USA — Neues Einsatzkonzept der US-Navy — Naval Operations Concept 2008 (NOC 2008)

Die wichtig­sten Ele­mente des NOC-Zwis­chen­berichts
Überseep­räsenz: Der Zwis­chen­bericht bestätigt die in der mar­iti­men Strate­gie fest­gelegte Ausweitung der inter­na­tionalen Koop­er­a­tion, sowohl auf dem Aus­bil­dungs- wie auf dem Ein­satzsek­tor. Der ständi­gen und der bedarfs­be­d­ingten Entsendung amerikanis­ch­er Seestre­itkräfte – ob Navy, Marine Corps oder Coast Guard – wird im NOC-Zwis­chen­bericht viel Aufmerk­samkeit geschenkt. Hier­bei wer­den zwei wesentliche Punk­te betont: die physis­che Präsenz amerikanis­ch­er Seestre­itkräfte in bes­timmten, als kri­tisch eingestuften Regio­nen sowie größere Flex­i­bil­ität bei der Zusam­men­stel­lung und Entsendung von Stre­itkräften im Bedarfsfall. 
  • Auf See befind­liche Kräfte wer­den auf ad hoc Basis, der jew­eili­gen Ein­satzan­forderun­gen entsprechend, teil­stre­itkraft­ge­mein­sam und ohne Rück­sicht auf geografis­che Zuständigkeits­ge­bi­ete der ver­schiede­nen regionalen Oberkom­man­dos, zu Ein­satz­grup­pen umge­bildet. Dies kann die Auf­s­pal­tung größer­er Ver­bände in ver­streut agierende autonome Klein­ver­bände bedeuten; ander­er­seits wird auch aus­drück­lich aufge­führt, dass kün­ftig auf See befind­liche Flugzeugträger­grup­pen und ESG-Ein­satz­grup­pen (Expe­di­tionary Strike Group – aus amphibis­chen Kriegss­chif­f­en, kon­ven­tionellen Kriegss­chif­f­en und einem Unter­see­boot zusam­mengestellte Ver­bände) »peri­odisch« zu größeren expe­di­tionären Kriegsver­bän­den zusam­mengestellt wer­den sollen;

  • Seestre­itkräfte wer­den posi­tion­iert, um eine größere Rolle bei der Bekämp­fung des Ter­ror­is­mus einzunehmen. Koop­er­a­tives Engage­ment und gemein­same Ein­sätze zugun­sten der mar­iti­men Sicher­heit wer­den vor­wiegend in den Regio­nen Afri­ka, Per­sis­ch­er Golf, Südostasien, Zentralamerika/Karibik sowie Mit­telmeer und Schwarzmeer stattfinden;

  • So genan­nte glob­ale Flot­ten­sta­tio­nen sollen – zwecks Aus­bil­dungsko­op­er­a­tion, Part­ner­schaft­spflege sowie aus poli­tis­chen Sig­nal­grün­den – in Süd­wes­t­asien (sprich: Großraum Per­sis­ch­er Golf), Südostasien, Afri­ka sowie im Gebi­et Zentralamerika/Karibik errichtet wer­den. Sie wer­den durch die tur­nus­mäßige Entsendung einzel­ner oder weniger US-Schiffe in die fragliche Region gebildet.

  • Im Mit­telmeer wird wieder eine »dauer­hafte« Kräftepräsenz etabliert. Dies lässt sich grund­sät­zlich nur so ver­ste­hen dass die 6. Flotte (Sitz: Neapel) wieder eigene Schiffe erhal­ten soll, die per­ma­nent in Ital­ien sta­tion­iert wer­den. Diese Aus­sage des NOC ist auch im Ein­klang mit der Aus­sage des Kom­man­deurs der 6. Flotte, Vice Admi­ral James Win­nefeld, der bere­its im Som­mer 2008 den Auf­bau ein­er »robus­teren Ein­satzpräsenz der US-Marine, der Marine­in­fan­terie und der Küstenwache« voraus­sagte [»Neuaus­rich­tung der mar­iti­men Strate­gie der USA«, Marine­Fo­rum 9–2008, S. 10f].

Das Doku­ment stellt fest, dass die dort sta­tion­ierten Kräfte eine sofor­tige Krise­nentsendung sowohl im Mit­telmeer­raum wie in den umliegen­den Lit­toral­gewässern gewährleis­ten sollen. Dies deutet eine stärkere Anteil­nahme der Navy (und der USA) an der Sicher­heit­slage im Großraum Kaukasus/Schwarzmeer an. Die Kräfte sollen fern­er bere­it­ste­hen, die 5. Flotte im Indis­chen Ozean und an der afrikanis­chen West­küste zu ver­stärken. Es ist davon auszuge­hen, dass diese Ein­heit­en in den benan­nten Regio­nen schw­er­punk­t­mäßig an der Ter­ror- und Pro­lif­er­a­tions­bekämp­fung (mar­itime Sicherungsauf­gaben) sowie an human­itären Aktio­nen (inklu­sive Evakuierung aus­ländis­ch­er Zivilis­ten aus Krisen­ge­bi­eten) teil­nehmen. Das Doku­ment deutet auch an, dass eine seegestützte bal­lis­tis­che Raketen­ab­wehr zum Schutz Europas vor Raketen aus dem Mit­tleren Osten eben­falls zu den kün­fti­gen ständi­gen Auf­gaben der 6. Flotte gehören wird (s.u. „Abschreck­ung“).

Ausbildungshilfe in Afrika (Foto: US-Navy)
Aus­bil­dung­shil­fe in Afri­ka
Quelle: US-Navy

Diese »ständi­ge Präsenz« wird mit Sicher­heit auch der zunehmenden US-Inter­ak­tion mit Afri­ka dienen. Das in Deutsch­land (Stuttgart) ansäs­sige US-Afri­ka-Oberkom­man­do wird in abse­hbar­er Zeit keine ständi­gen Stützpunk­te auf dem schwarzen Kon­ti­nent erwer­ben, stellte dessen Ober­be­fehlshaber, Gen­er­al William Ward, im Okto­ber erneut fest. Kriegss­chiffe und Coast Guard Ein­heit­en, die sich an Aus­bil­dungs- und Präsen­zpro­gram­men vor Afri­ka beteili­gen, wer­den bere­its derzeit durch die 6. US-Flotte geführt. 

Die Zusam­menset­zung der neuen dauer­haften Mit­telmeer­präsenz wird im NOC-Zwis­chen­bericht nicht im Detail angegeben. Das beschriebene bre­ite Auf­gaben­spek­trum lässt allerd­ings auf ein aus­ge­wo­genes Flot­tenkontin­gent schließen, das sowohl kon­ven­tionelle Über­wasserkriegss­chiffe eben­so wie speziell aus­gerichtete Raketen­ab­wehrschiffe, amphibis­che Schiffe (inklu­sive ein­satzbere­it­er Marine­in­fan­terie), sowie Ein­heit­en der Coast Guard umfasst. Auch hier kann wieder Admi­ral Win­nefeld zitiert wer­den, der im Som­mer für eine früh­est mögliche Rück­kehr ein­er ständi­gen Präsenz amphibis­ch­er Ein­satzkräfte in das Mit­telmeer plädierte. 


Flagge USA

Macht­pro­jek­tion erhöhen
Der NOC-Zwis­chen­bericht fordert die Entwick­lung inno­v­a­tiv­er Konzepte, um die Zer­störungskraft und Vielfalt der ver­füg­baren Mit­tel zur Macht­pro­jek­tion zu erhöhen. Hier wird u.a. vorgeschlagen: 
  • Die Ausstat­tung von amphibis­chen Schif­f­en mit offen­siv­en Raketen, Jagdbombern und unbe­man­nten Sys­te­men, um eine bre­it­ere Palette offen­siv­er Ein­sätze durchzuführen;

  • Das Führen eines Kontin­gents Marine­in­fan­ter­is­ten und eines Lan­dungs­bootes durch kon­ven­tionelle Über­wasserkampf­schiffe, damit diese Ein­heit­en zusät­zlich zu ihrer bish­eri­gen Ein­satz­palette auch Erkun­dung­sein­sätze und schnelle Angriffe gegen Punk­tziele an der Küste durch­führen, umfassendere amphibis­che Ein­sätze vor­bere­it­en, S&R/Bergungseinsätze an Land leis­ten oder effizien­tere Evakuierung­sein­sätze durch­führen können.

Langfristig kön­nten laut NOC-Zwis­chen­bericht diese Über­legun­gen zur Entwick­lung neuar­tiger Schiff­skonzepte führen, die für ein bre­ites Ein­satzspek­trum aus­gerichtet wären, inklu­sive amphibis­ch­er Ein­sätze, dem Führen offen­siv­er Raketen und ein­er begren­zten Anzahl [eventuell unbe­man­nter] Jagdbomber sowie ein­er Führungs- und Logistikfunktion. 

See­herrschaft
Das Doku­ment stellt unter der Über­schrift »Sea Con­trol« fest, dass gegen­wär­tig wenige Bedro­hun­gen beste­hen, die die freie Fahrt der US-Navy auf hoher See behin­dern kön­nen; es warnt jedoch, dass »Bedro­hun­gen der näch­sten Gen­er­a­tion ver­suchen wer­den, unsere Tran­sit­fähigkeit auf hoher See zu behin­dern«. Mehrere Gefahren­quellen sowohl auf hoher See wie in den Küstengewässern wer­den aufgeführt: 

  • Der Auf­stieg ein­er eben­bür­ti­gen kon­ven­tionellen Seemacht (es wer­den in diesem Kon­text mit Vorbe­dacht keine Staat­en genannt);

  • Anhal­tende Eng­pässe in der Minen­bekämp­fung auch nach Ein­führung der LCS-Klasse (Lit­toral Com­bat Ship);

  • Das Poten­zial nicht-staatlich­er Akteure wie Hizbol­lah, Kriegss­chif­f­en den Zugang zu Küstengewässern zu versagen;

  • Der Ein­satz feindlich­er Schnell­boote in Küstengewässern und Meeren­gen (das Doku­ment zitiert aus­drück­lich das diesjährige aggres­sive Ver­hal­ten iranis­ch­er Boote gegen US-Kriegss­chiffe in der Straße von Hor­muz als Ver­such, amerikanis­che Ein­satz­tak­tik und Tech­nolo­gie zu prüfen);

  • Tech­nol­o­gis­che Bedro­hun­gen gegen elek­tro­n­is­che Aufklärungs‑, Kom­mu­nika­tion­sund Führungssys­teme und Satelliten.

Abschreck­ung

US-Kreuzer bei ABM-Test (Foto: US-Navy)
US-Kreuzer bei ABM-Test
Quelle: US-Navy

Das NOC-Doku­ment betont unter der Über­schrift »Deter­rence« die Bedeu­tung der seegestützten nuk­learen Abschreck­ung (SLBM), plädiert jedoch auch für die Beschaf­fung zusät­zlich­er kon­ven­tioneller U‑Boot-gestützter Raketen mit glob­aler Reichweite. 

Gle­ichzeit­ig wirbt der Zwis­chen­bericht für die Ausweitung der seegestützten Abwehr feindlich­er bal­lis­tis­ch­er Raketen. Aus­drück­lich wird der Ein­satz der seegestützten ABM im West­paz­i­fik, im Mit­tleren Osten und in Europa (sprich: Mit­telmeer) angekündigt. Die Beschaf­fung zusät­zlich­er Ein­heit­en mit ABM-Raketen soll die bedro­hungs­be­d­ingte glob­ale Entsendungs­bere­itschaft dieser Abwehrfähigkeit ermöglichen. 

Team GlobDef

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