Mehr als 450 Mrd. US-Dollar müssen in den kommenden zehn Jahren aus der derzeitigen Militärplanung gestrichen werden, und das geht nicht ohne teils tiefe Einschnitte. Zwar hatte es auch schon früher Sparauflagen gegeben, aber da hatten Regierung und Verteidigungsministerium sich jeweils damit begnügt, den einzelnen Teilstreitkräften verminderte Budgets zuzuweisen, es ihnen dann aber weitestgehend selbst überlassen, wo und in welchem Umfang sie ihre strategischen Konzepte anpassten. Die Größenordnung der derzeitigen Staatsverschuldung erlaubt diese TSK-interne Suche nach möglichen Kompromissen nicht mehr.
Am 5. Januar verkündeten Präsident Obama und Verteidigungsminister Panetta mit dem Basisdokument “Sustaining Global Leadership: Priorities for 21st Century Defense” neue strategische Rahmenbedingungen, bei denen nun die Strategie das Budget bestimmt und nicht umgekehrt. Sie sehen im Kern vor, die bisherige Fähigkeit zur gleichzeitigen Führung zweier größerer Kriege (z.B. Irak und Afghanistan) aufzugeben. Man werde sich künftig grundsätzlich damit begnügen, mit einer verschlankten „Joint Force“ nur einen „major war“ führen zu können, dennoch aber auch zu verhindern wissen, dass ein feindlich gesinnter Staat das US-Engagement auf einem Kriegsschauplatz ausnutze, an anderer Stelle unbehelligt einen weiteren Konflikt vom Zaun zu brechen (“deny an aggressor in a second region while already engaged in another”). Kriege sollen überdies deutlich kürzer gehalten werden; das in Irak und Afghanistan nach kurzer intensiver Kampfphase langwierige und aufwändige „nation building“ soll künftig weniger Aufgabe der US Streitkräfte sein.
Der strategische Schwerpunkt soll sich deutlich in den asiatisch-pazifischen Raum verlagern („rebalance toward the Asia-Pacific region“), das militärische Engagement in Europa dementsprechend zurück gefahren werden, auch wenn sich das Verhältnis zu Europa „weiter entwickeln“ werde und die NATO ein Eckpfeiler bleibe. Durch Stärkung der Beziehungen zu regionalen Staaten wie Japan und Südkorea (aber auch Australien) sowie „Investition in eine langfristige strategische Partnerschaft mit Indien“ sollen chinesische Ambitionen auf eine (über-)regionale militärische Führungsrolle Grenzen gesetzt werden.
US Carrier Strike Group (Foto: US Navy) |
Wie sich die Umsetzung der neuen „Guidelines“ auf die einzelnen TSK auswirken wird, ist noch offen. Klar scheint lediglich, dass Budgetkürzungen nicht länger gleichmäßig nach dem „Rasenmäher-Prinzip“ erfolgen werden, dass US Army und US Marine Corps wohl stärker zur Kasse gebeten werden als US Navy und US Air Force. Die US Navy dürfte davon profitieren, dass die asiatisch-pazifische Region vornehmlich maritim geprägt, und auch die neuen Vorgaben auf die Fähigkeit zu „Power Projection“ mit „Eindringen in ein vom Gegner verwehrtes Gebiet“ setzen. Mit welchen Kräften (z.B. Anzahl Carrier Strike Groups) dies künftig bewerkstelligt werden soll, ist aber noch völlig offen.
Das nur acht Seiten starke Basisdokument geht auch noch nicht auf spezifische Rüstungsvorhaben ein, sondern nennt lediglich einige mit Priorität zu erhaltende oder auch auszubauende Grundparameter: Special Forces (asymmetric warfare); Terrorabwehr; Verhindern der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen; Entwicklung neuer Technologien vor allem für Nachrichtengewinnung, Aufklärung, Führungs- und Informationssystemen (Cyberspace) sowie unbemannte Systeme; Fähigkeit zur bedarfsweisen schnellen Mobilisierung zusätzlicher Kräfte (Reservistenkonzept). Der Bestand an Nuklearwaffen soll reduziert werden, die Fähigkeit einer glaubhaften Abschreckung aber zugleich uneingeschränkt erhalten bleiben.
Details zu möglicherweise betroffenen Rüstungsprogrammen werden sich erst den TSK-Haushaltsentwürfen für 2013 entnehmen lassen. Bis diese vorliegen, ist Spekulationen noch Tür und Tor geöffnet, und die beginnen denn auch schon. Lobbyisten und Politiker werden bemüht sein, möglichst schon im Vorfeld für ihre Klientel aktiv zu werden, dürften aber zunächst einmal weitgehend „ins Blaue“ operieren. Sobald dann aber die Details veröffentlicht sind, wird mit einem auch vom Präsidentschaftswahlkampf geprägten „Hauen und Stechen“ der Kampf um Pfründe voll entbrennen.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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