Das Konzept der Marine aus Tausend Schiffen
»Diese Idee einer Marine aus Tausend Schiffen bezieht sich auf ein globales maritimes Netzwerk (freiwillig zusammenarbeitender Staaten) mit dem gemeinsamen Ziel, die Weltmeere zu patrouillieren«, erklärte Vice Admiral John Morgan, Leiter der Hauptabteilung Planung, Information und Strategie im US-Navy Führungsstab.
Es geht um die gemeinsame Bekämpfung gemeinsamer Bedrohungen durch nichtstaatliche Kräfte und durch Schurkenstaaten. Die Eindämmung von Piraterie, Terrorismus, Drogen- und Menschenschmuggel sowie der Proliferation von Waffen und Massenvernichtungswaffentechnologie wäre die Hauptaufgabe der Initiative. Auch koordinierte humanitäre Einsätze wären Sache der TSN.
Es geht aber nicht um die Etablierung eines ständigen internationalen Flottenverbandes. Es soll keine organisatorische Infrastruktur und keine Kommandostruktur geben. Die Initiative wäre kein festes Bündnis und würde nicht auf Unterzeichnung eines Vertrages beruhen. Trotz der globalen Ausrichtung wäre TSN kein UN-Organ und erst recht kein NATO-Organ. Die Souveränität der Territorialgewässer sowie der beteiligten Kräfte soll nicht berührt werden, betont Admiral Mullen. Er versichert ebenfalls, dass die USA keine Führungsrolle beanspruchen und sich an vielen Einsätzen im Rahmen der TSN nicht einmal beteiligen würden.
Der Begriff »Thousand Ship Navy« ist in sich etwas irreführend, da sich die Beteiligung nicht auf Hochseeflotten beschränken soll. Auch Küstenschutzkräfte, Wasserschutzpolizei, Hafenbehörden und andere Sicherheits- und Polizeiorgane sollen eingeschlossen werden. »Es ist ein Konzept für diejenigen, die bereit sind zusammenzuarbeiten. Da niemand die Meere alleine schützen kann, ist es egal, ob die [beteiligten Kräfte] groß oder klein sind. Sie müssen nur bereit sein, mitzumachen«, erklärte Admiral Mullen. Jedem gesetzestreuen Land stehe die Beteiligung frei – »wann und wie es will und kann«.
Der Admiral verweist gerne auf die schnelle, unbürokratische Zusammenarbeit vieler Nationen anlässlich der Tsunami-Katastrophe von 2004 als Beispiel, wie das TSN Konzept funktionieren könnte. »Das gleiche kann m.E. über die Evakuierungsmaßnahmen aus dem Libanon im Sommer [2006] gesagt werden, wo 170 Schiffe aus 17 Nationen zusammen kamen«, erklärte Mullen am 12. Oktober 2006 auf einer Marinetagung in Venedig. »Sie organisierten sich selbst, ohne formelle Vorgaben, ohne Vertrag oder Bündnis und absolvierten nahtlos eine wichtige Aufgabe«.
Selbst die Handelsschifffahrt soll eingebunden werden und Ausschau nach verdächtigen Schiffen und Bewegungen halten.
Informationsaustausch ist eine zentrale Komponente des Konzepts. Hierbei geht es nicht um vertrauliche Informationen oder nachrichtendienstliche Erkenntnisse, betonte Mullen in Venedig. »Wir bilden Vertrauen [unter den beteiligten Staaten und Diensten], wir bilden Selbstvertrauen, wir schaffen Lagekenntnis.«
Admiral Mullen sagte auf der gleichen Veranstaltung, dass für die Umsetzung des TSN Konzepts nur geringfügige Investitionen nötig wären. Gleichzeitig betonte er die Überzeugung, dass Technologie der wichtigste Faktor bei der Schaffung eines umfassenden maritimen Lagebildes wäre. »Technologie versetzt uns in die Lage, jetzt (…) auf der Grundlage des Internets ein globales maritimes Lagebild zu schaffen. Dies wird maritimen Kräften erlauben, Erkenntnisse in Echtzeit auszutauschen – ohne Rücksicht auf Geografie, Distanzen und eines Tages sogar Sprache«, erklärte er. Ein weiterer amerikanischer Marineoffizier ergänzte, dass jedes Schiff, das über ein Satellitentelefon, einen PC und ein Automatisiertes Identifizierungssystem (AIS) verfügt, bereits die notwendige Grundausstattung für die Teilnahme an TSN hätte.
Die USA und andere Nationen könnten teilnahmeinteressierten Ländern, deren Seestreitkräfte technologischen Nachholbedarf haben, durch Ausrüstung und Ausbildung helfen, betonte Admiral Mullen.