Deutschland — Piraterie: Neue Kooperationsformen für maritime Sicherheit Deutschlands erforderlich

Sci­ence Fic­tion:
Vorschlag für ein Koop­er­a­tions­mod­ell Bun­de­spolizei – Marine
Auf welche Weise kön­nte nun eine solche gemein­same Oper­a­tion Marine-Polizei in der Prax­is organ­isiert wer­den? Hier ein beispiel­haftes Szenario: Eine deutsche Mari­neein­heit, die vor Soma­lia kreuzt, erhält über Funk Mit­teilung, dass ein deutsch­er Frachter vor dem Horn von Afri­ka von Pirat­en bedro­ht wird. Die Ein­heit nimmt Kurs auf den Ort des Geschehens und stellt den Sachver­halt fest. Sobald fest­ste­ht, dass ein Angriff von Pirat­en auf ein deutsches Schiff (oder das eines EU-Staates) vor­liegt, beantragt der Führer des Teams der Polizei beim Kom­man­dan­ten der Mari­neein­heit Amt­shil­fe. Daraufhin stellt der Kom­man­dant seine Ein­heit in erforder­lichem Umfang zur Ver­fü­gung, die Mari­neein­heit holt die Dien­st­flagge der Seestre­itkräfte nieder und set­zt die all­ge­meine Dien­st­flagge des Bundes. 

Von diesem Zeit­punkt an han­delt es sich um einen Ein­satz der Bun­de­spolizei unter Amt­shil­fe der Marine. Die Board­ingteams der Marine und der Bun­de­spolizei, deren unter­schiedliche tak­tis­che Auf­gaben vorher schon fest­standen und gemein­sam trainiert wur­den, begeben sich an Bord des Frachters und/oder des Piraten­bootes, bere­ini­gen die Lage und begin­nen mit der straf­prozes­sualen Bear­beitung des Fall­es durch das Board­ing- und Strafver­fol­gung­steam der Bundespolizei. 

Die festgenomme­nen Beschuldigten wer­den nach erfol­gter straf­prozes­sualer Behand­lung (nach Rück­sprache mit der für die Hohe See zuständi­ge Staat­san­waltschaft Ham­burg) entwed­er den Polizeikräften des Küsten­staates mit einem Pro­tokoll übergeben oder zur Sicherung der Strafver­fol­gung auf dem See- oder Luftweg nach Deutsch­land ver­bracht. Das für die Straftat ver­wen­dete Boot und weit­ere Aus­rüs­tung der Straftäter sowie son­stige Asser­vate wer­den nach erfol­gter Beweis­sicherung entwed­er vor Ort versenkt, ver­nichtet oder asserviert. Der Strafanzeigevor­gang wird in polize­ityp­is­chem Stan­dard erstellt und elek­tro­n­isch (Satellit/UMTS/Datenfunk) vor­ab der sach­bear­bei­t­en­den Dien­st­stelle, der Verbindungs- und Boardingein­heit am Sitz des Marin­e­ver­ban­des (VBE), über­mit­telt. Diese überwacht die End­bear­beitung oder führt sie bei län­gerem Aus­land­saufen­thalt der Mari­neein­heit selb­st durch. Asser­vate, die dinglich gesichert wer­den müssen, wer­den per Kon­sular- oder Diplo­maten­post, per Kuri­er oder postal­isch der VBE zugeleit­et und dem Vor­gang zuge­führt. Über die Festgenomme­nen entschei­det die zuständi­ge Staat­san­waltschaft bzw. der zuständi­ge Richter. 

Nach Abschluss der oper­a­tiv­en Maß­nah­men set­zt die Mari­neein­heit wieder die Dien­st­flagge der Seestre­itkräfte und nimmt ihren ursprünglichen Auf­trag auf. 

Han­delt es sich bei der vorste­hen­den Schilderung wirk­lich nur um Sci­ence Fic­tion? Nein, es han­delt sich um eines von mehreren real­is­tis­chen Szenar­ien für eine Koop­er­a­tion Marine/ Polizei, welch­es die deutschen Real­itäten hin­sichtlich Auf­gaben, Zuständigkeit­en und rechtlichen Anforderun­gen an polizeilich­es gerichts­festes Han­deln berück­sichtigt. Einige Fra­gen bleiben in diesem Beispiel-Szenario noch offen: das Zusam­men­wirken von Men­schen unter Beamten­recht und Sol­daten­recht, die Klärung der Art des Unter­stel­lungsver­hält­niss­es Mil­itär-Polizei an Bord im Ein­satz­fall und außer­halb dessen, die Frage des eventuellen Ein­satzes der Bewaffnung der Mari­neein­heit im Auf­trag der Bun­de­spolizei, die Verteilung der entste­hen­den Kosten zwis­chen Bun­deswehr, Bun­de­spolizei und Justiz. 

Nach der Überzeu­gung des Autors sind diese Fra­gen jedoch alle lös­bar. Solch ein Konzept kön­nte ohne Zweifel in einem Zeitraum von weni­gen Monat­en in den Test­be­trieb gehen. Sicher­lich wäre das ein wirk­lich­er Kraftakt, und möglicher­weise müssten für eine Über­gangszeit andere Auf­gaben zurück­gestellt wer­den. Beteili­gung der Län­der­polizeien in Form geeigneter Polizeibeamter zur Ver­stärkung in der Anlauf­phase wäre denkbar und wahrschein­lich nötig, es geht hier schließlich um den Schutz nationaler Inter­essen. Auch unter Berück­sich­ti­gung der erforder­lichen Maß­nah­men hin­sichtlich Pla­nung, Organ­i­sa­tion, Beschaf­fung, Aus- und Fort­bil­dung, Umbaut­en und Train­ing sollte die erste Marine-/Polizei-Besatzung inner­halb von drei bis vier Monat­en in der Lage sein, die ersten Erfahrun­gen in der Prax­is zu sammeln. 

Team GlobDef

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