Allgemein — Piraterie 2008 — UN-Resolution 1816 (Update)

Die aktuelle Lage am Horn von Afri­ka
Zwis­chen­zeitlich plant das Tran­si­tion­al Fed­er­al Gov­ern­ment of Soma­lia (TFG) den Auf­bau ein­er eige­nen Küstenwache mit Hil­fe des franzö­sis­chen Sicher­heit­sun­ternehmens Sec­opex CSA. Das Unternehmen soll einen Ver­trag mit ein­er Laufzeit von drei Jahren ange­boten bekom­men haben. Sec­opex soll für die Aus­bil­dung soma­lis­ch­er Kräfte sor­gen, aber auch eine Art mar­iti­men Nachrich­t­en­di­enst zur Bekämp­fung der Krim­i­nal­ität an Soma­lias Küsten auf­bauen – zunächst mit eige­nen per­son­ellen Mitteln. 

Aktuelle Infor­ma­tio­nen Sach­stand 11. Jan­u­ar (Text: Klaus Mommsen): 

Zunächst ein­mal pos­i­tive Nachricht­en: Am 9. Jan­u­ar haben soma­lis­che Pirat­en den im Novem­ber gekaperten saud­is­chen Tanker SIRIUS STAR freige­lassen, nach­dem Lösegeld (ange­blich 2–3 Mio. US-Dol­lar) in einem Behäl­ter an einem Fallschirm über dem Schiff abge­wor­fen wor­den war. Nach Zahlung eines Lösegeldes kam auch der im Okto­ber gekaperte türkische Frachter YASA NESLISHAN frei. Damit erschöpfen sich die guten Nachricht­en lei­der aber schon. Den Platz der Freige­lasse­nen nehmen näm­lich schnell andere Schiffe ein. So kaperten Pirat­en am 3. Jan­u­ar einen kleinen, mit 2.000 t Diesel belade­nen jemeni­tis­chen Tanker und steuerten ihn unter die soma­lis­che Küste. Ein Frachter aus Sier­ra Leone kon­nte dage­gen am 5. Jan­u­ar vier kleine Piraten­boote noch ein­mal ausmanövrieren. 

Ungeachtet des Ein­tr­e­f­fens von immer mehr Kriegss­chif­f­en in der Region treiben die Pirat­en weit­er ihr Unwe­sen und wer­den dabei nur gele­gentlich „gestört“. So brachte die dänis­che ABSALON zwar ein Piraten­boot auf, musste die Insassen nach Kon­fiszierung ihrer Waf­fen aber wieder ziehen lassen, da sie nur während des Wartens auf Beute und nicht auf frisch­er Tat ertappt wor­den waren. Weniger Glück haben Pirat­en dage­gen, wenn sie auf ein franzö­sis­ches Kriegss­chiff stoßen. So kam die Fre­gat­te JEAN DE VIENNE hinzu, als Pirat­en ger­ade zwei Schiffe angrif­f­en. 19 Pirat­en wur­den festgenom­men und – wie bere­its andere Pirat­en in der Vor­woche — unverzüglich den Behör­den im nord­so­ma­lis­chen Punt­land zur Aburteilung übergeben. 

Bei­de Vor­fälle bele­gen ein­mal mehr, dass die an der EU Oper­a­tion Ata­lan­ta beteiligten Mari­nen unter völ­lig unter­schiedlichen poli­tis­chen Vor­gaben in den Ein­satz geschickt wur­den. Ins­beson­dere ist die Frage was mit festgenomme­nen Pirat­en geschehen soll, weit­er­hin ungek­lärt und wird es in den kom­menden Wochen (Monat­en?) wohl auch bleiben. Oper­a­tion Ata­lan­ta erfol­gt zwar im EU-Rah­men, aber die für die teil­nehmenden Ein­heit­en all­ge­mein gülti­gen Vor­gaben reflek­tieren nur den „kle­in­sten gemein­samen Nen­ner“ – und dieser ist beim offenkundi­gen poli­tis­chen Desin­ter­esse einiger Natio­nen, zu denen lei­der immer noch auch Deutsch­land zu zählen scheint, „sehr klein“. Die Erar­beitung klar­er dies­bezüglich­er Regelun­gen wurde bei der Vor­bere­itung von Ata­lan­ta mit Rück­sicht auf nationale Befind­lichkeit­en offen­bar geflissentlich ver­mieden. So haben denn Großbri­tan­nien und Frankre­ich, die sich offen­bar mit diesem Zus­tand nicht abfind­en mocht­en, in nationaler Ini­tia­tive bilat­erale Vere­in­barun­gen mit Kenia bzw. Punt­land geschlossen. 

Wo solche nationalen Vor­gaben fehlen und bish­er auch kein poli­tis­ch­er Wille zu erken­nen ist, solche zu schaf­fen, wer­den sich die vor Soma­lia einge­set­zten Ein­heit­en weit­er­hin mit bloßer Abschreck­ung beg­nü­gen. Dass die EU-Oper­a­tion in ihrer Umset­zung damit weit hin­ter den mit den Res­o­lu­tio­nen des UN Sicher­heit­srates eröffneten Möglichkeit­en zu wirk­lich effek­tiv­er Bekämp­fung der Pira­terie zurück bleibt, ja die prak­tisch risikofrei agieren­den Pirat­en sog­ar eher noch ermuntern dürfte, stört voll­mundig — und völ­lig an der Real­ität vor­bei – von „robusten“ Rules of Engage­ment, ja sog­ar „Piraten­jagd“ redende Poli­tik­er bis­lang nicht. In Däne­mark führt dieses Dilem­ma inzwis­chen dazu, dass die Oppo­si­tion den Ein­satz der ABSALON been­det sehen will. Wenn Pirat­en nicht dingfest gemacht wür­den, sei die ganze Oper­a­tion nicht mehr als eine „teure Farce“. Übri­gens ist in Kopen­hagen offen­bar noch immer keine Entschei­dung gefall­en, was mit den in der Vor­woche von der ABSALON fest­ge­set­zten Pirat­en geschehen soll. Sie befind­en sich anscheinend nach wie vor an Bord. 

Am 8. Jan­u­ar hat die 5. US-Flotte (Bahrain) die Auf­stel­lung ein­er neuen Com­bined Task Force angekündigt. Die von einem US-Admi­ral geführte CTF-151 soll „ab Mitte Jan­u­ar“ die Bekämp­fung der Pira­terie in multi­na­tionalem Ver­bund koor­dinieren. Die USA rech­nen mit bis zu 20 teil­nehmenden Natio­nen und nen­nen dabei u.a. Frankre­ich, die Nieder­lande, Großbri­tan­nien, Pak­istan, Kana­da und Däne­mark. Es fällt auf, dass dies zum Teil Natio­nen sind, die bere­its in die EU Oper­a­tion Ata­lan­ta einge­bun­den sind. Da auch die US-geführte Oper­a­tion kein­er­lei erweit­erte Rules of Engage­ment erhal­ten soll, sich also weit­er­hin auf bloße Abschreck­ung beschränken soll, darf aus rein oper­a­tiv­er Sicht ihre Sinnhaftigkeit dur­chaus bezweifelt wer­den. Ver­mut­lich ist sie angesichts immer mehr am Horn von Afri­ka ein­tr­e­f­fend­er Mari­nen wohl eher als poli­tisch motiviert­er Ver­such zu ver­ste­hen, wie im Anti-Ter­ror­ein­satz (CTF-150) die regionale Kon­trolle zu behalten. 

Sich­er wird CTF-151 die Basis bieten, die Ein­sätze viel­er bish­er rein nation­al operieren­der Mari­nen über­greifend zu koor­dinieren und ihren Teil­nehmern wohl auch ein gemein­sames Lage­bild (mit – nicht geheimen — Aufk­lärungs­dat­en) zur Ver­fü­gung stellen. Die Ein­bindung von bere­its in anderen multi­na­tionalen Ein­satz­grup­pen operieren­den Natio­nen birgt allerd­ings die Gefahr eines Kom­pe­ten­zwirrwarrs, das Com­mand & Con­trol in der Region nicht ger­ade erle­ichtern dürfte. Übri­gens über­legt derzeit auch die NATO die Auf­stel­lung eines eige­nen Ver­ban­des, der allein oder in Ergänzung von Oper­a­tion Ata­lan­ta zum Ein­satz kom­men soll. Auch hier dürften wieder die gle­ichen Natio­nen gefragt sein – und auch die Rules of Engage­ment dürften die gle­ichen bleiben. So entste­ht denn ins­ge­samt der Ein­druck eines zunehmenden poli­tis­chen Aktion­is­mus, ohne dass bish­er auch nur ansatzweise Bemühen erkennbar wird, dem Übel „Pira­terie“ wirk­lich effek­tiv zu begegnen. 

Am 5. Jan­u­ar hat die chi­ne­sis­che Ein­satz­gruppe den Golf von Aden erre­icht und sofort einen Kon­voi chi­ne­sis­ch­er Han­delss­chiffe begleit­et. Ein Ange­bot auch tai­wane­sis­che Schiffe beim Tran­sit durch das Piratenge­bi­et zu sich­ern, wurde in Taipeh entsch­ieden zurück gewiesen. Dort über­legt man offen­bar die Entsendung eigen­er Kriegss­chiffe. Am 7. Jan­u­ar hat der rus­sis­che Zer­stör­er ADMIRAL VINOGRADOV „seine Arbeit“ im Golf von Aden aufgenom­men und erste zwei rus­sis­che Frachter begleit­et. In Aus­tralien wird ern­sthaft über­legt, sich mit einem Schiff am inter­na­tionalen Ein­satz zu beteili­gen (wohl im Rah­men von CTF-151). Ähn­lich­es gilt für Japan, wo derzeit ein Geset­zen­twurf disku­tiert wird, der japanis­chen Kriegss­chif­f­en den Waf­fenein­satz nicht nur in Selb­stvertei­di­gung, son­dern auch zum Schutz von Schif­f­en ander­er Natio­nen erlauben soll. 

Team GlobDef

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