Pakistan — Pakistainische Marine im Visier von Terroristen

Gle­ich mehrfach ist die pak­istainis­che Marine in den let­zten Woche ins Visi­er von Ter­ror­is­ten der Tehreek-i-Tal­iban Pak­istan (Pak­istanis­che Tal­iban) ger­at­en.
Am 26. April wur­den bei zwei Bombe­nan­schlä­gen auf Marineb­usse in Karatschi vier Mari­nesol­dat­en getötet und 56 ver­let­zt: nur drei Tage später fie­len einem weit­eren Bombe­nan­schlag eben­falls auf einen Marineb­us in Karatschi weit­ere fünf Sol­dat­en zum Opfer; 18 wur­den ver­let­zt. Die vor­erst spek­takulärste Aktion war aber wohl der Über­fall auf den nahe Karatschi gele­ge­nen Marine­fliegerhorst Mehran.

Am späten Abend (22:30 Uhr) des 22. Mai über­wan­den sechs Ter­ror­is­ten (anfängliche Berichte sprachen noch von bis zu 20) im Schutz der Dunkel­heit mit Leit­ern die Umfas­sungs­mauer, schnit­ten Stachel­drahtsper­ren durch und gelangten so unge­hin­dert in den Hangar­bere­ich des Fliegerhorstes. Hier feuerten sie sofort mit Panz­er­fäusten auf zwei vor den Hangars abgestellte Seefer­naufk­lärungs­flugzeuge P‑3C Ori­on. Eines wurde direkt getrof­fen und zer­stört; ein zweites durch Quer­schläger schw­er beschädigt (gilt inzwis­chen eben­falls als „zer­stört“). Die Ter­ror­is­ten stürmten dann drei Hangars, wo sie weit­ere Flugzeuge und Hub­schrauber beschädigten sowie min­destens 17 Per­so­n­en als Geiseln nah­men, unter ihnen offen­bar auch Ausbilder/Techniker aus Chi­na (Hub­schrauber) und den USA. In einem nach­fol­gen­den 16-stündi­gen Feuerge­fecht mit schließlich eingetrof­fe­nen Sicher­heit­skräften (Anti-Ter­ror-Kom­man­do) kon­nten alle Geiseln befre­it wer­den, zehn Sol­dat­en wur­den dabei allerd­ings getötet und weit­ere 15 ver­let­zt. Vier der Ter­ror­is­ten fan­den eben­falls den Tod (zwei sollen sich selb­st in die Luft gesprengt haben), während zwei sich offen­bar unbe­merkt abset­zen konnten. 

Der Zwis­chen­fall ist für die pak­istanis­che Marine zum einen außeror­dentlich pein­lich: wie kon­nten sechs Ter­ror­is­ten in einen gut gesicherten Fliegerhorst ein­drin­gen (zumal es ange­blich zuvor sog­ar explizite War­nun­gen gegeben haben soll), sich 16 Stun­den gegen fast 100 Anti-Ter­ror Spezial­is­ten behaupten, und schließlich auch noch teils entkom­men. Hier wer­den (intern) noch einige Fra­gen zu klären sein. In ein­er offen­sichtlich „poli­tis­chen Sofort­maß­nahme“ wurde der Fliegerhorstkom­man­deur am 25. Mai „mit sofor­tiger Wirkung“ ver­set­zt. Die Marine erk­lärte zwar schnell, die Per­sonal­maß­nahme sei lange geplant gewe­sen und ste­he in kein­er­lei Zusam­men­hang mit dem Über­fall. Glaub­haft klingt dies jedoch nicht, zumal für den Geschas­sten, immer­hin ein Flag­gof­fizier (Dien­st­grad Com­modore) bish­er kein neuer Dien­st­posten genan­nt wer­den kann. 

Marineforum - eine der neuen, nun zerstörten P3-C Orion (Foto: Lockheed Martin)
eine der neuen, nun zer­störten P3‑C Ori­on
Bildquelle: Lock­heed Martin

Viel schw­er­wiegen­der als bloße Per­son­alien dürften aber die materiellen Auswirkun­gen für die pak­istanis­chen Marine­fliegerkräfte sein. Die zer­störten P‑3C Ori­on waren die ersten zwei von sieben 2008 als Ersatz für ver­al­tete Breguet Atlan­tique in den USA bestell­ten Seefer­naufk­lär­ern; sie waren erst im Juni 2010 auf dem Fliegerhorst Mehran in Dienst gestellt worden. 

Damit aber nicht genug: Mehran ist „der“ zen­trale pak­istanis­che Marine­fliegerhorst. Hier sind fast alle Flugzeuge und Hub­schrauber der Marine sta­tion­iert. Ein­er pak­istanis­chen Quelle zufolge sollen sich zum Zeit­punkt des Über­falls neben den auf dem Vor­feld gepark­ten P‑3C in Hangars weit­ere sechs Seer­aumüberwachungs­flugzeuge F‑27–200 Fokker Friend­ship, zehn alte ver­mut­lich nicht mehr oper­a­tiv ein­satzk­lare Seefer­naufk­lär­er Breguet Atlan­tique (4) und P‑3C Ori­on (6), sowie mehr als 20 Hub­schrauber (Sea King, Lynx, Alou­ette, chi­ne­sis­che Z‑9) befun­den haben. Mit Angaben welche bzw. wie viele dieser Flugzeuge/Hubschrauber zer­stört oder beschädigt wur­den, hält sich die pak­istanis­che Marine bish­er zurück. Örtliche Medi­en spekulieren aber, dass angesichts der Zen­tral­isierung in Mehran fast die gesamte Marine­fliegerkom­po­nente nicht mehr ein­satzfähig sein könnte. 

Es gibt zwar noch einen Auswe­ich­platz in Balutschis­tan, bei dem aber unklar ist, ob er in Frieden­szeit­en über­haupt in Betrieb ist, bzw. ob hier zum Zeit­punkt des Über­falls Luft­fahrzeuge standen. 2002 wurde bei der Jin­nah Naval Base nahe Ormara (240 km west­lich von Karatschi) mit dem Bau eines weit­eren Marine­fliegerhorstes begonnen, aber das Pro­jekt kam bei man­gel­nder Finanzierung bish­er kaum voran. 

Dies kön­nte sich nun ändern. In einem ersten Inter­view nach dem Anschlag erk­lärte Marinebe­fehlshaber Admi­ral Noman Bashir, die Marine werde ihre Anla­gen und Ein­rich­tun­gen aus dem dicht bevölk­erten Großraum Karatschi in bess­er zu sich­ernde Gebi­ete ver­lagern. Nun ist ein kom­plet­ter Umzug der Marine von Karatschi (14 Anla­gen!) nicht ad hoc zu bew­erk­stel­li­gen, und für den Bau kom­plett neuer bzw. die notwendi­ge Erweiterung vorhan­den­er Stützpunk­te dürfte sich im Staat­shaushalt der kom­menden Jahre auch ganz sich­er kein Geld find­en. Die Fer­tig­stel­lung des Marine­fliegerhorstes bei Ormara dürfte sich allerd­ings deut­lich beschleunigen. 

In Koop­er­a­tion mit “Marine­Fo­rum — Zeitschrift für mar­itime Fra­gen

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