Sudan-Afrika: Nigeria


Flagge Nigeria

Nige­ria ist bere­its jet­zt die wichtig­ste Wirtschafts­macht West­afrikas. Öl- und Gasvorkom­men lock­en Inve­storen aus der ganzen Welt. Zugle­ich aber lebt die Hälfte der Bevölkerung aber in Armut.”

(Aus der FTD vom 19.02.2008)

 

Wirtschaft:
Hin­ter Südafri­ka und Ägypten lag Nige­rias Brut­toin­land­spro­dukt (BIP) lange Jahre auf Platz drei der afrikanis­chen Län­der. In West­afri­ka stellt das Land mit seinen rund 140 Mil­lio­nen Ein­wohn­ern nicht nur knapp 50 Prozent der Bevölkerung West­afrikas, son­dern auch über 40 Prozent des BIP aller west­afrikanis­chen Staat­en. Nach dem Zusam­men­bruch der ägyp­tis­chen Wirtschaft­sleis­tung durch den “ara­bis­chen Früh­ling” wurde im Jahr 2013 Südafri­ka über­holt. Mit einem BIP für 2013 von 510 Mil­liar­den Dol­lar (371 Mil­liar­den Euro) wurde Nige­ria die 26-größte Volk­swirtschaft der Welt. 

Nige­ria ver­dankt dies seinen gewalti­gen Öl- und Gasvorkom­men — die ger­ade für Europa und Nor­dameri­ka “fast vor der Haustüre” liegen. Über 70 Prozent des Ölex­ports der Region kom­men aus Nige­ria, das mit ein­er Tage­spro­duk­tion von etwa 2,5 Mil­lio­nen Bar­rel weltweit unter den ersten acht der Erdöl pro­duzieren­den Län­der liegt. 80 Prozent der Staat­sein­nah­men und 95 Prozent der Devisenein­nah­men stam­men aus diesem Sektor. 

Die “großen Ver­brauchsstaat­en” haben “ein Auge” auf die Ölvorkom­men des Lan­des gewor­fen. Nige­ria ist als einziges Land der Region Mit­glied der OPEC, die immer­hin einen gewis­sen Schutz der Pro­duzen­ten gegenüber den Ölkonz­er­nen und Großmächt­en darstellt. Die nige­ri­an­is­che Regierung ist daher starkem amerikanis­chen Druck aus­ge­set­zt, die OPEC zu ver­lassen. Vor allem Chi­na bemüht sich zunehmend um diese Ölquellen, die aber genau­so dem nor­damerikanis­chen und europäis­chen Bedarf zugute kom­men kön­nten. Die staatliche chi­ne­sis­che Ölge­sellschaft CNOOC erwarb für 2,3 Mrd. $ etwa die Hälfte des OML 130-Ölfeldes und weit­ere Bohrl­izentzen für 4 Mrd. $. Für 2020 wird bis zur dop­pel­ten Menge prog­nos­tiziert. Die Förderung in Nige­ria ist allerd­ings durch harte gew­erkschaftliche Kämpfe und durch Aktio­nen bewaffneter Grup­pen großen Insta­bil­itäten und Risiken aus­ge­set­zt. Der des­o­late Zus­tand der eige­nen Raf­fine­r­ien macht es erforder­lich, dass Nige­ria seinen Kraft­stoff­be­darf selb­st importiert. Nige­ria ist — vielle­icht sog­ar ger­ade wegen sein­er Erdöl­re­ser­ven (2,8 % der Weltöl­re­ser­ven)- weit­er­hin mas­siv­en Kon­flik­ten aus­ge­set­zt. 1956 — zu Beginn der Ölvörderung — war Nige­ria im Pro-Kopf-Einkom­men mit Südafri­ka ver­gle­ich­bar, das nach 50 Jahren das 23-fache erwirtschaftete. Aus dem ein­sti­gen Selb­stver­sorg­er ist ein Lebens­mit­te­limpor­teur geworden.

Nige­ria deckt 2,5 Prozent des täglichen weltweit­en Ölbe­darfs (Stand 20007). Der Reich­tum des Lan­des — im Jahre aber 2006 sech­st­größter Ölex­por­teur der Welt — ver­schwindet durch Mis­s­wirtschaft und Kor­rup­tion in dun­klen Kanälen, während die Bevölkerung leer aus­ge­ht. Die Man­groven­sümpfe vor den Küsten sind auf Kilo­me­ter vom schwarzen Ölschlick verseucht. Bauern und Fis­ch­er lei­den unter der grau schwarzen Brühe, die Böden und Wass­er vergiftet. Entschädi­gun­gen — gar eine Hil­fe oder sog­ar eine Verbesserung der Lebensver­hält­nisse durch adäquate Arbeit­splätze im Ölsek­tor sind nur ansatzweise in Sicht. So will Nige­rias neue Regierung unter Präsi­dent Umaru Yar’Adua (Stand März 2008) eine staatliche Ölge­sellschaft schaf­fen, um die Gewinne im Land zu behal­ten und für dessen Auf­bau zu nutzen. Der Sek­tor soll zwar nicht wie in Venezuela ver­staatlicht wer­den, die Dom­i­nanz der aus­ländis­chen Öl-Gigan­ten wie Shell soll aber eingeschränkt werden.

Nige­ria ist vom Ölsek­tor abhängig. Eine nen­nenswerte Indus­trie und eine Dis­ervika­tion der Wirtschaft beste­ht nicht. Der Anteil der indus­triellen Pro­duk­tion am BIP sank sog­ar im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhun­derts von 36 auf 25 Prozent. 1990 betrug der Anteil der Agrar­wirtschaft 40 Prozent am BIP, inzwis­chen sind es deut­lich weniger als 30 Prozent

Während die Poli­tik­er an den Schalt­stellen der Macht immer reich­er wer­den — Nige­ria gehört zu den kor­ruptesten Län­dern — ist das durch­schnit­tliche “Pro-Kopf-Einkom­men” seit 1980 — damals noch als Agrarstaat — von gut 910 $ bis 2005 auf durch­schnit­tlich 645 $ gefall­en. Dann aber über 1.091 Dol­lar (2009) auf 1.700 Dol­lar (2013) gestiegen. Die Kluft zwis­chen den Prof­i­teuren am Ölboom und der bre­it­en Bevölkerung, die unter den Auswirkun­gen zu lei­den hat, ohne selb­st einen Teil vom “Ölkuchen” zu erhal­ten, wird allerd­ings immer größer.

Zwei Drit­tel der Nige­ri­an­er lebten 2005 unter der Armutsgren­ze, die mit einem Einkom­men von 1 US-$ je Tag markiert war. Und der Sprung über die Armutsgren­ze in die beschei­den wach­sende kleine Mit­telschicht gelingt nur spär­lich – noch 2013 lebten etwa 60 Prozent der Nige­ri­an­er in extremer Armut, durch­schnit­tlich von weniger als 1,25 US-Dol­lar pro Tag. Das Bil­dungs- und Gesund­heitssys­tem ist katastrophal.

Gewal­tak­te, Ent­führun­gen und Erpres­sun­gen prä­gen die Sit­u­a­tion im Erdölförderge­bi­et, dem Nigerdelta, in dem etwa 80 % der Devisenein­nah­men des Lan­des erwirtschaftet wer­den. Mehr als 130 bewaffnete Mililzen, die im Schutz der undurch­dringlichen Man­groven operieren, kämpfen um Macht und Reich­tum. Sie ent­führen Aus­län­der und han­deln mit Beute-Ben­zin. Rebel­len­grup­pen oder Räu­ber­ban­den — eines der reich­sten Län­der Afrikas gehört zugle­ich zu den unsich­er­sten Staat­en des Kontinents.

Mitar­beit­er aus­ländis­ch­er Konz­erne wer­den ent­führt, um Lösegelder zu erpressen.

Die Pipelines wer­den ange­bohrt, um Treib­stoff “anzuzapfen”. Dadurch kommt es immer wieder zu Explo­sio­nen — 1996 wur­den Tausende Opfer ein­er solchen Brand­katas­tro­phe, während gle­ichzeit­ig die durch man­gel­hafte Wartung und Sicher­heit entste­hen­den Umweltschä­den zu einem ökol­o­gis­chen Desaster führen, das die ursprünglichen Lebens­grund­la­gen der Men­schen — etwa die Land­wirtschaft und den Fis­chfang — zer­stört. Auch in den let­zten Tagen des Jahres 2006 verur­sachte eine gewaltige Explo­sion in der Hafen­stadt Lagos den Tod hun­dert­er von Menschen.

Daher soll es bere­its Über­legun­gen geben, US-Stützpunk­te in der Region zu erricht­en. Gle­ichzeit­ig wird — u.a. mit US-Hil­fe — die Marine des Lan­des deut­lich aus­ge­baut und so in die Lage ver­set­zt, die Ölein­rich­tun­gen vor der Küste des Lan­des zu schützen.

 

Externe Links:
Wo es Erdöl gibt, gibt es auch Al Qai­da — (www.uni-kassel.de)
Finan­cial Times Deutsch­land: Nige­ria — im Schat­ten des Ölbooms

Allerd­ings bemüht sich auch Chi­na im Land Ein­fluss zu gewin­nen. Rund 100.000 Chi­ne­sen haben sich bere­its im Lande niederge­lassen — die Mehrheit davon in Lagos. Chi­na bemüht sich, gut 50 km östlich der Stadt­für rund 5 Mrd.$ eine Frei­han­del­szone, die “Lek­ki Free Trade Zone“mit 150 km² zu erricht­en, die mit chi­ne­sis­chen Inve­storen zu ein­er Werk­bank für 300.000 Nige­ri­an­er wer­den soll. Ein eigen­er Tief­see­hafen, Wohn- und Erhol­ungsvier­tel sollen das Gebiet­nach dem Vor­bild von Shen­zhen­zu einem gigan­tis­chen Indus­tri­e­s­tandort puschen. Nige­ria will bis 2030 für über 30 Mrd. US-$ sein mar­o­des Eisen­bahn­netz auf Vor­der­mann brin­gen und hat dazu im Okto­ber 2009 einen “Ver­trag im Wert von 875 Mil­lio­nen Dol­lar mit einem Unternehmen in Chi­na für die erste Phase der Mod­ernisierung der Eisen­bahn in dem Land abgeschlossen”. Die staatliche Inge­nieur-Bau-Gesellschaft Chi­nas wird anstelle der Welt­bank die Eisen­bahn von Lagos nach Kanor (8,3 Mrd. $) erricht­en. Eben­so sollen Min­na in der Lan­desmitte und die Haupt­stadt Abu­ja ver­bun­den werden. 

Megas­tadt Lagos:
Die Insel Lagos war vor der europäis­chen Kolonisierung seit dem 14. Jahrhun­dert von Fis­ch­ern besiedelt. Por­tugiesis­che Seefahrer grün­de­ten hier eine Nieder­las­sung, die durch Sklaven­han­del sehr schnell zu Reich­tum und Wohl­stand gelangte. Nach der Unab­hängigkeit war Lagos bis 1991 die Huapt­stadt Nige­rias. Mit geschätzten 15 bis 20 Mio. Ein­wohn­ern ist Lagos — als “Megas­tadt” dem indis­chen Bom­bay ver­gle­ich­bar — heute nach Kairo die größte Stadt Afrikas. Die aus Abflussgräben ent­stande­nen Kanäle zwis­chen den Inseln und durch die Slums der Stadt (mehr als in Venedig) sind neben schrot­treifen Klein­bussen Hauptverkehr­swege, die von den Armen mit Kanus befahren wer­den und auch dem Trans­port von Baum­stäm­men für die örtliche Holzin­dus­trie dienen.

Während die Megas­tadt in den eige­nen Slums zu erstick­en dro­ht, wird im Atlantik vor der Küste auf ein­er fast 10 km lan­gen, kün­stlichen Hal­binsel ein neues Stadtzen­trum errichtet — mit ein­er Straßen­bahn zwis­chen Hochhäusern, in denen Geschäfte und Woh­nun­gen für “Super­re­iche” entste­hen, incl. dem Anker­platz für die eigene Yacht im angren­zen­den Hafen.