In der abgelaufenen Woche konzentrierten die Piraten ihre Aktivitäten weiterhin auf die offenen Seegebiete des Somaliabeckens; aus dem von Kriegsschiffen eng überwachten Golf von Aden werden keine Zwischenfälle gemeldet. Im Somaliabecken gab es eine ganze Reihe von Aktionen, aber bis Redaktionsschluss war nur ein einziger Überfall „erfolgreich“ – und dieser auch nur vorübergehend. Am 19. November kaperten Piraten 250 sm nördlich der Seychellen das kleine Fischereifahrzeug FAITH (Seychellen, 7 Mann Besatzung). Vermutlich wollten sie das Schiff als Mutterschiff für weitere Aktionen nutzen. Nur einen Tag später war die Aktion beendet. Ein Aufklärungsflugzeug der EU NavFor suchte und entdeckte das entführte Schiff und führte ein Küstenwachboot der Seychellen an die Position. Die FAITH mit ihrer Besatzung wurde befreit, die sieben Piraten in Gewahrsam genommen. Auf sie wartet nun auf den Seychellen der Prozess.
Noch mindestens vier weitere Überfälle scheiterten im Somaliabecken. Am 20. November griffen Piraten im offenen Indik das japanische (Flagge: Panama) Containerschiff ALTAIR an, das jedoch eine Kaperung durch Ausweichmanöver vermeiden konnte. Am gleichen Tag war vor der omanischen Küste im Arabischen Meer der chinesische Frachter TAISHANKOU Ziel eines Überfalls. Diesmal gelangten die Piraten sogar an Bord, konnten aber die in einer „Zitadelle“ verbarrikadierte Besatzung nicht in ihre Gewalt bringen. Ohne Zugriff auf Geiseln und wohl ahnend, dass chinesische Kriegsschiffe Kurs auf das Seegebiet genommen hatten, gaben sie ihre Beute wieder auf und flüchteten. Ein weiterer Überfall im Somaliabecken wurde am 23. November durch das dänische Meerzweckschiff ESBERN SNARE (NATO) vereitelt. Deren Bordhubschraubers zwang die Piraten, ihren Abgriff auf den Norwegischen „Bulker“ CARMENCITA abzubrechen und mit dem Skiff zum Mutterschiff zurückzukehren. Später entdeckte die ESBERN SNARE dieses mutmaßliche Mutterschiff mit einem Skiff im Schlepp, einem zweiten an Deck. Auf ein Boarding wurde offenbar verzichtet, das geschleppte Skiff allerdings in einer nächtlichen Aktion zerstört.
Am 26. November griffen Piraten fast 1.000 sm von der somalischen Küste entfernt im Indischen Ozean den deutschen Frachter MCL BREMEN an. Sie gelangten auch an Bord, aber wie schon bei der chinesischen TAISHANKOU konnte sich die Besatzung in einem sicheren Raum verbarrikadieren und um Hilfe funken. Als die alarmierte ESBERN SNARE vor Ort eintraf, hatten die Piraten ihre Beute bereits wieder aufgegeben und das Weite gesucht.
Flüchtende Piraten werfen Waffen über Bord Bildquelle: NATO |
Am 24. November stieß der französische Versorger SOMME im Somaliabecken, etwa 280 sm nordöstlich von Mogadischu, auf eine vermutliche „Pirate Action Group“ (PAG). Während das Mutterboot (Whaler mit 7 Männern) mit Warnschüssen gestoppt werden konnte, gelang zwei Männern mit einem Skiff die Flucht. Piratenausrüstung wurde beschlagnahmt, der Whaler dann versenkt und die sieben Männer an die somalische Küste gebracht und dort an Land gesetzt. Bei mehr als 1,500 km Küstenlänge dürfte es etwas dauern, bis sie sich zu ihrem Camp durchgeschlagen haben.
Patrouillen unmittelbar vor Piratencamps an der somalischen Küste zeigen weiterhin Wirkung. Besonders erfolgreich war in der abgelaufenen Woche der niederländische Versorger AMSTERDAM (NATO). Am 19. November wurde eine PAG mit einem größeren Mutterboot (Whaler) und zwei Skiffs entdeckt und mit Warnschüssen vom sofort eingesetzten Bordhubschrauber gestoppt. Die mutmaßlichen Piraten warfen sofort Waffen über Bord; Durchsuchung förderte aber weitere Piratenausrüstung zutage. Der Whaler wurde versenkt; die verhinderten Piraten dann zur Küste zurück geschickt.
In den folgenden Tagen zog die AMSTERDAM noch zwei weitere PAG „vorbeugend aus dem Verkehr“. Dabei wurden die insgesamt 20 mutmaßlichen Piraten diesmal allerdings in Gewahrsam genommen. Es gibt deutliche Hinweise, dass sie zu einer Bande gehören, die am 6. November die südafrikanische Yacht CHOIZIL entführt und zwei Segler verschleppt hat. Mit südafrikanischen Behörden wird nun über ihre Überstellung verhandelt: bis zur Klärung bleiben die Somalis an Bord der AMSTERDAM.
MONTROSE-Hubschrauber versenkt Piratenboot Bildquelle: NATO |
Eine andere Aktion dürfte die Piraten zum Nachdenken anregen. Die britische Fregatte MONTROSE (NATO) entdeckte direkt vor einem Piratencamp einen vor Anker liegenden Whaler. Fotovergleiche belegten zweifelsfrei, dass das Fahrzeug als Mutterboot an einem früheren Überfall beteiligt gewesen war. Vom Strand aus durften die Piraten dann ohnmächtig zusahen, wie ihr Boot vom Bordhubschrauber der Fregatte unter Feuer genommen und versenkt wurde.
Der britische “Sunday Telegraph” berichtet am 21. November über Gespräche des Foreign Office mit einer britischen Sicherheitsfirma, die vor allem frühere Kampfschwimmer (Special Boat Service) beschäftigt. Angeblich wird überlegt, Teams dieser Firma nach Somalia zu entsenden, um dort Somalis „für Angriffe auf die Piratencamps“ auszubilden. Im Jemen beschert die Piraterie Regierung und Streitkräften einen zunehmend lukrativen Nebenerwerb. Ganz offiziell wird ausländischen Reedern für die Passage durch den Golf von Aden die Einschiffung von Soldaten und/oder Geleit durch ein Küstenwachboot angeboten. Mit bis zu 55.000 US Dollar lässt man sich dann diesen Service entlohnen.
In Hamburg hat am 22. November der erste deutsche Strafprozess gegen Piraten seit etwa 400 Jahren begonnen. Angeklagt sind zehn Somalis, die im April den deutschen Frachter TAIPAN gekapert hatten, in einer Befreiungsaktion dann aber von niederländischen Soldaten ergriffen und später nach Deutschland ausgeliefert worden waren. Der Prozess wird mehrere Monate dauern. In den USA hat im ersten Piratenprozess seit 1819 die Jury fünf nach einem versehentlichen Angriff auf ein US Kriegsschiff festgesetzte Somalis „schuldig“ gesprochen. Das Gericht muss nun über das Strafmaß befinden, das im März verkündet werden soll. Viel Spielraum gibt es hier nicht. US Gesetze sehen für Piraterie zwingend eine lebenslange Freiheitsstrafe vor.
Deutlich schärferer Wind soll Piraten entgegen wehen, wenn sie künftig auf Franzosen treffen. Am 25 November verabschiedete das Parlament ein weit reichendes neues Gesetz. Kommandanten von Marineschiffen erhalten den Status (und die Kompetenzen) eines Polizeibeamten, d.h. sie dürfen nach eigenem Ermessen Festnahmen durchführen und mutmaßliche Piraten an Bord ihres Schiffes in Gewahrsam halten. Zugleich dürfen französische Gerichte nun jedem Piraten den Prozess machen, der in internationalen Gewässern beim Angriff auf irgendein Schiff (egal welcher Nation) ergriffen wird. Einzige Voraussetzung ist die Festsetzung durch französische Soldaten oder zivile Vollzugsbeamte. Die neuen gesetzlichen Regelungen schaffen eine Alternative zur Auslieferung an ein drittes Land (Kenia, Seychellen). Allerdings werden erst die kommenden Wochen zeigen, ob und in welchem Umfang die französische Politik wirklich willens ist, die von ihr auf den Weg gebrachten neuen gesetzlichen Möglichkeiten auch auszuschöpfen. Davon wird sicher auch abhängen, ob andere Nationen diesem Beispiel folgen.
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
Mit der Abstellung eines Offiziers zum Operational Headquarters der EU NavFor nach Northwood (Großbritannien) beteiligt sich nun auch die Ukraine erstmals an der Anti-Piraterie Operation „Atalanta“ der Europäischen Union.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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