Indien Teil 1


Indien India

Wirtschaft­sprob­leme:
Indi­ens Auf­schwung wurde bish­er vom Dien­stleis­tungssek­tor getra­gen, der knapp 61 % zum BIP beiträgt (2006). Etwa 20 % wer­den durch die Land­wirtschaft und nur knapp über 19 % durch die Indus­trie beiges­teuert. Der Dien­stleis­tungssek­tor schafft im Ver­hält­nis aber nur wenige Arbeit­splätze — und der Boom dieser hochqual­i­fizierten Arbeit­splätze flacht ab. So steuert der IT-Bere­ich mit rund 40 Mrd. $ etwa 4 % zum BIP bei — die Zuwach­srat­en brechen aber langsam ein, von 33 % (2006) auf nur noch 27 % im Fol­ge­jahr. Die jährlich 250.000 gut aus­ge­bilde­ten Absol­ven­ten der indis­chen Hochschulen — wie dem renomierten “Indi­an Insti­tut of Tech­nol­o­gy” (ITT) reichen bei Weit­em nicht aus, die freien Arbeit­splätze (bis zu 1,3 Mio. jährlich) zu beset­zen. Die Folge sind enorme Lohnzuwächse. Indi­en ist längst nicht mehr der “Bil­ligheimer” der IT-Branche.    Mehr als 700 Mil­lio­nen Inder sind in der wenig pro­duk­tiv­en Land­wirtschaft tätig — und die Tagelöh­n­er und Bauern erre­ichen meist nicht ein­mal Ver­di­en­ste von 2 $ täglich. Die Folge ist eine zunehmende Land­flucht. Aber­mil­lio­nen von Arbeit­splätzen müssten gener­iert wer­den, um diesen — vielfach ungel­ern­ten Arbeit­skräften — ein aus­re­ichen­des Einkom­men zu sich­ern. Größtes Prob­lem aber ist die fehlende indus­trielle Basis. Während Chi­na mit ein­fachen Arbeit­splätzen rund 100 Mil­lio­nen entwurzel­ter Bauern ein Auskom­men in den boomenden Städten ermöglichte beste­hen in Indi­en nur 7 Mil­lio­nen Indus­triear­beit­splätze. Das ist zu wenig, um der auser­halb der Hochschulen nachwach­senden Jugend — mehr als 50 % der Inder sind noch keine 25 Jahre alt und haben ihr Arbeit­sleben noch vor sich — aus­re­ichende Berufs- und Kar­ri­erechan­cen zu eröff­nen. Alleine 70 Mil­lio­nen Inder wer­den von 2008 bis 2013 in den Arbeits­markt drän­gen. Indi­en muss also daran arbeit­en, den indus­triellen Sek­tor enorm zu ver­stärken. Entsprechen­den Ambi­tio­nen stellen sich aber große Hin­dernisse in den Weg: 

Hin­der­nis Bürokratie:
Die in Jahrzehn­ten gewach­sene Staats­bürokratie kann zu ein­er echt­en Investi­tions­bremse wer­den.  Die seit 1991 durchge­führte Öff­nung des Staates hat immer noch Reste der ein­st­mals vorhan­de­nen “sozial­is­tis­chen Plan­wirtschaft” erhal­ten. Bei der Zulas­sung neuer Fir­men müssen knapp 50 nationale und über 150 regionale Geset­ze beachtet wer­den. Diese Hin­dernisse kosten Zeit. Der Chipher­steller Intel wollte diese Proze­duren nicht abwarten — und hat entsch­ieden, ein 2,5 Mrd. $ Werk nicht mehr in Indi­en son­dern in Chi­na zu erricht­en. Hin­der­nis Infra­struk­tur:
Die man­gel­nde Infra­struk­tur ist zur Jahrtausendwende eines der größten Prob­leme Indi­ens. Der Investi­tions­be­darf in Straßen und Eisen­bahn­lin­ien, Flug­plätze und Häfen, die Strom- und Wasserver­sorgung wird nach Angabe der FAZ (01.12.2006) auf 320 bis 500 Mrd. $ geschätzt. Der Wirtschafts­boom Indi­ens erlaubt allerd­ings enorme Investi­tio­nen. Im Jahr 2004 wurde noch eine Investi­tion von 150 Mrd. $ für den Zeitraum bis 2015 angekündigt. Im Jahr 2007 sind schon 320 Mil­liar­den Dol­lar — bis 2012 — avisiert. Die Eisen­bah­nen sind heil­los über­lastet. Hun­derte von Pas­sagieren quetschen und drän­gen sich — nicht nur im Nahverkehr Bom­bays — in und auf die Wag­gons der Züge. Derzeit (2006) umfasst das indis­che Eisen­bahn­netz etwa 63.000 km, zum Teil mar­o­de und sanierungs­bedürftig. Indi­en möchte dieses Netz erneuern und aus­bauen. Für eine mit japanis­ch­er Unter­stützung pro­jek­tierte Hochgeschwindigkeits­bahn, die für den Güter­verkehr zwis­chem Mum­bay und Dehli errichtet wer­den soll (über 1.350 km) und eine Ver­längerung von Dehli nach Kalkut­ta (1.450 km) sind 5 Mrd. $ vorge­se­hen — mit einem anvisiert Fer­tig­stel­lung­ster­min im Jahr 2011. Straßen sind in einem mar­o­den Zus­tand. Selb­st auf den soge­nan­nten Auto­bah­nen behin­dern Eselka­r­ren und Kühe den Verkehr, und die meis­ten Über­land­straßen — kaum zweis­purige Schla­gloch­pis­ten ‑sind nach europäis­chen Ver­hält­nis­sen nicht ein­mal als Land­straßen zu beze­ich­nen. Der Neubau von Auto­bah­nen — geplant ist eine Auto­bahn, die alle großen Städte ‑Mum­bai (Bom­bay), Ahmad­abad, Udaipur, Jaipur, Dehli, Varanasi, Kalkut­ta, Chen­nai (Madras) und Baga­lore in einem Zirkelschluß verbinden soll — kostet Zeit und Geld. Die “Gold­en Quadri­lat­er­al” wird allerd­ings dem­nächst offiziell fer­tig gestellt: 6000 km mehrspuriger Auto­bahn wer­den die indis­chen Wirtschaft­szen­tren miteinan­der verbinden und zu Kristalli­sa­tion­ssträn­gen der Entwick­lung werden.In dieser Aus­gangslage hat sich der Luftverkehr zu ein­er Alter­na­tive entwick­elt. Die bei­den indis­chen Staat­sair­lines — Air India und Indi­an Air­lines — sind zwar seit Jahren in behäbiger  Bürokratie ver­sunken, aber pri­vate Fluglin­ien erleben einen beispiel­haften Auf­schwung. So ging 1994 Jet Air­ways in den Markt — ein pri­vater, an der Börse notiert­er Anbi­eter, der bis zum Jahr 2005 mit 51 Flugzeu­gen im Bestand die zweite große Staat­slin­ie, Air India, über­holt hat. Sahara Air­lines (seit 1995 im Geschäft). Air Dec­can (seit August 2003) und King­fish­er Air­lines sowie Spice Jet (bei­de 2005) run­den die Riege der pri­vat­en Anbeit­er ab. Auf­schwung erhielt die ras­ante Entwick­lung mit ein­er eben­so ein­fachen wie bestrick­enden Idee des Grün­ders von Air Dec­can, der mit Avi­a­tion Pri­vate Lim­it­ed bere­its Indi­ens größe pri­vate Hub­schrauberge­sellschaft führte. Nahe fast aller größeren indis­chen Städten befind­en sich Flug­pis­ten, vielfach Mil­itär­flug­plätze, die für die großen Pas­sagier­flugzeuge der Staatscar­ri­er auf­grund der kurzen Start- und Lan­de­pis­ten nicht geeignet sind. Anstatt Mil­liar­den in den Aus­bau der Flug­plätze zu steck­en sollen kleine Flugzeuge den Tran­sit zwis­chen diesen Plätzen und Zubringer­di­en­ste zu den großen Inter­na­tionalen Fluglin­ien übernehmen. Air Dec­ca startete — nach den für Indi­en beina­he üblichen bürokratis­chen Hemm­nis­sen — mit ein­er ATR 42 einen “Bil­ligflugverkehr”. Auch andere Fir­men­grün­der haben diese Geschäft­sidee über­nom­men. Von 1994 bis 2004 hat sich der Anteil der pri­vat­en Car­ri­er am Pas­sagier­aufkom­men um 20 % auf knapp 60 % erhöht. Das ist vor allem auch ein­er stark steigen­den Nach­frage zu ver­danken. Wach­sende Einkom­men ein­er immer größer wer­den­den Mit­telschicht, und auch der inter­na­tionale Touris­us sind die “Haup­tqellen” dieses Wach­s­tums.  

 

Hin­der­nis Energiev­er­sorgung:
Indi­en gehört — wie Chi­na — zu den Volk­swirtschaften mit den größten Zuwäch­sen und damit mit einem ständig steigen­den Energiebe­darf. Ein Drit­tel der indis­chen Strompro­duk­tion wird zudem in den Städten “ille­gal abgezapft” oder geht auf anderen Wegen ver­loren. Die ständi­gen Stro­maus­fälle kosten der indis­chen Indus­trie — die Südd. Zeitung (29.10.2007) zitiert eine Schätzung der Welt­bank — etwa 8 % des Umsatzes.  

 

Derzeit­iger Energiemix:
Derzeit (Anfang 2007) stam­men 37,4 % der indis­chen Primären­ergi­eträger aus Bio­masse und Abfall, 34,1 % aus Kohle, 22,2 % aus Erdöl, 4,1 % aus Erdgas, 1,4 % aus erneuer­baren Energien und 0,8 % aus Atom­kraftwerken — deren Entwick­lung allerd­ings (mit der damit ver­bun­de­nen Entwick­lung der Atom­bombe) 0,5 % des BIP ver­schlingt (Quelle: Süd­deutsche Zeitung, Ostern 2007).

Indi­en ist — wie Chi­na — auf der Suche nach dem “richti­gen Energiemix”, der den nationalen Gegeben­heit­en und Bedürfnis­sen am Besten entspricht.

Extern­er Link:
Indi­en — auf der Suche nach dem richti­gen Energiemix — (www.bmu.de) Wenn Indi­en weit­er­hin jährliche Wirtschaft­srat­en von 7 % erwirtschaften will, dann muss die Strompro­duk­tion - so die Fir­ma McK­in­sey — kün­ftig inner­halb von 5 Jahren jew­eils um 75 % steigen. Der Elek­triz­itäts­be­darf ist bere­its heute während der Spitzen­be­las­tun­gen um etwa 15 % höher als die lan­desweite Pro­duk­tion von 120.000 Megawatt. Sei­neEn­ergiev­er­sorgung beruht zum Einen auf seinen großen Kohlevorkom­men, zum Anderen auf den Ressourcen, die durch den Bau von Wasserkraftwerken im Himala­ja genutzt wer­den kön­nen. Das ist nicht allzu viel für ein Land, das einen ganzen Sub­kon­ti­nent mit Strom ver­sor­gen muss. Dementsprechend lei­den ger­ade ländliche Gebi­ete unter der fehlen­den Energiev­er­sorgung — und auch in den indus­tri­al­isierten Gebi­eten bricht die Pro­duk­tion immer wieder zusam­men, weil für Stun­den die Energiev­er­sorgung aus­fällt. Eigene Stromver­sorgung gehört in vie­len Indus­trien — etwa in dem gegen Stro­maus­fälle beson­ders empfind­lichen EDV-Sek­tor, der einen Hauptpfeil­er des indis­chen Wirtschaftswach­s­tums bildet — zu den Über­leben­snotwendi­gen Voraus­set­zun­gen eines Wirtschaftsstandorts. 

Der zehnte Fün­f­jahre­s­plan zur Entwick­lung der indis­chen Wirtschaft (Zeitraum 2002 bis 2007) enthielt hier­für poli­tis­che Leitlin­ien. Bis 2007 wurde danach eine Kapaz­ität­ser­höhung bei der Stromerzeu­gung um 55.158 MW angestrebt, um vorherge­sagte Nach­fragesteigerun­gen zu erfüllen. Als tat­säch­lich real­isier­bar wird eine Kapaz­ität­sausweitung um 41.110 MW ange­se­hen. 62% der zusät­zlichen Kapaz­itäten sollen von Ther­malkraftwerken, 35% aus Wasserkraft und 3% aus Kernen­ergie stam­men. Daneben erhofft man einen Beitrag aus erneuer­baren Energiequellen von über 3.000 MW. Bis 2012 sollte die indis­che Kapaz­ität zur Stromerzeu­gung von jet­zt 100.000 MW auf 200.000 MW ver­dop­pelt wer­den. Die im Som­mer 2011 bekan­nt gewor­dene Ent­deck­ung  des möglicher­weise weltweit größten Vorkom­men an Uran­erz (bis zu 150.000 Ton­nen zusät­zlich zu den rund 175.000 Ton­nen bekan­nter Lager­stät­ten) gibt auch der Nuk­learindus­trie neuen Auf­schwung. Indi­en betrieb bere­its Mitte 2011 ins­ge­samt 20 Atom­kraftwerke mit einen Kapaz­ität von 4780 Megawatt. Ein Aus­bau um fast das 5‑fache auf eine Kapaz­ität von 20.000 Megawatt ist bis 2020 ist geplant.

Erneuer­bare Energien:
Die erneuer­baren Energien soll­ten in dieser Kalku­la­tion von 3.800 MW bis 2012 auf 12.000 MW mehr als ver­dreifacht wer­den und dann sechs Prozent der Gesamtleis­tung erbrin­gen. Bis 2012 sollen außer­dem eine Mil­lion Haushalte ihr Wass­er mit Solaren­ergie erhitzen, 4.500 Dör­fer durch die Tech­nik der Erneuer­baren mit Elek­triz­ität ver­sorgt wer­den, fünf Mil­lio­nen solar­be­triebene Straßen­later­nen und zwei Mil­lio­nen Solar-Home-Sys­teme zum Kochen mit Solaren­ergie aufgestellt wer­den, 30 Mil­lio­nen Haushalte sollen opti­mierte Holzöfen bekom­men und drei Mil­lio­nen Haushalte eine Klein­bio­gasan­lage bekom­men. In Daman — einem Stadt­staat ca. 150 km nordöstlich von Mum­bay (früher als Bom­bay) bekan­nt, wer­den 80 Prozent der Wind­kraftan­la­gen für den Sub­kon­ti­nent pro­duziert. Das Land besitzt die weltweit fün­ft­größte instal­lierte Wind­kraftleis­tung (1.700 MW Leis­tung), zusät­zlich kön­nte die Winden­ergie vor allem an den Küsten­stan­dorten bis zu 45.000 Megawatt an elek­trisch­er Leis­tung zusät­zlich erbrin­gen. Bis 2012 sollen in Indi­en Win­dräder mit ein­er Leis­tung von 6000 MW ste­hen.
Der Anteil erneuer­bar­er Energiequellen soll deshalb bis zum Jahr 2012 um rund 10.000 MW auf ca. 6% der prog­nos­tizierten Gesamtka­paz­ität der Stromerzeu­gung ansteigen.

Obwohl Indi­en — mit Brasilien — weltweit führen­der Pro­duzent von Zuck­er­rohr ist, hat Indi­en nicht in gle­ichem Maße wie Brasilien auf die Ein­führung von Äthanol-Brennstof­fen geset­zt. Ursäch­lich ist wohl auch die unsichere Ernte. 2003 bis 2005 ging auf­grund von Trock­en­heit und Dürre der Ern­teer­trag so zurück, dass die nationale Nach­frage nur durch Inanspruch­nahme von 13 Mio. t. staatlich­er Zuck­er­re­ser­ven gedeckt wer­den kon­nte. Erst 2005/2006 ist wieder soviel geern­tet wor­den, dass neben der Ergänzung der nationalen Reser­ven ein Zuck­er­aus­fuhr von 1,5 Mio. t. erre­icht wurde. Für das Ern­te­jahr 2007 wird — bei einem Eigenbdarf von 21 Mio. t. — mit ein­er Ernte von gut 25 Mio. t. Zuck­er aus Zuck­er­rohr gerech­net. Das ist zu wenig, um damit eine auf Zuck­ervergärung gerichtetete Treib­stoffind­us­trie aufzubauen. Ein weit­eres Prob­lem ist der unwirtschftliche Ein­satz der  Bio­masse in Län­dern, die immer wieder Prob­leme haben, die eigene Bevölkerung zu ernähren. Der Mais, der für die Her­stel­lung ein­er einzi­gen Tank­fül­lung Bioäthanol benötigt wird, reicht aus, um einen Erwach­se­nen ein Jahr lang zu ernähren. Kraft­stoff aus Bio­masse ist also auch eine Vergeudung von Lebens­mit­teln — und inef­fizient dazu: die Auf­forstung der Anbau­fläche, um Holz zum Heizen zu gewin­nen, wäre effizien­ter als die Vergeudung der Bio­masse aus Mais, Raps oder Sojabohnen im Kraftstoff.

Atom­en­ergie:
Nach­dem Indi­en ohne größere Sank­tio­nen dem exk­lu­siv­en Club der Atom­waf­fenbe­sitzer beige­treten ist, wird der Aus­bau seines zivile Atom­waf­fen­pro­gramms mas­siv beschle­u­nigt. Aus einem ersten Schw­er­wasser­forschungsreak­tor im Bhab­ha Atom­ic Research Ceter in Trom­bay, einem Vorort von Bom­bay (1955 von Kana­da geliefert), wo mehrere Atom­reak­toren Plu­to­ni­um pro­duzieren, ist eine ganze Kette von Ein­rich­tun­gen ent­standen. Bere­its heute ste­hen indis­che Atom­an­la­gen in Naro­ra und Kota, in Kakra­par, Tura­pur (bei Mum­bai) und Kal­ga am ara­bis­chen Meer sowie in Kalpahkam­südlich von­Madras am Golf von Ben­galen. Bish­er erzeu­gen die 16 Atom­meil­er des Lan­des allerd­ings nur 3.900 Megawatt — 3,1 % des nationalen Energiebedarfs. 

Weit­ere 7 Kraftwerke befind­en sich im Baus­ta­di­um. Gut 25 weit­ere Anla­gen sollen bis 2020 fol­gen, und damit 5 % zur nationalen Energiev­er­sorgung beitra­gen.  Indi­en möchte in weni­gen Jahren die Pro­duk­tion von Atom­strom ver­dop­peln (und bis 2020 auf 40.000 Megawatt ver­größern), weil Indi­en wohl nur mit Nuk­lear­kraft seinen gewalti­gen Energiebe­darf auf Dauer abdeck­en kann. Im Deze­me­br 2010 wurde Indiesns 20. Atom­kraftwerk ans Netz genom­men — fünf weit­ere Atom­kraftwerke waren zu diesem Zeit­punkt in Bau und zusät­zlich 18 Kraftwerke in der Pla­nung. Allein die Anlage von Jaita­pur südlich von Mum­bai am Ara­bis­chen Meer soll in 6 Reak­toren kün­ftig 9900 Megawatt Strom pro­duzieren. Ger­ade mit dieser Energieart soll ver­hin­dert wer­den, dass Dritte den Energiehahn abdrehen kön­nen. Doch Indi­en ver­fügt nicht ein­mal über genug Uran für seine laufend­en Meil­er. Daher wird der Kern­brennstoff u.a. aus Rus­s­land bezo­gen. Indi­en hat sich aber immer geweigert, dem Atom­waf­fensper­rver­trag beizutreten — was den Erwerb sen­si­bler Tech­nolo­gien nicht erle­ichterte. Indi­en ist es seit  Jahrzehn­ten größ­ten­teils vom inter­na­tionalen Han­del mit Atom­tech­nolo­gie und Nuk­lear­brennstof­fen aus­geschlossen.
Nach 30 Jahren der Zurück­hal­tung hat die Regierung Bush nun Anfang 2006 Indi­en volle Koop­er­a­tion bei der zivilien Kernkraft­nutzung angekündigt. Mit dem Nuk­leardeal vom 2. März 2006 heben die USA als erstes Land die weltweit­en Sank­tio­nen auf und erken­nen Indi­en fak­tisch als legit­ime Atom­macht an — wenn und soweit Indi­en seine zivilien Pro­gramme — und damit der Mehrheit sein­er Atom­kraftwerke — der inter­na­tionalen Kon­trolle unter­wirft. Das ist für Indi­en ein Prob­lem, da nahezu sämtliche Nuk­lear­an­la­gen sowohl zivilen wie auch mil­itärischen Pro­gram­men dienen, und sich Indi­en nicht in seine “mil­itärsche Karten” schauen lassen möchte. Das umstrit­tene Abkom­men über atom­are Zusam­me­nar­beit mit den USA würde Indi­ens Ver­sorgung mit nuk­learen Brennstof­fen für die näch­sten 40 Jahre sich­ern, ohne dass das Land dafür im Gegen­zug den Atom­waf­fensper­rver­trag unterze­ich­nen muss. Das Abkom­men, das Indi­en nach jahrzehn­te­langer Iso­la­tion Zugang zu west­lich­er Tech­nik und Brennstof­fen für seine Atom­kraftwerke erlaubt, ist deshalb inter­na­tion­al heftig umstrit­ten. Das indisch-amerikanis­che Nuk­lear­abkom­men verpflichtet Indi­en nur, 14 sein­er gegen­wär­tig 22 Nuk­lear­reak­toren bis 2014 unter IAEA-Kon­trolle stellen – Reak­toren, die ganz oder teil­weise mil­itärischen Zweck­en dienen, sind jedoch davon ausgeschlossen. 

Diese “Dop­pel­nutzung” bere­it­et ger­ade den Europäern Prob­leme, mit den USA gle­ich zu ziehen. Indi­ens Atom­pro­gramm stößt auch deshalb auf Mis­strauen, weil trotz der Zusicherung, den 1855 geliefer­ten Schw­er­wasser­reak­tor nur ziv­il zu nutzen, 1974 eine erste Atom­bomben­ex­plo­sion aus­gelöst wurde — mit Plu­to­ni­um, das aus eben diesem Reak­tor gewon­nen wurde.Neben den grund­sätztlichen Bedenken — der fehlen­den Unterze­ich­nung des Atom­waf­fensper­rver­trages — wird angesichts der Entwick­lung mit dem Iran auch der Zeit­punkt für eine Lockerung der europäis­chen Export­poli­tik für falsch gehal­ten. Darüber hin­aus ist Indi­en derzeit wed­er bere­it, die Pro­duk­tion waf­fen­fähi­gen Spalt­ma­te­ri­als zu been­den, noch auf den Aus­bau seines Atom­waf­fe­narse­nals zu verzicht­en. Indi­en scheint auch nicht gewil­lt, dem Atom­waf­fensper­rver­trag und dem nuk­learen Test­stop­pver­trag beizutreten.

Nach 2012 soll bei Jaita­pur im Bun­desstaat Maha­rash­tra — etwa 2/3 des Weges zwis­chen Mum­bai und Goa an der West­küste — ein gigan­tis­ches Atom­kraftwerk mit 6 Reak­toren und ein­er Leis­tung von knapp 10 Gigawatt entste­hen. Vom franzö­sis­chen Are­va-Konz­ern wird dazu Exper­tise und Mate­r­i­al für knapp 9,5 Mrd. Dol­lar eingekauft. Allerd­ings verzögert sich der Grun­der­werb von den örtlichen Bauern, die wegen der Lage in einem Erd­bebenge­bi­et eine erhe­bliche Gefährdung befürcht­en und — erst­mals in der indis­chen Geschichte — eine Anti-Atom-Bewe­gung bilden. 

Dabei hat Indi­en ein gewaltiges Prob­lem: Kohlekraftwerke, vor allem auch Atom­kraftwerke, benöti­gen vor allem eines — ein Kühlmit­tel, um den erhitzten Dampf in Energie zu ver­wan­deln. Herkömm­licher­weise ist das Wass­er — aber genau daran fehlt es in Indi­en, soweit ein Kraftwerk nicht unmit­tel­bar an einem der großen Flüsse oder am Meer errichtet wer­den kann. Die Inder ver­suchen, diese Not mit einem zusät­zlichen Gewinn zu lösen — und exper­i­men­tieren mit nuk­lear betriebe­nen Meerwasserentsalzungsanlagen.

Extern­er Link:
www.bfai.com
Hin­der­nis Schul­bil­dung:
Über 50 Prozent der Bevölkerung sind jünger als 25 Jahre. Aber ger­ade im ländlichen Bere­ich ist schon der Besuch ein­er Grund­schule ein uner­füll­bar­er Traum. Etwa 35 % der Bevölkerung sind Anal­pha­beten. Nur 10 Prozent der jun­gen Inder haben die Möglichkeit, eine höhere Schule zu besuchen — knapp 50 % sind das in den entwick­el­ten Län­dern. Den­noch sind die Uni­ver­sitäten über­füllt. Jedes Jahr schließen Mil­lio­nen von Stu­den­ten und Stu­dentin­nen ihr Studi­um an über 300 Uni­ver­siäten und knapp 20.000 Col­leges ab — darunter alleine 350.000 Inge­nieure — und die Eli­te­u­ni­ver­sitäten wie die 9 “Indi­an Insti­tutes of Tech­nol­o­gy” oder die 7 “Indi­an Insti­tut of Man­age­ment” gehören weltweit zu den führen­den Wis­senschaftsin­sti­tuten. Aber die Masse der Stu­den­ten kommt aus des­o­lat­en Insti­tuten mit unter­bezahlten Dozen­ten. Die Bil­dungsaus­gaben im Staat­se­tat sind von knapp 13 % im Jahr 1999 auf unter 11 % im Jahr 2006 gefall­en. Staatliche Fördergelder ver­sick­ern zudem im Sumpf von Bürokratie und Kor­rup­tion. Dementsprechend vervielfacht sich die Zahl keine pri­vater Inge­nieur-Col­leges und MBA-Schulen mit manch­mal dur­chaus zweifel­hafter Qualifikation.

Dementsprechend mager ist die Qual­ität viel­er Absol­ven­ten, die zwar ehrgeizig und “hun­grig” sind, die aber vielfach erst noch in den Betrieben zusät­zlich geschult und trainiert wer­den müssten. Eine betriebliche Aus­bil­dung und Lehre ist in Indi­en weit­ge­hend nicht vorhanden. 

Der Aus­bau des Schul­sys­tems hält nicht Schritt mit dem jährlichen Wirtschaftswach­s­tum von über 8 %. Alleine im Tech­nolo­giebere­ich wer­den — nach Experten­schätzung (Stand 2007) die Arbeit­splätze von derzeit 450.000 auf über 1,7 Mio. zunehmen. Alleine Infos­ys (IT-Diensleis­tun­gen) schuf im Jahre 2007 ins­ge­samt 31.000 neue Arbeit­splätze, Konkur­renten wie Wipro (14.000 Stellen) fol­gen dicht auf. Und auch in den anderen boomenden Sek­toren — in der Phar­main­dus­trie genau­so wie in der Finanzbranche — schaf­fen hun­dert­tausende neue Arbeit­splätze jährlich. Das Schul­sys­tem Indi­ens kann derzeit nicht genug Absol­ven­ten. Nach Schützun­gen wer­den bis 2010 rund 500.000 Stellen für höher qual­i­fizierte Fachkräfte und 5 Mil­lio­nen Fachar­beit­er­stellen nicht beset­zt wer­den kön­nen. Es man­gelt ins­beson­dere an IT-Spezial­is­ten, Natur­wis­senschaftlern, Bankern und Facharbeitern. 

Daher greifen immer mehr Unternehmen zur Selb­sthil­fe:  die Deutsch-Indis­che Han­del­skam­mer, Bosch oder SAP betreiben eigene Insti­tute.  Andere kooperieren mit staatlichen Hochschulen und finanzieren über Pri­vate Pub­lic Part­ner­ship entsprechende Lehrstühle.