Einzelne Staaten und Regionen der Welt sind in unterschiedlicher Ausprägung vom Erdöl aus den Vorkommen des Mittleren Ostens und damit von der freien Passage der Straße von Hormuz abhängig: Während Japan knapp achtzig Prozent seines Erdölbedarfs aus dem Großraum Persischer Golf deckt, beträgt der Umfang rund dreißig Prozent für Westeuropa und 22 Prozent für die USA. Deutschland ist mit rund acht Prozent vergleichsweise unabhängig von den Reserven der Region, während China ca. ein Drittel seiner Öleinfuhren von hier bezieht.
Die aufgezeigten Abhängigkeiten von der Region dokumentieren sich auch in der massiven Präsenz militärischer Kräfte. Neben den GKR-Staaten, dem Iran und dem Irak unterhalten als externe Mächte insbesondere Großbritannien, Frankreich und vor allem die USA größere militärische Kontingente am Persischen Golf. Weitere ernst zu nehmende (z. T. auch militärische) Akteure sind Russland und China, deren vornehmliches Interesse in der Aufrechterhaltung von Stabilität und der Sicherung eigener Energieflüsse liegt.
Das außenpolitische Selbstverständnis des Iran in der Ära Ahmadinedschad: Hegemonie als Staatsziel
Auch wenn der Iran im Innern und selbst innerhalb der regierenden Eliten keineswegs frei von Antagonismen und Spannungen um seinen außenpolitischen Kurs ist, so versteht es die Regierung Ahmadinedschad dennoch mittels aggressiver Rhetorik gegenüber dem Westen und Israel, durch demonstrative außenpolitische Gesten der Verbundenheit zu benachbarten Staaten (Irak, Afghanistan, Türkei) und zur muslimischen Welt sowie mit den Mitteln eines autoritären Staates, weite Teile der Bevölkerung hinter sich zu scharen. Durch seinen radikalisierenden Populismus vermag Ahmadinedschad es darüber hinaus auch, Initiativkraft gegenüber seinen außenpolitischen Widersachern zu entwickeln und zu erhalten. Dem zugrunde liegt der fast einhellige Anspruch vieler iranischer Außenpolitiker, eine bedeutsame Stellung des Landes im Mittleren Osten weiter auszubauen.
Traditionell versteht sich der Iran nämlich als die legitime Hegemonialmacht der Region, deren vorwiegend schiitische Prägung ihren wesentlichen Kontrapunkt im sunnitischen Saudi-Arabien und damit an der Gegenküste des Persischen Golfs findet. Durch seine exponierte, zentrale Lage, durch historisch gewachsene Verbindungen auch in den arabischen Raum und durch die gezielte, oft unterschwellige Einflussnahme auf politische Entwicklungen in seinem regionalen Umfeld befindet sich das Land gegenüber westlichen Mächten in einer vorteilhaften Situation, die es während der Ära Ahmadinedschad in besonderer Weise durch diplomatische Provokationen auszunutzen wusste und weiß. Zugleich stellt es sich aber auch als Leidtragender westlicher Interventionen in der Region dar.
Ahmadinedschad Quelle: Wikipedia |
Ahmadinedschad betrachtet sich selbst als einen Hüter des Erbes Ayatollah Khomeinis und muss als der am ehesten durch die Ideologie des Revolutionsführers geprägte iranische Staatspräsident nach seinen eher pragmatischen Amtsvorgängern Rafsandschani (1989–97) und Khatami (1997–2005) bewertet werden. In seinem religiösen Eifer fand Ahmadinedschad sich mehrfach – vor allem öffentlichkeitswirksam – bemüßigt, den eher moderaten Umgang mit den Werten der islamischen Revolution und die Öffnung nach Westen unter seinen Vorgängern als Perversion der Ideen Khomeinis anzuprangern.
Nur folgerichtig erscheint vor diesem Hintergrund die aggressive Rhetorik des Staatspräsidenten gegenüber Israel und dem Westen, welche zumindest von einigen politischen Beobachtern nicht als Privatmeinung Ahmadinedschads, sondern als die neue (eigentlich postrevolutionär alte) politische Linie des Iran bewertet wird. Ziel dieser Rhetorik war es unter anderem, das Zustandekommen einer Annäherung von Israelis und Palästinensern im Sinne der »Roadmap for Peace« durch Radikalisierung beider Seiten zu unterbinden und damit die eigene Position als »Sprachrohr« für die islamische Sache zu stärken.
Möglich geworden war diese im Ergebnis zunächst erfolgreiche iranische Politik erst durch die neu hinzugewonnene relative Stärke des Staates dank einer zwischenzeitlich veränderten »politischen Großwetterlage« im Nahen und Mittleren Osten. Der Iran muss unzweifelhaft als ein Gewinner des »Krieges gegen den Terror« der Vereinigten Staaten von Amerika bezeichnet werden – mit der Entmachtung der Taliban in Afghanistan im November 2001 und Saddam Husseins im Irak im April 2003 sowie der einhergehenden Destabilisierung beider Nachbarstaaten nahm die relative Bedeutung des Gottesstaates in der Region in erheblichem Umfang zu. Zumindest im Irak macht der Iran seine politischen Mitgestaltungsansprüche mutmaßlich regelmäßig geltend, indem er sog. »schiitische Aufständische« unterstützt.
Mit dem Willen der geistlichen Führer des Iran und dank seiner populistischen Fähigkeiten war Ahmadinedschad nach seiner Wahl in die Lage gekommen, den Iran zumindest verbal als das Zentrum der islamischen Zivilisation positionieren zu können, das die Muslime der Welt gegen »Zionisten« und »westliche Imperialisten« vereinige. Seine klare – auch programmatisch niedergelegte – strategische Zielvorstellung ist der Aufstieg des Iran zu einer regionalen Supermacht. Vor diesem Hintergrund muss die radikale Rhetorik des Staatspräsidenten als der Versuch interpretiert werden, die Bildung politischer und militärischer Bündnisse zwischen Israel und den arabischen Staaten (und hier insbesondere im Zusammenhang mit der Atomwaffenfrage) gegen den Iran durch gezielte Polarisierung zu verhindern.