China scheint bei der Entwicklung eines speziell zur Bekämpfung von US Flugzeugträgern geeigneten ballistischen Flugkörpers einen großen Schritt voran gekommen.
Schon 2003 hatten Fachmedien erstmals über eine Modifizierung der landgestützten ballistischen Mittelstreckenrakete DF-21 (nuklearer Gefechtskopf, Reichweite 2.000 km) berichtet. In der seegestützten Version JL‑1 wird dieser Flugkörper auch auf dem strategischen U‑Boot der XIA-Klasse mitgeführt.
DF-21 Bildquelle: fas.org |
Die neue landgestützte Variante der DF-21 soll nun mit konventionellen Gefechtsköpfen bestückt sein, deren Zielendanflug über aktive Radarsuchköpfe gesteuert wird. Dies würde die Möglichkeit bieten, auch Seeziele aus großer Entfernung punktgenau zu bekämpfen. Für die Opfer bliebe gegen die mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit fast senkrecht aus dem Himmel anfliegenden Gefechtsköpfe kaum eine Abwehrmöglichkeit.
Überdies sollen speziell für die Bekämpfung von (amerikanischen) Flugzeugträgern geeignete Gefechtsköpfe entwickelt worden sein, die vor allem der Erkenntnis Rechnung trügen, dass man einen solchen mit einzelnen, konventionell bestückten Flugkörper kaum versenken kann. Die Fachzeitschrift JANE´s Navy International schrieb 2007 von Submunition, die vom Gefechtskopf ähnlich wie bei einer Cluster Bomb direkt über dem anvisierten Träger ausgestreut wird und dessen sämtliche äußeren Antennen (Radar, Fernmelde), Luftfahrzeuge auf dem Flugdeck, nicht „gehärtete“ Sensoren und Waffensysteme schlagartig ausschaltet. Die Zielzuweisung soll u.a. durch Satelliten erfolgen.
Nach Aussagen des US Befehlshaber im Pazifik, Admiral Robert Willard, habe die neue „Anti-Carrier Missile“ bereits eine vorläufigen Einsatzreife (initial operational capability) erreicht. Der Admiral betonte aber auch, dass bis zur Aufnahme einer Serienfertigung noch langwierige Erprobungen notwendig seien; dies gelte insbesondere auch für die Entwicklung einer seegestützten Version. Bis zu offizieller Einführung und verbreiteter Stationierung der modifizierten DF-21 dürften noch einige Jahre vergehen, auch wenn in der Nähe von Shaoguan angeblich bereits ein Standort für den neuen (landgestützten) FK vorbereitet wird.
In den letzten Jahren konzentrieren sich die Anstrengungen von Marinen weltweit auf die Abwehr extrem tief fliegender Seeziel-FK, so genannter „Sea Skimmer“, deren Bekämpfungbei der US Navy nicht zuletzt auch Einsatzrolle trägergestützter Jagdflugzeuge ist („look-down, shoot-down“). Eine Abwehr ballistischer Flugkörper durch Jagdflugzeuge ist derzeit nicht möglich. Unter der möglichen neuen Bedrohung durch DF-21 erhielte die zur Zeit vor allem als ergänzendes, seegestütztes Element von Landesluftverteidigung verstandene Befähigung von US-Kriegsschiffen zur Abwehr von ballistischen FK neue Priorität. Ballistic Missile Defence wäre dann als Teil der Verbandsflugabwehr um eine US-Flugzeugträgereinsatzgruppe auch auf der taktischen Ebene unverzichtbar.
Die USA betrachten die Entwicklung mit Sorge. Sollte es den chinesischen Streitkräften möglich werden, US-Flugzeugträger über Entfernungen von hunderten Seemeilen effektiv zu bekämpfen, könnten diese gezwungen sein, sich weit in den Pazifik zurück zu ziehen. Operationen in der Straße von Taiwan wären auf jeden Fall unmöglich, ja selbst westlich der „zweiten Inselkette“ (u.a. Okinawa) könnte das Risiko zu groß werden. Die neuen Flugkörper seien so geeignet, das strategische Kräfteverhältnis in Ostasien nachhaltig zu verändern. Sicherlich müssten völlig neue Operationskonzepte entwickelt werden.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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