Wie nicht anders zu erwarten, konzentrieren die somalischen Piraten nach dem Ende der Monsunzeit ihre Raubzüge nun auf das Somaliabecken. Die eingesetzten Seestreitkräfte sind vornehmlich bemüht, Piratengruppen (PAG – Pirate Action Group) schon beim Verlassen ihrer Camps an der Küste abzufangen und prävemptiv zu „neutralisieren“, denn hat eine PAG erst einmal die weiten Seegebiete des Somaliabeckens erreicht, ist sie kaum noch an Überfällen zu hindern.
MAIDO Bildquelle: EU NavFor |
So entdeckte der britische Versorger FORT VICTORIA (CTF-151) am 18. Oktober direkt vor der Küste ein verdächtiges größeres Boot (so genannter Whaler) mit einem kleineren Skiff im Schlepp. Ein sofort entsandtes Boardingteam fand Waffen und große Mengen an Kraftstoff. Nach Beschlagnahme allen für Piraterie geeigneten Materials durften die neun mutmaßlichen Piraten mit dem Skiff ans Ufer zurück rudern (der Außenbordmotor war zuvor unbrauchbar gemacht worden); der Whaler wurde versenkt. Zwei Tage später stieß der französische Zerstörer DE GRASSE (EU NavFor) ebenfalls direkt vor der somalischen Küste auf eine weitere PAG — ein Whaler mit zwei kleineren Skiffs im Schlepp. Auch hier wurden Waffen, Piratenausrüstung und große Mengen Kraftstoff entdeckt und konfisziert. Die insgesamt 12 Männer wurden mit den zwei Skiffs an die Küste zurück geschickt, der Whaler versenkt.
Bei einer fast 2.000 km langen Küste ist es allerdings unmöglich, alle PAG schon beim Auslaufen zu stoppen. Auch unterscheiden sich die Piratenboote äußerlich zunächst nicht von den zahlreichen örtlichen Fischern, die vor der Küste ihrer Arbeit nachgehen. So kommt es denn immer wieder auch zu Überfällen. Ein Schiff ist allerdings erst dann fest in der Hand von Piraten, wenn es diesen gelingt, die Besatzung als Geiseln zu nehmen. Hier setzt eine von immer mehr Kapitänen praktizierte Taktik an, die in der vergangenen Woche gleich zwei Mal erfolgreich war. Am 24. Oktober griffen Piraten im Somaliabecken den deutschen Frachter BELUGA FORTUNE an und gelangten auch an Bord. Als sie aber die Brücke erreichten, war die Besatzung (16 Mann) verschwunden, die Hauptmaschine abgestellt, die Kraftstoffzufuhr unterbrochen und die Ruderanlage blockiert. Die Besatzung selbst hatte sich in einer „Zitadelle“ verbarrikadiert und von dort über Funk um Hilfe gerufen. Ohne Zugriff auf Geiseln mussten die Piraten das gekaperte Schiff am nächsten Tag verlassen, als sich ein Kriegsschiff näherte. Das gleiche wiederholte sich am 26. Oktober, als Piraten 100 sm südöstlich von Daressalam (Tansania) den französischen Flüssiggastanker MAIDO kaperten. Auch hier konnten sie die in einem sicheren Raum verschanzte Besatzung nicht in ihre Gewalt bringen und mussten ihre Beute wieder aufgeben.
Das in diesen beiden Fällen gezeigte Verhalten der Handelsschiffsbesatzungen ist sicher erfolgreich, aber nicht alle Schiffe verfügen über eine „Zitadelle“, und manchmal erfolgt die Kaperung auch so schnell, dass sich nicht die gesamte Besatzung in Sicherheit bringen kann. So konnten Piraten am 23. Oktober nur 50 sm vor der Küste Kenias den gerade aus Mombasa ausgelaufenen Flüssiggastanker YORK in ihre Gewalt bringen. Ein am 9. Oktober gekapertes Fischereifahrzeug diente ihnen dabei offenbar als Mutterschiff. Die wenig später eintreffende türkische Fregatte GAZIANTEP (CTF-151) konnte nur noch die Entführung bestätigen, aber nicht mehr eingreifen. Weit entfernt von Somalia, fast 1.000 km östlich von Socotra, konnten Piraten am 30. Oktober den liberianischen (Flagge: Panama) 73.000 ts Tanker POLAR mit 24 Mann Besatzung kapern. Das Schiff wird nun in Richtung somalische Küste gesteuert.
Der von Seestreitkräften dicht patrouillierte Golf von Aden ist für die Piraten derzeit eher nachrangig, und sie konnten hier in den letzten zwei Wochen auch keine Beute machen. Gleichwohl sind sie auch hier noch immer aktiv. Am 22. Oktober entdeckte der US-Zerstörer LABOON (NATO) ein verdächtiges Skiff, das bei Annäherung zunächst zu fliehen versuchte, dann aber gestoppt werden konnte. Die Durchsuchung förderte Piratenausrüstung zutage, nach deren Beschlagnahme die mutmaßlich verhinderten Verbrecher mit ihrem Boot dann wieder ihres Weges ziehen konnten (sicher zur sofortigen Neuausrüstung an der somalischen Küste). Am 25. Oktober kam die LABOON im Golf von Aden einem Frachter zu Hilfe, der ein angreifendes Skiff meldete. Bei Erscheinen des Kriegsschiffes brachen die Piraten ihre Aktion ab und warfen Waffen über Bord. Ein Boardingteam konfiszierte weitere Ausrüstung; dann wurde auch dieses Skiff wieder entlassen.
ESBERN SNARE stellt mutmaßliche Piraten Bildquelle: NATO |
Ebenfalls am 25. Oktober stieß schließlich das dänische Mehrzweckschiff ESBERN SNARE (NATO) im Golf von Aden auf ein verdächtiges Skiff. Auch hier konfiszierte ein Boardingteam Waffen und Ausrüstung und nahm sechs mutmaßliche Piraten vorübergehend in Gewahrsam. Im Gegensatz zum Vorgehen der LABOON versenkte die ESBERN SNARE jedoch das Skiff; die sechs Männer wurden später mit einem Beiboot des Kriegsschiffes an der Küste abgesetzt.
Von der nördlichen somalischen Küste wird ein „ominöser“ Zwischenfall gemeldet. Demnach hat am 24. Oktober ein „unidentifizierter militärischer Hubschrauber“ einen Aufklärungsflug über einem Piratenlager durchgeführt und wurde dabei beschossen. Vom Hubschrauber wurde das Feuer sofort erwidert; vier Männer am Boden sollen dabei getötet worden sein. Die Herkunft des Hubschraubers bleibt unklar; sowohl NATO als auch EU NavFor dementierten einen entsprechenden Einsatz.
Am 17. Oktober haben Piraten nach Zahlung eines Lösegeldes den im April gekaperten und seitdem vor Garacad an der somalischen Küste fest gehalten liberianischen (Flagge: Panama) Frachter VOC DAISY samt 21 Mann philippinischer Besatzung frei gelassen.
In Spanien hat der Ankläger im Prozess gegen zwei nach der Entführung des spanischen Fischereischiffes ALAKRANA im Oktober 2009 festgenommene Piraten Haftstrafen von 220 (!) Jahren gefordert. Im Jemen hat ein Prozess gegen 13 festgenommene somalische mutmaßliche Piraten begonnen.
Die Afrikanische Union hat am 21. Oktober den UN Sicherheitsrat offiziell aufgefordert, eine umfassende See- und Luftblockade Somalias zu beschließen, um sowohl den Piraten das Handwerk zu legen als auch Waffenlieferungen an die diversen Rebellengruppen zu unterbinden.
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
Iranische JAMARAN Bildquelle: ISNA |
Das dänische Mehrzweckschiff ESBERN SNARE hat am 22. Oktober in Mombasa (Kenia) noch einmal einen Besatzungsaustausch durchgeführt. Noch bis zum Dezember soll das Schiff im NATO-Verband vor der somalischen Küste operieren, dann in die Heimat zurück kehren. Mit seinem Ablaufen endet vorerst die dänische Beteiligung an Anti-Piraterieoperationen am Horn von Afrika. Ein Ersatz der ESBERN SNARE durch eine neue Einheit ist derzeit nicht geplant.
Am 29. Oktober hat die britische Fregatte CORNWALL (TYPE 22) ihren Heimathafen Plymouth zu einem sechsmonatigen Einsatz im Arabischen Meer und der Golfregion verlassen. Das Schiff soll dabei auch in Anti-Piraterieoperationen am Horn von Afrika eingebunden werden. Für die 1988 in Dienst gestellte CORNWALL wird es die letzte größere Reise. Nach Rückkehr soll sie zunächst in den Reservestatus („extended readiness“) versetzt, dann ausgemustert werden.
Nach Aussagen des iranischen Marinebefehlshabers soll der neue, erst in diesem Jahr in Dienst gestellte „Zerstörer“ (1.400 ts, kleine Fregatte) JAMARAN — Typschiff der im Lande entwickelten MOWJ-Klasse – Teil des nächsten Anti-Piraterie Verbandes der iranischen Marine werden.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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