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Die wichtigsten Informationen im Überblick:
„Mali ist ein Land, in dem die Chancen für Emanzipation immer wieder offensichtlich wurden. Ein Land, das aus eigener Kraft eine 23 Jahre währende Militärdiktatur stürzte – im März 1991 — , das immer wieder (durch massiven Druck der Bevölkerung auf die politische Elite) etwa die Diktate Frankreichs in der Migrationspolitik abzuwehren verstand. Das über unzählige BürgerInneninitiativen verfügt, und in dem Menschen in aller Regel nicht auf den Staat warten, um, sofern möglich, ihre Alltagsprobleme zu lösen. Es sind die sogenannten Eliten, die massiv dazu beitrugen, dieses Land zeitweilig buchstäblich an den Rande eines Abgrunds zu wirtschaften. Von ihnen wird, ohne Bewegung aus der Gesellschaft, keinerlei positive Lösung zu erwarten sein. Aus dem Norden, aus Frankreich oder auf sonstige Art von oben sicherlich auch nicht.“ Bernhard Schmid, „Die Mali-Intervention – Befreiungskrieg, Aufstandsbekämpfung oder neokolonialer Feldzug?“ — ISBN 978–3‑89771–051‑1 (dem Werk sind wesentliche der nachfolgend aufgeführten Fakten entnommen)
Geographie: Mali ist das „klassische Land der Sahelzone“. Es reicht von der algerischen Grenze im Norden, die quer durch die Sahara führt, bis zum tropischen Regenwald an der Cote d’Ivoire im Süden. Der Staat hat entfernt die Form einer Sanduhr, die vom Niger durchflossen wird. Im Norden befindet sich ein flaches Wüstengebiet, das nach der Berbersprache Tifinagh als „flache Pfanne“ (Azawad) bezeichnet wird. Gesellschaft: Mali ist noch heute von der Klassengeschellschaft der Mandigue (siehe Geschichte) geprägt. Dazu ist die Stammeszugehörigkeit noch heute ein wesentliches Identifikationsmerkmal. Malier fühlen sich nicht als Angehörige eines Staates – sie definieren sich primär über die Stammeszugehörigkeit, wobei die Stämme wieder in unterschiedlicher „Rangfolge“ zueinander stehen, und innerhalb der Stämme wieder über die traditionellen Klassen oder „Kasten“. Einigendes Band oder verbindendes Element der unterschiedlichen Ethnien, Stämme oder Völker ist der Islam. Seit dem 17. Jahrhundert dominiert der Islam, dem heute etwa 90 % der Bevölkerung angehören, das Land. Es ist traditionell ein toleranter Sufi-Islam, der vor allem das Gebiet um das um 1.000 u.Z. von den Tuareg gegründete Timbuktu geprägt hat. Im Norden in den Provinzen Gao, Kidal und Tombouctou (Timbuktu) nomadisieren verschiedene Stämme der zu den Berbern gehörenden Tuareg. Diese machen etwa 20 % der örtlichen Bevölkerung aus, im gesamten Staatsgebiet bilden die Tuareg etwa 2 % der Bevölkerung. Die Tuareg selbst sind wieder in unterschiedliche Stämme und diese wieder in unterschiedliche gesellschaftliche Klassen gespalten. Der größte Stamm der Tuareg steht etwa in einem ständigen Konflikt mit dem Stamm der Ifoghas, die traditionell die Herrschaft über das Volk der Tuareg beanspruchen. Neben den (arabisch anmutenden) „weißen Tuareg“ gibt es auch „schwarze Tuareg“, die wohl der jahrtausende alten Vermischung der unterschiedlichen Ethnien entstammen. Die Tuareg und ihre Vorfahren haben über Jahrtausende als nomadische Händler und Viehzüchter den Trans-Sahara-Handel beherrscht. Inzwischen bilden Lastkraftwagen und Kleinflugzeuge die Transportsysteme für Handel und Schmuggel – die einst reichen Händlerfamilien der Tuareg verarmen. Der Transport von Drogen und Migranten, Waffen und Zigaretten bildet nur einen mageren Ersatz für diesen Verlust. Davon profitieren nur wenige Familien, die sich mit bewaffneten Gruppen wie der Tuaregbewegung Normalis (MTNM, Mouvement touareg du Nord-Mali) entsprechende „Bodyguards“ leisten, deren Angehörige wieder aus den verarmenden Angehörigen der einstigen Händlerklassen rekrutiert werden. Auch Libyens Diktator al-Ghadafi bediente sich dieser verarmten Händlersippen, um sich eine treu ergebene und wüstentaugliche Miliz zu verschaffen. Nach seinem Sturz im Sommer 2011 flüchteten diese Milizen wieder in ihre Heimatländer – unter Mitnahme eines Großteils ihrer Waffen. Diese Rückkehrer bildeten mit der MTNM und der „Nationalen Bewegung des Azawad – MNA, Mouvement national dde l’Azawad) die neue Bewegung MNLA (Mouvement National pour la Libération de l’Azawad – Nationale Bewegung für die Befreiung von Azawad). Dieser soziale Abstieg der „stolzen Wüstenkrieger“ führt immer wieder zu deren Forderung nach einem eigenem Staat – 1962 und 1963, 1990 bis 1992 und 2006, 2007 sowie dann 2012 – für die Tuareg. Größter Volksteil der nordmalischen Bevölkerung sind die schwarzafrikanischen Songhai, die auch im Norden des Landes knapp 2/3 der Gesamtbevölkerung stellen. Ein anderer großer Stamm sind die Peul, die ebenfalls der schwarzafrikanischen Bevölkerung angehören. Die im 15. und 16. Jahrhundert entstanden Mausoleen der „Sufi-Heiligen“ – der Gelehrten und Imame der alten islamischen Universität, sind nicht nur UNESCO-Weltkulturerbe, sondern demonstrieren den Rang Timbuktus als Gegenpart zu den arabischen Universitäten wie der Al-Azhar in Kairo. Dieser tolerante Islam steht im krassen Gegensatz zur strengen fundamentalistischen Ideologie des Wahabismus, der mit milliardenschweren Förderungen aus Quatar und Saudi Arabien in der gesamten islamischen Welt gefördert wird. Darüber hinaus hat sich auf lokaler Ebene ein breites politisches Spektrum gebildet, das zahlreiche regionale Rundfunksender wie z.B. Radio Kayira der malischen „Linken“ betreibt. Auch die vorgenannte MNA kooperierte ursprünglich mit Bewegungen wie der sozialkritischen „Le Mouvement des sans-voix“ (MSV) des Südens, die sic vor allem gegen die korrupten Eliten des Landes richtete. Geschichte: Mit dem Staatsnamen wird auf ein im 13. Jahrhundert gegründetes Reich Bezug genommen, das in seiner 200jährigen Geschichte einen gewaltigen Umfang annahm und neben dem Staatsgebiet Malis die heutigen Staaten Senegal, Gambia und Teile des heutigen Mauretanien und der Republik Guinea umfasste. Gründer war Soundiata Keita aus dem Staatsvolk der Mandigue. Deren Charte kann als frühe Menschenrechtsdeklaration bezeichnet werden. Neben dem Recht auf Leben, Gleichbehandlung innerhalb der gesellschaftlichen Klassen oder Kasten (Adelige, Krieger, Künstler, Schmiede, Bauern und Sklaven), ausreichende Ernährung und ähnliches waren darin garantiert. Diese Klassengesellschaft ist noch heute im Selbstbewusstsein ihrer Angehörigen vorhanden. Das Reich Mali galt auch materiell als „reich“. So konnte es sich der Herrscher Kanga Moussa um 1325 leisten, mit einem Gefolge von rund 60.000 Personen nach Mekka zu pilgern. Um 1415 umfasste das Gebiet von Mali die gesamte Region vom Atlantik (Kap Verde) bis östlich von Timbuktu am Niger, wo sich Flußabwärts das Reich der SONGHAI um die Hauptstadt Gao anschloss. Im Norden bildeten die Tuareg mit ihren Handelskarawanen die Verbindung zu den muslimischen Staaten am Mittelmeer (Meriniden im heutigen Marokko, Abdalwadiden im heutigen Algier und Hafisiden im heutigen Tunesien bis nach Tripolis, während das ägyptische Reich der Mameluken den östlichen Gegenpart der Sahara-Region bildete. Dementsprechend befand sich Mali schon im 15. Jahrhundert im islamischen Einflussgebiet. Im 15. Jahrhundert war das – nahe des Niger gelegene – Timbuktu die größte und wichtigste Handelsstadt südlich der Sahara. Gold, Elfenbein und Sklaven aus dem Süden trafen dort auf die Handelsströme mit Kupfer, Pferden, Salz und Stoffen aus dem Norden. Über 150 islamische Medressen machten die reiche Handelsstadt zugleich zu einem Zentrum der islamischen Gelehrsamkeit. Hier wurde nicht nur religiös unterrichtet. Astronomie und Mathematik, Pharmazie und Philosophie – Timbuktus Gelehrte waren auf der Höhe ihrer Zeit, in ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen den Europäern weit voraus. Und das trockene Wüstenklima hat die Manuskripte und Schriften der Gelehrten (auf hocharabisch und in Soninké – einem in der Sahelzone weit verbreiten arabischen Dialekt) bis heute erhalten. Wirtschaft Grundlage für diesen historischen Reichtum waren die reichen Goldvorkommen im Süden und Südwesten des heutigen Staatsgebietes. Die Minenkonzerne, die heute noch das Gold in industriellem Bergbau (z.B. in Morilla und Sadio) abbauen, sind nach der französischen Kolonialzeit inzwischen in südafrikanischer (und in geringerem Umfang in kanadischer) Hand. Mali ist nach Südafrika und Ghana der drittgrößte Goldexporteuer Afrikas. Die industrielle Förderung erzeugt gewaltige Umweltschäden. Da aber der malische Staat den größten Anteil der Erträge abschöpft, besteht seitens staatlicher Institutionen wenig Interesse daran, die Umweltstandards zu erhöhen und damit die Profite zu reduzieren. Malis Landwirtschaft ist insbesondere im Baumwollexport ein Devisenbringer. Die „Kokainrute“ mit Drogen, die aus Südamerika in westafrikanischen Häfen 8Guinea) angelandet werden, führt über Mali in den arabischen Norden. Es gibt gewichtige Indizien, dass der Drogenhandel auch von höchsten staatlichen Stellen unterstützt wird, und die korrupten Staatseliten entsprechend bereichert. So wurde im November 2009 am Ende einer unbefestigten Landepiste in Sinkrébaka (Nordmali) das Wrack einer Boeing 727 gefunden, die in Guinea-Bissau registriert war, in Saudi-Arabien gewartet und versichert wurde, und ihren letzten Flug von Maracaibo (nahe Kolumbien) über Guinea-Bissau nach Nordmali führte. Die Fracht – angeblich 10 Tonnen Kokain mit einem Geschätzten Wert von 500 Millionen Euro – soll dort auf nigrische Geländewagen umgeladen und dann in verschiedenen Stellen in der Sahara für den späteren Transport nach Europa „zwischengelagert“ worden sein. Die ehemalige Kolonie Mali unterhält bis heute gute Beziehungen zu Frankreich. Über 11 % der Importe stammen aus dem Land Voltairs, die Offiziere werden von Frankreich trainiert und mit Waffen ausgerüstet. Wer in Mali in die Elite aufsteigen will, muss studieren – und er tut das in der Regel durch Stipendien, die französische Institutionen für ein Studium in Frankreich gewähren. Im Südwesten Malis befinden sich bei Faléa größere Uranvorkommen, deren Förderlizenzen den französischen Konzernen Areva und Bougyues übertragen wurden. Die Vorräte im Norden des Nachbarlandes Niger schwinden – und reichen für die Versorgung von Areva nicht mehr aus. Im Norden des Staates im “Taoudeni-Becken” werden größere Erdöl- und Erdgasvorkommen vermutet, die angeblich dem französischen Konzern Total und dem algerischen Staatskonzern Sonatrach zur Prospektion zugesagt sind. Dazu kommen vermutete Gold- und Phosphorlager. Externer Link: FAZ 15. Januar 2013: Mali Das sagenhafte Reich voller Gold und Bodenschätze Unter dem Präsidenten Amadou Toumani Touré („ATT“ genannt), hatte Malis Regierung begonnen, die Explorationsrechte im Land zu verteilen. Das französische Außenministerium versuchte, diese Vorkommen für Frankreich zu sichern, und empfing im Januar 2012 eine Delegation der MNLA, während gleichzeitig die malische Regierung zum Dialog mit der Gruppe aufgefordert wurde. Ziel der französischen Bemühungen war eine Befriedung der – mit Waffen aus Libyen überschwemmten – Region im Rahmen einer weitgehenden Autonomie. Immer noch mit stillschweigender Duldung Frankreichs wurde von der MNLA im April 2012 (über den Sender France24) die Unabhängigkeit der Region Azawad ausgerufen.
Bürgerkrieg und Rebellion 2012 Dank der massiven Aufrüstung in Folge des libyschen Bürgerkriegs konnte die kurz zuvor gebildete MNLA im Januar 2012 die Macht im Norden Malis erringen und schnell nach Süden vordringen. Die Gefechte um Ménake (17. Januar), Abuelhok (18. Januar), Anderamboukane (26. Januar) markieren dieses rasche Vordringen, das zu entsprechenden Fluchtbewegungen der Bevölkerung vor den kriegerischen Auseinandersetzungen und den damit einhergehenden Kriegsgräueln führte. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes sprach Anfang Februar von 10.000 Flüchtlingen, Ende Februar schon von 126.000 und Mitte April bereits von knapp 270.000 flüchtenden Menschen. Auch, um die nicht zu den Tuareg gehörenden Stämme im Kampf um die Unabhängigkeit einzubinden, gingen die Tuareg eine fatale Verbindung ein. Sie verbündeten sich mit islamischen Gruppen wie der „al-Quaida im islamischen Maghreb (AQMI) um den reichen algerischen Schmuggler, Drogenhändler und Geiselnehmer Abu Said, um Ansar Dine und Mujao, deren vereinigten Streitkräften es bereits am 30 März gelingt, Timbuktu zu erobern. Das ist inzwischen eine moderne Stadt hinter den historischen Fassaden. Satellitenempfang und Internet gehören für die städtischen Bewohner zum Alltag. Und die Islamisten um al-Quaida wollen diesen „Sumpf der Unmoral“ ausräuchern. Die Scharia mit ihren rigiden Regeln soll künftig das Leben aller Bewohner prägen – und die Gräber der verehrten Sufi-Heiligen sollen eingeebnet werden, denn: es gibt keinen Gott ausser Allah. Gleichzeitig wächst die Unruhe in den südlich gelegenen Landesteilen. Berichte von Gräueln und Schauprozessen der Scharia-Richter im Norden machen die Runde. Am 21. März rebelliert eine Gruppe junger Offiziere, die der korrupten politischen Führung und den über 100 Generälen des Landes (für 20.000 Soldaten) massives Versagen vorwerfen. Finanzielle Mittel für Waffen und Munition zum Kampf gegen die Rebellen des Nordens seien in deren Taschen versickert. Ein Protestmarsch zum Präsidentenpalast stößt auf geringen Widerstand – am 21. März wird die Radio- und Fernsehstation der Hauptstadt eingenommen, und in der Nacht zum 22. März der Präsidentenpalast besetzt. Lediglich die Präsidentengarde von Präsident Touré stellt sich einen Tag später den bereits etablierten (und von ihrem Erfolg wohl selbst überraschten) jungen Offizieren um den 40jährigen Hauptmann Amadou Sanogo und einfachen Soldaten entgegen. Ein großer Teil der Bevölkerung scheint den Aufstand zu begrüßen. Das legen jedenfalls die gut besuchten Demonstrationen nahe, zu denen etwa am 28. März 2012 von Jugendbewegungen, politischen Parteien und mehreren kleineren Gewerkschaften zur Unterstützung der Putschisten aufgerufen hatten. Während sich Gewerkschaften wie die Bauerngewerkschaft und bürgerliche und linksnationale Parteien wie die „Afrikanische Solidarität für Entwicklung und Unabhängigkeit“ (Solidarité africaine pour le développement et l’ndépendance – SADI) in der „Volksbewegung des 22. März“ mit den Putschisten solidarisierten bildeten zugleich knapp 40 Initiativen und Parteien der bisherigen politischen Elite eine „Geeinte Front für die Wiederherstellung der Demokratie“, die vor allem auch auf internationale Unterstützung durch die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft, die Afrikanische Union und die westlichen Großmächte – die Europäische Union um Frankreich und die USA — bauen konnte. So wurde von der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ein völliges Wirtschaftsembargo gegen Mail verhängt, das auch eine Kontensperrung und damit die Verhinderung von Transferüberweisungen der ArbeitsmigrantInnen aus Mali an ihre zuhause gebliebenen Familien einschloss. Dies schwächte den Süden noch mehr – und die Rebellen setzten ihren Vormarsch fort. Am 10. März fällt Téssalit im Nordosten des Landes an die Fundamentalisten (nur wenige Stunden später landet ein Flugzeug aus Qatar in der Stadt), Kidal und Gao (31. März 2012) fielen wie Dominosteine – am 5. April forderte der Chef der provisorischen Militärregierung die Intervention einer internationalen Militärmacht im Norden, am 6. April landete erneut ein Flugzeug aus Qatar in Gao, und am 6. April wurde der neue Staat Azwad durch die MNLA ausgerufen. Finanziert etwa Qatar den Vormarsch der Islamisten mit? Am 9. April wurde die Macht durch die Militärregierung aufgrund einer Entscheidung des Verfassungsgerichts von Mali verfassungsgemäß dem seit 2007 tätigen Präsidenten der Nationalversammlung Dioncounda Traoré, übertragen, der seinerseits am 17. April mit Cheick Mobido Diarra einen Übergangs-Präsidenten ernannte. Damit war die malische Verfassungskrise faktisch beendet. Dazu bildeen sich im Süden Bürgerwehren wie die „Ganda Lassalizei“, die „Front zur Befreiung des Nordens“ (Front de libération du Nord – FLN) oder die „Streitkräfte gegen die Besetzung“ (Forces armées contre l’occupation – FACO), denen von Amnestie International im September 2012 die Rekrutierung von Kindersoldaten vorgeworfen wurde. Unter dem Eindruck dieser Konsolidierung fanden sich die Rebellenbewegungen des Nordens zu Fusionsverhandlungen zusammen. Die MNLA der (religiös toleranten) Tuareg und die radikalislamische Bewegung Anas ad-Din unterzeichneten Ende Mai 2012 in Gao ein Fusionsabkommen, das vor allem von den im Ausland befindlichen Führungsmitgliedern der MNLA massiv kritisiert wurde. Die ersten Zerstörungen von Grabmalen (Anfang Mai 2012) hatten diesen Führungspersonen der MNLA gezeigt, dass die Verbrüderung mit den anderen (schwarzafrikanischen) Stämmen des Nordens unter dem einigenden Dach des Islam mit diesen Verbündeten nicht möglich sein würde. So war es in Gao bereits im Mai 2012 zu einer Demonstration gegen die Jihad-Fundamentalisten der MUJAO gekommen. Dementsprechend wurden auch die Spannungen zwischen den Tuareg der MNLA und deren radikalislamischen Verbündeten immer größer. Am 5. Juni demonstrieren in Kidal (Nordosten) Hunderte vor allem Jugendliche und Frauen gegen die Jihadisten der Ansar ad-Din*) (einer malischen Jihad-Bewegung) im Ort. Am 7. Juni kam es zu ersten Gefechten zwischen den beiden Gruppierungen, die am 27. und 28. Juni zu heftigen Gefechten führten. In deren Folge mussten die Anführer der MNLA sowohl aus Gao wie auch aus Timbuktu fliehen. Die Jihad-Bewegungen errangen die Macht – und führten im Juli 2012 den Abbruch der Mausoleen und Gedenkstätten für die lokalen Heiligen fort. Dazu kam die unbarmherzige Umsetzung der Scharia, mit Prügelstrafen durch Peitschen und Stockhiebe, Steinigungen, abhacken von Händen bei (angeblichen) Viehdieben und anderen Gräueln. Der Widerstand der örtlichen Bevölkerung nahm zu. So gab es am 5. August in Gao eine massive Demonstration, um die öffentliche Handamputation eines angeblichen Diebes zu verhindern. Die MUJAO – eine von der AQMI abgespaltene Jihad-Bewegung – musste schließlich auf diesen „Vollzug eines Urteils“ verzichten. *) Internationalisierung des Bürgerkriegs: Die Errichtung eines jihadischen Terror-Regimes ist für die an Mali angrenzenden Staatschefs der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (CEDEAO) ein Albtraum. Sie alle fürchten fundamentalislamische Rebellenbewegungen im eigenen Land. Die Regierungen sprechen daher untereinander ab, ein Expeditionskorps von mehreren Tausend Mann nach Mali zu entsenden. Als Voraussetzung wird aber die Errichtung einer Einheitsregierung in Südmali bis Ende Juli 2012 gefordert. Gerüchten aus Algerien zufolge sollen französische Militärs im Sommer 2012 in Libyen begonnen haben, afrikanische Soldaten für einen solchen Militäreinsatz auszubilden. Auch Algerien konnte einen solchen Staat an seiner Südgrenze direkt in der Nachbarschaft zu den eigenen Öl- und Gasvorkommen nicht wünschen. Und Frankreich hat – und hatte – über den Tag hinausgehende wirtschaftspolitische Interessen in der Region. Dementsprechend bricht im Sommer 2012 eine Zeit der Reisediplomatie an. Frankreichs Außenminister Fabius besucht Mitte Juli 2012 Algerien, der US-General Carter Ham (Oberkommandierender der US-Streitkräfte für Afrika, Africom) folgt Ende September des Jahres. Wenige Tage vorher – am 24. September – hatte der französische Außenminister Fabius eine Bitte der malischen Regierung „um militärische Unterstützung“ an UN Generalsekretär Ban Ki-Moon übermittelt. Malis Übergangs-Premier Diarra war wiederum nur wenige Tage vorher – am 19. und 20. September – in Paris. Bereits im August kamen Vertreter der Afrikanischen Union CEDEAO, der EU sowie der malischen Übergangsregierung in Bamako zusammen. Den wohl letzten Schritt der „Reisediplomatie“ machte Frankreichs Präsident Hollande am 19. und 20. Dezember 2012 mit einem erneuten Besuch in Algerien. Dort dürften dann auch Überflugrechte für die französische Luftwaffe vereinbart worden sein – denn nach algerischer Rechtslage sind zwischen einer entsprechenden Zustimmung und der tatsächlichen Öffnung des Luftraums drei Wochen Frist einzuhalten. Nur 21 Tage später — am 11. Januar 2013 — startete Frankreich mit der Operation „Serval“ Luft- und Bodeneinsätze, um die Errichtung oder gar Konsolidierung eines fundamental-islamistischen Staates im Norden Malis zu verhindern. Vorgeblicher Anlass war die Eroberung der Stadt Konna in der Mitte des Landes durch Islamistische Kämpfer, die am 9. und 10. Januar stattfand. Damit war auch der nahe gelegene Flughafen von Sévaré, nachdem der Flughafen von Tessalit erobert worden war, in Reichweite der Dschihad-Kämpfer. Der Verlust dieses weiteren Flughafens hätte die Intervention der internationalen Truppen deutlich erschwert. Dazu kam, dass sich die islamistischen Kämpfer mit ihren auf Pick-Ups montierten Waffen nunmehr einer dicht besiedelten Region näherten, in der eine Bekämpfung dieser Fahrzeuge „aus der Luft“ deutlich erschwert worden wäre. Die Islamisten hatten zu diesem Zeitpunkt zwischen 2- und 3.000 Kämpfer unter Waffen – und diese (auch von der örtlichen Bevölkerung nicht mehr unterstützten) Kämpfer flohen noch schneller in die Einöde zurück, als ihr Vormarsch gedauert hatte.
*) Es ist relativ schwer, unter den verschiedenen untereinander rivalisierenden Jihad-Bewegungen den Überblick zu behalten. So ist die „al Quaida im Islamischen Meghreb – AQMI“, die im Nordwesten um Timbuktu tätig war, der Überrest einer radikalislamischen Bewegung aus Algerien, deren „globale Zielsetzung“ konträr zum Bestand von rund 400 Kämpfern in 2012 steht. Die Organisation soll sich vor allem über Drogentransporte finanzieren. Die von der AQMI abgespaltene MUJAO beherrschte die Gegend um Gao in Nordmali. AQMI und MUJAO rekrutieren sich aus afrikanischen, arabischen und sogar afghanischen und pakistanischen Kämpfern. Die Ansar ad-Din besteht überwiegend aus schwarzafrikanischen Maliern mit dem Ziel, die Scharia in den Grenzen des eigenen Landes umzusetzen. Kämpfer dieser Gruppe waren im Nordosten des Mali um Kidal aktiv. Die Ansar ad-Din bemüht sich unter Vermittlung von Burkina Faso um Absprachen mit der Zentralregierung von Bamako aus dem Süden des Landes.
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