el-Jazira schon in fast jedem arabischen Staat zeitweilig verboten war — mit Ausnahme von Katar.
Der Sender bezeichnet sich als “erste unabhängige arabische Nachrichten- und Informations-Fernsehstation”. Mit Recht, so meinen viele Kommentatoren, rühme sie sich der Redefreiheit und lebhafter Debatten um packende Themen, die von den übrigen arabischen Medien tabuisiert würden. So ist es durchaus nicht ungewöhnlich, dass Israeli und Palästinenser im Sender kontrovers über die Lage des Nahen Ostens diskutieren und die jeweils eigene Sicht der Dinge verfechten.
Der Sender ist zwar nicht Israel- freundlich, aber berichtet doch differenziert und faktengetreu . Dagegen wird in den palästinensischen Fernsehsendern, etwa der in Ramallah ansässigen Station Al-Watan, oft gar nicht über Israel berichtet, sondern ausschließlich über die palästinensische Seite. So wird der Feind totgeschwiegen. Indem man nicht über ihn berichtet, gerät man auch nicht in die Gefahr, sich mit differenzierenden Stimmen auf der Gegenseite oder dem Leid des Gegners, etwa nach Selbstmordanschlägen, auseinandersetzen zu müssen. Die Journalisten, die bei Al-Dschasira arbeiten, sehen nach eigenem Bekunden die BBC als ihr großes Vorbild an, während die internationalen Medien den Sender gerne als “CNN Arabiens” bezeichnen. Der Fernsehsender. Al-Dschasira (deutsch “Die Insel”) war deshalb der einzige arabische Fernsehsender, der nicht staatlich gesteuerte Nachrichten verbreitete, und deshalb bei der Bevölkerung sehr beliebt, was zu extrem hohen Einschaltquoten führte — weshalb dann der für manche Herrscher störende Sender gerade wegen dieser unabhängigen Berichterstattung. in einzelnen arabischen Staaten immer wieder von der Regierung verboten wurde — und in trauter Eintracht nicht nur bei arabischen Potentaten sondern auch im Westen — vor allem in den USA — auf herbe Kritik stößt. Viele Länder, wie etwa Kuwait, Algerien, Bahrain und Saudi-Arabien boykottieren die in ihren Augen allzu freimütige Berichterstattung des katarischen Senders, der vor allem mit seinen populären hitzigen Debatten und Talk-Shows, bei denen “jeder sagen kann, was er will”, für viel Wirbel in arabischen Regierungskreisen und in der breiten Öffentlichkeit gesorgt hat. Die USA werfen dem Sender dagegen antiamerikanische Tendenzen vor, die nun bekämpft werden sollen.
Inzwischen hat der Sender Konkurrenz bekommen:
Neben Al-Dschasira sendet bereits Abu Dhabi-TV acht Stunden lang Nachrichten und ist (Stand 2003) mit 25 Korrespondenten bislang die schärfste Konkurrenz.
In Dubai begann im Februar 2003 ein weiterer arabischer Kanal sein Leben — der exil-saudische Sender MBC mit einem neuen Nachrichtensender namens “Al Arabiye”, der mindestens so professionell wie “Al Dschasira” werden soll (http://www.alarabiya.com/). Ausgestattet mit 400 Mitarbeitern und einem 5‑Jahres Budget von geschätzten 300 Millionen Dollar will Al-Arabiya eine “ausgewogene Alternative” zu Al-Dschasira schaffen. Al-Arabiya geht aus dem Middle East Broadcasting Center hervor, das vor 11 Jahren von einem Schwager des saudischen Königs Fahd gegründet und mit reichlichen Mitteln ausgestattet wurde. Andere Finanziers sind die libanesische Hariri-Gruppe sowie Geschäftsleute aus Kuwait und den Golf-Staaten.
Al Hurra — “die Freie” — heißt dagegen ein neues Satellitenprogramm, mit dem die USA dem Nachrichtenmonopol des arabischen Fernsehsender Al Dschasira (und der kaum mehr beachteten nationalen staatlichen arabischen Fernsehsender) ein Ende setzen will. Dem Publikum im Irak und den arabischen Nachbarländern soll “Al Hurra” ein unzensiertes, objektives und demokratiefreundliches Informationsprogramm liefern Al Hurra soll zudem ein besseres Amerika-Bild in der Region zeichnen. 62 Millionen Dollar haben die USA für den neuen Satellitenkanal im ersten Jahr zur Verfügung gestellt, dessen Programme in der Nähe von Washington produziert werden.
Die Konkurrenz belebt das Geschäft. Inzwischen scheint (wie die Deutsche Welle berichtet) eine Liberalisierung der nahöstlichen Medien einzutreten.
Profiteure der Krise — (www.dw-world.de)
Geändertes Familienbild — geänderte Gesellschaft:
Die Beeinflussung des traditionellen Familienbildes durch die modernen Medien kann kaum genug bewertet werden. So treibt die “Herz-Schmerz-Soap >Noor<” täglich rund 50 Millionen Araberinnen vor die Fernsehgeräte. Die ursprünglich türkische Produktion verbreitet ein (für arabische Verhhältnisse beinahe revolutionäres) “modernes” Familienbild; Hauptpersonen sind der gefühlvoll-zärtlicher, romantischer Ehemann Mohanaad und seine Ehefrau Noor, einer Mode-Designerin, deren beruflicher Aufstieg vom Gatten nach Kräften unterstützt wird. Die Frauen der Serie tragen keine Kopftücher, gefährliche Themen wie Abtreibung und außereheliche Beziehungen werden nicht verschwiegen, und die Helden der Geschichte repräsentieren eine Mittelschicht, die sich zwischen Tradition und Moderne arrangiert. Diese idealisierte Mittelschicht wird zunehmend auch zu einem Ideal der arabischen Gesellschaft — zwischen dem Maghreb und Saudi Arabien.
C.3) Gemeinsamkeiten — die Araber als Nation — Ausblick:
Die meisten Araber — ganz egal, welchem Staat sie angehören — fühlen sich heute und zunehmend als eine einheitliche Nation, die als Auswirkung des Jahrhunderte langen Kolonialismus der Europäischen Staaten leider in eine große Zahl unterschiedlicher Staaten zerrissen ist. Der Traum von der arabischen Einheit ist bei den “Menschen auf der Straße” wohl wesentlich stärker ausgeprägt als etwa der Traum der Osmanen von “Großturkestan”, der bei vielen Angehörigen osttürkischer Stämme bestenfalls auf Interesse, kaum aber auf Begeisterung stößt.
Sichtbaren Ausdruck findet die Begeisterung der Araber in der einhelligen Ablehnung Israels als Fremdkörper, in der Verurteilung der USA beim letzten Irak-Feldzug durch deutliche Bevölkerungsmehrheiten und der Unterstützung der Sache Palästinas — die sich aber größtenteils nur verbal äußert. Die politischen Lenker der einzelnen arabischen Staaten sind dagegen von diesem “Volkswillen” abgehoben — vielfach paktieren sie sogar mehr oder weniger heimlich mit den USA; und seit dem Jom-Kippur-Krieg, in dem ägyptischen Truppen zunächst die “Ehrenrettung der arabischen Welt” gelang, gibt es immer mehr arabische Staaten, die sich mehr oder weniger offen mit der Existenz des Staates Israel abgefunden haben. Die Front der arabischen Staaten, die Israel (zumindest verbal) zerstören wollen, bröckelt. Insbesondere die unmittelbaren Nachbarstaaten Israels, Ägypten, Jordanien — aber auch Syrien — haben sich offensichtlich längst mit dem Staat Israel abgefunden und versuchen sich in Koexistenz, während gerade die konservativsten arabischen Staaten der arabischen Halbinsel ganz offen mit den USA paktieren, die für viele arabische Nationalisten mit Schuld an der gegenwärtigen Ohnmacht der arabischen Welt tragen. Ist es da ein Wunder, dass sich der “ohnmächtige Volkszorn” in “Untergrundaktivitäten” erschöpft?
Die offiziellen Koordinierungs- und Vereinheitlichungsbemühungen arabischer Staaten haben in der “Arabischen Liga” eine Plattform gefunden, deren Bemühungen aufgrund der widerstrebenden Interessen der Staatenlenker bisher über wenige gemeinsame Projekte kaum hinausgefunden haben.
Arabische Liga
Bildquelle: www.israel-palestina.info
Die Arabische Liga (arabisch: جامعة الدول العربية dschāmiʿat ad-duwal al-ʿarabiyya, DMG ǧāmiʿat al-duwal al-ʿarabiyya, „Liga der arabischen Staaten“) ist eine Internationale Organisation arabischer Staaten.
In einem Kommentar vom 10. September 2003 beschreibt die Süddeutsche Zeitung unter der Überschrift:
“Liga der Lahmem — die arabischen Staaten müssen die Bedingungen akzeptieren, die Amerika im Irak geschaffen hat”
die Situation der Arabischen Liga wie folgt:
“Es gibt Institutionen, denen der politische Misserfolg bereits in die Wiege gelegt wurde. Eine von ihnen ist die Arabische Liga. .…
Eine konsistente, eigenständige Politik hat die Liga nie betrieben. …
Vor zwei Jahren, als der bei den Ägybtern und anderen Arabern wegen seiner scharfen Zunge und seiner öffentlichen Kritik an Israel beliebte Außenminister Amre Mussa Generalsekretär der Liga wurde, sprach der neue Mann von einer grundlegenden Reform der arabischen Staatengemeinschaft. Schlagkräftig sollte sie werden und stets mit guten Argumenten präsent sein in den Medien. Von den großen Plänen ist nichts geblieben. Die Liga verzettelt sich weiter in den innerarabischen Streitigkeiten — wie schon kurz nach ihrer Gründung im Jahre 1945. Drei Jahre danach, 1948, wollten die Araber die Gründung Israels militärisch verhindern. Doch die Interessensgegensätze zwischen den Mitgliedsstaaten machten eine gemeinsame Militäraktion unmöglich. Israel hatte relativ leichtes Spiel, den Sieg zu erringen.
Wie damals, so müssen die arabischen Regime auch heute die ihnen diktierte Lösung anerkennen. Was immer die USA im Irak beschließen, wird in Kairo, Amman, Riad und neuerdings auch in Damaskus akzeptiert. Dominierende Mächte in Nahost sind die USA und ihr strategischer Verbündeter Israel. Die arabische Welt ist eine drittklassige Macht — besonders, nachdem der Irak unter Saddam Hussein sein zivilisatorisches und militärisches Potential verspielt hat. Auch gegen diesen Aderlass war die arabische Welt machtlos.“
Diese — anlässlich der Aufnahme des von den USA eingesetzten “irakischen Außenministers” — entstandene Analyse geht weit über die aktuelle Tagespolitik hinaus.
Sichtbaren Ausdruck der Uneinigkeit der arabischen Staaten ist die unterschiedliche Bewaffnung — ein regelrechtes Waffenkonglomerat — der einzelnen Streitkräfte.
Anstatt eine Vereinheitlichung der Bewaffnung anzustreben, was zur Harmonisierung der Verteidigungsbemühungen beitragen würde — und vielleicht sogar den Weg zu einer eigenen Rüstungsindustrie ebnen würde — versucht jeder arabische Staat sich irgendwo und irgendwie auf dem Weltmarkt mit Waffen zu versorgen.
Dieses Sammelsurium wird besonders an den “High tech” Systemen von Heer, Luftwaffen und Marinestreitkräften deutlich, die kaum einheitlich ausgerüstet sind und damit keine gegenseitige Unterstützung zulassen. Dies soll exemplarisch am Beispiel der Marinestreitkräfte der arabischen Länder dargestellt werden.
Dabei könnten Algerien, aber auch Ägypten und sogar die VAR (Abu Dhabi) durchaus das Potential zu einer eigenen arabischen Werftindustrie entwickeln, die zumindest zur Lizenzproduktion moderner Kriegsschiffe in der Lage sein müsste. In allen drei Staaten sind bereits Kleinstserien von kleinen Kampfschiffen in Lizenz erstellt worden. Marokko (Tindouf) und Algerien (Tagebau in Ouenza) verfügen dazu über hochwertige Eisenerzvorkommen, dazu gibt es Kohlevorkommen in Algerien und Eisen- und Stahlindustrie.
Ägypten könnte zudem zum Schwerpunkt einer eigenen Luftfahrtindustrie werden.
Mit Unterstützung der reichen arabischen “Erdölländer”, die sich an den entsprechenden Fabriken beteiligen und dann die eigenen Waffen — im Sinne einer arabischen Vereinheitlichung — auch bei arabischen Bruderländern kaufen könnten, wäre durchaus die Möglichkeit gegeben, in diesen Staaten die Industrialisierung zu fördern, eine wohlhabende Mittelschicht zu bilden und damit zur Stabilität der bevölkerungsreichen Regionen beizutragen.
Unternehmerisches Engagement in der arabischen Region könnte wesentlich dazu beitragen, dass sich die Region zu einem Raum der Stabilität und des Wohlstands entwickelt. Die Länder dieser Region wollen ihre Volkswirtschaften weiter modernisieren, — durch den Ausbau der Infrastruktur, z.B. in den Bereichen Transport, Energie, Telekommunikation und Wasserversorgung, durch die Entwicklung und den Einsatz moderner Technologien, insbesondere im Umweltschutz, durch die Schaffung eines leistungsfähigen beruflichen Bildungssystems und durch den Aufbau eines effizienten Dienstleistungssektors, z.B. in den Bereichen Finanzen und Tourismus. Alle arabischen Länder investieren in moderne Strom- und Wassernetze, in Straßen, Bahnlinien und Flughäfen. Fast überall haben deutsche Unternehmen schon Referenzprojekte realisiert, wie zum Beispiel Meerwasserentsalzungsanlagen, Kraftwerke, Autobahnen, Staudämmen und Flughäfen. Früher wurden solche Anlagen im Staatsauftrag vergeben, jetzt werden immer öfter Finanzierungsmodelle auf privater Betreiber-Basis ausgeschrieben. Ägypten und Saudi-Arabien wollen eine eigene Stahlindustrie errichten, um sich von Importen unabhängiger zu machen. In den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Katar baut man die Exportkapazitäten für Aluminium aus. In Tunesien, Jordanien, Oman, VAE und Syrien werden in so genannten Freizonen Industrie- und Technologieparks mit steuer- und zollbegünstigter Produktion aufgebaut. Große Investitionsprojekte gibt es weiter im Öl- und Gasbereich sowie in der Petrochemie.
Energie-Probleme bei den Arabern?
Das Ende einer Aera:
Im März 2006 machte eine Äusserung des Generalsekretärs der Arabischen Liga, Amr Mussa, anlässlich des Gipfeltreffens im Sudan auch in den westlichen Medien Schlagzeilen:
“Ich möchte alle in der arabischen Welt dazu aufrufen, mit Geschwindigkeit und Schwung in die Welt der friedlichen Nutzuhng der Kernenergie einzureten”. Diese sei ein allen Unterzeichnern des Atomwaffensperrvertrages zustehendes Recht. Bislang verfüge aber kein arabischer Staat über Atomkraftwerke.
Tatsächlich ist der Zenit der Ölausbeutung überschritten. Während gerade die bevölkerungsreichen arabischen Staaten wie Ägypten, Algerien und Syrien den eigenen Bedarf nicht oder kaum durch eigene Quellen decken können, nimmt die Ausbeute in anderen Staaten wie Libyen oder Oman seit Jahren ab. Auch die reichen Golfemirate bereiten sich auf ein Leben “nach dem Öl” vor.
Wenn die Staaten dann nicht in ein vorindustrielles Zeitalter zurückfallen wollen, ist Energie — preiswert und in ausreichender Menge bereit gestellt — die unabdingbare Voraussetzung für weitere Prosperität. Ob das nun unbedingt Atomenergie sein muss, oder durch alternative Formen der Energiegewinnung wie etwa Solarkraftwerke (in den wüstenhaften Gebieten der arabischen Welt scheinen genug Möglichkeiten dafür zu bestehen) der erforderliche Bedarf kontinuierlich gedeckt werden kann, sei dahingestellt.
Zusammenfassung:
Die Wirtschaftsentwicklung der arabischen Region wird einerseits durch die große Dynamik der Bevölkerungsentwicklung bestimmt (38 % der Bevölkerung sind jünger als 15 Jahre; es bestehen hohe Jugendarbeitslosigkeit sowie Ausbildungs- und Qualifikationsdefizite), was zur Radikalisierung der Jugend führt — andererseits ist die Region für die Weltwirtschaft wegen ihres Reichtums an Öl- und Gasvorkommen von größter Bedeutung, da in Saudi Arabien, den arabischen Golfstaaten, dem Irak, Algerien und Libyen der weitaus größte Teil der nachgewiesenen Ölreserven der Welt liegen. Die auf einem hohen Niveau stabilisierten Ölpreise haben in jüngster Vergangenheit die Wirtschaftsentwicklung einiger Staaten der Region positiv beeinflusst, die mit einem Markt von ca. 350 Mio. Einwohnern große Wachstums- und Entwicklungspotenziale besitzt, welche von der westlichen Industrie verstärkt genutzt und aktiviert werden könnten.
Auch die reichen arabischen Staaten könnten selbst erheblich zur gegenseitigen Unterstützung und zum Aufbau einer modernen Wirtschaft in der arabischen Welt beitragen.
Die Diskrepanzen zwischen “ölreichen Scheichs” und “bevölkerungsreichen Habenichtsen” führt zu extremen Spannungen innerhalb der arabischen Nation, die durch unterschiedliche Staats- und Regierungssysteme verstärkt und das Bekenntnis zu einer einheitlichen “arabischen Nation” nur mühsam übertüncht werden.
Wenn es gelingt, der jungen arabischen Generation Zugang zum Arbeitsmarkt, Wohlstand und wirtschaftlichem Wachstum zu gewährleisten — wozu die arabischen Staaten auch untereinander beitragen müssten — kann die Region zu einem blühenden und prosperierenden Gebiet werden.
Wenn dagegen das Wirtschaftswachstum unter dem Bevölkerungswachstum zurück bleibt wird die damit einhergehende Verarmung zur Radikalisierung und religiösen Fundamentalisierung der Jugend beitragen, eine immer größere Gruppe für gewalttätige Ideen empfänglich und die arabische Welt zu einem Unruheherd machen, dessen Probleme gerade die benachbarten westeuropäischen Staaten nicht unberührt lassen können.