Am 11. April haben Piraten westlich der Seychellen den unter der Flagge von St. Vincent & Grenadines fahrenden Frachter RAK AFRIKANDA (Eigner in den Vereinigten Arabischen Emiraten) gekapert. Wegen Maschinenproblemen konnte das Schiff keine Ausweichmanöver fahren. Nach Reparatur der Antriebsanlage hat der Frachter nun bei Haradhere vor der somalischen Küste geankert – auf dem ganzen Weg dorthin beschattet von der italienischen Fregatte SCIROCCO (NATO), die wegen der Geiselsituation nicht eingreifen konnte.
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RAK AFRIKANDA Bildquelle: EU NavFor |
Unmittelbar vor der Küste Somalias hat die spanische Fregatte VICTORIA (EU NavFor) am 15. April eine weitere mutmaßliche Piratengruppe „neutralisiert“. Das Kriegsschiff entdeckte ein mit drei Personen besetztes vermutliches Mutterschiff (so genannter „Whaler“), das erst nach Warnschüssen aufstoppte. Bei den nach eigenen Angaben „Fischern“ fanden sich größere Mengen an Kraftstoff, Waffen und Munition, dafür aber keinerlei Fischereigerät. Das Boot wurde zerstört; die drei Männer an der somalischen Küste abgesetzt. Für eine bereits begangene, spezifische Straftat gab es keinerlei Beweise.
Eine weitere der insgesamt wohl neun zur Nutzung als Mutterschiff gekaperten indischen Dhaus ist frei. Die VISHVAKALYAN war drei Tage lang von der britischen Fregatte CHATHAM (NATO) beschattet worden, bis der Dhau am 15. April schließlich der Kraftstoff ausging und die entnervten Piraten sich mit einem Skiff absetzten (konnten entkommen). Alle indischen Besatzungsmitglieder an Bord der Dhau sind wohlauf. Angesichts der Welle von Entführungen kleiner Fracht-Dhaus suchen indische Reedereien nach einer neuen Strategie zum Schutz ihrer im Küstenfrachtverkehr vor Somalia fahrenden Boote. Gedacht wird an eine spezielle Ausbildung der Besatzungen zur Piratenabwehr und an die Einschiffung (ziviler) Sicherheitsteams, aber auch an unkonventionelle Maßnahmen. So könnten als „lohnende Scheinziele“ eingesetzte Dhaus (mit eingeschifften, kampfkräftigen Sicherheitsteams) Piraten zu Überfällen anlocken und dann aus dem Verkehr ziehen. Die daraus bei den Piraten entstehende Unsicherheit soll dann von Kaperungen weiterer Dhaus abschrecken.
Unterdessen haben Kriegsschiffe vieler Nationen zunehmend Probleme, in Gewahrsam genommene mutmaßliche Piraten in der Region zur Strafverfolgung „abzusetzen“. Kenia verweigert derzeit wegen Überfüllung der Gefängnisse und Überlastung der Gerichte die in bilateralen Abkommen mit u.a. der Europäischen Union vereinbarte Abnahme. An Bord von US Kriegsschiffen befinden sich derzeit mehr als ein Dutzend mutmaßliche Piraten, aber Strafverfolgung nach US Recht kommt für sie nur bei Angriff auf US Eigentum in Frage. So werden wahrscheinlich diejenigen, die wegen ihrer unbedachten Feuereröffnung auf US Kriegsschiffe (Fregatte NICHOLAS und Docklandungsschiff ASHLAND) in Gewahrsam genommen wurden, in den USA vor Gericht gestellt; die anderen dürften wohl schon bald wieder frei kommen. Gar nicht erst in Gewahrsam genommen wurden mehrere mutmaßliche Piraten, die am 16. April im Golf von Aden kurz nach einem Angriff auf den unter der Flagge Thailands fahrenden Frachter THOR TRAVELER vom Bordhubschrauber des US Zerstörers FARRAGUT (CTF-151) gestellt wurden. Obwohl sie den Bulk Carrier mit Handwaffen und Panzerfäusten beschossen hatten, durften sie nach Beschlagnahme von Waffen und Piratenausrüstung mit ihrem Skiff ungehindert zur somalischen Küste zurück kehren. In US Medien dürfte der Vorgang sicher einmal mehr heftige Diskussionen über Sinn und Zweck der Anti-Piraterieoperationen vor der somalischen Küste auslösen.
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TROMP übergibt mutmaßliche Piraten Bildquelle: niederl. Marine |
Frankreich hat diese Sorgen nicht. Eine französische Fregatte hat am 15. April sechs mutmaßliche Piraten den Behörden der halb-autonomen somalischen Provinz Puntland zur Strafverfolgung übergeben. Sie sind nicht die ersten von einem französischen Kriegsschiff festgesetzten Männer, die dort „abgeliefert“ werden. Puntland, aber auch dem benachbarten Somaliland, bietet die Abnahme mutmaßlicher Piraten eine willkommene Gelegenheit, sich international als politischer Partner zu etablieren. Wie Frankreich mit Puntland, hat offenbar Russland mit Somaliland ein entsprechendes bilaterales Abkommen geschlossen.
Weitgehend problemlos scheint dagegen die Behandlung der zehn am 5. April nach Kaperung des deutschen Containerschiffes TAIPAN von einem Spezialkommando der niederländischen Fregatte TROMP festgesetzten „mutmaßlichen“ (müssen aus rechtlichen Gründen leider noch immer als solche bezeichnet werden) Piraten. Nachdem ein Hamburger Gericht am 13. April Haftbefehl erließ (deutscher Eigner, deutsche Flagge), hat die TROMP die Männer am 14. April nach Djibouti gebracht; von dort wurden sie in die Niederlande geflogen. Nach formeller Abwicklung des eingeleiteten Auslieferungsverfahrens sollen sie dann den deutschen Justizbehörden übergeben werden.
Am 15. April hat der Befehlshaber der US Navy in Europa und Afrika, Admiral Mark Fitzgerald, unverblümt Zweifel an einem Erfolg der bisherigen maritimen Strategie im Kampf gegen die Piraterie angemeldet. „Wir könnten Flotten des II. Weltkrieges im Einsatz haben und wären doch nicht in der Lage, den gesamten Indischen Ozean effektiv abzudecken“, so der Admiral. Die internationale Gemeinschaft solle sich in Ergänzung der Marineeinsätze doch endlich auch einmal darauf konzentrieren, den Weg des (Löse-)Geldes an Land zu verfolgen. Es sei praktisch erwiesen, dass die Hintermänner der Piraten die erbeuteten Millionen völlig ungehindert in Immobilien in Kenia und Äthiopien anlegten. Ein „Trockenlegen“ der Geldflüsse würde sich sicher auch unmittelbar und nachhaltig auf die Aktivitäten (und die Nachwuchsgewinnung) der Piraten auswirken.
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
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Komandowechsel bei EU NavFor Bildquelle: schwed. Marine |
Am 14. April hat Schweden von Italien die Führung der Einheiten der EU NavFor im Operationsgebiet übernommen. In einer Change-of-Command Zeremonie an Bord des italienischen Versorgers ETNA (in Djibouti) übernahm RAdm Jan Thörnquist (im Foto links) die Aufgaben als eingeschiffter Task Force Commander vom italienischen RAdm Giovanni Gumiero (im Foto rechts). Gleichzeitig löste das schwedische Unterstützungsschiff CARLSKRONA die seit dem 12. Dezember eingesetzte ETNA als Flaggschiff der EU NavFor ab. Der Einsatz der CARLSKRONA als Flaggschiff (mit eingeschifftem multinationalen Stab) soll erst einmal vier Monate dauern; das Schiff wird aber wohl länger in der Region bleiben und möglicherweise im Herbst noch einmal (für zwei Monate) der EU NavFor angegliedert werden.
Der russische Zerstörer ADMIRAL CHABANENKO hat nun endgültig seinen am 30. November begonnenen Einsatz am Horn von Afrika beendet. Auf dem Rückmarsch zur Nordflotte befindet sich das Schiff (UDALOY-II Klasse) bereits im Mittelmeer, wo am 11. April die spanische Enklave Ceuta zu einem inoffiziellen Besuch und zur Zwischenversorgung angelaufen wurde.
Bei der indischen Marine hat die Fregatte BETWA Schwesterschiff BEAS im Golf von Aden abgelöst. BETWA ist bereits das 16. indische Kriegsschiff, dass seit Beginn der Anti-Piraterie Operationen Oktober 2008 eingesetzt wird.
Zur Verstärkung des Schutzes chinesischer Handelsschiffe schifft die chinesische Marine Soldaten einer Marine-Kommandoeinheit an Bord von den Golf von Aden passierenden Schiffen ein.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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