Allgemein — Arktis — Neue Front im Norden — Arktis-Fahrplan der US-Navy

Flagge USA

Dieser Artikel wird mit fre­undlich­er Genehmi­gung der “Marine­Fo­rum — Zeitschrift für mar­itime Fra­gen” veröf­fentlicht.

Marineforum

Neue Front im Nor­den — Ark­tis-Fahrplan der US-Navy

Von Sid­ney E. Dean
(Sid­ney E. Dean berichtet im Marine­Fo­rum regelmäßig zu Ereignis­sen und Entwick­lun­gen in den USA

Ende 2009 stellte die US-Navy ihren neuen »Ark­tis Fahrplan« (Arc­tic Roadmap) vor. Die Marine will Kon­se­quen­zen aus der Kli­maer­wär­mung ziehen, um die strate­gis­chen und wirtschaftlichen Inter­essen Amerikas in der Ark­tis zu sich­ern. Die Zeit drängt. »Die Erwär­mung schre­it­et in der Ark­tis dop­pelt so schnell voran wie auf dem restlichen Globus«, stellt das Arc­tic Roadmap Doku­ment fest. »Während die Prog­nosen bezüglich des kün­fti­gen Aus­maßes der ark­tis­chen Eis­decke durch wesentliche Ungewis­sheit geprägt sind, deutet der aktuelle wis­senschaftliche Kon­sens darauf hin, dass die Ark­tis im Zeitraum nach 2030 nahezu eis­freie Som­mer aufweisen könnte.« 

Als Kon­se­quenz dieser Ein­sicht erken­nt die Navy den Bedarf für neue Ein­satz­pläne und Konzepte für die Ark­tis. In diesem Rah­men fordert der Fahrplan u.a. Zusam­me­nar­beit mit anderen ark­tis­chen Anrain­er­staat­en zugun­sten der regionalen Sta­bil­ität sowie eine Über­prü­fung und ggf. Rev­i­dierung der rel­e­van­ten Zuständigkeitsverteilung unter den US-Oberkom­man­dos. Es müssen in den näch­sten Jahren auch Beschaf­fungs- und Stan­dor­tentschei­dun­gen getrof­fen wer­den, und Fra­gen Antworten finden: 

  • Braucht die Navy neue Schiffe, Flugzeuge, Kom­mu­nika­tion­ssys­teme und Überwachungssen­soren, um Amerikas Sicher­heitsin­ter­essen in ein­er weit­ge­hend eis­freien Ark­tis zu wahren?

  • Kön­nen Über­wasser­schiffe der gegen­wär­ti­gen Flotte ohne Mod­i­fizierung in der Ark­tis einge­set­zt werden?

  • In wieweit und ab wann muss eine ständi­ge Kräftepräsenz in der Ark­tis etabliert werden?

  • Müssen ständi­ge Stützpunk­te an der Nord­küste Alaskas entstehen?

Zwis­chen 2010 bis 2014 sollen die Antworten zu diesen Fra­gen erar­beit­et wer­den. Der unter Leitung von Rear Admi­ral David Tit­ley, Chefozeanograf der Navy, erstellte ark­tis­che Fahrplan gibt die Ziele vor und bildet den Rah­men, inner­halb dessen die erforder­lichen Pla­nungsseg­mente und Stu­di­en zu absolvieren sind. 

Strate­gis­che Auswirkun­gen des Kli­mawan­dels in der Ark­tis

Die Eiss­chmelze in der Ark­tis hat wesentliche strate­gis­che Auswirkun­gen. Ein­er­seits wer­den neue Rohstof­fquellen unter dem ark­tis­chen Meeres­bo­den erschließbar. Der geol­o­gis­che Ver­mes­sungs­di­enst der US-Regierung schätzt beispiel­sweise, dass bis zu einem Vier­tel der weltweit­en Öl- und Gas-vorkom­men dort liegen könnten. 

Wash­ing­ton muss in der Lage sein, amerikanis­che Gebi­et­sansprüche in der Region vorzu­tra­gen und durchzuset­zen. Die Befahrbarkeit des ark­tis­chen Meeres bedeutet aber auch, dass die Navy kün­ftig eine neue, rund 1.000 Meilen lange Küste vertei­di­gen muss – sowohl vor frem­den Kriegss­chif­f­en wie vor Ter­ror­is­ten auf getarn­ten Han­delss­chif­f­en oder Jacht­en, die u.a. Anschläge auf energiewirtschaftliche Infra­struk­turziele durch­führen könnten. 

Maß­nah­men zur Erstel­lung der mar­iti­men Lageken­nt­nis in der Ark­tis müssen daher kün­ftig erweit­ert wer­den, stellt das neue Fahrp­lan­doku­ment fest. Die Sicherung von amerikanis­chem Gebi­et sowie von amerikanis­chen Inter­essen wird auch eine ständi­ge Präsenz der US-Stre­itkräfte ein­schließlich der US-Küstenwache in der Region erfordern. 

Marineforum - US U-Boot am Nordpol (Foto: US Navy)
US U‑Boot am Nord­pol
Bildquelle: US Navy

Die primäre Zuständigkeit für die Wahrung amerikanis­ch­er Inter­essen im Bere­ich des ark­tis­chen Meeres wird naturgemäß der Marine zufall­en. Als eine sein­er ersten Amt­shand­lun­gen wies Präsi­dent Barack Oba­ma im Jan­u­ar 2009 das Vertei­di­gungsmin­is­teri­um an, eine mar­itime Präsenz in der Ark­tis zu gewährleis­ten, um amerikanis­che Sou­veränität­srechte zu wahren. Über die Jahre hin­weg – mit dem Schwinden der Eis­decke und der Zunahme der men­schlichen Nutzung der Ark­tis – wird die US Navy-Kräftepräsenz in der Region aus­ge­baut wer­den müssen, um die nationalen Inter­essen der Vere­inigten Staat­en zu schützen, erk­lärt Admi­ral Tit­ley. Sog­ar eine kün­ftige Flugzeugträger­präsenz in der Ark­tis sei nicht auszuschließen, erk­lärte Rear Admi­ral Tim­o­thy McGee, Kom­man­deur des Mete­o­rolo­gie- und Ozeanografiekom­man­dos der Navy, bere­its 2007 im Rah­men eines Pressebriefings. 

Die Kli­maverän­derung kön­nte allerd­ings auch pos­i­tive Aspek­te für die Navy haben. Ein weit­ge­hend – oder auch nur teil­weise – eis­freies Polarmeer öffnet den US-Stre­itkräften neue Mobil­ität­sop­tio­nen. Kriegss­chiffe und Logis­tikschiffe kön­nten durch eine Nor­droute die Tran­sitzeit­en zwis­chen der US-Ostküste und Ostasien wesentlich abkürzen. 

Koop­er­a­tion und Konkur­renz

Im inter­na­tionalen Ver­gle­ich reagieren die Vere­inigten Staat­en rel­a­tiv spät auf die ark­tis­chen Umweltverän­derun­gen. »Die Vere­inigten Staat­en haben sta­bile Beziehun­gen zu allen ark­tis­chen Anrain­er­staat­en, doch kön­nten die Umweltverän­derun­gen sowie die Konkur­renz um Ressourcen für zunehmende Span­nun­gen sor­gen; ander­seits kön­nten [die Verän­derun­gen] den Ansatz zu koop­er­a­tiv­en Lösun­gen bieten«, stellt das Fahrp­lan­doku­ment fest. 

Dabei kön­nen Unstim­migkeit­en dur­chaus auch mit eng­sten Ver­bün­de­ten entste­hen. So stellt sich Wash­ing­ton entsch­ieden gegen Ottawas Gebi­et­sanspruch über die Gewäss­er zwis­chen dem kanadis­chen ark­tis­chen Archipel und dem Festland. 

Marineforum - US U-Boot am Nordpol (Foto: US Navy)Nordpol

Die USA – eben­so wie die EU – betra­cht­en diese auf­grund Eiss­chmelze nun begren­zt befahrbare »Nord­west­pas­sage« als inter­na­tionale Wasserstraße. 

Den Ein­wand Ottawas, dass es im Zeital­ter des glob­alen Ter­ror­is­mus auch im Sicher­heitsin­ter­esse der USA wäre, wenn Kana­da den Zugang zu den Meeren­gen kon­trol­lieren würde, kon­nte Wash­ing­ton bis­lang nicht akzep­tieren. Auch wenn die kanadis­che Posi­tion grund­sät­zlich sin­nvoll ist, befürcht­en die USA, dass andere Archipel­staat­en – etwa Indone­sien – den kanadis­chen Präze­den­z­fall auf­greifen und ihre eige­nen strate­gis­chen Meeren­gen block­ieren könnten. 

Der Fahrplan weist aus­drück­lich darauf hin, dass die nationalen strate­gis­chen Richtlin­ien sämtlich­er Anrain­er­staat­en die Bedeu­tung der Ark­tis her­vorheben. Daher erken­nt die US-Navy Bedarf für ein Rah­men­werk zur Regelung der Ansprüche und Ver­hält­nisse in der Ark­tis; ein solch­es Rah­men­werk bietet die UN-Seerecht­skon­ven­tion, betont das Fahrp­lan­doku­ment. Die amerikanis­che Marine unter­stützt nach wie vor die Posi­tion der vorheri­gen und der gegen­wär­ti­gen US-Regierung zugun­sten eines amerikanis­chen Beitritts zur Konvention. 

Ungeachtet der Entwick­lung bezüglich der Seerecht­skon­ven­tion will die US-Navy die Zusam­me­nar­beit mit zivilen Behör­den, mit anderen US-Teil­stre­itkräften sowie mit aus­ländis­chen Stre­itkräften in der Ark­tis aus­bauen. Enge Kon­tak­te und ein ständi­ger Infor­ma­tion­saus­tausch bezüglich des Ark­tis-Fahrplans der US-Navy sollen aus­drück­lich mit den Seestre­itkräften und Küstenwachen Rus­s­lands, Japans, Großbri­tan­niens, Nor­we­gens, Däne­marks und Islands gepflegt wer­den. Es soll auch ein ver­stärk­ter Aus­tausch von Beobachtern bei ark­tis­chen Marineübun­gen der Anrain­er­staat­en angeregt wer­den. Auch bei der Entwick­lung verbessert­er Analyse- und Prog­no­sev­er­fahren bezüglich der Umwel­tentwick­lun­gen in der Ark­tis sollen die wis­senschaftlichen und hydro­grafis­chen Dien­st­stellen der US-Navy u.a. mit wis­senschaftlichen Insti­tuten der soeben genan­nten Natio­nen zusammenarbeiten. 

Fahrplan in drei Phasen

Admi­ral Gary Roug­head, Chief of Naval Oper­a­tions, gab den Fahrplan am 15. Mai 2009 in Auf­trag. Rear Admi­ral Tit­ley stellte zu diesem Zweck die Arbeits­gruppe Task-Force Cli­mate Change (TFCC) auf. TFCC überwacht und steuert auch die Umset­zung des Fahrplans durch die ver­schiede­nen zuständi­gen Pla­nungsstäbe und Forschungsämter der Navy. Das Pro­gramm ist in drei Phasen gegliedert. 

Phase 1 (Fiskal­jahr 2010):

  • Bestand­sauf­nahme der Ein­satzbere­itschaft der Flotte in der Ark­tis sowie der Ein­satzan­forderun­gen in der ark­tis­chen Region, inklu­sive Erstel­lung wahrschein­lich­er Bedrohungsszenarien;

  • Fest­stel­lung der strate­gis­chen Ziele der Navy in der Arktis;

  • Fort­ge­set­zte Part­ner­schaft­sen­twick­lung mit anderen Staat­en mit ark­tis­chen Interessen;

  • Befür­wor­tung des Beitritts der USA zur UN-Seerechtskonvention;

  • Entwick­lung eines Navy-eige­nen Stand­punk­ts bezüglich der Verteilung von Zuständigkeit­en in der Ark­tis unter den ver­schiede­nen TSK-gemein­samen US-Oberkommandos;

  • Entwick­lung neuer Umwelt­prog­nosetech­niken für die Arktis.

Phase 2 (2011–2012):

  • Fest­stel­lung der für die Ark­tis notwendi­gen Fähigkeit­en der Navy;

  • Um diese notwendi­gen Fähigkeit­en zu gewährleis­ten, Erstel­lung von Empfehlun­gen für kün­ftige Entwick­lungs- und Beschaf­fung­spro­gramme ab dem Etat 2014;

  • Fort­ge­set­zte Beteili­gung an Übun­gen in der Ark­tis (ICEX, Arc­tic Edge, Arc­tic Care);

  • For­mal­isierung neuer koop­er­a­tiv­er Beziehun­gen, um den Erfahrungs­stand und die Kom­pe­tenz der Navy auf den Bere­ichen S&R (Search and Resque), mar­itime Lageken­nt­nis sowie human­itäre Hilfe/Katastrophenhilfe in der Ark­tis zu stärken und um die Unter­stützung zivil­er Behör­den in Alas­ka im Krisen­fall auszuweiten.

Phase 3 (2013–2014):

  • Real­isierung der in Phase 2 für das Fiskal­jahr 2014 aus­gear­beit­eten Programmempfehlungen;

  • Ein­leitung multi­na­tionaler und bilat­eraler Aktio­nen zwecks Förderung der regionalen Sicher­heit und Stabilität. 

Team GlobDef

Seit 2001 ist GlobalDefence.net im Internet unterwegs, um mit eigenen Analysen, interessanten Kooperationen und umfassenden Informationen für einen spannenden Überblick der Weltlage zu sorgen. GlobalDefence.net war dabei die erste deutschsprachige Internetseite, die mit dem Schwerpunkt Sicherheitspolitik außerhalb von Hochschulen oder Instituten aufgetreten ist.

Alle Beiträge ansehen von Team GlobDef →