Machtpolitik statt Wirtschaft?
Indiens große Parteienwaren dem Machtkampf verfallen.
Die Hindu-Partei BJP polemisierte und schürte Ausschreitungen gegen Muslime, denen im Bundesstaat Gujarat mehr als 100 Personen zum Opfer fielen — zumindest geduldet vom stellvertretenden Premierminister Lal Krishna Advani, und die Kongreß-Partei — die unter Gandhi und Nehru den Staat in die Unabhängigkeit geführt hat — gefällt sich in romantisierender Verklärung des Spinnrad-Sozialismus.
Nur selten fanden sich — etwa im Ministerpräsidenten von Andhra Pradesh — Politiker, die den Auftrag “zum Wohle des Volkes” zu arbeiten, vordringlich sahen.
Korruption wird unter diesen Voraussetzungen als integraler Bestandteil der indischen Geschäftstätigkeit angesehen.
Ein weiteres Problem ist der ständige Konflikt mit Indiens Nachbarn. Vor allem Pakistan wird als ständige Bedrohung, als “Stachel im Fleisch” wahrgenommen — und die Streitkräfte Indiens verzehren denn auch einen großen Teil der Mittel, die im Staatshaushalt nicht für die Kosten des Beamtenapparates verwendet werden müssen.
Diese Probleme scheinen in den letzten Jahren zunehmend überwunden zu werden. In den neunziger Jahren gelang es dem seinerzeitigen Finanzminister, ProfessorManmohan Singh, dem gefesselten Koloss ein Wachstum von sieben Prozent zu verschaffen. Die “Wunderwaffen” Singhs — ehrgeizige Reformen, ein vereinfachtes Steuerrecht, Erleichterungen für internationale Investitionen — wurden seither auchvon anderen politschen Parteien, nicht einmal von den Kommunisten, abgeschafft. Indien blieb bei seiner Politik der wirtschaftlichen Befreiung und des Aufschwungs. Seit Mai 2004 ist der anerkannte Wirtschaftsexperte Singh nun Premierminister des Landes. Er fördert ein “gemischtes Wirtschaftsmodell”, das Privatinvestitionen fördert und die Staatsbetriebe modernisiert, damit diese in der Konkurrenz mit Privatunternehmen bestehen können.
Zunehmende Investitionen — nicht nur im Software- und Pharmasektor — sind die Folge.