Afrikanische Kulturen

Über­leben in Afri­ka — Migra­tions­be­we­gung oder die neue Völkerwanderung:

Es scheint absurd — die lan­gen Jahrhun­derte der Sklaverei haben Afri­ka die afrikanis­che Jugend  ger­aubt, haben Afri­ka die Zukun­ft genom­men — und heute macht sich die afrikanis­che Jugend selb­st auf den Weg. Nach den Schätzun­gen von Experten — konkrete Zahlen der heim­lichen Migra­tions­be­we­gun­gen gibt es nicht — sollen fast 20 Mil­lio­nen Afrikan­er unter­wegs sein, um Armut und Bürg­erkriegen zu entkommen. 

Als Europäer sieht man vor allem Europa bedro­ht von hun­derten und tausenden, von hun­dert­tausenden von Flüchtlin­gen, die trotz der widri­gen Umstände — Wüsten und Meer — den Weg entwed­er über die kanarischen Inseln oder direkt in südeu­ropäis­che Län­der find­en, oft halb tot, ange­spült an den Küsten, von unterge­hen­den Wracks ans Land gewor­fen. An einem Tag im Juni 200 wur­den alleine an der ital­ienis­chen Küste zwis­chen Lica­ta und Lampe­dusa mehr als 800 Flüchtlinge gezählt, die es geschafft hat­ten, das Mit­telmeer zu über­winden. Aber auch im Süden Afrikas gibt es mit de Repub­lik Südafri­ka ein gelobtes Land.

Die klas­sis­chen Ein­wan­derungslän­der — von Aus­tralien über Kana­da bis zu den Vere­inigten Staat­en von Ameri­ka — haben Wege gefun­den, den Zuzug zu kanal­isieren. Sie haben Hür­den errichtet, deren Bewäl­ti­gung nur den erwün­scht­en Zuwan­der­ern möglich ist. Und sie sind in ein­er gewis­sen Lage bevorzugt: Afri­ka ist von diesen Län­dern durch einen unüber­windlichen Ozean getren­nt. Von Afri­ka aus kann man aber die europäis­chen Ufer sehen. Es sind nur schmale Pas­sagen, die den afrikanis­chen Kon­ti­nent vom “gelobten Land”, in dem Milch und Honig fließen, trennen.

Europa find­et sich also geo­graphisch in ein­er Sit­u­a­tion, die in ähn­lich­er Schärfe nur an der mexikanis­chen Nord­gren­ze, im Süden der USA gegenüber Kuba und im Nor­den Aus­traliens gegenüber der übervölk­erten indone­sis­chen Insel­welt auftritt. Und es reagiert ähn­lich wie die US-Küstenwache oder die aus­tralis­che Marine. Mit Patroul­lien und Überwachung, mit unüber­weind­baren Gren­zan­la­gen bei Ceu­ta und Melil­la (den bei­den spanis­chen Städten auf afrikanis­chem Boden) sollen die uner­wün­scht­en Flüchtlinge abge­fan­gen werden.

Dabei braucht Europa in seinem demographis­chen Dilem­ma junge Zuwan­der­er. Wenn etwa in den Nieder­lan­den (nur!) das beste­hende Altersver­hält­nis zwis­chen der Rent­ner­gen­er­a­tion (über 65jährige) und den 20- bis 24-jähri­gen erhal­ten wer­den soll, dann müssten in den kom­menden 40 Jahren bis 2050 jährlich (!) 300.000 junge Men­schen zuwan­dern. Diese verzehn­fachung der Zuwan­derungsrate lässt sich aus europäis­chen Län­dern nicht deck­en — denn schließlich haben alle wes­teu­ropäis­chen Staat­en die gle­ichen demographis­chen Prob­leme. Und Europa würde nach dem 2001 erschiene­nen UN-Bericht “Replace­ment Migra­tion: Is it al Solu­tion to a Declin­ing and Age­ing Pop­u­la­tion?” jährlich rund 25 Mil­lio­nen Migranten aufnehmen.

Soll also auch Europa “Zuwan­derungskri­te­rien” auf­stellen, wie dies in den klas­sis­chen Ein­wan­derungslän­dern der Fall ist. Migra­tion und Inte­gra­tion sind zen­trale Zukun­ft­s­the­men der Poli­tik in Bund, Län­dern und Gemein­den sowie in der öffentlichen Diskus­sion in Deutsch­land und Europa. In Deutsch­land ist ein eigenes “Bun­de­samt für Migra­tion und Flüchtlinge” gebildet wor­den. Darüber hin­aus gibt es in den Bun­deslän­dern und Kom­munen eigene Inte­gra­tions­beauf­tragte, etwa in Berlin oder in München. Aber die poli­tis­che und öffentliche Diskus­sion beschränkt sich im Wesentlichen auf die islamis­chen, ins­beson­dere türkisch stäm­mi­gen Migranten. Nach den Aus­sagen der Poli­tik sollen Zuzüge auf Fachkräfte beschränkt wer­den. Diese Art der Migra­tion find­et heute schon statt: In Lon­don prak­tizieren mehr sam­bis­che Medi­zin­er als in Sam­bia selb­st, in den Nieder­lan­den arbeit­en deut­lich über 1.000 südafrikanis­che Kranken­schwest­ern — und Profis­portler wer­den gle­ich mit Arbeit­ser­laub­nis aufgenom­men. Aber was sind die Auswirkug­nen? Bleiben den ein­heimis­chen Bevölkerun­gen in Europa dann gezielt die weniger anspruchsvollen Tätigkeit­en, während die Migranten die anspruchsvolleren Tätigkeit­en übernehmen? Oder — bluten die “Auswan­derungslän­der” aus? Wer­den diese lediglich noch zu Liefer­an­ten für gut aus­ge­bilde­ten Nach­wuchs, die von den entwick­el­ten Län­dern aufge­so­gen wer­den, während die “Auswan­derungslän­der” in “Unter­en­twick­lung” ver­har­ren? Das würde die Mis­ere des afrikanis­chen Kon­ti­nents nicht been­den, son­dern weit­er­hin eine unaufhalt­same Armee von Migra­tions­flüchtlin­gen rekru­tieren, die zum Über­leben den lan­gen Weg durch die Wüsten und über das Meer antreten.

Das Ende des Dilem­mas kann nur auf einem Wege erfol­gen: Afri­ka muss in die Lage ver­set­zt wer­den, die eigene Wirtschaft zu entwick­eln und aufzubauen. Afri­ka braucht zukun­ft­strächtige Investi­tio­nen, in Land­wirtschaft und Indus­trie, in Natur und Touris­mus. Und diese Investi­tio­nen müssen da ankom­men, wo die Masse der Bevölkerung ist — nicht bei den weni­gen Reichen und Staaten­lenkern. Afri­ka brauch eine “Entwick­lung von unten”, braucht “Hil­fe zur Selb­sthil­fe” für die Bevölkerung. Die Ver­bre­itung der Handys in Afri­ka ist ein Zeichen dafür, dass das klap­pen würde. Alleine im Kon­go gab es 2007 etwa 6,2 Mil­lio­nen Handys — und damit für die Handy-Besitzer den Zugang zu wichti­gen Mark­t­dat­en wie Preisen auf land­wirtschaftlichen Märk­ten, die Möglichkeit zum ordern von waren — und zur Bezahlung ohne Bank. Die Afrikan­er haben nicht nur gel­ernt, zu über­leben, son­dern auch, opti­mistisch die weni­gen Chan­cen zu nutzen.