Sudan-Afrika: Mali

 

 

 

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Die wichtig­sten Infor­ma­tio­nen im Überblick:

Regierungs­form (Gov­ern­ment Type):

Prä­sidi­al­re­pub­lik (Pres­i­den­tial Republic)

zum Ver­größern anklick­en (jpg-Datei, 140 kB)

Haupt­stadt (Cap­i­tal):

Bamako

Ein­wohn­er (Pop­u­la­tion):

11,937 Mio.

Fläche (qkm) (Area (sq.km):

1.240.192

Wehre­tat (Defence Budget):

91 Mio. US-$ (2003)

BSP/Einwohner (GNP/Capita):

360 US-$

Dat­en außer Wehre­tat dem Fis­ch­er Weltal­manach 2005 entnommen

 

Mali ist ein Land, in dem die Chan­cen für Emanzi­pa­tion immer wieder offen­sichtlich wur­den. Ein Land, das aus eigen­er Kraft eine 23 Jahre währende Mil­itärdik­tatur stürzte – im März 1991 — , das immer wieder (durch mas­siv­en Druck der Bevölkerung auf die poli­tis­che Elite) etwa die Dik­tate Frankre­ichs in der Migra­tionspoli­tik abzuwehren ver­stand. Das über unzäh­lige Bürg­erIn­nenini­tia­tiv­en ver­fügt, und in dem Men­schen in aller Regel nicht auf den Staat warten, um, sofern möglich, ihre All­t­agsprob­leme zu lösen. Es sind die soge­nan­nten Eliten, die mas­siv dazu beitru­gen, dieses Land zeitweilig buch­stäblich an den Rande eines Abgrunds zu wirtschaften. Von ihnen wird, ohne Bewe­gung aus der Gesellschaft, kein­er­lei pos­i­tive Lösung zu erwarten sein. Aus dem Nor­den, aus Frankre­ich oder auf son­stige Art von oben sicher­lich auch nicht.“

Bern­hard Schmid, „Die Mali-Inter­ven­tion – Befreiungskrieg, Auf­s­tands­bekämp­fung oder neokolo­nialer Feldzug?“ — ISBN 978–3‑89771–051‑1 (dem Werk sind wesentliche der nach­fol­gend aufge­führten Fak­ten entnommen)

 

Geo­gra­phie:

Mali ist das „klas­sis­che Land der Sahel­zone“. Es reicht von der algerischen Gren­ze im Nor­den, die quer durch die Sahara führt, bis zum tro­pis­chen Regen­wald an der Cote d’Ivoire im Süden.

Der Staat hat ent­fer­nt die Form ein­er San­duhr, die vom Niger durch­flossen wird. Im Nor­den befind­et sich ein flach­es Wüstenge­bi­et, das nach der Berber­sprache Tifi­nagh als „flache Pfanne“ (Aza­wad) beze­ich­net wird.

Gesellschaft:

Mali ist noch heute von der Klas­sen­geschellschaft der Mandigue (siehe Geschichte) geprägt.

Dazu ist die Stammeszuge­hörigkeit noch heute ein wesentlich­es Iden­ti­fika­tion­s­merk­mal. Malier fühlen sich nicht als Ange­hörige eines Staates – sie definieren sich primär über die Stammeszuge­hörigkeit, wobei die Stämme wieder in unter­schiedlich­er „Rang­folge“ zueinan­der ste­hen, und inner­halb der Stämme wieder über die tra­di­tionellen Klassen oder „Kas­ten“.

Eini­gen­des Band oder verbinden­des Ele­ment der unter­schiedlichen Eth­nien, Stämme oder Völk­er ist der Islam. Seit dem 17. Jahrhun­dert dominiert der Islam, dem heute etwa 90 % der Bevölkerung ange­hören, das Land. Es ist tra­di­tionell ein tol­er­an­ter Sufi-Islam, der vor allem das Gebi­et um das um 1.000 u.Z. von den Tuareg gegrün­dete Tim­buk­tu geprägt hat.

Im Nor­den in den Prov­inzen Gao, Kidal und Tombouc­tou (Tim­buk­tu) noma­disieren ver­schiedene Stämme der zu den Berbern gehören­den Tuareg. Diese machen etwa 20 % der örtlichen Bevölkerung aus, im gesamten Staats­ge­bi­et bilden die Tuareg etwa 2 % der Bevölkerung. Die Tuareg selb­st sind wieder in unter­schiedliche Stämme und diese wieder in unter­schiedliche gesellschaftliche Klassen ges­pal­ten. Der größte Stamm der Tuareg ste­ht etwa in einem ständi­gen Kon­flikt mit dem Stamm der Ifoghas, die tra­di­tionell die Herrschaft über das Volk der Tuareg beanspruchen. Neben den (ara­bisch anmu­ten­den) „weißen Tuareg“ gibt es auch „schwarze Tuareg“, die wohl der jahrtausende alten Ver­mis­chung der unter­schiedlichen Eth­nien entstam­men. Die Tuareg und ihre Vor­fahren haben über Jahrtausende als nomadis­che Händler und Viehzüchter den Trans-Sahara-Han­del beherrscht. Inzwis­chen bilden Lastkraft­wa­gen und Kle­in­flugzeuge die Trans­port­sys­teme für Han­del und Schmuggel – die einst reichen Händler­fam­i­lien der Tuareg verarmen.

Der Trans­port von Dro­gen und Migranten, Waf­fen und Zigaret­ten bildet nur einen mageren Ersatz für diesen Ver­lust. Davon prof­i­tieren nur wenige Fam­i­lien, die sich mit bewaffneten Grup­pen wie der Tuareg­be­we­gung Nor­malis (MTNM, Mou­ve­ment touareg du Nord-Mali) entsprechende „Body­guards“ leis­ten, deren Ange­hörige wieder aus den ver­ar­menden Ange­höri­gen der ein­sti­gen Händlerk­lassen rekru­tiert wer­den. Auch Libyens Dik­ta­tor al-Ghadafi bedi­ente sich dieser ver­armten Händler­sip­pen, um sich eine treu ergebene und wüs­ten­taugliche Miliz zu ver­schaf­fen. Nach seinem Sturz im Som­mer 2011 flüchteten diese Milizen wieder in ihre Heimatlän­der – unter Mit­nahme eines Großteils ihrer Waf­fen. Diese Rück­kehrer bilde­ten mit der MTNM und der „Nationalen Bewe­gung des Aza­wad – MNA, Mou­ve­ment nation­al dde l’Azawad) die neue Bewe­gung MNLA (Mou­ve­ment Nation­al pour la Libéra­tion de l’Azawad – Nationale Bewe­gung für die Befreiung von Azawad).

Dieser soziale Abstieg der „stolzen Wüstenkrieger“ führt immer wieder zu deren Forderung nach einem eigen­em Staat – 1962 und 1963, 1990 bis 1992 und 2006, 2007 sowie dann 2012 – für die Tuareg.

Größter Volk­steil der nord­malis­chen Bevölkerung sind die schwarzafrikanis­chen Song­hai, die auch im Nor­den des Lan­des knapp 2/3 der Gesamt­bevölkerung stellen. Ein ander­er großer Stamm sind die Peul, die eben­falls der schwarzafrikanis­chen Bevölkerung angehören.

Die im 15. und 16. Jahrhun­dert ent­standen Mau­soleen der „Sufi-Heili­gen“ – der Gelehrten und Imame der alten islamis­chen Uni­ver­sität, sind nicht nur UNESCO-Weltkul­turerbe, son­dern demon­stri­eren den Rang Tim­buk­tus als Gegen­part zu den ara­bis­chen Uni­ver­sitäten wie der Al-Azhar in Kairo. Dieser tol­er­ante Islam ste­ht im krassen Gegen­satz zur stren­gen fun­da­men­tal­is­tis­chen Ide­olo­gie des Wahabis­mus, der mit mil­liar­den­schw­eren Förderun­gen aus Quatar und Sau­di Ara­bi­en in der gesamten islamis­chen Welt gefördert wird. 

Darüber hin­aus hat sich auf lokaler Ebene ein bre­ites poli­tis­ches Spek­trum gebildet, das zahlre­iche regionale Rund­funksender wie z.B. Radio Kayi­ra der malis­chen „Linken“ betreibt. Auch die vor­ge­nan­nte MNA kooperierte ursprünglich mit Bewe­gun­gen wie der sozialkri­tis­chen „Le Mou­ve­ment des sans-voix“ (MSV) des Südens, die sic vor allem gegen die kor­rupten Eliten des Lan­des richtete.

Geschichte:

Mit dem Staat­sna­men wird auf ein im 13. Jahrhun­dert gegrün­detes Reich Bezug genom­men, das in sein­er 200jährigen Geschichte einen gewalti­gen Umfang annahm und neben dem Staats­ge­bi­et Malis die heuti­gen Staat­en Sene­gal, Gam­bia und Teile des heuti­gen Mau­re­tanien und der Repub­lik Guinea umfasste.

Grün­der war Soundi­a­ta Kei­ta aus dem Staatsvolk der Mandigue. Deren Charte kann als frühe Men­schen­rechts­dekla­ra­tion beze­ich­net wer­den. Neben dem Recht auf Leben, Gle­ich­be­hand­lung inner­halb der gesellschaftlichen Klassen oder Kas­ten (Adelige, Krieger, Kün­stler, Schmiede, Bauern und Sklaven), aus­re­ichende Ernährung und ähn­lich­es waren darin garantiert. Diese Klas­sen­ge­sellschaft ist noch heute im Selb­st­be­wusst­sein ihrer Ange­höri­gen vorhanden.

Das Reich Mali galt auch materiell als „reich“. So kon­nte es sich der Herrsch­er Kan­ga Mous­sa um 1325 leis­ten, mit einem Gefolge von rund 60.000 Per­so­n­en nach Mek­ka zu pil­gern. Um 1415 umfasste das Gebi­et von Mali die gesamte Region vom Atlantik (Kap Verde) bis östlich von Tim­buk­tu am Niger, wo sich Flußab­wärts das Reich der SONGHAI um die Haupt­stadt Gao anschloss. Im Nor­den bilde­ten die Tuareg mit ihren Han­del­skarawa­nen die Verbindung zu den mus­lim­is­chen Staat­en am Mit­telmeer (Meriniden im heuti­gen Marokko, Abdal­wa­di­den im heuti­gen Algi­er und Hafisiden im heuti­gen Tune­sien bis nach Tripo­lis, während das ägyp­tis­che Reich der Mameluken den östlichen Gegen­part der Sahara-Region bildete. Dementsprechend befand sich Mali schon im 15. Jahrhun­dert im islamis­chen Einflussgebiet.

Im 15. Jahrhun­dert war das – nahe des Niger gele­gene – Tim­buk­tu die größte und wichtig­ste Han­delsstadt südlich der Sahara. Gold, Elfen­bein und Sklaven aus dem Süden trafen dort auf die Han­delsströme mit Kupfer, Pfer­den, Salz und Stof­fen aus dem Nor­den. Über 150 islamis­che Medressen macht­en die reiche Han­delsstadt zugle­ich zu einem Zen­trum der islamis­chen Gelehrsamkeit. Hier wurde nicht nur religiös unter­richtet. Astronomie und Math­e­matik, Phar­mazie und Philoso­phie – Tim­buk­tus Gelehrte waren auf der Höhe ihrer Zeit, in ihren wis­senschaftlichen Erken­nt­nis­sen den Europäern weit voraus. Und das trock­ene Wüsten­kli­ma hat die Manuskripte und Schriften der Gelehrten (auf hochara­bisch und in Soninké – einem in der Sahel­zone weit ver­bre­it­en ara­bis­chen Dialekt) bis heute erhalten.

Wirtschaft

Grund­lage für diesen his­torischen Reich­tum waren die reichen Gold­vorkom­men im Süden und Süd­west­en des heuti­gen Staats­ge­bi­etes. Die Minenkonz­erne, die heute noch das Gold in indus­triellem Berg­bau (z.B. in Moril­la und Sadio) abbauen, sind nach der franzö­sis­chen Kolo­nialzeit inzwis­chen in südafrikanis­ch­er (und in gerin­gerem Umfang in kanadis­ch­er) Hand. Mali ist nach Südafri­ka und Ghana der drittgrößte Gold­ex­por­teuer Afrikas. Die indus­trielle Förderung erzeugt gewaltige Umweltschä­den. Da aber der malis­che Staat den größten Anteil der Erträge abschöpft, beste­ht seit­ens staatlich­er Insti­tu­tio­nen wenig Inter­esse daran, die Umwelt­stan­dards zu erhöhen und damit die Prof­ite zu reduzieren.

Malis Land­wirtschaft ist ins­beson­dere im Baum­woll­ex­port ein Devisenbringer.

Die „Kokain­rute“ mit Dro­gen, die aus Südameri­ka in west­afrikanis­chen Häfen 8Guinea) ange­landet wer­den, führt über Mali in den ara­bis­chen Nor­den. Es gibt gewichtige Indizien, dass der Dro­gen­han­del auch von höch­sten staatlichen Stellen unter­stützt wird, und die kor­rupten Staat­seliten entsprechend bere­ichert. So wurde im Novem­ber 2009 am Ende ein­er unbe­fes­tigten Lan­de­piste in Sinkréba­ka (Nord­mali) das Wrack ein­er Boe­ing 727 gefun­den, die in Guinea-Bis­sau reg­istri­ert war, in Sau­di-Ara­bi­en gewartet und ver­sichert wurde, und ihren let­zten Flug von Mara­cai­bo (nahe Kolumbi­en) über Guinea-Bis­sau nach Nord­mali führte. Die Fracht – ange­blich 10 Ton­nen Kokain mit einem Geschätzten Wert von 500 Mil­lio­nen Euro – soll dort auf nigrische Gelän­dewa­gen umge­laden und dann in ver­schiede­nen Stellen in der Sahara für den späteren Trans­port nach Europa „zwis­chen­ge­lagert“ wor­den sein.

Die ehe­ma­lige Kolonie Mali unter­hält bis heute gute Beziehun­gen zu Frankre­ich. Über 11 % der Importe stam­men aus dem Land Voltairs, die Offiziere wer­den von Frankre­ich trainiert und mit Waf­fen aus­gerüstet. Wer in Mali in die Elite auf­steigen will, muss studieren – und er tut das in der Regel durch Stipen­di­en, die franzö­sis­che Insti­tu­tio­nen für ein Studi­um in Frankre­ich gewähren.

Im Süd­west­en Malis befind­en sich bei Faléa größere Uran­vorkom­men, deren Förder­l­izen­zen den franzö­sis­chen Konz­er­nen Are­va und Bougyues über­tra­gen wur­den. Die Vor­räte im Nor­den des Nach­bar­lan­des Niger schwinden – und reichen für die Ver­sorgung von Are­va nicht mehr aus.

Im Nor­den des Staates im “Taoudeni-Beck­en” wer­den größere Erdöl- und Erdgasvorkom­men ver­mutet, die ange­blich dem franzö­sis­chen Konz­ern Total und dem algerischen Staatskonz­ern Sonatra­ch zur Prospek­tion zuge­sagt sind. Dazu kom­men ver­mutete Gold- und Phosphorlager.

Extern­er Link: FAZ 15. Jan­u­ar 2013: Mali Das sagen­hafte Reich voller Gold und Bodenschätze

Unter dem Präsi­den­ten Amadou Toumani Touré („ATT“ genan­nt), hat­te Malis Regierung begonnen, die Explo­rationsrechte im Land zu verteilen. Das franzö­sis­che Außen­min­is­teri­um ver­suchte, diese Vorkom­men für Frankre­ich zu sich­ern, und empf­ing im Jan­u­ar 2012 eine Del­e­ga­tion der MNLA, während gle­ichzeit­ig die malis­che Regierung zum Dia­log mit der Gruppe aufge­fordert wurde. Ziel der franzö­sis­chen Bemühun­gen war eine Befriedung der – mit Waf­fen aus Libyen über­schwemmten – Region im Rah­men ein­er weit­ge­hen­den Autonomie. Immer noch mit stillschweigen­der Dul­dung Frankre­ichs wurde von der MNLA im April 2012 (über den Sender France24) die Unab­hängigkeit der Region Aza­wad ausgerufen.

 

Bürg­erkrieg und Rebel­lion 2012

Dank der mas­siv­en Aufrüs­tung in Folge des libyschen Bürg­erkriegs kon­nte die kurz zuvor gebildete MNLA im Jan­u­ar 2012 die Macht im Nor­den Malis errin­gen und schnell nach Süden vor­drin­gen. Die Gefechte um Ménake (17. Jan­u­ar), Abuel­hok (18. Jan­u­ar), Ander­am­boukane (26. Jan­u­ar) markieren dieses rasche Vor­drin­gen, das zu entsprechen­den Flucht­be­we­gun­gen der Bevölkerung vor den kriegerischen Auseinan­der­set­zun­gen und den damit ein­herge­hen­den Kriegs­gräueln führte.

Das Inter­na­tionale Komi­tee des Roten Kreuzes sprach Anfang Feb­ru­ar von 10.000 Flüchtlin­gen, Ende Feb­ru­ar schon von 126.000 und Mitte April bere­its von knapp 270.000 flüch­t­en­den Menschen.

Auch, um die nicht zu den Tuareg gehören­den Stämme im Kampf um die Unab­hängigkeit einzu­binden, gin­gen die Tuareg eine fatale Verbindung ein. Sie ver­bün­de­ten sich mit islamis­chen Grup­pen wie der „al-Quai­da im islamis­chen Maghreb (AQMI) um den reichen algerischen Schmug­gler, Dro­gen­händler und Geisel­nehmer Abu Said, um Ansar Dine und Mujao, deren vere­inigten Stre­itkräften es bere­its am 30 März gelingt, Tim­buk­tu zu erobern. Das ist inzwis­chen eine mod­erne Stadt hin­ter den his­torischen Fas­saden. Satel­liten­emp­fang und Inter­net gehören für die städtis­chen Bewohn­er zum Alltag.

Und die Islamis­ten um al-Quai­da wollen diesen „Sumpf der Unmoral“ aus­räuch­ern. Die Scharia mit ihren rigi­den Regeln soll kün­ftig das Leben aller Bewohn­er prä­gen – und die Gräber der verehrten Sufi-Heili­gen sollen eingeeb­net wer­den, denn: es gibt keinen Gott auss­er Allah.

Gle­ichzeit­ig wächst die Unruhe in den südlich gele­ge­nen Lan­desteilen. Berichte von Gräueln und Schauprozessen der Scharia-Richter im Nor­den machen die Runde. Am 21. März rebel­liert eine Gruppe junger Offiziere, die der kor­rupten poli­tis­chen Führung und den über 100 Gen­erälen des Lan­des (für 20.000 Sol­dat­en) mas­sives Ver­sagen vor­w­er­fen. Finanzielle Mit­tel für Waf­fen und Muni­tion zum Kampf gegen die Rebellen des Nor­dens seien in deren Taschen ver­sick­ert. Ein Protest­marsch zum Präsi­den­ten­palast stößt auf gerin­gen Wider­stand – am 21. März wird die Radio- und Fernsehsta­tion der Haupt­stadt ein­genom­men, und in der Nacht zum 22. März der Präsi­den­ten­palast beset­zt. Lediglich die Präsi­den­ten­garde von Präsi­dent Touré stellt sich einen Tag später den bere­its etablierten (und von ihrem Erfolg wohl selb­st über­rascht­en) jun­gen Offizieren um den 40jährigen Haupt­mann Amadou Sanogo und ein­fachen Sol­dat­en ent­ge­gen. Ein großer Teil der Bevölkerung scheint den Auf­s­tand zu begrüßen. Das leg­en jeden­falls die gut besucht­en Demon­stra­tio­nen nahe, zu denen etwa am 28. März 2012 von Jugend­be­we­gun­gen, poli­tis­chen Parteien und mehreren kleineren Gew­erkschaften zur Unter­stützung der Putschis­ten aufgerufen hat­ten. Während sich Gew­erkschaften wie die Bauerngew­erkschaft und bürg­er­liche und linksna­tionale Parteien wie die „Afrikanis­che Sol­i­dar­ität für Entwick­lung und Unab­hängigkeit“ (Sol­i­dar­ité africaine pour le développe­ment et l’ndépendance – SADI) in der „Volks­be­we­gung des 22. März“ mit den Putschis­ten sol­i­darisierten bilde­ten zugle­ich knapp 40 Ini­tia­tiv­en und Parteien der bish­eri­gen poli­tis­chen Elite eine „Geeinte Front für die Wieder­her­stel­lung der Demokratie“, die vor allem auch auf inter­na­tionale Unter­stützung durch die West­afrikanis­che Wirtschafts­ge­mein­schaft, die Afrikanis­che Union und die west­lichen Großmächte – die Europäis­che Union um Frankre­ich und die USA — bauen konnte.

So wurde von der West­afrikanis­chen Wirtschafts­ge­mein­schaft ein völ­liges Wirtschaft­sem­bar­go gegen Mail ver­hängt, das auch eine Kon­tensper­rung und damit die Ver­hin­derung von Trans­fer­über­weisun­gen der Arbeitsmi­gran­tInnen aus Mali an ihre zuhause gebliebe­nen Fam­i­lien ein­schloss. Dies schwächte den Süden noch mehr – und die Rebellen set­zten ihren Vor­marsch fort.

Am 10. März fällt Tés­salit im Nor­dosten des Lan­des an die Fun­da­men­tal­is­ten (nur wenige Stun­den später lan­det ein Flugzeug aus Qatar in der Stadt), Kidal und Gao (31. März 2012) fie­len wie Domi­nos­teine – am 5. April forderte der Chef der pro­vi­sorischen Mil­itär­regierung die Inter­ven­tion ein­er inter­na­tionalen Mil­itär­ma­cht im Nor­den, am 6. April lan­dete erneut ein Flugzeug aus Qatar in Gao, und am 6. April wurde der neue Staat Azwad durch die MNLA aus­gerufen. Finanziert etwa Qatar den Vor­marsch der Islamis­ten mit?

Am 9. April wurde die Macht durch die Mil­itär­regierung auf­grund ein­er Entschei­dung des Ver­fas­sungs­gerichts von Mali ver­fas­sungs­gemäß dem seit 2007 täti­gen Präsi­den­ten der Nation­alver­samm­lung Dion­coun­da Tra­oré, über­tra­gen, der sein­er­seits am 17. April mit Che­ick Mobido Diar­ra einen Über­gangs-Präsi­den­ten ernan­nte. Damit war die malis­che Ver­fas­sungskrise fak­tisch been­det. Dazu bildeen sich im Süden Bürg­er­wehren wie die „Gan­da Las­sal­izei“, die „Front zur Befreiung des Nor­dens“ (Front de libéra­tion du Nord – FLN) oder die „Stre­itkräfte gegen die Beset­zung“ (Forces armées con­tre l’occupation – FACO), denen von Amnestie Inter­na­tion­al im Sep­tem­ber 2012 die Rekru­tierung von Kinder­sol­dat­en vorge­wor­fen wurde.

Unter dem Ein­druck dieser Kon­so­li­dierung fan­den sich die Rebel­len­be­we­gun­gen des Nor­dens zu Fusionsver­hand­lun­gen zusam­men. Die MNLA der (religiös tol­er­an­ten) Tuareg und die radikalis­lamis­che Bewe­gung Anas ad-Din unterze­ich­neten Ende Mai 2012 in Gao ein Fusion­s­abkom­men, das vor allem von den im Aus­land befind­lichen Führungsmit­gliedern der MNLA mas­siv kri­tisiert wurde. Die ersten Zer­störun­gen von Grab­malen (Anfang Mai 2012) hat­ten diesen Führungsper­so­n­en der MNLA gezeigt, dass die Ver­brüderung mit den anderen (schwarzafrikanis­chen) Stäm­men des Nor­dens unter dem eini­gen­den Dach des Islam mit diesen Ver­bün­de­ten nicht möglich sein würde. So war es in Gao bere­its im Mai 2012 zu ein­er Demon­stra­tion gegen die Jihad-Fun­da­men­tal­is­ten der MUJAO gekommen.

Dementsprechend wur­den auch die Span­nun­gen zwis­chen den Tuareg der MNLA und deren radikalis­lamis­chen Ver­bün­de­ten immer größer. Am 5. Juni demon­stri­eren in Kidal (Nor­dosten) Hun­derte vor allem Jugendliche und Frauen gegen die Jihadis­ten der Ansar ad-Din*) (ein­er malis­chen Jihad-Bewe­gung) im Ort.

Am 7. Juni kam es zu ersten Gefecht­en zwis­chen den bei­den Grup­pierun­gen, die am 27. und 28. Juni zu hefti­gen Gefecht­en führten. In deren Folge mussten die Anführer der MNLA sowohl aus Gao wie auch aus Tim­buk­tu fliehen. Die Jihad-Bewe­gun­gen errangen die Macht – und führten im Juli 2012 den Abbruch der Mau­soleen und Gedenkstät­ten für die lokalen Heili­gen fort. Dazu kam die unbarmherzige Umset­zung der Scharia, mit Prügel­strafen durch Peitschen und Stock­hiebe, Steini­gun­gen, abhack­en von Hän­den bei (ange­blichen) Viehdieben und anderen Gräueln. Der Wider­stand der örtlichen Bevölkerung nahm zu. So gab es am 5. August in Gao eine mas­sive Demon­stra­tion, um die öffentliche Han­dampu­ta­tion eines ange­blichen Diebes zu ver­hin­dern. Die MUJAO – eine von der AQMI abges­pal­tene Jihad-Bewe­gung – musste schließlich auf diesen „Vol­lzug eines Urteils“ verzichten. *)

Inter­na­tion­al­isierung des Bürgerkriegs:

Die Errich­tung eines jihadis­chen Ter­ror-Regimes ist für die an Mali angren­zen­den Staatschefs der West­afrikanis­chen Wirtschafts­ge­mein­schaft (CEDEAO) ein Alb­traum. Sie alle fürcht­en fun­da­men­tal­is­lamis­che Rebel­len­be­we­gun­gen im eige­nen Land. Die Regierun­gen sprechen daher untere­inan­der ab, ein Expe­di­tion­sko­rps von mehreren Tausend Mann nach Mali zu entsenden. Als Voraus­set­zung wird aber die Errich­tung ein­er Ein­heit­sregierung in Süd­mali bis Ende Juli 2012 gefordert. Gerücht­en aus Alge­rien zufolge sollen franzö­sis­che Mil­itärs im Som­mer 2012 in Libyen begonnen haben, afrikanis­che Sol­dat­en für einen solchen Mil­itärein­satz auszubilden.

Auch Alge­rien kon­nte einen solchen Staat an sein­er Süd­gren­ze direkt in der Nach­barschaft zu den eige­nen Öl- und Gasvorkom­men nicht wün­schen. Und Frankre­ich hat – und hat­te – über den Tag hin­aus­ge­hende wirtschaft­spoli­tis­che Inter­essen in der Region.

Dementsprechend bricht im Som­mer 2012 eine Zeit der Reisediplo­matie an. Frankre­ichs Außen­min­is­ter Fabius besucht Mitte Juli 2012 Alge­rien, der US-Gen­er­al Carter Ham (Oberkom­mandieren­der der US-Stre­itkräfte für Afri­ka, Africom) fol­gt Ende Sep­tem­ber des Jahres. Wenige Tage vorher – am 24. Sep­tem­ber – hat­te der franzö­sis­che Außen­min­is­ter Fabius eine Bitte der malis­chen Regierung „um mil­itärische Unter­stützung“ an UN Gen­er­alsekretär Ban Ki-Moon über­mit­telt. Malis Über­gangs-Pre­mier Diar­ra war wiederum nur wenige Tage vorher – am 19. und 20. Sep­tem­ber – in Paris. Bere­its im August kamen Vertreter der Afrikanis­chen Union CEDEAO, der EU sowie der malis­chen Über­gangsregierung in Bamako zusam­men. Den wohl let­zten Schritt der „Reisediplo­matie“ machte Frankre­ichs Präsi­dent Hol­lande am 19. und 20. Dezem­ber 2012 mit einem erneuten Besuch in Alge­rien. Dort dürften dann auch Über­flu­grechte für die franzö­sis­che Luft­waffe vere­in­bart wor­den sein – denn nach algerisch­er Recht­slage sind zwis­chen ein­er entsprechen­den Zus­tim­mung und der tat­säch­lichen Öff­nung des Luftraums drei Wochen Frist einzuhalten.

Nur 21 Tage später — am 11. Jan­u­ar 2013 — startete Frankre­ich mit der Oper­a­tion „Ser­val“ Luft- und Bodenein­sätze, um die Errich­tung oder gar Kon­so­li­dierung eines fun­da­men­tal-islamistis­chen Staates im Nor­den Malis zu ver­hin­dern. Vorge­blich­er Anlass war die Eroberung der Stadt Kon­na in der Mitte des Lan­des durch Islamistis­che Kämpfer, die am 9. und 10. Jan­u­ar stat­tfand. Damit war auch der nahe gele­gene Flughafen von Sévaré, nach­dem der Flughafen von Tes­salit erobert wor­den war, in Reich­weite der Dschi­had-Kämpfer. Der Ver­lust dieses weit­eren Flughafens hätte die Inter­ven­tion der inter­na­tionalen Trup­pen deut­lich erschw­ert. Dazu kam, dass sich die islamistis­chen Kämpfer mit ihren auf Pick-Ups mon­tierten Waf­fen nun­mehr ein­er dicht besiedel­ten Region näherten, in der eine Bekämp­fung dieser Fahrzeuge „aus der Luft“ deut­lich erschw­ert wor­den wäre.

Die Islamis­ten hat­ten zu diesem Zeit­punkt zwis­chen 2- und 3.000 Kämpfer unter Waf­fen – und diese (auch von der örtlichen Bevölkerung nicht mehr unter­stützten) Kämpfer flo­hen noch schneller in die Einöde zurück, als ihr Vor­marsch gedauert hatte.

 

*) Es ist rel­a­tiv schw­er, unter den ver­schiede­nen untere­inan­der rival­isieren­den Jihad-Bewe­gun­gen den Überblick zu behal­ten. So ist die „al Quai­da im Islamis­chen Meghreb – AQMI“, die im Nord­west­en um Tim­buk­tu tätig war, der Über­rest ein­er radikalis­lamis­chen Bewe­gung aus Alge­rien, deren „glob­ale Zielset­zung“ kon­trär zum Bestand von rund 400 Kämpfern in 2012 ste­ht. Die Organ­i­sa­tion soll sich vor allem über Dro­gen­trans­porte finanzieren.

Die von der AQMI abges­pal­tene MUJAO beherrschte die Gegend um Gao in Nord­mali. AQMI und MUJAO rekru­tieren sich aus afrikanis­chen, ara­bis­chen und sog­ar afghanis­chen und pak­istanis­chen Kämpfern.

Die Ansar ad-Din beste­ht über­wiegend aus schwarzafrikanis­chen Maliern mit dem Ziel, die Scharia in den Gren­zen des eige­nen Lan­des umzuset­zen. Kämpfer dieser Gruppe waren im Nor­dosten des Mali um Kidal aktiv. Die Ansar ad-Din bemüht sich unter Ver­mit­tlung von Burk­i­na Faso um Absprachen mit der Zen­tral­regierung von Bamako aus dem Süden des Landes.

  

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