Die russische Marine soll offenbar vermehrt zur Unterstreichung von Ansprüchen in arktischen Regionen instrumentalisiert werden.
Nachdem schon vor einigen Monaten eine deutlich verstärkte Präsenz im hohen Norden angekündigt wurde, und die russische Luftwaffe ihre Flüge über der Region auch bereits intensiviert hat, gab der Marinesprecher in Moskau am 14. Juli die Verlegung des Zerstörers SEVEROMORSK (UDALOY-Klasse) in die Gewässer um Spitzbergen bekannt. Am 17. Juli solle, so der Marinesprecher, auch noch der FK-Kreuzer MARSHALL USTINOV (SLAVA-Klasse) dorthin geschickt werden. Die Schiffe sollten dort „russische Interessen wahrnehmen“.
Ein internationales Abkommen von 1920 sieht vor, dass Spitzbergen zwar territorial zu Norwegen gehört, die dort lagernden Bodenschätze aber von allen Nationen ausgebeutet werden können. Heute machen von den damals 39 Vertragsunterzeichnern nur Norwegen und Russland von diesem Recht Gebrauch (Kohleförderung). Probleme gibt es, seit Norwegen um Spitzbergen eine 200-Meilen Wirtschaftszone beansprucht, die Russland nicht anerkennt. Norwegen sieht den Sonderstatus nur für die Inseln selbst, Russland auch für vorgelagerten Zonen (wo neben Kohle auch andere Bodenschätze vermutet werden).
Nun soll die Marine offenbar den russischen Standpunkt untermauern. Hier setzt nun allerdings Verwirrung ein. Zum Auslaufen des Kreuzers gibt es keine Informationen, und die SEVEROMORSK ist am 17. Juli im norwegischen Marinestützpunkt Haakonsvern bei Bergen eingelaufen – mehr als 2.000 km von Spitzbergen entfernt. So ist entweder ein anderer Zerstörer vor Spitzbergen im Einsatz, oder aber die angekündigte „Spitzbergen-Expedition“ ist nicht mehr als ein politischer Bluff, der in den nächsten Tagen als bloßes „Missverständnis“ herunter gespielt werden könnte.
Die SEVEROMORSK soll nämlich an der Übung Northern Eagle 2008 teilnehmen, die nach einer vorbereitenden Hafenphase am 21.Juli mit dem Auslaufen der Teilnehmer aus Haakonsvern beginnt. Northern Eagle ist eine seit einigen Jahren jährlich durchgeführte, bilaterale Übung von U‑Jagdkräften der russischen Marine und der US-Navy. In diesem Jahr nimmt neben der SEVEROMORSK die US-Fregatte ELROD daran teil. Beide Seiten bringen überdies U‑Jagdfliegerkräfte in die Übung ein. Neben U‑Jagd stehen diesmal auch SAR, Anti-Terrorübungen und Maritime Security Operations auf dem Übungskalender.
Erstmals ist in diesem Jahr mit den Küstenwachschiffen SENYA und NORDKAPP auch Norwegen an Northern Eagle beteiligt. Übungsgebiet wird die Barentssee, und alle Übungsteilnehmer wollen nach Übungsende am 26. Juli zur Teilnahme an Feiern zum Tag der Russischen Marine und dem 75, Geburtstag der russischen Nordflotte in Severomorsk einlaufen. Eine wie auch immer geartete russisch-norwegische Konfrontation passt so derzeit kaum ins Bild.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
Alle Informationen entstammen frei zugänglichen Quellen. Bildquelle: FlottenKdo