Update Piraterie — Zwei große Tanker gekapert

Gle­ich zwei große Tanker kon­nten soma­lis­che Pirat­en in der abge­laufe­nen Woche in ihre Gewalt brin­gen. Bei­de Kape­run­gen erfol­gten im Ara­bis­chen Meer, weit ent­fer­nt von den inter­na­tionalen Seestre­itkräften zugewiese­nen Oper­a­tions­ge­bi­eten. So war denn auch kein Kriegss­chiff in der Nähe, als Pirat­en am 8. Feb­ru­ar fast 700 sm östlich von Soco­tra den ital­ienis­chen Tanker SAVINA CAYLYN (104.000 ts, 22 Mann Besatzung) enterten.

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SAVINA CAYLYN
Bildquelle: EU NavFor

Ein noch „dick­er­er Fisch“ ging ihnen einen Tag später ins Netz. 350 sm südöstlich von Mus­cat (Oman) kaperten soma­lis­che Pirat­en den griechis­chen Super­tanker IRENE SL (319.000 ts, 25 Mann Besatzung). Das Schiff war mit 270.000 t Rohöl beladen auf dem Weg von Kuwait in die USA

So sehr sich die Pirat­en zunächst ein­mal über ihre Beute freuen dürften (allein der Wert der Ladung des griechis­chen Super­tankers wird auf etwa 200 Mio. US-Dol­lar geschätzt): ger­ade diese bei­den Kape­run­gen kön­nten Poli­tik­er der inter­na­tionalen Gemein­schaft dazu zwin­gen, ihre bish­er fehlende Bere­itschaft zu ein­er aktiv­en Bekämp­fung der Pira­terie zu über­denken, zumin­d­est aber endlich längst über­fäl­lige Voraus­set­zun­gen für einen effek­tiv­eren Schutz der Han­delss­chiff­fahrt (z.B. Ein­schif­fung bewaffneter Sicher­heit­steams) zu schaf­fen und so eine Wende im Kampf gegen die Pira­terie einleiten. 

Marineforum - IRENE SL (Quelle: EU NavFor)
IRENE SL
Bildquelle: EU NavFor

Zum einen bringt die Ent­führung eines voll belade­nen Super­tankers die von Soma­lia aus­ge­hende Pira­terie wieder ein­mal in die Schlagzeilen der Medi­en; die bish­eri­gen (durch poli­tis­che Hür­den unzure­ichen­den) Schutz­maß­nah­men dürften hier kri­tisch hin­ter­fragt wer­den. Zum anderen wird nun aber auch eine reale Gefährdung der unter weltwirtschaftlichen Aspek­ten essen­tiellen Ölver­sorgungswege offenkundig, und dies weitab der soma­lis­chen Küste. Ger­ade auch hier in Deutsch­land wer­den die ver­ant­wortlichen Poli­tik­er nicht mehr so tun kön­nen, als ob Pirat­en nur die Schiffe einiger weniger Reed­ereien bedro­ht­en, die zu unflex­i­bel seien, sich doch gefäl­ligst andere Routen zu suchen. 

Die Kape­rung der bei­den Tanker macht unmissver­ständlich klar, dass die von Soma­lia aus­ge­hende Pira­terie sich nicht auf die unmit­tel­baren Seege­bi­ete des Horns von Afri­ka begren­zen lässt; dass das Prob­lem Pira­terie nicht durch Patrouillen vor der soma­lis­chen Küste, Kon­voisicherung im Golf von Aden und Geleit von Schif­f­en des World Food Pro­gram gelöst wer­den kann – und dass man es auch nicht aus­sitzen kann. Man darf nicht von ein­er „effek­tiv­en Bekämp­fung der Pira­terie“ sprechen, wenn in See gestellte Pirat­en nur ent­waffnet und nach Hause geschickt wer­den (um von dort sofort zu ein­er neuen Kaper­fahrt aufzubrechen), wenn sie in ihren Stützpunk­ten an der Küste völ­lig unbe­hel­ligt bleiben, und wenn sie prak­tisch keine Strafver­fol­gung befürcht­en müssen. Offiziere der EU Nav­For erk­lären denn auch freimütig, dass der für die Oper­a­tion „Ata­lan­ta“ erteilte Teilauf­trag „Abschreck­ung“ unter den poli­tisch verord­neten Rules of Engage­ment auch nicht ansatzweise erfüllt wer­den kann. 

In Indi­en hat man dies offen­bar begrif­f­en. Die Ver­lagerung der „Oper­a­tions­ge­bi­ete“ von Pirat­en in das Ara­bis­che Meer bis in die Nähe der Lakkadi­v­en bleibt nicht ohne Reak­tion. Erst am 28. Jan­u­ar hat­ten Ein­heit­en der Marine und der Küstenwache das von Pirat­en ent­führte und anschließend als Mut­ter­schiff für weit­ere Über­fälle genutzte thailändis­che Fis­chereis­chiff PRANTALAY 11 gestellt und – ohne groß Rück­sicht auf die als Geiseln an Bord gehal­tene Besatzung zu nehmen — nach kurzem Feuerge­fecht versenkt; Pirat­en und Geiseln wur­den anschließend wohlbe­hal­ten aus dem Wass­er gebor­gen. Am 6. Feb­ru­ar kon­nte ein weit­er­er Erfolg ver­meldet wer­den. 100 sm west­lich der Lakkadi­v­en hat­ten Pirat­en den griechis­chen Frachter CHIOS ange­grif­f­en. Das Schulschiff TIR der indis­chen Marine sowie das Küstenwach­schiff SAMAR standen in der Nähe. Ihr Erscheinen zwang die Pirat­en zum Abbruch des Über­falls und zur Flucht. Die Ver­fol­gung der Skiffs führte die bei­den indis­chen Ein­heit­en zum Mut­ter­schiff der Pirat­en: ein weit­eres zuvor ent­führtes thailändis­ches Fis­chereis­chiff (PRANTALAY 14). Nach „kurzem aber entschei­den­den“ Feuerge­fecht ergaben sich die Pirat­en. 52 Per­so­n­en, darunter 28 mut­maßliche Pirat­en, wur­den in Mum­bai der Polizei übergeben. Erste Ver­höre ergaben, dass noch zwei weit­ere ent­führte thailändis­che Fis­chereifahrzeuge als Pirat­en-Mut­ter­schiff in der Region aktiv sein sollen. Indis­che Marine und Küstenwache haben bere­its damit begonnen, „aktiv“ nach PRANTALAY 12 und PRANTALAY 13 zu suchen. 

Darüber hin­aus schlägt Indi­en eine „von den UN geführte Offen­sive gegen soma­lis­che Pirat­en“ vor. Es gelte die soma­lis­che Küste „zu reini­gen“ und anschließend die gesamte örtliche Schiff­fahrt effek­tiv zu kon­trol­lieren. Dazu solle in einem über­greifend­en Ansatz aller einge­set­zten Seestre­itkräfte ein gemein­sames Lage­bild mit Erfas­sung auch aller örtlichen Fis­ch­er erstellt werden. 

Marineforum - POHJANMAA hilft freigelassener GOLDEN WAVE (Foto: EU NavFor)
POHJANMAA hil­ft freige­lassen­er GOLDEN WAVE
Bildquelle: EU NavFor
Marineforum - GUEPRATTE (Foto: franz. Marine)
GUEPRATTE
Bildquelle: franz. Marine

Am 9. Feb­ru­ar haben soma­lis­che Pirat­en den am 9. Okto­ber vor Kenia gekaperten süd­ko­re­anis­chen Krabben­fis­ch­er GOLDEN WAVE (auch KEUMMI 305 genan­nt) frei gelassen. Der finnis­che Minen­leger POHJANMAA (EU Nav­For) nahm des Schiff vor der soma­lis­chen Küste in Emp­fang, leis­tete erste Unter­stützung (medi­zinis­che Ver­sorgung, Wass­er, Lebens­mit­tel etc) und begleit­et es nun in Rich­tung Mom­basa, Kenia. 

Aktuelle Entwick­lun­gen bei Ein­satzkräften

Die franzö­sis­che Fre­gat­te GUEPRATTE (LA FAYETTE-Klasse) hat am 7. Feb­ru­ar Schwest­er­schiff ACONIT in der EU Nav­For abgelöst. 

Eben­falls am 7. Jan­u­ar hat sich im nieder­ländis­chen Den Helder die Fre­gat­te TROMP (DE ZEVEN PROVEN­CIEN-Klasse) auf den Weg ans Horn von Afri­ka gemacht. Das Schiff soll dort als Flag­gschiff des NATO Ein­satzver­ban­des SNMG‑2 in den kom­menden Monat­en im Rah­men der NATO Anti-Pira­terie Oper­a­tion „Ocean Shield“ einge­set­zt werden. 

Die bel­gis­che Fre­gat­te LOUISE-MARIE und der spanis­che Flot­ten­ver­sorg­er haben mit Rück­kehr in die Heimat ihre Ein­sätze bei der EU Nav­For beendet. 

In Koop­er­a­tion mit “Marine­Fo­rum — Zeitschrift für mar­itime Fra­gen

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