Südafrikas Marine — Aus der Isolation der »Apartheid« zu anerkannter regionaler Führung

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Ende der Isolation

Der Amt­santritt von Präsi­dent de Klerk läutet 1989 das Ende der Apartheid ein. 1994 gibt es erste freie Wahlen, die mit einem über­wälti­gen­den Wahlsieg der früheren Anti-Apartheid Bewe­gung ANC (African Nation­al Con­gress) enden. 1994 wird Nel­son Man­dela erster schwarz­er Präsi­dent Südafrikas. 

Am 27. April 1994 wird die SAN offiziell Teil der neuen South African Nation­al Defence Force (SANDF). Der poli­tis­che Wan­del doku­men­tiert sich natür­lich auch optisch. 1997 erhal­ten alle nach Per­sön­lichkeit­en der »Weißen Herrschaft« benan­nten Ein­heit­en neue Namen, die sich auf die Geografie Südafrikas oder weniger kon­tro­verse his­torische Per­so­n­en beziehen. So wird z.B. aus der MIN­IS­TER-Klasse die WARRIOR-Klasse. 

Die finanziellen Mit­tel der SANDF sind begren­zt. Schon 1990 muss die SAN aus Kosten­grün­den ihr Marine­in­fan­terieko­rps auflösen; nun bedeutet der unver­mei­dliche per­son­elle Umbruch (Aufhe­bung der nur für Weiße gel­tenden Wehrpflicht, Inte­gra­tion von far­bigen früheren Wider­stand­skämpfern) erst ein­mal weit­eren Per­son­al­ab­bau. Das Ende der inter­na­tionalen Iso­la­tion eröffnet zwar Möglichkeit­en zur Erneuerung der über­al­terten Flotte, aber die SAN ste­ht dabei in direk­ter Konkur­renz zu den Land- und Luft­stre­itkräften, die natür­lich eben­falls erhe­blichen Nach­holbe­darf anmelden. Hinzu kommt, dass eine äußere mar­itime Bedro­hung nicht erkennbar ist. Auf­gaben wie z.B. die Abwehr ter­ror­is­tis­ch­er Infil­tra­tion über See haben mit der inneren Entwick­lung und der Nor­mal­isierung des Ver­hält­niss­es zu den Nach­barstaat­en ihre Bedeu­tung verloren. 

Inshore Patrol Craft TERN (Foto: Michael Nitz)
Inshore Patrol Craft TERN
Foto: Michael Nitz

So sind neue U‑Boote erst ein­mal unbezahlbar. Die drei alten Boote der DAPHNE-Klasse wer­den statt dessen noch ein­mal mod­ernisiert. Auch der Ersatz der WAR­RIOR-Klasse durch neue Korvet­ten muss aus Kosten­grün­den ver­schoben wer­den. Tech­nis­che »Lebensver­längerung« soll die alten Boote nun bis 2005 in Dienst hal­ten. Ähn­lich­es gilt für die noch verbliebe­nen vier, schon 35 Jahre alten Minen­such­er der TON-Klasse, die noch ein­mal (mit viel Aufwand) mod­ernisiert werden. 

Einige wenige Neubaut­en gibt es allerd­ings doch. So wird 1992 in der Ukraine ein ursprünglich für Rus­s­land bes­timmtes Schiff gekauft. Mit eisver­stärk­tem Rumpf, seitlich­er Ro/Ro-Rampe und der Möglichkeit zur Ein­schif­fung eines Trans­port-Hub­schraubers ist die 21.000 ts große OUTENIQUA ide­al für Ver­sorgungsauf­gaben und SAR-Dienst bis in die Antark­tis geeignet. Sie löst die alte TAFELBERG ab. 1991 bestellt die SAN bei der heimis­chen T‑Craft überdies drei kleine Inshore Patrol Craft. 

Natür­lich wer­den die Pläne zur Flot­ten­mod­ernisierung nie aufgegeben. Man konzen­tri­ert sich auf drei Schwerpunkte: 

  • Wieder­erlan­gung der Hochseefähigkeit,

  • Erhalt und Aus­bau der Küstenpatrouillenkräfte

  • Erneuerung der U‑Boot-Kom­po­nente.

Langfristig »träumt« man von ein­er Flotte mit vier mod­er­nen diese­lelek­trischen U‑Booten, acht etwa 2.250 ts großen Mehrzweck­ko­rvet­ten (mit Bor­d­hub­schraubern), 12 kleineren (max. 1.200 ts) Kampfein­heit­en für die Über­wass­er-Seekriegs­führung, 12 Minen­ab­wehrfahrzeu­gen, zwei Unter­stützungss­chif­f­en. Sie soll mit angemessen­er – regionaler – Abschreck­ungska­paz­ität die Erfül­lung aller Auf­gaben gewährleis­ten und der SAN auch erlauben, bei Bedarf Ein­heit­en für regionale Auf­gaben und inter­na­tionale Oper­a­tio­nen abzustellen. 

Klar ist, dass man nicht alle Pro­jek­te gle­ichzeit­ig real­isieren kann. Defizite sollen denn auch schrit­tweise beseit­igt wer­den. Pri­or­ität haben zunächst vier Korvet­ten (bis 1999), danach dann sechs kleinere Über­wasserkampfein­heit­en (bis 2003) sowie schließlich die vier U‑Boote (bis 2005). Der Rest der neuen Flotte soll dann abhängig von der Bud­geten­twick­lung später beschafft wer­den. Bei Finanzierung­sprob­le­men sollen erst ein­mal jew­eils nur ein oder zwei Ein­heit­en beschafft wer­den – eben so, wie Geld vorhan­den ist. Zur Kosten­min­imierung sollen eigene Werften und Sub­un­ternehmen beteiligt wer­den; Vorzug sollen bewährte aber preiswerte aus­ländis­che Designs haben, die mit heimis­chen Waf­fen, Sen­soren und Führungssys­te­men oder auch Teilen alter Ein­heit­en aus­gerüstet werden. 

1994 wer­den neue Korvet­ten inter­na­tion­al aus­geschrieben, zwei Jahre später auch offiziell Inter­esse an neuen U‑Booten bekun­det. In hefti­gen Kon­tro­ver­sen über Finanzierung und zu bevorzu­gende Anbi­eter zieht sich der Entschei­dung­sprozess hin; zwis­chen­zeitlich wer­den die Vorhaben sog­ar gän­zlich auf Eis gelegt. Ende 1998 melden deutsche Medi­en, das deutsche Fre­gat­tenkon­sor­tium (Thyssen Rhe­in­stahl Tech­nik, Blohm + Voss, HDW) habe den Zuschlag für den Bau von vier Korvet­ten erhal­ten, und das deutsche U‑Boot Kon­sor­tium (HDW, Thyssen Nord­seew­erke, Fer­rostaal) solle drei U‑Boote bauen. Anfang 2000 erteilt die südafrikanis­che Regierung tat­säch­lich die Aufträge. Teil des Paketes sind Gegengeschäfte, die Arbeit­splätze und Investi­tio­nen im eige­nen Südafri­ka sich­ern sollen. 

Es darf an dieser Stelle nicht ver­schwiegen wer­den, dass im Zusam­men­hang mit bei­den Vorhaben immer wieder Kor­rup­tionsvor­würfe erhoben wer­den. Insid­er stellen allerd­ings fest, dass hier immer wieder auch ganz bewusst Fak­ten ver­dreht wer­den. Mehrere offizielle Unter­suchun­gen kön­nen die Vor­würfe jeden­falls nicht erhärten. Sich­er ist auf dem afrikanis­chen Kon­ti­nent Kor­rup­tion bei Rüs­tungs­geschäften an der Tage­sor­d­nung. In diesem Fall darf man im Großen und Ganzen aber wohl von poli­tisch motivierten, bloßen Behaup­tun­gen ausgehen. 

Zum Paket gehört offen­bar der Trans­fer von sechs bei der Deutschen Marine aus­ge­musterten Minen­ab­wehrbooten Klasse 351. Anfang 2001 wer­den sie auf einem Pon­ton nach Südafri­ka über­führt. Vier wer­den noch ein paar Jahre zur seemän­nis­chen Aus­bil­dung und in der Küsten­vor­feldüberwachung einge­set­zt; zwei dienen als schwim­mende Ersatzteil­lager. Mit ihrem Zulauf wer­den die let­zten noch verbliebe­nen Minen­such­er der TON-Klasse ausgemustert. 

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Im August 2001 begin­nt bei Blohm + Voss in Ham­burg der Bau der ersten Korvet­ten vom Typ Meko A‑200, später auch als VAL­OUR-Klasse beze­ich­net (und inzwis­chen offiziell als Fre­gat­ten klas­si­fiziert). Die 3.600 ts großen Schiffe erhal­ten nur einen Teil ihrer Aus­rüs­tung in Deutsch­land. Die endgültige Fer­tig­stel­lung erfol­gt in Südafri­ka, teils unter Nutzung von Sys­te­men der Boote der WAR­RIOR-Klasse, die nach und nach aus­ge­mustert oder zu reinen Küsten­pa­trouil­len­booten (ohne FK-Bewaffnung) umge­baut wer­den. Fast zeit­gle­ich begin­nt bei HDW in Kiel der Bau des ersten der drei U‑Boote von Typ 209/1400 SAN. Im Novem­ber 2003 wird die AMATOLA als erster der vier Neubaut­en nach Südafri­ka über­führt. Schon bald fol­gen ISANDLWANA, SPIOENKOP und MENDI. Die Endaus­rüs­tung dauert etwas länger als geplant, aber 2006/07 wer­den die vier Schiffe in Dienst gestellt. Zeit­gerecht tre­f­fen auch vier (2003) in Großbri­tan­nien als Bor­d­hub­schrauber bestellte Super Lynx 300 ein. 

Auch der Bau der U‑Boote kommt zügig voran. Schon im Früh­jahr 2005 begin­nt S‑101 mit Probe­fahrten in der Ost­see und wird noch im Novem­ber des gle­ichen Jahres in Kiel in Dienst gestellt. Nach Abschluss der Besatzungsaus­bil­dung ver­legt das Boot, das später den Namen MANTHATISI erhal­ten wird, in Begleitung des Ver­sorg­ers DRAKENSBERG auf eigen­em Kiel nach Südafri­ka; die anderen zwei U‑Boote fol­gen 2007 und 2008. 

MANTHATISI (Foto: Michael Nitz)
MANTHATISI
Foto: Michael Nitz

Mit der Indi­en­st­stel­lung der Fre­gat­ten und U‑Boote schließt die SAN in 2008 eine wesentliche Phase der umfan­gre­ich­sten Mod­ernisierung ihrer Geschichte ab und präsen­tiert sich sichtlich stolz mit ein­er Flot­ten­pa­rade ihrem Präsi­den­ten (inzwis­chen Thabo Mbeki).In sein­er Fes­trede spricht dieser von ein­er Flotte, die nun »genau den Bedarf ein­er region­al dominieren­den Marine mit großen ozeanis­chen Seege­bi­eten« deckt. 

Der dre­it­eilige Auf­trag lautet nun 

  • Sicherung der Küste, Hoheits­gewäss­er und der Auss­chließlichen Wirtschaft­szone (wobei auch andere Ressorts wie z.B. Fis­chereis­chutz tatkräftig unter­stützt werden)

  • Schutz der durch die Region ver­laufend­en Seeverkehrswege

  • Regionale Krisenein­sätze (vorzugsweise unter UN Man­dat) sowie human­itäre Hilfeleistung

Das Haup­tquarti­er der SAN befind­et sich in Pre­to­ria, weitab von der See. Neben dem Befehlshaber gibt es hier aber nur einen kleinen Stab, dessen primäre Auf­gabe die Abstim­mung mit der poli­tis­chen und mil­itärischen Führung sowie den anderen Teil­stre­itkräften ist. Oper­a­tive Führung erfol­gt durch den »Flag Offi­cer Fleet« im Flot­tenkom­man­do in Simon­stown. Hier sowie in Port Eliz­a­beth und Dur­ban sind die meis­ten schwim­menden Ein­heit­en sta­tion­iert. Eine aus­gek­lügelte, mobile Logis­tik ermöglicht der SAN, Ein­heit­en und Ver­bände kurzfristig in Auswe­ich­stützpunk­te zu ver­legen. Con­tainer­isierte logis­tis­che Pakete ermöglichen den kurzfristi­gen Auf­bau ein­er voll funk­tions­fähi­gen Basis in prak­tisch jedem Hafen, der ange­laufen wer­den kann. 

Der Per­son­alum­fang wird derzeit mit etwa 4.000 Sol­dat­en und 1.600 Zivilis­ten angegeben; dazu kom­men etwa 1.000 Reservis­ten. Im Per­son­al­bere­ich find­et sich eines der Haupt­prob­leme (neben Unterfinanzierung).Eingliederung zahlre­ich­er far­biger Wider­stand­skämpfer (ohne jede Marine-Erfahrung) sowie eine poli­tisch vorgegebene qua­si »Quoten­regelung« für Far­bige führen zum Auss­chei­den zahlre­ich­er weißer Sol­dat­en – meist unverzicht­bare Erfahrungsträger. Auch der 2005 ernan­nte heutige Befehlshaber, VAdm Refiloe Mudimu, hat seine Wurzeln an Land im bewaffneten Kampf gegen das ehe­ma­lige Aparthei­dregime; er wird anfänglich mit etwas Skep­sis betra­chtet, ist inzwis­chen allerd­ings all­ge­mein anerkan­nt. Der per­son­elle Umbruch gener­iert mas­sive Defizite bei Wartung und Instand­hal­tung sowie bei der Aus­bil­dung, die zeitweise gän­zlich zum Erliegen kommt. Viele Schiffe und Boote (vor allem die U‑Boote) kön­nen nicht durch­hal­te­fähig beman­nt werden. 

Das Ende der Apartheid bedeutet auch ein Ende der inter­na­tionalen Iso­la­tion. Schon 1992 besuchen südafrikanis­che Ein­heit­en Kenia, und zwei Jahre später wird die britis­che Roy­al Navy erst­mals seit den 60er Jahren wieder in Kap­stadt begrüßt. Es gibt erste bilat­erale See­manöver mit Ein­heit­en der US-Navy und der Roy­al Navy. In Analo­gie zum NATO-Pro­gramm »Part­ner­ship for Peace« beschließen Südafri­ka, Ango­la und Tansa­nia 1995, die regionale mar­itime Zusam­me­nar­beit auf eine neue Basis zu stellen. Südafri­ka bietet seinen Nach­barn sog­ar an, Werften und Exper­tise sein­er Marine-Indus­trie – als qua­si regionale Ein­rich­tun­gen – zur Ver­fü­gung zu stellen. 2003 wer­den drei Wach­boote NAMACURRA zur Unter­stützung inter­na­tionaler Frieden­strup­pen (Burun­di) auf den Tan­gan­jikasee ver­legt. Es fol­gen Flot­tenbe­suche in Europa, Südameri­ka und 2008 sog­ar in China. 

Übung der Maritime Reaction Squadron (Foto: Michael Nitz)
Übung der Mar­itime Reac­tion Squadron
Foto: Michael Nitz

Mit mehreren südamerikanis­chen Mari­nen und der indis­chen Marine wird eine Art »Südhalbkugel«-Partnerschaft mit jährlichen Übun­gen (Atla­sur, Ibsamar) aufge­baut. Gemein­same Übun­gen gibt es auch mit europäis­chen Mari­nen und sog­ar mit einem NATO-Ver­band. Zulet­zt führt man im März 2010 mit der Deutschen Marine am Kap die bilat­erale Übung »Exer­cise Good Hope« (mit FK-Schießen; siehe Titel­bild dieses Heftes) durch. Derzeit wird inten­siv über­legt, sich in die Anti-Pira­terieop­er­a­tio­nen an der ostafrikanis­chen Küste einzubrin­gen (vorzugsweise in Koop­er­a­tion mit Mosam­bik und Tansania). 

Im Dezem­ber 2008 wird die »Mar­itime Reac­tion Squadron« aufgestellt, eine Spezialein­heit für u.a. friedenser­hal­tende Ein­sätze und Hil­fe bei Naturkatas­tro­phen, die sich u.a. auf 2003 beschaffte kleine Lan­dungs­boote der LIMA-Klasse abstützt. 

Team GlobDef

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