Update Piraterie — Piraten werden allmählich wieder aktiv

Im Golf von Aden hat sich nach Abzug eines schw­eren Tropen­sturmes das Wet­ter deut­lich gebessert, und die ruhige See lässt nun auch Pirat­en allmäh­lich wieder aktiv wer­den. Am 25. Mai ent­deck­te die zeitweise dem multi­na­tionalen Anti-Pira­terie­ver­band CTF-151 angeschlossene aus­tralis­che Fre­gat­te PARRAMATTA in der Nähe des patrouil­lierten Tran­sitko­r­ri­dors (IRTC) ein offen­bar auf Beute wartendes Skiff. Bei Annäherung wur­den Waf­fen und andere Gegen­stände über Bord gewor­fen. Nach Durch­suchung und Kon­fiszierung weit­er­er Aus­rüs­tung und „über­schüs­sigem“ Kraft­stoff wurde das Boot mit den mut­maßlichen Pirat­en in Rich­tung soma­lis­che Küste ent­lassen. Ein bere­its began­ge­nes Ver­brechen war nicht nachzuweisen. 

Marineforum - Piratenskiff flüchtet in tansanische Gewässer (Foto: franz. Marine)
Piraten­skiff flüchtet in tansanis­che Gewäss­er
Bildquelle: franz. Marine

In den offe­nen Seege­bi­eten des Soma­li­abeck­ens sind bei Wind­stärke 5–6 und Wellen­höhen von mehr als zwei Metern die Bedin­gun­gen für die Pirat­en weit­er­hin nicht gut. So wur­den dort denn auch keine neuen Über­fälle gemeldet. Die Pirat­en suchen ihre Opfer offen­bar vor­erst in ruhigeren Randgewässern bzw. dicht vor den Küsten. Am 25. Mai wur­den gle­ich zwei ver­suchte Über­fälle gemeldet: In der Mosam­bik­straße wurde das spanis­che Thun­fis­chfangschiff CAMPOLIBRE ALAI ange­grif­f­en, kon­nte sich aber mit Auswe­ich­manövern ret­ten. Erst­mals sollen soma­lis­che Pirat­en so weit südlich aktiv gewor­den sein. Vor San­si­bar grif­f­en Pirat­en mit zwei Skiffs den Tanker NORDNEPTUN an. Der Bor­d­hub­schrauber der in der Nähe operieren­den franzö­sis­chen Fre­gat­te NIVOSE (EU Nav­For) zwang sie mit Warn­schüssen zum Abbruch ihres Vorhabens und ver­fol­gte die Skiffs dann, bis sie sich in die tansanis­chen Hoheits­gewäss­er flüchteten. Der NIVOSE blieb nur noch die Alarmierung der tansanis­chen Küstenwache. Ob diese die Pirat­en stellen kon­nte, ist nicht bekannt. 

Um auch bei Schlechtwet­ter ihrem „Gewerbe“ nachge­hen zu kön­nen, müssen Pirat­en derzeit größere Mut­ter­schiffe ein­set­zen. Dazu greifen sie immer wieder auch auf gekaperte Schiffe zurück. Ein solch­er Ver­such wurde allerd­ings vere­it­elt. Zwar hat­ten Pirat­en den Namen des am 29. März gekaperten Frachters ICEBERG I über­malt (das Schiff hieß nun SEA EXPRESS), aber die US Navy ließ sich nicht täuschen. Nach­dem der Zer­stör­er McFAUL dem ein­mal iden­ti­fizierten Piraten­schiff mehr als einen Tag lang nicht von der Seite gewichen war und so von vorn­here­in jede Chance für einen Über­fall vere­it­elte, gaben die Pirat­en frus­tri­ert auf und kehrten mit der ICEBERG I an die soma­lis­che Küste zurück. 

Einige Kriegss­chiffe wer­den auch einge­set­zt, um Piraten­mut­ter­schiffe schon direkt vor der soma­lis­chen Küste zu stellen, sobald sie sich auf den Weg machen. In ein­er solchen Block­aderolle operiert derzeit das nieder­ländis­che Dock­lan­dungss­chiff JOHAN DE WITT (EU Nav­For), dessen an Bord mit­ge­führte Lan­dungs­boote unmit­tel­bar vor iden­ti­fizierten Piraten­lagern patrouil­lieren, kon­tinuier­lich die Lage beobacht­en und jedes in See stechende Boot sofort abfan­gen. Ein von der EU Nav­For veröf­fentlicht­es Foto (s.u.) zeigt einen solchen Piraten­stützpunkt an der soma­lis­chen Küste. 

Marineforum - Piratenlager an der somalischen Küste (Foto: EU NavFor)
Piraten­lager an der soma­lis­chen Küste
Bildquelle: EU NavFor

Fünf im Jan­u­ar 2009 im Golf von Aden beim Über­fall auf einen unter der Flagge der nieder­ländis­chen Antillen fahren­den Frachter festgenommene mut­maßliche Pirat­en ste­hen seit dem 25. Mai in den Nieder­lan­den vor Gericht. Dieser erste Piraten­prozess auf europäis­chem Boden wird auch in anderen Län­dern, wo Pirat­en teils schon seit mehr als einem Jahr auf ihre Prozesse warten, aufmerk­sam beobachtet. Zum Prozes­sauf­takt wiesen die Män­ner alle Anschuldigun­gen zurück und behaupteten, harm­lose Fis­ch­er gewe­sen zu sein. Bei ein­er Verurteilung dro­hen ihnen Haft­strafen bis zu 12 Jahren. Im Falle eines Freis­pruch­es (man­gels Beweisen) wollen sie sofort Asy­lanträge stellen. Die Aus­liefer­ung von zehn nach dem Über­fall auf das deutsche Con­tain­er­schiff TAIPAN in den Nieder­lan­den fest­ge­hal­te­nen mut­maßlichen Pirat­en nach Deutsch­land verzögert sich weit­er. Ihre Anwälte fordern jet­zt einen Prozess nicht in Deutsch­land, son­dern auf den Bahamas (Flaggen­staat der TAIPAN). Zehn weit­ere mut­maßliche Pirat­en sind wieder auf freiem Fuß. Sie waren am 5. April beim Über­fall auf einen indis­chen Frachter von einem US Board­ingteam ergrif­f­en und seit­dem an Bord des Zer­stör­ers McFAUL fest­ge­hal­ten wor­den. Unter US-Recht war eine Anklage nicht möglich, und nach­dem sich kein Land bere­it gefun­den hat­te, die mut­maßlichen Pirat­en vor Gericht zu stellen, blieb nur ihre Freilas­sung. Am 28. Mai wur­den sie an der soma­lis­chen Küste abgesetzt. 

Aktuelle Entwick­lun­gen bei Ein­satzkräften

Aktuelle Berichte staatlich­er chi­ne­sis­ch­er Medi­en deuten auf einen bevorste­hen­den Ein­satz des Dock­lan­dungss­chiffes KUNLUN SHAN am Horn von Afri­ka. Her­vorge­hoben wer­den dabei die gegenüber den bish­er einge­set­zten Zer­stör­ern und Fre­gat­ten deut­lich erweit­erten Möglichkeit­en zu Hub­schrauber­op­er­a­tio­nen und zur Ein­schif­fung von Sol­dat­en, die für die Dauer der Pas­sage durch piratenge­fährdetes Gebi­et als Sicher­heit­steams (Ves­sel Pro­tec­tion Detach­ments) an Bord von Han­delss­chif­f­en abgegeben wer­den. Für die KUNLUN SHAN wäre es der erste Ein­satz über­haupt. Das in Schang­hai gebaute und erst 2008 in Dienst gestellte 18.000-ts Schiff ist bis­lang Chi­nas einziges Dock­lan­dungss­chiff. Aktiv­itäten in See beschränk­ten sich bish­er auf einige wenige heimat­na­he Übungen. 

Marineforum - KUNLUN SHAN (Foto:  offz)
KUNLUN SHAN
Bildquelle: offz

Im britis­chen Devon­port hat sich am 26. Mai die Fre­gat­te SOMERSET auf den Weg zu einem sechsmonati­gen Ein­satz in der Nah-/Mit­telost Region gemacht. Haup­tauf­trag wird die Sicherung irakisch­er Ölver­ladeein­rich­tun­gen im nördlichen Per­sis­chen Golf, aber das Schiff soll zeitweise auch zu Anti-Pira­terieop­er­a­tio­nen vor der soma­lis­chen Küste abgestellt werden. 

In Koop­er­a­tion mit “Marine­Fo­rum — Zeitschrift für mar­itime Fra­gen

Marineforum

Alle Infor­ma­tio­nen entstam­men frei zugänglichen Quellen.

Team GlobDef

Seit 2001 ist GlobalDefence.net im Internet unterwegs, um mit eigenen Analysen, interessanten Kooperationen und umfassenden Informationen für einen spannenden Überblick der Weltlage zu sorgen. GlobalDefence.net war dabei die erste deutschsprachige Internetseite, die mit dem Schwerpunkt Sicherheitspolitik außerhalb von Hochschulen oder Instituten aufgetreten ist.

Alle Beiträge ansehen von Team GlobDef →