Zwischenzeitlich plant das Transitional Federal Government of Somalia (TFG) den Aufbau einer eigenen Küstenwache mit Hilfe des französischen Sicherheitsunternehmens Secopex CSA. Das Unternehmen soll einen Vertrag mit einer Laufzeit von drei Jahren angeboten bekommen haben. Secopex soll für die Ausbildung somalischer Kräfte sorgen, aber auch eine Art maritimen Nachrichtendienst zur Bekämpfung der Kriminalität an Somalias Küsten aufbauen – zunächst mit eigenen personellen Mitteln.
Aktuelle Informationen Sachstand 11. Januar (Text: Klaus Mommsen):
Zunächst einmal positive Nachrichten: Am 9. Januar haben somalische Piraten den im November gekaperten saudischen Tanker SIRIUS STAR freigelassen, nachdem Lösegeld (angeblich 2–3 Mio. US-Dollar) in einem Behälter an einem Fallschirm über dem Schiff abgeworfen worden war. Nach Zahlung eines Lösegeldes kam auch der im Oktober gekaperte türkische Frachter YASA NESLISHAN frei. Damit erschöpfen sich die guten Nachrichten leider aber schon. Den Platz der Freigelassenen nehmen nämlich schnell andere Schiffe ein. So kaperten Piraten am 3. Januar einen kleinen, mit 2.000 t Diesel beladenen jemenitischen Tanker und steuerten ihn unter die somalische Küste. Ein Frachter aus Sierra Leone konnte dagegen am 5. Januar vier kleine Piratenboote noch einmal ausmanövrieren.
Ungeachtet des Eintreffens von immer mehr Kriegsschiffen in der Region treiben die Piraten weiter ihr Unwesen und werden dabei nur gelegentlich „gestört“. So brachte die dänische ABSALON zwar ein Piratenboot auf, musste die Insassen nach Konfiszierung ihrer Waffen aber wieder ziehen lassen, da sie nur während des Wartens auf Beute und nicht auf frischer Tat ertappt worden waren. Weniger Glück haben Piraten dagegen, wenn sie auf ein französisches Kriegsschiff stoßen. So kam die Fregatte JEAN DE VIENNE hinzu, als Piraten gerade zwei Schiffe angriffen. 19 Piraten wurden festgenommen und – wie bereits andere Piraten in der Vorwoche — unverzüglich den Behörden im nordsomalischen Puntland zur Aburteilung übergeben.
Beide Vorfälle belegen einmal mehr, dass die an der EU Operation Atalanta beteiligten Marinen unter völlig unterschiedlichen politischen Vorgaben in den Einsatz geschickt wurden. Insbesondere ist die Frage was mit festgenommenen Piraten geschehen soll, weiterhin ungeklärt und wird es in den kommenden Wochen (Monaten?) wohl auch bleiben. Operation Atalanta erfolgt zwar im EU-Rahmen, aber die für die teilnehmenden Einheiten allgemein gültigen Vorgaben reflektieren nur den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ – und dieser ist beim offenkundigen politischen Desinteresse einiger Nationen, zu denen leider immer noch auch Deutschland zu zählen scheint, „sehr klein“. Die Erarbeitung klarer diesbezüglicher Regelungen wurde bei der Vorbereitung von Atalanta mit Rücksicht auf nationale Befindlichkeiten offenbar geflissentlich vermieden. So haben denn Großbritannien und Frankreich, die sich offenbar mit diesem Zustand nicht abfinden mochten, in nationaler Initiative bilaterale Vereinbarungen mit Kenia bzw. Puntland geschlossen.
Wo solche nationalen Vorgaben fehlen und bisher auch kein politischer Wille zu erkennen ist, solche zu schaffen, werden sich die vor Somalia eingesetzten Einheiten weiterhin mit bloßer Abschreckung begnügen. Dass die EU-Operation in ihrer Umsetzung damit weit hinter den mit den Resolutionen des UN Sicherheitsrates eröffneten Möglichkeiten zu wirklich effektiver Bekämpfung der Piraterie zurück bleibt, ja die praktisch risikofrei agierenden Piraten sogar eher noch ermuntern dürfte, stört vollmundig — und völlig an der Realität vorbei – von „robusten“ Rules of Engagement, ja sogar „Piratenjagd“ redende Politiker bislang nicht. In Dänemark führt dieses Dilemma inzwischen dazu, dass die Opposition den Einsatz der ABSALON beendet sehen will. Wenn Piraten nicht dingfest gemacht würden, sei die ganze Operation nicht mehr als eine „teure Farce“. Übrigens ist in Kopenhagen offenbar noch immer keine Entscheidung gefallen, was mit den in der Vorwoche von der ABSALON festgesetzten Piraten geschehen soll. Sie befinden sich anscheinend nach wie vor an Bord.
Am 8. Januar hat die 5. US-Flotte (Bahrain) die Aufstellung einer neuen Combined Task Force angekündigt. Die von einem US-Admiral geführte CTF-151 soll „ab Mitte Januar“ die Bekämpfung der Piraterie in multinationalem Verbund koordinieren. Die USA rechnen mit bis zu 20 teilnehmenden Nationen und nennen dabei u.a. Frankreich, die Niederlande, Großbritannien, Pakistan, Kanada und Dänemark. Es fällt auf, dass dies zum Teil Nationen sind, die bereits in die EU Operation Atalanta eingebunden sind. Da auch die US-geführte Operation keinerlei erweiterte Rules of Engagement erhalten soll, sich also weiterhin auf bloße Abschreckung beschränken soll, darf aus rein operativer Sicht ihre Sinnhaftigkeit durchaus bezweifelt werden. Vermutlich ist sie angesichts immer mehr am Horn von Afrika eintreffender Marinen wohl eher als politisch motivierter Versuch zu verstehen, wie im Anti-Terroreinsatz (CTF-150) die regionale Kontrolle zu behalten.
Sicher wird CTF-151 die Basis bieten, die Einsätze vieler bisher rein national operierender Marinen übergreifend zu koordinieren und ihren Teilnehmern wohl auch ein gemeinsames Lagebild (mit – nicht geheimen — Aufklärungsdaten) zur Verfügung stellen. Die Einbindung von bereits in anderen multinationalen Einsatzgruppen operierenden Nationen birgt allerdings die Gefahr eines Kompetenzwirrwarrs, das Command & Control in der Region nicht gerade erleichtern dürfte. Übrigens überlegt derzeit auch die NATO die Aufstellung eines eigenen Verbandes, der allein oder in Ergänzung von Operation Atalanta zum Einsatz kommen soll. Auch hier dürften wieder die gleichen Nationen gefragt sein – und auch die Rules of Engagement dürften die gleichen bleiben. So entsteht denn insgesamt der Eindruck eines zunehmenden politischen Aktionismus, ohne dass bisher auch nur ansatzweise Bemühen erkennbar wird, dem Übel „Piraterie“ wirklich effektiv zu begegnen.
Am 5. Januar hat die chinesische Einsatzgruppe den Golf von Aden erreicht und sofort einen Konvoi chinesischer Handelsschiffe begleitet. Ein Angebot auch taiwanesische Schiffe beim Transit durch das Piratengebiet zu sichern, wurde in Taipeh entschieden zurück gewiesen. Dort überlegt man offenbar die Entsendung eigener Kriegsschiffe. Am 7. Januar hat der russische Zerstörer ADMIRAL VINOGRADOV „seine Arbeit“ im Golf von Aden aufgenommen und erste zwei russische Frachter begleitet. In Australien wird ernsthaft überlegt, sich mit einem Schiff am internationalen Einsatz zu beteiligen (wohl im Rahmen von CTF-151). Ähnliches gilt für Japan, wo derzeit ein Gesetzentwurf diskutiert wird, der japanischen Kriegsschiffen den Waffeneinsatz nicht nur in Selbstverteidigung, sondern auch zum Schutz von Schiffen anderer Nationen erlauben soll.