Deutschland — Internationale Initiativen im Bereich maritimer Sicherheit und die Rolle der Marine

Viele »Spiel­er« tum­meln sich auf dem Feld mar­itimer Sicher­heit
Nun aber zu den bere­its beste­hen­den multi­na­tionalen Ini­tia­tiv­en: Ich habe ver­sucht, eine Über­sicht über die für Deutsch­land rel­e­van­ten Aktiv­itäten zu erstellen und dabei fest­gestellt, dass sich inzwis­chen eine Menge Spiel­er auf dem Feld mar­itimer Sicher­heit tum­meln. Allein – es fehlt auch hier an Koor­di­na­tion. So erschreck­end dieses Lage­bild auf den ersten Blick auch sein mag, es lässt sich Ord­nung in das Chaos brin­gen. Für uns sind neben den the­o­retis­chen Bemühun­gen der EU-Kom­mis­sion (MTF = Think­tank, keine Kräfte!) vor allem die Bemühun­gen der NATO, der EU und einiger Part­ner­staat­en von Inter­esse, auf die ich nun­mehr näher eingehe.

Marineforum

Blick­en wir zunächst über den großen Teich: Unser wichtig­ster strate­gis­ch­er Part­ner hat nach dem Schock des 11. Sep­tem­ber mas­sive Anstren­gun­gen unter­nom­men, um unter dem Ober­be­griff »Mar­itime Domaine Aware­ness« unter Führung eines Zwei-Sterne Admi­rals mit entsprechen­dem Per­son­al und einem Bud­get von über 90 Mio. USD einen strate­gis­chen Plan zur Imple­men­tierung mar­itimer Sicher­heit in den USA zu erstellen. Das amerikanis­che Konzept ste­ht wenige Monate vor der Fer­tig­stel­lung und sieht »Mar­itime Sicher­heit« als das Pro­dukt von ressortüber­greifend­er Zusam­me­nar­beit unter Ein­schluss von INTEL Dat­en. Mit Hil­fe aller mil­itärischen aber auch zivilen Kräfte (1.000 Ship Navy) sollen u.a. den USA verpflichtete oder wohl gesonnene Reed­ereien Ihre Infor­ma­tio­nen (Radar­lage­bilder, AIS Transpon­der) in das Net­zw­erk der USA ein­binden. Die USA streben so eine weltweite Über­sicht über poten­zielle Bedro­hun­gen an.

Einen räum­lich weitaus begren­zteren aber in der Inten­sität noch gesteigerten Ansatz ver­fol­gt Sin­ga­pur. Die geografis­che Lage am Aus­gang der Straße von Malak­ka spricht für sich und ist durch obige Risiken gekennze­ich­net. Daher hat sich Sin­ga­pur entschlossen, eine kom­plexe Strate­gie zur Bekämp­fung poten­zieller Bedro­hun­gen umzuset­zen. Dazu gehört im Gegen­satz zu dem US-amerikanis­chen Ansatz auch die Erfas­sung kle­in­ster Seefahrzeuge bis hin­unter zum Jet Ski, die über einen Transpon­der durch die Behör­den zu erfassen sein müssen. Sin­ga­pur set­zt u. a. auf mas­sive Präsenz von Kräften, auf Abschreck­ung und garantiert aus­ländis­chen Gästen ein Höch­st­maß an Force Protection.

Ital­ien hat vor etwas mehr als zwei Jahren ein Pilot­pro­jekt ges­tartet, das »Vir­tu­al Region­al Mar­itime Traf­fic Cen­tre« genan­nt wird. Dort wird unter Fed­er­führung der Marine ein Net­zw­erk betrieben, an dem sich derzeit mehr als zwanzig Natio­nen aus NATO/EU und dem Mit­telmeer­raum beteiligen.

Auch Deutsch­land hat sich diesem Sys­tem angeschlossen, das darauf abzielt, kom­merziell ver­füg­bare Dat­en über den Seev­erkehr sowie die den beteiligten Natio­nen ver­füg­baren offe­nen Dat­en zu einem Gesamt­lage­bild zu aggregieren, das dann den Betreibern zur Ver­fü­gung gestellt wird. Im Unter­schied zu den USA wer­den hier nur offene Infor­ma­tio­nen und keine Intel-Dat­en ver­ar­beit­et. Im Unter­schied zu Sin­ga­pur wer­den in der Regel nur Fahrzeuge mit ein­er Größe von mehr als 300 BRT erfasst, die über einen entsprechen­den Transpon­der ver­fü­gen. Den­noch gelingt es mit den vorhan­de­nen Dat­en, mehr als 90 Prozent des Seev­erkehrs im östlichen Mit­telmeer zu erfassen und so die Zahl der Abfra­gen bzw. Board­ings drastisch zu senken.

Da es sich um offene, nicht eingestufte Dat­en han­delt, wer­den Fra­gen der IT-Sicher­heit und des Daten­schutzes weitest­ge­hend ver­mieden. Das Pro­jekt wird derzeit weit­er aus­ge­baut und Deutsch­land prof­i­tiert etwa im Rah­men des UNIFIL Ein­satzes von den zur Ver­fü­gung ste­hen­den Lageinformationen.

Unter dem Gesicht­spunkt der Mar­iti­men Betrieb­ssicher­heit, also »safe­ty« nicht »secu­ri­ty« als Syn­onym für die äußere Sicher­heit betreibt die EMSA (Euro­pean Mar­itime Safe­ty Agency) ein Net­zw­erk, dass »Safe Sea Net« genan­nt wird. Die Ziele des SSN sind

  • Verbesserte Notfallreaktion,

  • Frühzeit­ige Erken­nung poten­tieller Gefahren (Entführung/Anschlag),

  • Verbesserung der Hafenlogistik,

  • Sta­tis­tis­che Ermit­tlun­gen über Schiffs­be­we­gun­gen und Hafenbesuche.

Es wird offen­sichtlich, dass Safe­ty und Secu­ri­ty nicht immer voneinan­der zu tren­nen sind. Wenn ein Schiff das SSN nutzt, um auf einen Pira­te­nan­griff aufmerk­sam zu machen, so berührt dies die äußere Sicher­heit. Erken­nt­nisse aus dem SSN sind also auch für Vol­lzugs­be­hör­den und die Marine von Interesse.

Team GlobDef

Seit 2001 ist GlobalDefence.net im Internet unterwegs, um mit eigenen Analysen, interessanten Kooperationen und umfassenden Informationen für einen spannenden Überblick der Weltlage zu sorgen. GlobalDefence.net war dabei die erste deutschsprachige Internetseite, die mit dem Schwerpunkt Sicherheitspolitik außerhalb von Hochschulen oder Instituten aufgetreten ist.

Alle Beiträge ansehen von Team GlobDef →